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"Rina, wach auf." Jemand rüttelt an meiner Schulter.
Meine Reaktion besteht aus einem halbherzigen Schlag in die Richtung, aus der die Stimme kommt. "Au!", macht Fili. Brummend reibt er sich den Kopf. Noch leicht benebelt vom Schlaf grinse ich ihn entschuldigend an. "Warum weckst du mich auch?"
Sein Blick wird weicher. "Ich wollte nur, dass du das siehst." Mit dem Kinn nickt er auf etwas hinter mir. Erst da merke ich, dass alle anderen auch diesen Punkt anstarren. Ich wende den Kopf und ziehe scharf die Luft ein, als ich erkenne, was sich vor uns im Nebel erstreckt.
Erebor. Der einsame Berg.
"Die Aussicht ist wunderschön", murmle ich mehr zu mir selbst, überlege, wie atemberaubend sie erst sein muss, wenn man vom Berg aus auf die Seestadt hinabsieht.
"Ja... Allerdings", stimmt Fili mir mit liebevoller Stimme zu. Ich drehe den Kopf - und merke, dass er mich anschaut. Ich öffne den Mund, bekomme aber keinen Ton heraus. Hinter Fili steht sein Bruder, der grinsend mit den Augenbrauen wackelt. Ich werfe ihm einen giftigen Blick zu, denn ich komme leider nicht an ihn ran, um ihm auf den Hinterkopf zu hauen. Kili und Dwalin, der alles mitbekommen hat, lachen, während ich versuche, Filis Blick auszuweichen.
Mein Bauch kribbelt... Aber auf eine angenehme Art und Weise. Was in Durins Namen ist das?!
(AN// Es fängt mit L an und hört mit E auf... Und ich meine nicht Läuse.)
Bilbo räuspert sich und nickt in die Richtung des Mannes, der uns über den See bringt - Bard.
"Das Geld, schnell. Her damit!", fordert er drängend, aber mit gesenkter Stimme, als er hastig auf uns zukommt.
"Wir werden Euch erst bezahlen", stellt Thorin ruhig, aber entschlossen klar, "wenn wir unsere Vorräte haben."
"Wenn euch die Freiheit lieb ist, tut ihr, was ich sage. Da vorne stehen Wachen."
Ich schaue über die Schulter und sehe einige Wachen am Tor zur Seestadt stehen. "Tut, was er sagt", sage ich zu den Zwergen. Thorin funkelt mich an, als wolle er mir klarmachen, dass nicht ich hier das Sagen habe, sondern er. "Kathrina - ", beginnt er und ich weiß sofort, dass er mir einfach aus Prinzip widerspricht.
"Thorin, nein. Mach einfach einmal, was ich sage. Bitte", füge ich gezwungen hinzu, als er weiterhin zögert.
"In die Fässer", befiehlt Thorin dann, bricht dabei nicht unseren Blickkontakt. "Los, Beeilung!"
-
"Was tut er?", ertönt Dwalins Stimme aus einem der Fässer und aus einem anderen antwortet Bilbo leise: "Er spricht mit jemandem... Jetzt zeigt er direkt auf uns!" Eine kurze Pause entsteht, während er alles weiterhin durch ein kleines Loch im Holz beobachtet. "Jetzt geben sie sich die Hand!"
"Was?", knurrt Thorin im Fass neben mir.
"Verräter!", kommt es wieder von Dwalin. "Er will uns ausliefern."
Ich bekomme kaum etwas mit, auch nicht, dass das Amulett wieder in regelmäßigen Abständen rot aufleuchtet. Stattdessen sitze ich, einen Unsichtbarkeitszauber (wie bei den Düsterwaldelben auch) über mich gelegt, zwischen den Fässern, die Stirn gerunzelt und die Augen zusammengekniffen und versuche, das Hämmern in meinem Kopf zu verdrängen. Nur am Rande bekomme ich mit, dass meine Freunde mit Fischen übersäht werden. Normalerweise hätte ich gelacht, doch jetzt muss ich mich leise verhalten.
Als die Kopfschmerzen endlich nachlassen, sehe ich auf und merke, dass Bard mit dem mehr als unsympathischen Berater des Bürgermeisters spricht. Oder eher, diskutiert. Denn der Berater - Alfrid - beschwert sich darüber, dass die Fässer nicht wie angekündigt leer sind. Bard versucht, ihn davon zu überzeugen, dass die Menschen in der Stadt die Fische brauchen.
Ich höre nicht zu, denn ich merke, wie meine Hand zu kribbeln beginnt. Nein... Entsetzt reiße ich die Augen auf. Ich werde wieder sichtbar! Wie kann das sein? Unter großer Anstrengung versuche ich, den Zauber zu erneuern, doch meine nun bloß noch leicht durchsichtige Hand wird immer auffälliger.
Nein, nein, nein, nein, nein...
Inzwischen ist meine Hand komplett zu sehen. Ich umfasse mit ihr das Amulett, schließe die Augen und konzentriere mich. Ich spreche einen Zauber, wiederhole ihn immer wieder. Erleichtert atme ich still auf, als der Zauber gelingt und das Kribbeln langsam schwindet.
Ich bin wieder unsichtbar.
Doch wer weiß, für wie lange... Bard sollte sich lieber beeilen.
Da beginnen die Wachen, den Fisch über Bord zu werfen. Ich halte die Luft und versuche, den Männern auszuweichen, ohne dabei Geräusche zu machen oder ihnen in die Quere zu kommen. Einmal knarzt das Holz unter mir, doch obwohl eine der Wachen in meine Richtung sieht, bemerkt sie mich nicht.
Schon praktisch, diese Zauberkräfte.
Glücklicherweise schafft Bard es, Alfrid davon abzuhalten, alle Fische ins Meer zu kippen. Als wir endlich das Tor passiert und die Zwerge und Bilbo sich aus den Fässern befreit haben, mache ich mich keuchend wieder sichtbar. Mein Herz schlägt schnell, nicht wirklich oder nicht nur von der Aufregung, sondern weil ich mich fühle, als wäre ich stundenlang gerannt.
Bilbo kommt, etwas verkrampft wegen seinem Erlebnis in diesem Fass, zu mir und hält mir hilfsbereit seine Hand hin. Ich schlage sie weg und kämpfe mich, leicht taumelnd, selbst auf die Beine. Der Hobbit beobachtet das ganze skeptisch und mit gerunzelter Stirn, genau wie Fili.
"Was?", keife ich, laufe an dem blonden Zwerg vorbei, ohne eine Antwort abzuwarten. Ich höre Fili seufzen, und Kili flüstert ihm zu: "Bruder, ich bin überzeugt davon, dass du dir die temperamentvollste Frau in ganz Mittelerde ausgesucht hast."
-
Die Köpfe eingezogen und mit schnellen Schritten folgen wir Bard durch die Straßen der Stadt.
Bis Wachen uns entdecken. Sie rufen nach uns, doch wir denken nicht mal daran, ihren Befehlen Folge zu leisten und uns gefangen nehmen zu lassen. Was glauben die, wer wir sind? Irgendwelche dahergelaufenen Vollidioten? Vermutlich tun sie das. Gut, so falsch liegen sie damit bei dem ein oder anderen auch wieder nicht...
Thorin rennt voraus, wir anderen kurzerhand hinterher. Ich halte das zwar nicht unbedingt für eine gute Idee - immerhin verlieren wir so Bard aus den Augen - aber da ich keine bessere habe, folge ich dem Zwergenprinzen.
Ein paar Wachen umkreisen uns nach wenigen Minuten. Wir schaffen es, sie zu überwältigen, und mit der Hilfe einiger Stadtbewohner, die sowohl uns, als auch die bewusstlosen Wachen hinter ihren Marktständen versteckt halten, können wir die Männer des Bürgermeisters, die noch dazukommen, abwimmeln.
Ich sehe zu einer Frau, die eine Vase auf den Kopf einer am Boden liegenden Wache hat fallen lassen, um sie am Aufwachen zu hindern. Ich bücke mich nach dem Porzellan und halte meine Hände darüber, lasse meine Magie in die Scherben übergehen. Kurz darauf ist die Vase wieder wie neu. "Vielen Dank", lächle ich die Frau an, drücke ihr die Vase in die Hand. Sie ist etwas verdutzt, lächelt aber zurück.
Das sehe ich allerdings nicht mehr, da ich bereits den Zwergen, Bilbo und Bard hinterherrenne. Letzterer führt uns zu einem Jungen, nicht älter als fünfzehn, der offenbar sein Sohn ist. Er warnt Bard, dass ihr Haus beobachtet wird, und die beiden überlegen, wie sie uns unbemerkt reinschmuggeln können.
Ihre einzige Idee ist ekelhaft und kaum überraschend zu gleich: Wir sollen durchs Klosett nach oben klettern.
"Ohne mich", sage ich, sehe mich unauffällig um. Als ich mich vergewissert habe, dass mich keiner beobachtet, mache ich mich unsichtbar.
Fili hebt eine Braue. "Du sollst deine Magie doch nicht anwenden, wenn es sich vermeiden lässt."
"Da würde ich lieber das hier vermeiden", schnaube ich nur, ignoriere den offenstehenden Mund von Bards Sohn. Hat wahrscheinlich noch nie eine Magicae gesehen... Hätte mich auch gewundert. "In meiner Vergangenheit habe ich schon viel durchgemacht, auch einiges, was alles andere als appetitlich war, aber wenn ich nicht durch ein Klosett kriechen muss, tue ich das auch nicht. Euch aber viel Spaß." Sie können es nicht sehen, doch ich grinse sie schadenfroh an.
Die Zwerge grummeln unzufrieden, Bilbo wiederum sieht einfach nur verstört aus. "Muss das wirklich sein?"
"Ja", sagt Bard entschlossen und gibt Anweisungen, wer wann wo sein muss. Ich habe es leicht, denn ich laufe Bard und seinem Sohn - der übrigens Bain heißt, wie er mir verrät - einfach hinterher, mich sieht ja keiner. Trotzdem schaut Bard immer wieder über die Schulter, als sei er nicht sicher, ob ich noch da bin.
Kaum, dass die Haustür hinter mir zuschlägt, werde ich wieder sichtbar. Vielleicht hatte Fili recht. Vielleicht sollte ich das Zaubern für eine Weile lassen, denke ich, würde jedoch nie einem Zwerg - erst recht nicht einem meiner Freunde - freiwillig recht geben.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als ein kleines Mädchen Bard mit weit aufgerissenen Augen fragt: "Vater... Was macht eine Magicae in unserem Haus?"
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