𝐏𝐑𝐎𝐋𝐎𝐆
𝐀𝐟𝐫𝐢𝐧, 𝐒𝐲𝐫𝐢𝐞𝐧 [𝐑𝐨𝐣𝐚𝐯𝐚]
Das kleine Leuchten des Mondes prallt durch den zwei winzigen Fenstern in unserem vier Wände Zimmer. Meine verlorene hoffnungslose Seele schreit nach Hilfe in ihren Gedanken, doch die Stille, die sie der äußeren Welt zeigt, erlaubt es nicht den sterblichen Wesen ihre schreiende Hilferufe zu hören.
Winzige Tränen rinnen meiner Wange herunter und tropfen auf dem kalten Boden unter mir. Mein Herz pocht in meiner Brust und ich höre jedes ruhige Geräusch, von dem pochen. Hinter den vier Wänden, wo ich mich befinde, herrscht Krieg. Hilferufe meiner Mitmenschen, Sirenen und das Geschoss der Kriegswaffen, höre ich an jedem leuchtenden Tag und in jeder dunklen Nacht.
Meine Hoffnung an die Rettung ist tief in meinem Herzen noch da, doch der Glauben, dass wir hieraus es schaffen, ist schon lange vergangen. Die Unwissenheit über morgen schwebt wie ein dunkler Schleier über mein Leben.
Nostalgie überholt meine Gedanken, und der Anblick der vergangenen Wochen erscheint in meinem Geist wie ein verworrener Film. Die Erinnerungen fließen in sanften Wellen, jede Welle trägt einen Hauch von Melancholie.
Doch während ich in diesen Erinnerungen schwelge, spüre ich auch die Schatten der Unsicherheit, die sich leise in mein Herz schleichen.
Rückblick
8 Monate früher
Die warme Hand meines Vaters umschloss meine, während wir durch die Straßen Afrins flanierten. Die strahlende Sonne über Afrin erhellte den Himmel und tauchte meine Heimat ins goldene Licht.
Wie am jeden Tag gingen mein Vater und ich, den Sonnenuntergang von dem kleinen Berg hin anzuschauen. Diese Momente sind gefüllt mit Liebe, Freiheit und Sicherheit.
Liebe, Freiheit und Sicherheit sind Worte, die ich nur in wenigen Momenten in meiner Existenz gefühlt habe. Hier herrscht Krieg, meine Heimat wird zerstört von unseren Feinden. Die laute der Schusswaffen sind in jedem Moment zu hören. Eine winzige Ruhe bekomme ich am Tag, der Sonnenuntergang erleichtert meine Seele und mindert meine Traurigkeit.
Hoffnung an Freiheit, an Sicherheit stirbt von Minute zu Minute ab. Doch der Glaube an meinem Schöpfer lässt es mich nicht aufgeben.
Es gab schöne Tage in der Vergangenheit, als die Feinde uns nicht angegriffen haben. Diese Zeiten waren geprägt von Lachen und unbeschwertem Zusammensein, in denen die Sonne hell über unseren Köpfen strahlte und die Welt voller Möglichkeiten schien.
Doch es gab immer wieder die Tage, wo mein geliebter Vater weggenommen wurde und tagelang nicht zurückkam. Die Sorgen und Ängste, die mich quälten, schlichen sich in jede Ecke meines Geistes und ließen keinen Raum für Hoffnung. Ich erinnere mich an die langen Nächte, in denen ich wach lag und auf das Geräusch seiner Rückkehr wartete.
Die Nächte ohne ihn waren einsam, von einer drückenden Stille umhüllt, die wie ein schwerer Schleier über meinem Herzen lag. In der Dunkelheit schlich sich die Traurigkeit leise an, flüsterte mir Geschichten von Vergangenem und unerfüllten Hoffnungen zu. Es war, als ob die Schatten der Nacht die Erinnerungen an ihn noch stärker hervorriefen, und jede Stunde schien sich endlos zu dehnen, während ich auf den Morgen wartete, der mir vielleicht ein wenig Licht bringen würde.
Mama machte sich immer Sorgen um ihn, ihre Augen verrieten die Unruhe, doch sie musste stark sein, um auf meine Schwester und mich aufzupassen. Ihre Fürsorge war wie ein schwacher Lichtstrahl in der Dunkelheit, der uns daran erinnerte, dass wir einander hatten, auch wenn die Abwesenheit von ihm wie ein unüberwindbarer Abgrund zwischen uns stand.
An diesen Erinnerungen sollte ich jedoch nicht denken, jetzt ist er hier, bei mir, bei uns. Ich fühlte seine warme Hand um meine, das brachte mir so viel Glück und Sicherheit. Meine Mundwinkel zogen sich nach oben und ich setzte ein Lächeln auf. Ich freue mich, den Sonnenuntergang zu sehen.
Immer, wenn wir uns den Sonnenuntergang ansehen, flecht mein Vater meine Haare. Seine Hände bewegen sich immer in sanften Bewegungen. Meine langen Wellen gingen mir fast bis zu meiner Hüfte. Sie hatten die Farbe eines kräftigen, dunklen braunen Tons und glänzten.
Nach wenigen Momenten haben wir angefangen, den kleinen Berg hinaufzuflenieren, während mein Vater meine Hand immer noch ganz fest hält. Früh genug sehe ich schon die Stelle an, der wir immer sitzen und uns den Sonnenuntergang anschauen.
Die Sonne ist in rot-orangenen Nuancen und strahlt hinter den Bergen meiner Heimat. Sonnenstrahlen erzeugen Kunst am Himmel, während sie in jeder Sekunde weniger werden. Mein Kopf drehte sich zu der linken Seite und blickte zu der Sonne näher hinaus. Ich könnte stundenlang die Sonne anschauen und mir wäre es niemals träge gewesen.
Mein Körper senkte sich zu dem Boden, neben dem viel größeren Körper meines Vaters. Nach den wenigen Sekunden lehnte ich mein Kopf an seine Schulter und schloss meine Augen für wenige Sekunden.
Seine warme Stimme war nun zu hören, während er Worte in einem ruhigen, sanften Ton aussprach. »Siehst du, wie wunderschön die Sonne ist, keçam?« »Ich hob mein Kopf und nickte, während meine ein sanftes »Ja,« von sich gab.
✹
Die Sonne liegt nun absolut hinter den Bergen und beleuchtet die Straßen Afrins nicht. Der Mond prallt in einer grauen Nuance und erleuchtet die Erde leicht. Die volle Dunkelheit ist noch nicht erfüllt, jedoch sind die Straßen nun gräulich und viel dunkler als vor dem Sonnenuntergang.
Ein leichter Schleier der kälter umarmt mich, während mein Vater und ich nach Hause flanierten. Aus der Ferne höre ich leichte laute, während in unserer Gegend keine Seele zu sehen ist. Hunderte Häuser liegen in Schutt und Asche, während sie mit tausenden Erinnerungen hinterlassen wurden.
Mein Kopf wich von links nach rechts, von rechts nach links. So vieles ist kaputt, so vieles wurde zerstört und hinterlassen. Das einst glückliche und lebhafte Leben, war nun für tausende von Menschen eine Nostalgische Erinnerung.
Nach wenigen Sekunden merkte ich Geräusche von harten Schuhen, und sprechenden Menschen. Ich blickte zu meinem Vater nach oben und sah wie er nach rechts und links guckte, doch es war nichts zu sehen. Er hielt meine Hand etwas fester und fing an seine Schritte zu verschnellern.
Das selbe tat ich und flanierte nun viel schneller als davor, unser Haus war nicht weit von hier. Ich kenne die Umgebung, früher habe ich immer mit Naima hier gespielt. Seitdem Mama uns erzählt hat, dass wir nicht nach draußen gehen sollen, ohne unseren Vater, spielen wir nur zuhause.
Ein plötzlicher lauter knall war zu hören und ich erstarrte in dem Moment. Meine Atmung wurde schwerer und schwerer, es wäre so so als würde mir jemand die Luft wegnehmen.
Ich blickte nach rechts zu der Seite wo mein Vater meine Hand festhielt und merkte wie sein Griff um meine Hand weicher wurde. Ein weiterer knall war zu hören und in wenigen Sekunden, merkte ich einen harten Fall unter meinen Füßen.
Meine Augen wichen direkt zum Boden und ich sah wie die Klamotten meines Vaters sich in einem weinrot färben. Die Stelle wurde größter und größer und größer, ich konnte in dem Moment nicht atmen. Meine Luftröhre nahm die Luft nicht an, es wäre so als würde man mich erwürgen.
Ein schluchzen entkam mir, während Tränen anfingen meine Wangen runter zu rinnen. Meine Tränendrüsen hinterließen tausende von Tränen, ich wusste in dem Moment nicht was ich tun sollte.
Meine Knie senken sich auf dem Boden und ich faste mein Vater an seiner Wunde an. Seine Augen waren immer noch offen, doch ich merkte wie er mit seinem Leben zu kämpfen hatte. Ich hob sein Oberkörper mit meiner ganzen Kraft und gab ihm eine letzte Umarmung.
Letzte Umarmung.
Letzte. Umarmung.
Gegenwart
Der Anblick von vor sieben Monaten wird mir niemals von dem Kopf weichen. Sie nahmen mir meinen Vater, der einzige Mensch, der mir gezeigt hat, wie es sich anfühlt, geliebt zu werden. Vor den Augen seiner noch minderjährigen Tochter wurde er erschossen. Das Blut, welches von seinem Bauch kam, hatte meine kleine verlorene Seele auf ihren Händen.
An diesem Tag ließen sie uns alleine, mit keinerlei Hilfe in der letzten schmerzhaften Umarmung. Die Schatten der Vergangenheit schienen meinen Vater und mich umzingeln, während die Kälte der Einsamkeit in unsere Herzen eindrang. Jeder Atemzug war ein Kampf, jeder Gedanke ein stummer Schrei nach Nähe und Verständnis. Die Welt um uns herum war still und zerbrechlich.
Das Trauma, welches von diesem Tag kam, werde ich für immer mit mir tragen und keiner auf dieser Welt wird sie jemals heilen können. Die unsichtbaren Narben, die sich auf meiner Seele befinden, sieht keiner. Nicht meine geliebte Mutter, und nicht meine kleine Schwester. Zu sonstigen Menschen auf dieser Welt habe ich keinerlei Kontakt und werde es nicht haben.
Mein Herz und Seele sind verschlossen und werden sich nie wieder öffnen können, nicht nachdem sie meinen Vater von mir nahmen. Das Vertrauen an den sterblichen Wesen ist unnötig, denn jeder Mensch wird dich eines Tages verraten, dein Vertrauen missbrauchen und es ausnutzen für deren Interessen, ohne an dein Wohlbefinden zu denken.
Der Einzige, dem ich jemals wieder vertrauen werde, ist Allah. Mein einziger Freund und Zuhörer, der einzige, der mich nicht verurteilen wird, wenn ich weine. Im Gebet fühle ich mich frei, frei von dieser abscheulichen Existenz.
Ich bin dankbar für alles, was ich habe. Es mag vielleicht nur ein Zimmer aus vier Wänden sein, doch ich habe ein Dach über dem Kopf und dies ist das wichtigste. Es gibt kein Tag, an dem ich Allah nicht anbete und um Vergebung bitte. Ich bereue jede einzelne Sünde, die ich jemals begegnet habe in diesen sechzehn Jahren, in denen ich lebe, auf dieser Dunya.
Meine Augenlieder fühlen sich wie mehrere Kilogramme schwer an, weshalb ich sie für eine Sekunde schließe. Diese kleine Erleichterung, die ich fühle, wenn ich meine dunkelbraunen Augen schließe, fühlt sich unrealistisch an.
Dieses Gefühl, welches mir eine unrealistische Freiheit gibt, ist wunderschön, doch es vergeht zu schnell.
Der Dämmerschlaf dauert vielleicht wenige Minuten, trotzdem lässt es mich gut fühlen. Mehr schlaf, als 2 Stunden in der Nacht kriege ich nicht. Die Angst, dass in meinen Träumen, die grausamen Anblicke von dem Tod meines Vaters vorkommen, ist zu groß. Es ist schon passiert und diese dämlichen Alpträume will ich nie wieder in meiner vorliegenden Existenz erleben.
Diese Alpträume waren das schlimmste, das Geschehnis vor meinen Augen wiederzusehen, hat sich so angefühlt, als würde jemand mein unheilbares Herz in Stücke reißen.
Ich bete zu Allah jeden einzelnen Tag, in keinem meiner Gebete, vergesse ich, meinen geliebten Vater zu erwähnen.Den Menschen, den ich am meisten geliebt habe und immer noch liebe.
Ich vermisse ihn so sehr, seine dunkelbraunen Augen, die mich immer so glücklich angeschaut haben. Seine letzten Worte an mich, »Keçam, Ez ji te Hez dikim.« Ich liebe dich, meine Tochter.
»Ez jî ji te Hez dikim, Bavo« Ich liebe dich auch, sagte ich in einem fast unhörbaren Flüsterton. Ich weiß, dass er für immer an meiner Seite sein wird, auch wenn er nicht hier ist. Insha'Allah ruht er in Frieden.
Die Liebe von meinem Vater fehlte in meinem Herz. Diese wunderschöne Liebe werde ich nie wieder im Leben spüren, sie wird für immer fehlen. An diesem Tag ist vielleicht nur er gestorben, doch ein Teil meines Herzens ist mit ihm gestorben.
Doch ich glaube fest dran, dass Allah mich auf dem richtigen Weg leiten wird und ich Insha'Allah meinen Nasip finden werde. Allahs Plan ist der einzig richtige, weshalb man sich keine Sorgen machen sollte. Denn Allah wird von keinem das Vertrauen brechen und missbrauchen.
Die winzigen Tränen rinnen meine Wangen herunter, seit Stunden. Es hört nicht auf. Die Tränen hören auf zu fließen, sobald die ersten Sonnenstrahlen durch den winzigen Fenstern strahlen werden.
Die Uhrzeit ist mir unbekannt, wir besitzen keine elektronische Geräte oder gar eine Wanduhr. Ich liege jede Nacht hoffnungslos und verliere mich in meinen Gedanken, manchmal falle ich in einen kurzen leichten Schlaf, doch dieser ist nie länger, als zwei Stunden gewesen.
Mir ist tierisch kalt, ich habe keine Decke, das ist auch okay. Meine Mutter und Schwester haben es nötiger, als ich. Wenn es ihnen gut geht, dann geht es mir auch gut, sie sind die einzigen Personen, die ich noch habe. Für die beiden würde ich alles, was in meiner Macht ist, tun.
Mein Körper fängt ein leicht zu zittern und ein leichtes Wimmern, entweicht von meinen Lippen. Ich blieb in einer Starre und starrte in die klare Dunkelheit. Meine Gedanken haben mich schon längst verlassen, für heute Nacht reicht es anscheinend aus. Ich fühlte die leichte Müdigkeit, die mich übertraf und dazu folgte, dass ich meine Augenlieder schließe. So falle ich in einen Dämmerschlaf, der sehr leicht und kurz sein wird, doch trotzdem fühlt dieser sich sehr befreiend an.
Ich schlafe mit der Hoffnung nicht wieder aufzustehen.
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