⊱ψ•Percy•ψ⊰
Kein Wort kam über unsere Lippen, als wir alle um das prasselnde Lagerfeuer herumsaßen, die Stille genießend und dabei zusahen, wie die kleinen Funken in den wolkenlosen Nachthimmel hinaufstoben und in der schwarzen Dunkelheit unter den Sternen verschwanden. Zeus schien zur Abwechslung einmal bei bester Laune zu sein, so schön war es seit langem nicht mehr gewesen.
Ein seichter Windhauch zog zwischen uns hindurch, zerstrubbelte meine ohnehin schon zerstörte Frisur - sofern man es als solche bezeichnen konnte - und verursachte eine unangenehme Gänsehaut auf meinen Armen. Meine Nackenhaare stellten sich auf, mein ganzer Körper spannte sich an, als käme ein weiteres Unglück auf uns zu, doch das konnte einfach nicht sein.
Es war vorbei, das alles war endlich vorbei...
Es muss die Idylle sein, redete ich mir ein, ich bin es nicht gewöhnt, einen ruhigen Abend mit meinen Freunden zu verbringen, ohne das uns ein Monster versucht umzubringen.
Ich legte den Kopf nach hinten, versuchte die unschönen Gedanken zu verbannen und betrachtete Mond und Sterne, die dort oben am Himmel tanzten. Annabeth hatte die Augen geschlossen und beide Arme um meinen Torso geschlungen, während ich ihre blonden Locken um meine Finger wickelte, den Duft ihrer Haare tief einatmend.
Nur wenige saßen um das Campfeuer, starrten in die heiße Glut, als müsste jede Sekunde eine Empusa daraus hervor springen und 'Hab euch erwischt!' kreischen, was, wenn ich recht überlege, mit ziemlicher Sicherheit die Reaktion dieser widerlichen Biester gewesen wäre. Kelli im besonderen hätte sicherlich ihren Spaß gehabt.
Die Stimmung war erdrückend, während jeder die Stille zum einen zu genießen schien, so wollte ein jeder sie brechen, fand jedoch einfach nicht die richtigen Worte dafür.
Der Krieg gegen Gaia lag nun einige Wochen zurück und wir alle versuchten es zu verdrängen, doch Trauer und Wut vermischten sich zu einer brodelnden Masse tief in unseren Mägen und warteten bloß darauf, ausgespuckt zu werden.
Viel zu viele hatten wir verloren...
Ich sah in die fahlen Gesichter meiner Freunde, in ihre Augen, in denen sich neben den züngelnden Flammen noch die Verbitterung spiegelte. Wieso hatten sie es geschafft und ihre Liebsten nicht? Der Schmerz fraß sie von Innen heraus auf, zerrte an ihren Knochen, umhüllte ihre Herzen, bis sie schließlich vertrocknet und verbraucht zurückblieben, leblos und unnütz.
Ich hätte ebenfalls mehr tun können, mehr tun müssen, vielleicht, vielleicht wäre Leo dann noch hier, vielleicht hätte ich ihn und so viele andere vor dem Schicksal bewahren können, das sie erleiden mussten.
Es war nicht fair.
Doch das war es nie gewesen.
Annabeth regte sich, sie schlug die Augen auf und lächelte zu mir empor. Bei ihrem Anblick wurde mir sogleich heiß und kalt. Das Sturmgrau funkelte mir entgegen, verschlug mir die Sprache.
Sanft legte sie beide Hände an meine Wangen, ihre zarten Fingerspitzen reichten bis an meinen Nacken und strichen bedächtig durch mein dichtes, rabenschwarzes Haar, während sie mich langsam zu sich hinunter zog, um ihre Lippen mit meinen zu verschließen.
Der Geschmack ihrer Lippen berauschte meine Sinne, als hätten die Stoll-Brüder meine Hütte in Brand gesteckt, als würden hundert kleine Schmetterlinge in meinem Magen mit ihren Flügeln schlagen und als würde ein gigantisches Feuerwerk in mir explodieren.
Auch nach all der Zeit, hatte dieses Gefühl nicht abgenommen, noch immer war es wie beim ersten Mal...
Ihre langen Locken kitzelten mich und sie löste sich, einen triumphierenden Ausdruck im Gesicht, als hätte sie mit dem Kuss genau das erreicht, was sie erwartet hatte - ich war vollkommen überwältigt.
Ein verschmitztes Grinsen umspielte ihre Lippen. "Ich liebe dich, Algenhirn", flüsterte sie und hauchte mir einen weiteren Kuss entgegen, ehe sie aufstand und mich ebenfalls auf die Beine zog.
Ich wollte es erwidern, doch etwas hielt mich zurück. Überrumpelt darüber, dass mir die Worte im Hals stecken geblieben zu sein schienen, realisierte ich zu spät, wie sie sich auf den Weg zu Hütte sechs machte.
Das orange-farbene Tshirt wirkte im Mondschein beinahe lila. Der Anblick ließ mich blinzeln. Wie vom Blitz getroffen riss ich meinen rechten Arm zurück an meinen Körper und stieß einen Fluch aus. Ein brennender Schmerz zog sich durch meine Adern, brach durch die Hautoberfläche, direkt unter dem SPQR - Tattoo, das was mir aus meinen Camp Jupiter Zeiten geblieben war, es schien in Flammen zu stehen, schien mich zu rufen, doch auch jetzt konnte ich nicht antworten.
Meine Zunge war wie verknoten, mein Kiefer versteinert und plötzlich ging alles viel zu schnell...
Ich hob gerade noch den Blick, um zu sehen, wie der Boden vor mir Risse warf. Risse, die sich in windeseile über die große Wiese ausbreiteten bis hin zu ihr, deren blonde Locken das einzige waren, das ich in der Dunkelheit noch ausmachen konnte.
Ich schrie ihren Namen und rannte los, so schnell mich meine Beine trugen und noch schneller.
Ich stolperte über meine eigenen Füße, war so ungeschickt wie noch nie, während Annabeth immer mehr in den Schatten verschwand.
"Annabeth!"
Die Furche im Erdboden breitete sich aus, vergrößerte sich zu einer Schlucht, einem klaffenden Loch. Wir sind zurück. Erschrocken stieß ich ein kehliges Wimmern aus und stolperte weiter.
Ich erreichte sie gerade in dem Moment als der Boden unter ihren Füßen nachgab und sie hinab in die Tiefe zog. Wie paralysiert starrte ich auf unsere Hände, meine die die ihren fest umklammerten, nicht einmal daran denkend, sie loszulassen.
Nur über meine Leiche.
Es wurde heiß, die Hitze, die aus der Tiefe hervorstieß, blies mir ins Gesicht, trieb mir die Tränen in die Augen. Mein Nacken war schweißnass, meine Hände ebenso, doch ich würde sie nicht fallen lassen.
"Kein Entrinnen", flüsterte die Finsternis.
Die Grube bebte, und Annabeths Lider wurden schwer.
"Percy, lass mich los. Du kannst mich nicht hochziehen." Ihre Stimme klang um Welten entfernt, wie etwas, das er vor langer Zeit zu vergessen versucht hatte.
"Niemals", sagte ich, "Wir bleiben zusammen. Ich lass dich nicht von mir weg. Nie wieder."
"Du kannst mich nicht retten."
Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Jegliche Kraft hatte ihren Körper verlassen. "Es ist zu spät", murmelte sie und ließ meine Hand los.
"NEIN!" Ich langte vor, doch alles, was ich zu packen bekam, war die gähnende Leere, wo vorher Annabeths Körper gehangen hatte.
Sie stürzte in die bodenlose Finsternis. Ich wollte hinterher, doch etwas oder irgendjemand hielt mich zurück. So sehr ich auch gegen die unsichtbare Macht ankämpfte, ich war gefangen und alles um mich herum verblasste.
Die Sonne stand hoch am Himmel, die unerträgliche Hitze regnete weiter auf uns herab. Das klaffende Loch im Boden des Camps war verschwunden, stattdessen befand ich mich mitten auf einem Schlachtfeld.
Jason schrie nach Leo, Piper und Hazel kämpften Seite an Seite, Bomben explodierten, griechisches Feuer schoss in die Luft. Um mich herum tobte eine Schlacht, aber alles woran ich denken konnte, war sie.
Wo war Annabeth? Hatte ich sie für immer verloren? Ich spürte, wie sich mein Herz schmerzlich zusammenzog, unaufhörlich gegen meine Brust pochte, bereit hinaus zu springen. Meine Sicht war benebelt, nutzlos stolperte ich durch die vielen Kämpfe, die hier und dort ausgetragen wurden.
Mein Schwert lag in meiner Hand, unbenutzt, unbrauchbar.
Gaias schneidige Stimme an meinem Ohr ließ mich verharren. Ihr heißer Atem war wie die Klinge an meinem Hals, bereit mir die Kehle zu durchbohren. Ich konnte mich nicht rühren, nicht ohne mich selbst zu enthaupten, doch dann sah ich sie.
Annabeth lag keine zehn Meter weiter am Boden, ihr Bein stand in einem stumpfen Winkel ab, der bestimmt nicht gesund sein konnte, aber ihre Brust hebte und senkte sich. Sie lebte.
Ich wusste nicht, wie ich es geschafft hatte, doch ich befreite mich aus meiner misslichen Lage, verpasste dem alten Lehmgesicht einen ordentlichen Magenhieb mit dem Griff meines Schwertes und rannte los.
Annabeth hatte die Handflächen auf ihren Bauch gepresst, wimmernd vor Schmerz, rührte sie sich nicht. Erst als sie meine Stimme vernahm, öffnete sie langsam die Augen.
"Schsch... alles wird gut... alles wird-"
Ich konnte ihr nicht in die Augen sehen. Es war meine Schuld. Das alles war allein meine Schuld. Die pure Angst spiegelte sich in ihrem Blick wieder, etwas, dass ich nicht gewohnt war zu sehen.
Ich kniete mich nieder, drückte mit aller Kraft auf ihre Wunde, Blut strömte hervor, hüllte meine Finger in einen rötlichen Glanz.
"Nein, nein, nein. Du darfst nicht - du wirst nicht - !"
Feiner Goldstaub rieselte um uns herab, legte sich auf unsere schweißnasse Haut wie die schützende Rüstung, die uns beschützen sollte. Doch es war zu spät.
"HILFE! WILL! IRGENDWER! HILFE!"
Meine Stimme ging in dem Klirren der vielen Schwerter und Schlachtrufe einfach unter. Es war hoffnungslos.
"Percy..." Annabeth stöhnte. Leise Tränen rannen ihre Wangen hinab. Aus ihrem Mund tropfte Blut.
"Schsch." Ich legte einen Finger an die Lippen. "Du musst deine Kräfte schonen. Hilfe ist unterwegs. Ich - ich..."
Wenn die Hilfe nicht zu uns kam, dann mussten wir eben zu ihr kommen. Ich wollte mich hochhieven, platzierte einen Arm, unter Annabeths Nacken, den anderen unter ihren Kniekehlen, doch das Blut durchnässte bloß weiter ihre Kleidung...
"Au!", keuchte sie. "Percy, e-es ist zu - zu spät."
"Nein!" Wie ein kleines Kind wollte ich einfach nicht wahrhaben, dass sie recht hatte. Dass nichts mehr sie retten konnte.
Ihre bleichen Hände legten sich an meine Schultern. Tränen glitzerten in ihren Augen.
"Ich - ich liebe d-dich", hauchte sie und versuchte sich an einem letzten Lächeln. Sie war wunderschön.
Verzweifelt versuchte ich jemanden auszumachen, irgendwen, der uns helfen könnte, doch da war niemand mehr.
Wir waren ganz allein.
Ich wandte den Blick gen Himmel, bat meinen Dad um Hilfe, doch ich erhielt keine Antwort.
Ihre Hand wurde schlaff, lag leblos in meinem Schoß.
Ein grausamer Schmerzensschrei entwich meiner Kehle, als ich realisierte, dass es zu spät war.
"NEIN! NEIN! NEIN! BRING SIE ZURÜCK!"
Ich packte Springflut fester, riss es in die Luft und stieß es in die Erde.
Staub wirbelte auf. Und wieder war da ihre Stimme. Gaia.
"Ich kann deinem Leid ein Ende bereiten..."
"Wie? Ich gebe alles! Hol sie mir zurück!"
"Alles sagst du? Genau das wollte ich hören..."
Ich runzelte die Stirn und blickte gen Himmel. Die eiserne Sonne war verschwunden, der klare Sternenhimmel strahlte mir entgegen und kühler Wind brauste um meine Beine.
Ich riss die Augen auf, als sich heißes Metall durch meinen Körper bohrte.
Alles...
Ich spuckte Blut. Mit jedem Tropfen, der aus mir heraus sickerte, nahm ihr Gesicht wieder an Farbe an.
Das sollte es gewesen sein...
Es war vorbei, ein für allemal.
Ich vernahm den Geruch einer leichten Meeresbrise und schloss die Augen.
"Percy?!" Ihre Stimme, so krächzend, verängstigt und wunderschön zu gleich - das Letzte, was ich je hören sollte...
Und dann war alles dunkel.
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*dieses Buch befindet sich zur Zeit in Bearbeitung: alle Kapitel, die mit einem Haken gekennzeichnet sind, sind überarbeitet und könnten somit chronologisch und storytechnisch vom ursprünglichen Plot abweichen, was zu Ungereimheiten führen könnte. Jedwede Unannehmlichkeit bitte ich ganz ♥︎-lich zu entschuldigen!
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