✓|13. Zusammenbruch
⊱↯•Ron•↯⊰
Zusammen mit Hermine und Harry saßen wir beim Mittagessen in der großen Halle. Doch im Gegensatz zu mir schien keiner der zwei wirklich Appetit zu haben.
Während Hermine seit geschlagenen zwanzig Minuten für zwei mickrige Bohnen brauchte, hatte Harry seinen kärglich beladenen Teller nicht einmal angerührt.
Ich hatte einen Bärenhunger, doch konnte ich die dunklen Schatten unter den Augen meines besten Freundes nicht ignorieren.
Harry stocherte mit seiner Gabel bloß zwischen den Kartoffeln mit Soße herum, er schien uns bloß beruhigen zu wollen, doch wirklich Mühe gab er sich damit nicht.
"Alter, du musst was essen. Bald beginnt das Quidditchtraining."
Harry schnaubte. "Ich denke nicht, dass ich dieses Jahr Zeit dafür habe..."
Mir klappte der Mund auf. Das war ein Scherz - das musste einer sein. Gleich würde er lachen, mich einen Idioten nennen, dass ich ihm das abgekauft hatte...
Hermine lächelte. "Dann kannst du dich besser auf deine Abschlussprüfungen vorbereiten, das ist vernünftig."
Ich wusste nicht, über wessen Verhalten ich bestürzter sein sollte. Hermine hatte mich vor einigen Tagen nach Harrys Anfall beiseitegenommen, und mir eingeredet, wir dürften ihn in dieser Zeit bloß nicht aufregen, doch das hier war der blanke Wahnsinn.
"Das kann doch nicht euer Ernst sein!"
"Ronald", mahnte mich meine Freundin, doch darauf ging ich gar nicht erst ein.
"Harry - Quidditch - das ist genau das, was du jetzt brauchst. Du musst dich auf deinen Besen schwingen und ein paar Runden um das Feld drehen."
Mein bester Freund hob nicht einmal die Mundwinkel. Seine Augen starrten mir nur leblos und leer entgegen. Es war, als würde Harry - der echte Harry - einfach nicht mehr vor mir sitzen.
"Ich bin für das Team keine sichere Wahl mehr", sagte er stumpf, ehe er sich wieder halbherzig seinen Kartoffeln zuwandte.
Ich runzelte die Stirn und blickte hilfesuchend zu Hermine, doch die sah nur ebenso niedergeschlagen zurück.
Doch so schnell würde ich nicht aufgeben.
"Wer ist eigentlich Mannschaftskapitän dieses Jahr? Harry, du hast dich ja zu spät zurückgemeldet für das Schuljahr... - sonst wärst du sowieso im Team."
Hermine gluckste plötzlich. Überrascht wandte ich mich ihr zu.
"Ronald, wo hast du denn Augen und Ohren?" Missbilligend, doch mit einem Grinsen auf den Lippen schüttelte sie den Kopf. "Deine Schwester."
Ich verschluckte mich an meinem Brathähnchen. "G-ginny?!"
"Wie viele Schwestern hast du noch?"
"Sie hat überhaupt nichts gesagt", erwiderte ich schroff und stützte mein Kinn auf meiner Handfläche ab. Ich schob meinen Teller von mir und sah am Tisch auf und ab, doch einen weiteren Rotschopf konnte ich nicht ausmachen.
Hermine war nun ebenfalls fertig mit ihrem Mittagessen und betrachtete Harry fürsorglich, ehe sie den dicksten Wälzer aus ihrer Tasche zog, den ich je gesehen hatte. Ich wollte mich gerade über sie lustig machen, da erhaschte ich gerade noch meinen besten Freund, dessen Augen nach innen gerollt waren. Erschrocken fuhr ich hoch und stieß dabei unsanft mit meinen Knien gegen die Holztischplatte, weswegen einige Gläser und Teller klirrten.
Doch keiner achtete auf mich, als Harry von der Bank kippte und wieder einen dieser Anfälle erlitt.
Hermine und einige andere schrien. Ich hechtete über den Tisch, stieß unsanft jegliches Geschirr aus meinem Weg und landete neben meinem besten Freund auf den kalten Steinfliesen der großen Halle.
Vom Lehrertisch war reges Treiben zu hören, doch ich konzentrierte mich nur auf Harry. Sein Kopf war auf dem Boden aufgeschlagen und blutete, er zitterte und zuckte.
"Harry!", rief ich und packte ihn an den Schultern.
"Nein, Ron", keuchte Hermine, "Fass ihn nicht an, du tust ihm noch weh!" Ihr standen erneut Tränen in den Augen, sie hatte beide Arme um ihren kleinen Körper geschlungen und sah voll Entsetzen auf unseren Freund herab.
"Aus dem Weg!", befahl McGonagall, die sich durch die große Schülermasse kämpfte und auf uns zusteuerte.
"Ich will das nicht!", brüllte Harry auf einmal und begann um sich zu schlagen. "Professor, helfen Sie mir!"
Tränen liefen auch ihm über das schweißnasse Gesicht.
"Professor, bitte!"
Er versteifte sich, presste die Lippen zusammen und ballte die Hände zu Fäusten.
Völlig hilflos blickte ich auf ihn hinab, als er auf einmal wieder zu zucken begann mir den Zauberstab aus der Hand riss.
"Ich will das nicht!", keuchte er. Es sah aus, als würde sich seine Finger um den Stab verkrampfen, während er gleichzeitig versuchte, sie zu lösen.
"Harry", sagte ich laut und deutlich. Ich wollte ihm den Stab abnehmen, bevor er ihm Wahn etwas Dummes anstellen konnte, doch es war zu spät.
"Professor! Hilfe!"
McGonagall hatte uns inzwischen erreicht, doch während sie gleichzeitig versuchte, die schaulustigen Schüler zu vertreiben und Harry von ihnen abzuschirmen, geschah es...
"NEIN! AVADA-"
Grüne Funken stoben aus seiner - meiner - Zauberstabspitze, Schreie durchzuckten die große Halle und die Schüler rannten wild durcheinander, brachten McGonagall beinahe zu Fall. Völlig erstarrt fixierte ich meinen besten Freund, nicht imstande etwas zu unternehmen.
"EXPELLIARMUS!"
Stille setzte ein. Ohrenbetäubend und starr.
Hermine stand schockiert inmitten des Trubels, den Zauberstab gezückt und auf Harrys nun leere Hand gerichtet. Stumme Tränen rannen ihr weiterhin über die Wangen. Sie zitterte und lockerte ihren Griff erst, als ich bei ihr war, ihre Faust mit meiner umschloss und sie in meine Arme zog.
Ein Flüsterfeuer nach dem anderen war entzündet, die Hysterie erstarb, doch was folgte, war so viel schlimmer.
'Potter ist verrückt geworden.'
'Er wird uns alle umbringen...'
'Er muss weggesperrt werden! Es geht um unsere Sicherheit.'
McGonagall selbst sah ebenfalls - und das erschreckte mich wohl am meisten - völlig entsetzt und hilflos drein. Sie schüttelte jegliche Zweifel von sich und hob die Stimme, übertönte jedes Summen von Getuschel.
"Das Mittagessen ist vorbei! Gehen Sie augenblicklich in Ihre Gemeinschaftsräume! Der Nachmittagsunterricht entfällt!"
Keines dieser elenden Klatschmäuler ließ es sich zweimal sagen, sie strömten wie ein wilder Schwarm kleiner Insekten hinaus, dem Licht hinterher, so dass sie jedem erzählen konnten, der es hören wollte (oder nicht), was sie eben miterlebt hatten. Wie ihr Retter, der große Harry Potter schlussendlich doch verrückt geworden war.
"Mr. Weasley, Miss Granger? Würden Sie bitte mitkommen?" McGongall beschwor eine Trage unter Harry herauf. Bewusstlos lag er da, verkrampft und doch endlich ruhig.
Den einen Arm noch um Hermine gelegt, griff ich mit meiner freien Hand nach seiner. Wenigstens das konnte ich tun. Wenn auch nur das...
•|⊱↯⊰ |•
Madame Pomfrey legte ihm ein feuchtes Tuch auf das schweißnasse Gesicht. Seine Stirn glühte und er war jetzt seit mehreren Stunden nicht aufgewacht.
Professor McGonagall hatte sich der Situation angenommen, Kingsley Shacklebolt über den Vorfall in der Halle in Kenntnis zu setzen, bevor irgendwelche übereifrigen Idioten ihren Eltern schrieben und die Eulen mit Klagen und Beschwerden in sein Büro flatterten, ehe er überhaupt wusste, was passiert war.
Hermine und ich waren seitdem nicht mehr von Harrys Seite gewichen, egal wie oft Madame Pomfrey versucht hatte, uns hinauszuwerfen.
Stattdessen gesellte sich Ginny wenig später noch dazu und griff nach seiner Hand.
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit erzitterten seine Wimpern, ehe er die Lider aufschlug und bei dem grellen Licht gleich wieder zusammenpresste.
"Merlin!", stöhnte er und drückte sich beide Handflächen in die Augenhöhlen. Er ließ die Arme wieder neben sich fallen, blinzelte und setzte sich auf.
"Harry, wie geht es dir?" Hermine war aufgesprungen und betastete seine Stirn. Sie lächelte. "Du bist nicht mehr so heiß."
"Na vielen Dank auch", erwiderte er schief grinsend.
Hermine rollte mit den Augen. "Du hast kein Fieber mehr."
Er nickte und schwang die Beine aus dem Bett. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen, sein Gesicht wirkte grau, eingefallen... leblos. Harry räusperte sich und holte tief Luft, ehe er fragte: "Ist das wirklich passiert? Das, woran ich mich erinnere?"
"Du erinnerst dich?", rief Hermine schrill in eben jenem Moment als Ginny sagte: "Woran erinnerst du dich?"
Harry schluckte schwer. Sein Blick wanderte zu mir und mit einem Nicken bejahte ich seine Frage. Ich hatte gehofft, er hätte vergessen, er hätte überhaupt nicht realisiert, was da vorhin passiert war, dass das alles ein kosmischer Scherz wäre und ich mich ebenfalls geirrt hätte. Ich hatte gehofft in einem dieser Krankenhausbetten aufzuwachen, völlig benommen und benebelt und dieser ganze Tag wäre nie geschehen.
"Hermine hat dich entwaffnet, bevor jemand... verletzt - bevor etwas Schlimmes passiert ist."
"Wie viele haben's mitbekommen?"
"Bis jetzt weiß es sicher die ganze Schule", sagte Ginny unverblümt. Sie setzte sich neben ihn und griff erneut nach seiner Hand. "Wann hast du das letzte Mal geschlafen, Harry?"
Er sagte eine ganze Weile nichts. Er fuhr gedankenverloren über Ginnys Handrücken, ehe er zu uns aufsah. Der Anblick jagte mir einen Schauer den Rücken hinunter.
"Ich... ich kann nicht schlafen, immer, wenn ich die Augen zumache,- ich sehe sie alle, wie sie mich anflehen, sie zu retten und ich kann es nicht..."
"Du hast heute Nacht, nachdem ich und Ron dich in deinen Schlafsaal gebracht haben, nicht geschlafen, oder? Du bist wach geblieben?"
"Es tut mir leid", hauchte er, seine Stimme war kratzig, beinahe nur ein Flüstern. Er vergrub das Gesicht in den Händen.
Hermine schniefte und schmiegte sich an mich.
"Harry", ich griff ihn bei der Schulter, "du musst schlafen, sonst hören diese Halluzinationen nie auf - Madam Pomfrey kann dich mit Tränken versorgen, die dir einen traumlosen Schlaf versprechen, aber du musst wirklich auf dich achten. Sonst drehst du noch völlig durch!"
"Er hat Recht, Harry, das ist nicht gesund", sagte Hermine, "ich habe auch noch manchmal Albträume aus dem Malfoy Manor von Bellatrix... du bist nicht alleine."
"Nach der Schlacht bin ich bei jedem lauten Geräusch zusammengeschreckt, habe eine von Mums Vasen sieben Mal zerdeppert", grinste ich. "Selbst mit Zaubersprüchen war sie nicht mehr richtig heil zu kriegen."
Seine Mundwinkel zuckten verdächtig in die Höhe, doch das Lachen wuchs nicht über seine Lippen hinaus. Seine Augen blieben glanzlos und matt.
Ginny seufzte. "Tja, und ich habe meine Familie im Stich gelassen, weil ich so neben der Spur war. Aber weißt du, wer uns alle wieder auf den richtigen Pfad geführt hat? Du. Nur du, Harry. Deswegen ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es jetzt dir besser geht."
Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, bei dem ich den Kopf abwandte. Ich war mit der Beziehung der beiden einverstanden, auch wenn ich absolut nicht verstand, ob sie nun zusammen waren oder nicht. Mich beschlich dabei das Gefühl, dass den beiden allerdings selbst nicht ganz bewusst war, was da zwischen ihnen lief. Hermine seufzte zufrieden und verschränkte unsere Finger miteinander, ehe sie sagte: "Wir lassen euch zwei mal allein. Ich bringe dir alle Hausaufgaben, Harry. Versprochen!"
Wenig begeistert nickte er. "Danke, Hermine, ich wüsste nicht, wie ich es auch nur einen Tag ohne einen Berg Pergament aushalten sollte." Er grinste, dieses Mal war es echt. Hermine streckte ihm die Zunge entgegen und zog mich mit sich aus dem Krankenflügel.
"Wir sehen uns, Harry!", rief ich noch, bevor die Türen hinter uns zufielen und Hermine und ich händchenhaltend im Korridor zum Stehen kamen.
"Glaubst du", setzte Hermine an, doch ich unterbrach sie mit einem Kuss.
"Harry hat den Tod überlebt. Der schafft alles." Zuversichtlich blickte ich ihr in die schokoladenfarbenen Augen.
"Ich liebe dich, Ronald Weasley."
Völlig verdattert sah ich zu ihr hinab, ehe sich ein breites Lächeln auf meinen Lippen ausbreitete.
"Das wird ja auch Zeit." Spielerisch schlug sie mir gegen den Oberkörper und grinste schüchtern zu mir auf.
"Ich liebe dich auch, Hermine."
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