✓|06. Im Hogwartsexpress
⊱↯•Ron•↯⊰
Dad trat die Bremse seines neuen Wagens durch, als wir rasant in eine der wenigen Parklücken vor dem großen Bahnhofsgebäude King's Cross schlitterten.
Der nicht richtig eingerastete Gurt verlor seinen letzten Halt und ich rutschte von meinem Sitz, wobei ich Hermine beinahe das Buch aus der Hand schlug.
"Ronald! Jetzt mal ehrlich, du benimmst dich, als säßest du zum ersten Mal in einem Auto." Verärgert räusperte sich Hermine, sprang selbst auf und öffnete die Wagentür, bevor sie hinauskletterte und Dad mit dem Kofferraum half.
Ich verschränkte die Arme und sah ihr wütend nach. "Ich bin noch nicht oft in einem Auto gefahren!"
"Dafür aber schon zweimal geflogen", grinste Ginny, ehe sie Hermine hinaus folgte. Harry lachte, doch er half mir wieder auf die Beine.
Nachdem unsere Koffer auf große metallene Karren geschnallt waren, liefen wir, diese vor uns schiebend, zielstrebig und etwas gehetzt auf die Mauer zwischen Gleis 9 und 10 zu. Der Zug würde in wenigen Minuten abfahren, doch eine Truppe von Jugendlichen - dem Akzent nach waren sie Amerikaner -, die ich zuvor noch nie gesehen hatte, blockierten unseren Weg.
Ein überaus hübsches Mädchen mit gebräunter, dunkler Haut und kurzen, braunen Haaren, in denen eine Adlerfeder eingeflochten war, hatte die Hände in die Hüften gestemmt und schüttelte den Kopf.
"Ich werde ganz sicher nicht gegen eine Wand laufen, Annabeth!"
Die Blondine, mit der sich das Mädchen stritt, wirkte sichtlich genervt.
"Der Zug fährt in zwei Minuten ab und der Kerl hat gesagt -"
"Ist mir egal. Es wirkte sowieso etwas suspekt. Die bleiche Haut, ganz in schwarz..."
"Das klingt, als würdest du Nico beschreiben", lachte ein großer Junge mit genauso schwarzen Haaren wie Harry, der einen weiteren Jungen stützte. Ob er wohl krank war?
"Ron, beeil dich!", rief Hermine, die schon weiter vorne stand und mir zuwinkte. Sie, Harry, Dad und Ginny hatten sich schon durch die Menge hindurchgekämpft und standen nun vor der Absperrung.
Im Vorbeigehen stieß ich das hübsche Mädchen beiläufig an. Schnaubend wandte sie sich zu mir und wollte gerade losschimpfen, als ich sagte: "Ihr solltet durch die Wand laufen. Der Zug fährt in ein paar Minuten."
Ihr blieben die Worte im Halse stecken und ich ging grinsend weiter.
"Habt ihr die gesehen?", fragte Ginny und wurde leicht rot um die Nase.
Harry, dem das ebenfalls aufgefallen war, nickte grimmig und schob seinen Koffer als erstes durch die Absperrung. Ich folgte ihm nur einen Augenblick später.
"Amerikaner", sagte ich. "Sie wollen scheinbar auch nach Hogwarts. Haben wohl schon jemanden nach dem Weg gefragt, ich hab ihnen geholfen."
"Du hast potenziellen Muggeln von der Absperrung erzählt?!" Hermine tauchte hinter uns auf, ihr Gesichtsausdruck sprach Bände.
"Ich-"
"Ronald Weasley, du hast gegen das Abkommen zur Geheimhaltung der Zauberei verstoßen", sagte sie anklagend.
"Sie sind aller Wahrscheinlichkeit nach Zauberer aus Amerika. Ich weiß nicht, was sie hier machen, aber sie wussten von dem Zug. Ich habe ihnen bloß die Angst genommen. Wie der Gentleman, der ich nunmal bin."
"Natürlich", erwiderte Hermine sarkastisch und stolzierte an mir vorbei, wo sie ihren Koffer in den Zug hievte.
"Ich bin überrascht, dass du dieses Wort überhaupt kennst", gab Ginny zu bedenken und half ihrer Freundin.
Der Schaffner stieß einen schrillen Pfiff aus und der Express setzte sich in Bewegung.
"Oh verdammt", rief Harry aus und schnappte sich unsere Koffer. Wir warfen sie in den Zug, wo Hermine und Ginny die Türen blockierten, so dass diese sich nicht magisch versiegeln konnten.
"Ron!"
"Harry!"
Hermine griff meine und Ginny Harrys Hand. Sie zogen uns gerade hinein, als der Zug wirklich an Geschwindigkeit aufzunehmen drohte.
Noch immer in der Tür stehend, drehte ich mich um. Die Amerikaner kamen gerade einer nach dem anderen durch die Absperrung gerast und hechteten auf den Zug zu.
"Das schaffen die niemals", sagte Hermine, doch ich verharrte.
"Siehst du, sie sind keine Muggel." Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen.
Vier von ihnen schienen keinerlei Probleme zu haben, mit dem schon wirklich schnellen Zug mitzuhalten, doch der schwarzhaarige Junge, der den anderen Stützte fiel hinterher. Dass er sich überhaupt in so einer Geschwindigkeit voranbewegen konnte, obwohl ein anderer an ihm hing wie ein gefüllter Wassersack, verwunderte mich über die Maßen. Ich hätte es schon längst aufgegeben.
Die Blondine erreichte unsere Tür zuerst und schwang sich hinein, wobei sie mir beinahe ihren Koffer gegen den Kopf schlug.
"Achtung!", rief sie noch und lehnte sich weit aus dem Zug, um ihrer Freundin und einem blonden, großen Jungen die Hand zu reichen.
Ein weiterer Junge, ebenfalls blond und mit braungebrannter Haut, kam den zwei anderen zu Hilfe.
"Will, komm schon!", rief die Blondine.
"Ihr schafft das. Ihr könnt das schaffen!", schrie die andere und in ihrer Stimme lag solch eine Zuversicht, dass auch in mir ein Gefühl des Mutes anschwoll.
Mittlerweile hatten sich einige Schüler aus den Fenstern gelehnt, um dem Spektakel zuzusehen. Das Ende des Bahnsteigs kam immer näher und der Zug wurde mit jeder Sekunde schneller.
"Percy!" Die Jungen rannten, den Bewusstlosen zwischen sich geklemmt, sie schienen wie der Zug immer mehr an Fahrt aufzunehmen. Das Ende des Bahnsteigs war nur noch 10 Meter entfernt.
Gespannt hielt ich den Atem an.
9 Meter.
Die beiden rannten, als würde es um ihr Leben gehen.
7 Meter.
"Rennt schneller!", schrie die Brünette.
3 Meter.
Sie kamen näher.
2 Meter.
"Kommt schon!"
1 Meter.
Die Hand der Blondine schloss sich um den Arm des Schwarzhaarigen, der mit einem Hechtsprung die unterste Stufe zum Zug erreicht hatte.
Sie zog ihn hinein und die anderen beiden hinein. Die Türen krachten klappernd zu.
Der Junge sah auf und grinste verlegen.
"Hey, ich bin Percy."
Irritiert stellte ich fest, dass er nicht einmal außer Atem war.
Percy wandte sich an die männliche Barbie und den bewusstlosen Geisterbeschwörer. "Will, bringst du Nico in irgendein Abteil und gibst ihm etwas Ambr - ähm... Brot."
Er kramte in seinem Rucksack herum und reichte ihm ein kleines quadratisches, in weißes Papier eingewickeltes, Päckchen.
"Das soll Brot sein?", flüsterte Hermine skeptisch.
"Danke", sagte Will und griff Nico wieder unter die Schulter. "Wir suchen uns ein ruhiges Plätzchen. Ihr könnt dann gleich nachkommen."
"Sicher?", grinste die Brünette. "Wir wollen ja nicht stören."
Will rollte belustigt mit den Augen, doch seine Ohren nahmen eine dunkelrote Färbung an.
Percy blickte wieder zu uns. "Also nochmal. Ich bin Percy, das hier sind Annabeth", er deutete auf die Blondine neben ihm, "Piper", die hübsche Brünette, "und Jason." Der große blonde Kerl nickte höflich.
Harry nickte höflich zurück und zeigte zuerst auf meine Schwester, Hermine und dann mich. "Das sind Ginny, Hermine und Ron. Und ich bin... Harry."
Annabeth seufzte. "Schön euch kennenzulernen, aber wir suchen jetzt lieber mal nach unseren Freunden." Sie warf Hermine und Ginny skeptische Blicke zu und zog Percy mit sich, der ihr salutierend folgte. Piper und Jason eilten ihnen nach.
Hermine war ziemlich rot im Gesicht, als ich ihr einen Blick zuwarf und ich zog die Augenbrauen zusammen.
Ginny grinste. "Der Typ war heiß."
"Ginny!", riefen Hermine und ich, doch sie klang um einiges verlegener als sie meiner Meinung nach sein sollte.
"Das ist eine reine Tatsache. Es zu leugnen, wäre bloß eine Lüge. Ich schätze mal diese Annabeth ist seine Freundin." Sie warf Harry einen Blick zu und ergänzte: "Er sah dir ähnlich."
Ihr fiel zu spät auf, was sie da gesagt hatte, so dass Harry ebenfalls verlegen den Boden anstarrte und sie, ein beschämtes Grinsen versteckend, die Zugdecke musterte. Und ich hatte das Gefühl gleich kotzen zu müssen.
"Meint ihr Piper, diese Brünette, ist eine Veela?", fragte ich, um das Thema zu wechseln.
Hermine schnaubte verärgert und stolzierte los, um ein Abteil aufzutreiben.
"Was denn?", rief ich ihr hinterher, doch sie drehte sich nicht um. "Hermine, wir müssen zu den Vertrauensschülern!"
•|⊱↯⊰ |•
Ich zog die Tür des Abteils hinter uns wieder zu und ließ mich Harry gegenüber fallen, der eingeschlafen war und Ginnys Schulter als Kissen missbrauchte, die dagegen jedoch nichts einzuwenden hatte.
"Ich kann es immer noch nicht fassen", wiederholte ich bestimmt zum siebten Mal, doch die Neuigkeiten waren einfach zu aufregend.
"Weiß ich", entgegnete Hermine genervt.
Die Landschaft vor dem Fenster war schon in ein dunkelrotes Licht getaucht, die Sonne verschwand schon hinter den Gipfeln der Berge am Horizont, während der aufkommende Herbstwind, Laub durch die Lüfte schleuderte und mit uns fort trug.
Harry schnarchte leise, doch mit dem Prinzessinnenschlaf musste jetzt Schluss sein, denn er würde es mir nie verzeihen, wenn ich ihm nicht sofort von den Neuigkeiten berichtet hätte. Ich schnappte mir eine angebrochene Packung Bertie-Botts-Bohnen und begann ihn mit den einzelnen Kugeln abzuwerfen.
Er schreckte hoch. "Was ist passiert?"
Ich grinste.
"Jetzt sag schon", quengelte Ginny, "Was kannst du nicht fassen."
"Tut mir leid Ginny, Top-Secret."
Wenig überzeugt sah sie mich an. Ich knickte ein.
"Ist ja gut. Hogwarts bekommt dieses Jahr Austauschschüler aus Amerika. Wie damals beim Trimagischen Turnier, eben nur aus einer Schule."
"Ilvermorny", sagte Hermine.
"Ilver- was?", fragte Harry.
Hermine stöhnte. "Du bist wie Ron! Wenn ihr zwei nur mal ein Buch aufschlagen würdet! Das ist die Zaubererschule der Vereinigten Staaten." Ihr Ton ließ verlauten, dass es wohl die größte Schande der Welt sei, das nicht zu wissen.
"Und wieso gerade jetzt? So kurz nach dem Hogwarts eigentlich komplett zerstört wurde?", wandte Ginny ein.
"Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt", sagte Hermine, "Nach dem Krieg ist es wichtig die außenpolitischen Kontakte zu pflegen."
Harry und Ginny schienen nicht so begeistert über die Neuigkeiten zu sein, wie erwartet. Keiner sagte mehr ein Wort, bis es beinahe unerträglich war, die Stille noch auszuhalten.
Meine Schwester erlöste uns. Interessiert hob sie den Kopf und lachte. "Und wer ist das neue Schulsprecherpaar?"
"Hannah Abbot und Neville!"
"Neville? Das ist ja toll!", rief Ginny und strahlte.
Die Abteiltür wurde aufgeschoben und herein trat...
"Malfoy!"
Das Frettchen blickte erschrocken auf.
"Oh... falsches Abteil." Er nickte uns verhalten zu. "Potter, Granger, Weasley Eins und Zwei."
"Kein Problem", sagte Harry und nickte freundlich zurück.
Draco Malfoy, blass und schon in seinen Hogwartsmantel gehüllt, huschte zurück in den Gang und ging ein Abteil weiter. Mit wem er wohl zusammen saß? Viele seiner Todesserfreunde waren nicht zurückgekehrt. Manche saßen sogar hinter Gittern. Völlig zurecht.
"Was sollte diese gespielte Nettigkeit?"
"Das war nicht gespielt, Ron", erwiderte er. "Dieses Theater muss aufhören. Er ist ein Idiot und schmieriger Sack, aber ich habe keine Energie dafür, diese Fehde noch aufrechtzuerhalten. Wir haben uns gegenseitig das Leben gerettet, wir sind quitt und brauchen uns nicht länger das Leben schwer zu machen."
Grummelnd verschränkte ich die Arme. Ich würde nicht so schnell vergessen, wie er Hermine, Harry und auch mich behandelt hatte. Manche Dinge kann man einfach nicht vergeben.
"Wir sollten auch so langsam unsere Umhänge anziehen. In einer halben Stunde erreichen wir Hogsmead."
•|⊱↯⊰ |•
Der Bahnsteig war überfüllt von Schülern, doch ich kam nicht umhin zu bemerken, dass es deutlich weniger waren, als in meinem sechsten Jahr.
Hermine war meinem Blick gefolgt und lächelte traurig. "Einige glauben immer noch, dass es sicherer wäre, ihre Kinder zu Hause zu behalten."
Kopfschüttelnd blickte ich über die Erstklässler hinweg. Eine große Öllaterne in der Luft hin und her schwingend, stand Hagrid inmitten der kleinen Racker zu denen sich auch die Amerikaner gesellt hatten, die sich zu meiner Überraschung von Draco Malfoy verabschiedeten.
"Hey Hagrid!", rief Harry über den Lärm der anderen hinweg und winkte unserem Halbriesenfreund glücklich zu.
"Hallo Harry! Ron, Hermine, Ginny!"
Belustigt konnte ich die entsetzten Gesichter der Erstklässler beobachten, die zurückzuweichen versuchten, als Hagrid ein paar Schritte näher zu uns trat. Vermutlich hatten sie Angst unter seinen Riesentretern zu Pfannkuchenartigen Haufen zerquetscht zu werden. Auch die Austauschschüler wirkten Hagrid gegenüber mehr als nur skeptisch, doch wer könnte es ihnen verübeln?
Hagrid sah nicht gerade aus, wie ein kuscheliger Teddybär, viel eher wie ein zerzauster und verrückter Kerl, der kleine Kinder zum Frühstück verspeiste. Der erste Eindruck zählte hier jedoch nicht.
Denn auch wenn der Halbriese eine zu große Zuneigung für unpassende Haustiere - Monster - empfand, so war er selbst doch wirklich ein sehr lieber und gutmütiger Kerl, der sich manchmal seiner eigenen Kraft nur nicht bewusst war und gerne mal einen über den Durst trank.
"Professor McGonagall und die anderen Lehrer haben sich wirklich selbst übertroffen!", rief er. "Ihr werdet's ja sehen!"
"Bis später!", erwiderte Harry und führte uns zu den Kutschen.
Nun gab es keinen Zweifel mehr. Beinahe alle konnten die Thestrale sehen...
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