20. Ein gebrochenes Herz

Jason PoV:

"Der Pfeil rauschte an unseren Köpfen vorbei und bohrte sich in einen der Bäume. Die Monster gingen in Rauch auf und verblüfft sahen wir nach dem Ursprung dieser Rettung.
Gerade drehte ich mich auf dem Absatz um, da stieß meine Nasenspitze schon gegen die nächste Pfeilspitze. "Au!"
"Wieso treiben sich Halbgötter in unserem Wald umher?", fragte der Zentaur, der mir den Bogen ins Gesicht hielt.

Hinter ihm standen ca. 20 weitere Zentauren, die alle ihre Pfeile auf uns richteten. Sie sahen aus wie Chiron, doch ihre Gesichter waren alles andere als freundlich. Wenn Blicke töten könnten, würden wir schon als kleine Aschehäufchen auf dem nassen Waldboden liegen.

"Wir sind aus Camp Half-Blood", sagte Percy ruhig.
Ich bewunderte seine Gelassenheit, meine Hand klammerte sich fest um den Griff meines Schwerts, allzeit bereit sofort zuzustechen, wohingegen Percy sich Springflut in Form des Kugelschreibers in die Hosentasche schob, abwehrend die Hände hob und ein Grinsen auflegte.

"Chirons Truppe", sagte einer der Zentauren.
"Schweig, Asbolos!", fuhr ihn derjenige an, der noch immer seinen Pfeil direkt auf mein Gesicht richtete, es war ziemlich unangenehm in dieser Position keinen Millimeter zu zucken.

"Was wollt ihr hier?", fragte er erneut.
"Wir wollen die Magie retten", antwortete Percy wahrheitsgemäß, "Hekate schickt uns, wir wollen den Nebel aufrechterhalten."
Die Zentauren begannen aufgeregt zu murmeln und senkten ihre Waffen.

Der Anführer-Zentaur schnaubte verächtlich: "Pah, wir brauchen den Nebel nicht, um uns zu verstecken! Wir brauchen keine Schutzzauber, wir schaffen das ohne die Hilfe von euch Sterblichen!"

"Wie wollt ihr das schaffen, wenn die Menschen von der Magie erfahren? Alle Zauber dieser Welt verlieren ihre Wirkung. Vielleicht sogar die, die schon ausgesprochen wurden."

Einer der Zentauren schlug mit den Hufen auf den Boden. "Bane, vielleicht sollten wir ihnen helfen."
"Schweig!", wiehrte der Anführer, der offensichtlich Bane hieß.
Aspolos murmelte: "Firenze lag womöglich nicht falsch, als er ihnen helfen wollte."

"Firenze ist in Ungnade gefallen! Er hat uns verraten!", rief Bane.
Ich warf Percy einen verwirrten Blick zu, er betrachtete aber angestrengt den Boden und bemerkte mich nicht. Als ich mir ebenfalls die Erde ansah, konnte ich es auch sehen: viele kleine Spinnen, die in einer Reihe tiefer in den Wald liefen.

Das war ein komplett ungewöhnliches Verhalten für Spinnen.
Ich dachte an unsere Rettung der Athena Parthenos, Annabeths Auftrag und Arachne.

Ich strich mir mit der Hand über den Nacken. "Ihr kennt Chiron, das habt ihr vorhin gesagt... wollt ihr uns nicht helfen? Seinetwegen?"
In den hinteren Reihen konnte ich ein paar der Zentauren nicken sehen, doch Bane wirkte noch immer so, als würde ihm ein Stück Holz quer im Hals stecken.

"Wieso sollten wir Chiron helfen wollen?"
"Na, wegen der Party Ponies!", rief Percy gespielt genervt.

"Was?!", riefen die Zentauren und ich wie aus einem Munde.
"Na hört mal", meinte Percy, "die Party Ponies haben uns im Krieg geholfen, sahen dabei echt cool aus und haben sich dadurch echt viel Respekt verschafft. Wollt ihr echt schlechter dastehen als sie?"

Am liebsten hätte ich Percy auf die Schultern genommen und gejubelt, doch das wäre in der Situation vielleicht etwas unpassend gewesen. Annabeth meinte zwar oft genug, dass Percy sehr intelligent und gerissen war, doch durch seinen kindischen Humor wurde das oft überspielt.

Ein Zentaur mit weißem Fell und blonden Haaren meldete sich zu Wort: "Bane, das ist eine Schande! Wir müssen etwas unternehmen!"

Der Anführer ließ den Kopf hängen, er wirkte furchtbar bedrückt, als würde ihn diese Entscheidung viel Kraft kosten.
"Schön. Wir sehen uns um, kleiner Halbgott. Kommt in einer Woche wieder, bis dahin wissen wir mehr."

"Mehr über was?", fragte ich.
"Was hier vor sich geht, Blondie!"
Percy versuchte sein Lachen durch ein Husten zu verstecken, doch er verschluckte sich und musste sich an einem Ast festhalten, um nicht vornüber auf den Boden zu fallen.

"Eine Frage noch", sagte ich, als die Zentaurenbande sich schon abgewandt hatte und ihrer Wege gehen wollte.
"Was hat es mit den Spinnen auf sich?"

Banes Blick wurde finster.
"Es gibt Kreaturen in diesem Wald, die äußerst gefährlich für Sterbliche sind. An eurer Stelle würde ich nicht zu tief in den Wald gehen, ihr könntet nie wieder raus finden."

Die Party Ponies 2.0, wie Percy sie nannte, trabten davon und ließen uns in dem dunklen Wald zurück.
"Jetzt haben wir gar nicht 'danke' sagen können, dass sie uns die Monster vom Leib gehalten haben."
Ich zuckte mit den Schultern. Das würde ihnen bestimmt nicht in den Knochen liegen.

Zusammen machten wir uns auf den Rückweg.
Schweigend liefen wir nebeneinander her und horchten den Tieren des Waldes, jedoch war es deutlich anders, als in einem normalen Wald zu laufen. Es gab kein Vogelgezwitscher, keine Eichhörnchen, keine Eulen - zumindest hörte man nur die Monster. Ein Brüllen, ein Zischen, Schreie, ein Krächzen... ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken

Und dann... ein Krachen, ein Baum fiel direkt neben uns einfach um. Sofort zückten wir unsere Schwerter, doch nichts war zu sehen. Keine Monster weit und breit.

Unser Blick fiel auf den Himmel, wo immer mehr Fetzen des Schutzzaubers abblätterten.
"Wir müssen die Lehrer warnen!", rief ich und wir rannten los.

Wir liefen einfach in die Richtung aus der wir gekommen waren, oder aus der wir glaubten, gekommen zu sein. Denn anstatt, dass das Laub weniger würde, wurde es immer dichter und dichter.

"Wir rennen in die falsche Richtung", prustete Percy.
"Götter, wir brauchen jemanden, der sich hier auskennt."
"Da dürften wir um die Uhrzeit schlechte Karten haben."

Ein weiterer Baum krachte neben uns zu Boden. Ich zuckte so stark zusammen, dass ich beinahe mein Schwert fallen ließ. Ich war überhaupt nicht bei der Sache und wenn das so weiterging, würde ich für Percys und meinen Tod die Schuld tragen.

Danach passierte alles furchtbar schnell.
Wie aus dem Nichts schossen Seile oder etwas ähnliches auf uns zu. In der Dunkelheit war es schwer, auszuchmachen, was uns da angriff.

Wir landeten auf dem Boden und ich sah, im Schein von Percys Schwert, viele kleine Spinnen und mehrere größere der gleichen Sorte.

Das waren keine Seile, das waren Spinnenfäden. So musste sich Annabeth gefühlt haben, so verloren und hilflos. Nur mit wenigen Unterschieden: sie war allein und hatte panische Angst vor Spinnen. Und das Leben ihrer Freunde hing allein von ihr ab.
Wenn ich es mir recht überlegte, war unsere Situation gar nicht so übel.

Ich versuchte mit meinem Schwert die Fäden zu kappen, doch bei der Geschwindigkeit, in der wir über den Boden gezogen wurden, fiel es mir klirrend aus der Hand.
Wars das? Würden wir beide gleich sterben?

Ich warf Percy einen Blick zu, auch er kämpfte mit den Fäden. Sobald er einen abgeschnitten hatte, fielen zwei neue über ihn her, wie bei den Köpfen der Hydra.

Es half alles nichts. Mein Rücken brannte, ich spürte jeden Stein, jedes kleine Stück Holz über das ich geschliffen wurde.
"Was sollen wir tun?", rief ich Percy zu.

Er antwortete nicht und wir waren nun in einem Teil des Waldes angelangt, wo ich nicht einmal die Hand vor Augen sehen konnte.
Doch plötzlich wurde der Druck um meine Knöchel weniger, Percys Schwert leuchtete neben mir auf.

"Ich kann dich befreien", meinte Percy. Ich zog scharf die Luft ein.
Wenn er mich befreien konnte, aber sich selbst nicht, musste das Monster ihn wollen.

"Und was ist mit dir?", zischte ich wütend zurück. Niemals würde ich ihn zurücklassen.
"Ich schaffs hier nicht weg, aber du schon!"
"Percy, Nein!"

Er drückte mir sein Schwert in die Hand. "Befreie dich. Springflut kommt zu mir zurück, wenn ich es brauche."
"Ich lass dich hier nicht allein, was ist mit Annabeth?"

"Einer von uns muss überleben und das bist du. Ich komme hier nicht los, du musst zu ihr und ihr sagen, was mit mir passiert ist. Sie soll nicht..."
Er brach ab, ich konnte seine Augen glitzern sehen, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen.

"Sie soll nicht wieder im Ungewissen sein. Sag ihr was mit mir ist. Nimm ihr die Hoffnung! Sie soll nicht nach jemandem suchen, der tot ist!"
Sofort spürte ich den Kloß in meiner Kehle wachsen, in all den Jahren, in denen ich Krieger begegnet war, die bereit waren, ihr Leben im Kampf aufs Spiel zu setzen... nie gab es einen Halbgott, der bereit war sich zu opfern, damit es einem anderen besser ging, obwohl das noch immer relativ war.

"Annabeth wird es nur gut gehen, wenn du bei ihr bist! Ihr gehört zusammen!"

"Sie soll nicht nach mir suchen!"

Und mit einem Ruck riss er mir sein Schwert aus der Hand, schlug die Spinnenfäden ab und warf es mir zurück.
Er wurde in die Dunkelheit gezogen, bevor ich überhaupt die Chance hatte, mich aufzusetzen.

"Percy", fluchte ich leise vor mich hin, "keiner mag Märtyrer."
Und ich schlug mit dem Schwert in den Boden. Die Erde erzitterte und ein großer Klotz landete neben mir zu Boden.
Moment. Das war kein Klotz, es hatte Beine, acht Beine. Das Ding war furchtbar riesig.

Ich stach zu, feiner Goldstaub rieselte zu Boden, doch ein Zischen jagte mir von hinten über den Rücken.
Ich leuchtete mit Springflut durch die Umgebung, überall saßen solche großen Spinnen, es waren hunderte und tausende kleinere.

Ich rannte los."

"Und irgendwann hatte ich sie abgeschüttelt, ich hab einige von ihnen erstochen."

Ich war mit meiner Erzählung am Ende, Annabeth saß im feuchten Gras und weinte bitterlich.
Ich hatte ihr gesagt, was Percy von mir verlangte, er sei tot und würde nicht mehr zurückkommen. Genau das, weswegen ich so wütend auf Nico war.

War das falsch? Ihr die Hoffnung nehmen, damit sie nicht enttäuscht wird? Es war jedenfalls nicht richtig.

Ich warf einen Blick in den Wald. Er war Percy Jackson. Wenn das irgendwer überleben könnte, dann er.

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