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Mir ist egal, dass alle mich gerade anstarren, als wäre ich eine dreiköpfige Kuh. Thorin Eichenschild steht vor mir! Direkt vor mir... Und ich dachte, dieses Abenteuer wäre reine Zeitverschwendung. Mit der Hoffnung, aus wenigstens einem Zwerg Informationen herauszubekommen, kam ich her, und nun bin ich hier und es stellt sich nicht nur heraus, dass alle Anwesenden Eichenschild kennen - er selbst wird auch noch ein Mitglied dieser Unternehmung sein! Besser geht es doch überhaupt nicht.

Gandalfs Räuspern bringt mich in die Gegenwart zurück. Thorin steht mir nach wie vor gegenüber, uns trennen nur wenige Meter.

"Mein Name ist Rina." Ich lächle, als ich mich vorstelle. Merk dir diesen Namen, Eichenschild, denke ich. Denn er gehört zu dem Gesicht, das du als letztes sehen wirst, bevor du diese Welt verlässt.

"Was macht sie hier?" Nachdem Thorin mich noch kurz argwöhnisch gemustert hat, dreht er sich zu Gandalf. "Falls Ihr denkt, ich würde erlauben, eine Fremde mitzunehmen - "

"Kathrina wäre ein wertvolles fünfzehntes Mitglied, Thorin", unterbricht Gandalf ihn ruhig. "Ich bezweifle, dass du bereuen würdest, sie dabeizuhaben."

Da wäre ich nicht so sicher.

"Ach ja?" Eichenschild kneift die Augen zusammen. "Kann sie sich überhaupt verteidigen?"

Im nächsten Moment schnappen Bilbo und ein paar der Zwerge nach Luft, da mein Dolch knapp am Gesicht des Zwergenprinzen vorbeigesaust ist und nun in der Wand steckt. Mit gehobenen Augenbrauen dreht Eichenschild sich zu mir um.

"Findet es heraus", sage ich ruhig, verschränke die Hände hinterm Rücken.

Thorin zögert. Schließlich brummt er: "Meinetwegen. Aber wenn ich das Gefühl habe, ihr nicht trauen zu können, ist sie raus."

Gandalf nickt zufrieden und tauscht einen erleichterten Blick mit mir, derweil wendet sich Eichenschild von uns ab. Seine Aufmerksamkeit gilt nun Bilbo, derweil hole ich mir meinen Dolch zurück und stecke ihn wieder in die Halterung an meinem Bein.

"So... Das ist der Hobbit." Der Zwerg verschränkt die Arme vor der Brust und ich kann sehen, wie Bilbo schluckt. "Sagt, Herr Beutlin, seid Ihr im Kampf erfahren?"

"Bitte was?"

Thorin läuft einmal um den Hobbit herum. "Axt oder Schwert? Welche Waffe ist die Eure?"

"Ich werfe eine ganz elegante Rostkastanie, wenn Ihr's wissen wollt", antwortet Bilbo und strafft die Schultern, "aber ich weiß nicht, inwiefern das von Bedeutung sein sollte."

Ich muss mich bemühen, nicht zu lachen, und auch die Zwerge schmunzeln.

"Dachte ich's mir." Eichenschild hat ein spöttisches Lächeln auf den Lippen. "Eher ein Krämer als ein Meisterdieb." Die Zwerge lachen bei seinen Worten, ich jedoch nicht.

Meisterdieb? Was soll das sein? Auf jeden Fall hört es sich für mich nicht nach dem passenden Beruf für einen Hobbit an.

Die Zwerge gehen, weiterhin lachend, zum Esstisch und setzen sich. Gandalf bläst angespannt die Luft aus, Bilbo schaut Thorin eingeschnappt und verwirrt zugleich hinterher und ich stehe neben den beiden und überlege, wie ich Azog kontaktieren soll, sobald ich weiß, um was es hier geht. Ihn wird sicher interessieren, dass ich Eichenschild endlich gefunden habe.

Ich folge Gandalf und Bilbo zu den Zwergen. Während der Zauberer sich zu ihnen setzt und Bilbo für alle Getränke holt, sitze ich im angrenzenden Gang auf einer Truhe und höre mit halbem Ohr zu, was sie erzählen. Gandalf gibt Eichenschild einen Schlüssel, der eine geheime Tür öffnen soll, und eine Karte von seinem Vater. Offenbar wurde ihre Heimat - Erebor, die Stadt unter dem Berge - von dem Drachen Smaug übernommen und sie planen, sie zurückzuerobern.

Mir kommt eine Idee. Statt Eichenschild bei der erstbesten Gelegenheit auszuschalten, werde ich warten. Warten, bis er denkt, er hat es geschafft, seine Heimat zurückzugewinnen - und dann werde ich sie ihm nehmen, so, wie er es mit mir getan hat. Töte die anderen zwölf Zwerge zuerst, wispert eine Stimme in mir. Dann weiß er, wie du dich gefühlt hast. Und wenn er sie alle hat sterben sehen, bringst du ihn um.

Verlockend, denke ich, aber nein. Ich will Rache an Eichenschild, das bedeutet aber nicht, dass ich so sein will wie er.

Die Stimme lacht. Du meinst eine Mörderin? Kathrina, du bist auf dem besten Weg, eine zu werden.

Ich schrecke auf, als der Raum sich verdunkelt und Gandalf sich wütend erhebt. "Genug! Wenn ich sage, dass Bilbo Beutlin ein Meisterdieb ist, dann ist er ein Meisterdieb!" Der Zauberer setzt sich wieder und beginnt, zu argumentieren, warum ein Hobbit perfekt für diese Aufgabe ist.

Schlussendlich stimmt Eichenschild zu und Balin reicht Bilbo einen Vertrag.

"Was ist mit ihr?" Einer der Zwerge - ich glaube, er heißt Oin - nickt in meine Richtung. "Sollte sie nicht auch unterzeichnen?"

Thorin nickt und weist Balin an, einen zweiten Vertrag aufzusetzen. Ich sage nichts, warte einfach, bis er fertig ist. Ich würde auch ohne Vertrag mit zum Erebor reisen, komme was wolle, denn ich habe einen Plan und den werde ich nach all den Jahren nicht einfach aufgeben.

Während Bilbo besorgt seinen Vertrag ordentlich durchliest, sehe ich, wie Eichenschild sich zu Gandalf lehnt und ihm mit einem Blick zu dem Hobbit und schließlich zu mir etwas zuflüstert.

"Platzwunden?" Bilbo runzelt die Stirn. "Ausweidung? Verbrennung?!" Fassungslos sieht er die Zwerge an.

"Naja", sagt der Zwerg mit der Fellmütze - Bofur - gelassen. "Er schmelzt einem im Handumdrehen das Fleisch von den Knochen."

Bilbo atmet tief durch, er sieht aus, als würde er gleich das Bewusstsein verlieren.

"Alles klar, Kleiner?" Balin sieht von seinem Vertrag auf.

"Huh? Ja, mir ist nur... etwas schwummrig."

Bofur setzt noch eins drauf. "Stell dir einen geflügelten Schmelzofen vor!"

"Ja, ich..." Bilbo hält sich die Hand vor den Mund. "... muss an die Luft."

"Ein grelles Licht, ein glühender Schmerz und puff - ist man nur noch ein Häufchen Asche."

Ich kann sehen, dass Eichenschild mich prüfend mustert, doch ich lasse mir nichts anmerken. Ich bin bei Orks aufgewachsen, davon abgesehen habe ich Zauberkräfte, die deiner Vorstellungskraft weit voraus sind. Es braucht schon mehr als einen Drachen, um mich einzuschüchtern.

"Hm..." Bilbo sieht an die Decke, überlegt. "Ne", sagt er dann und fällt ohnmächtig zu Boden.

"Sehr hilfreich, Bofur", schnaubt Gandalf.

Ich hebe eine Braue. Wie konnte er denken, dass dieser mickrige Hobbit mit auf so eine gefährliche Reise kommen würde? Er wird keine Chance haben, zu überleben.

Bofur und Gandalf bringen Bilbo ins Wohnzimmer. Balin reicht mir den fertigen Vertrag und eine Feder. Ich setze zum Unterschreiben an, doch jemand packt mein Handgelenk. Es ist Eichenschild.

"Flossen weg", knurre ich, doch der Zwerg denkt nicht dran. "An Eurer Stelle würde ich mir das gut überlegen", warnt er mich leise. "Ein Drache ist nicht zu unterschätzen."

"Das bin ich auch nicht", stelle ich klar, löse mich aus seinem Griff und unterzeichne mit einer schnellen, flüssigen Handbewegung den Vertrag. Balin rollt ihn wieder zusammen.

Eichenschild hält mich an der Schulter zurück, als ich Anstalten mache, zu gehen. Warnend sehe ich auf seine Hand und er nimmt sie weg. Er beugt sich vor und flüstert mir zu: "Ich bin nicht verantwortlich für Euer Schicksal... Und keiner von uns wird auf Euch aufpassen."

"Das ist auch nicht nötig", sage ich nur und lasse ihn stehen. Ihr solltet lieber auf einander aufpassen.

-

Die Sterne funkeln über uns, als ich neben Akela auf der Wiese liege und in den dunklen Himmel hinaufsehe. Keine einzige Wolke ist zu sehen. Leise wiehernd stößt Akela mich mit der Nase an, worauf ich ihn geistesabwesend streichle.

Ich muss mit Azog in Kontakt treten. Aber wie?

Aus dem Inneren der Hobbithöhle kann ich die tiefen Stimmen der Zwerge hören, die ein Lied über ihre Heimat singen. Ihr Gesang dringt durchs offene Fenster nach draußen, sorgt dafür, dass meine Nackenhaare sich aufstellen.

"Über die Nebelberge weit, zu Höhlen tief aus alter Zeit, da zieh'n wir hin, da lockt Gewinn. Durch Wind und Wetter, Not und Leid. Und dort wo knisternd im Gehölz erwacht, ein Brand von Winden, angefacht. Zum Himmel rot, die Flamme loht,
der Wald befackelt hell die Nacht..."

Mein Herz zieht sich zusammen bei der Erinnerung an die brennenden Häuser und die qualvollen Schreie, die durch die Straßen hallten. Ich denke an meine Familie und fühle mich entschlossener als je zuvor. Ich werde euch rächen, gelobe ich. Das verspreche ich.

-

Als Akela mich am nächsten Morgen weckt, geht die Sonne gerade erst auf. Ich strecke mich und klopfe meinem Pferd auf den Hals. "Na, gut geschlafen?" Akela wiehert zur Antwort.

Ich drehe den Kopf und sehe, dass die Zwerge Ponys satteln, Gandalf hat ein Pferd. Woher haben sie diese Tiere plötzlich?

Herr Beutlin wird nicht mit uns reisen, er hat den Vertrag nicht unterzeichnet. Wirklich überrascht hat mich das nicht, obwohl ein kleiner, wirklich winziger Teil von mir für einen kurzen Moment gedacht hat, er könnte seine Meinung noch ändern. Warum sollte Gandalf sich sonst so sicher gewesen sein, den richtigen Hobbit gefunden zu haben?

Ich stehe auf und gehe zu den anderen, Akela folgt mir.

"Habt Ihr etwa die Nacht hier draußen verbracht?" Kili bemerkt mich als erster, sein Bruder Fili steht neben ihm und bindet gerade seine Taschen auf einem der Ponys fest.

Ich zucke mit den Schultern. "Ich bin es gewohnt, unter freiem Himmel zu schlafen."

Kilis Blick schweift zu Akela. "Ein wirklich schönes Tier. Woher habt Ihr ihn?" Er streckt die Hand aus, um Akela über die Stirn zu streicheln, doch der Hengst wiehert protestierend und scharrt mit den Hufen, tänzelt unruhig umher. Sofort weicht Kili zurück.

Ich streiche Akela durch die Mähne, worauf er sich schnell wieder beruhigt. "Er mag es noch weniger, von Fremden angefasst zu werden, als ich."

"Verstanden", murmelt Kili, immer noch leicht erschrocken, und setzt sich auf sein Pony, die anderen Zwerge tun es ihm gleich.

Mit Leichtigkeit schwinge ich mich auf Akelas Rücken. Sobald alle sitzen, gibt Eichenschild das Zeichen zum Aufbruch und reitet voraus. Ich warte, bis die Gruppe an uns vorbeigeritten ist, und lasse Akela dann im Schritttempo ganz hinten laufen.

Gandalf übernimmt die Führung und leitet uns aus Beutelsend hinaus, in einen Wald. Ich lehne mich nach hinten, sodass ich meinen Kopf auf Akelas Hinterteil ablegen kann. Ich schließe die Augen und genieße die warme Sonne auf meinem Gesicht.

Um ehrlich zu sein habe ich es nie gemocht, bei den Orks zu leben. Ich meine, wer würde das schon? Aber im Endeffekt bin ich froh über all die Dinge, die ich dort gelernt habe. Diese neun Jahre haben mich klüger und stärker werden lassen, aber vor allem misstrauischer. Ich vertraue nicht darauf, dass einer dieser Zwerge mir helfen wird, sollte es brenzlig werden, und ich habe auch nicht vor, mein Leben für einen von ihnen zu riskieren.

Ich öffne eines meiner Augen, als ich merke, dass jemand neben mir reitet. Es ist Fili. Auf meiner anderen Seite sind Schritte zu hören, darum öffne ich auch das zweite Auge. Kili reitet ebenfalls neben mir.

"Was ist mit Euch?", fragt Fili.

"Was soll mit mir sein?", brumme ich, schließe meine Augen wieder. Ich falte die Hände auf meinem Bauch, hoffe, mich noch etwas ausruhen zu können. Ich habe das Gefühl, dass diese Zwerge sehr an meinen Nerven zehren werden.

"Die anderen schließen Wetten ab, ob der Halbling noch kommt oder nicht", klärt Kili mich auf. "Was denkt Ihr?"

"Ich denke, dass ich kein Geld habe, um mit einem von Euch zu wetten."

"Und wenn Ihr welches hättet, was würdet Ihr dann sagen?", fragt Fili.

Schwungvoll setze ich mich auf. "Dass es mir total egal ist, ob er kommt oder nicht." Mein Blick wandert zu Gandalf, welcher sich nach wie vor sicher zu sein scheint, was Bilbo betrifft.

Während Fili und Kili darüber diskutieren, wie der Hobbit sich wohl entscheiden wird, höre ich plötzlich eine Stimme. "Wartet! Wartet!" Auch die anderen haben sie gehört und wir halten an. Bilbo rennt keuchend auf uns zu, eine Reisetasche auf dem Rücken und den Vertrag in der Hand. "Ich habe unterzeichnet!", ruft er.

Überrascht beobachte ich, wie er vor Balin stehenbleibt und ihm den Vertrag überreicht. Er ist doch noch gekommen... Das hätte ich nicht erwartet.

"Es scheint alles in Ordnung zu sein." Balin rollt den Vertrag wieder zusammen. "Willkommen, Meister Beutlin, in der Gemeinschaft von Thorin Eichenschild."

Thorin verdreht die Augen und setzt seinen Weg fort. "Gebt ihm ein Pony", ordnet er an. Obwohl Bilbo protestiert, schnappen Fili und Kili ihn sich und setzen ihn auf eines der Tiere.

Schon allein weil Eichenschild offenbar genervt davon ist, Bilbo dabeizuhaben, freue ich mich darüber.

Als Bilbo jedoch meint, wir müssten umkehren, weil er sein Taschentuch vergessen hat, verdrehe ich die Augen und sogar Akela schnaubt belustigt. Das wird eine lange Reise, Herr Beutlin... Du wirst bald weitaus größere Probleme als eine Allergie haben.

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