18 ˖⋆࿐໋₊
Gut, mit Schlingpflanzen lag ich vielleicht etwas daneben, aber in Schwierigkeiten sind die Zwerge ohne Zweifel. Woher ich das weiß?
Ich irre schon seit Stunden in diesem vermaledeiten Wald herum, zwischendurch hat es sogar geregnet. Beorn hat mich gewarnt, dass er versuchen würde, mich zu verwirren - also der Wald, nicht Beorn - und dass ich auf dem Weg bleiben solle. Da ich die Zwerge aber nicht finden konnte, habe ich einen Ortungszauber ausgesprochen, der mich vom Weg fortgeführt hat. Tatsächlich wurde mir nach einer Weile etwas schummrig, aber wirklich beeinflussen konnte der Zauber des Waldes meine Sinne nicht. Liegt womöglich daran, dass ich eine Magicae bin. Der Ortungszauber allerdings wurde gestört, sodass ich mich nach einer Weile verlief.
Irgendwann hörte ich eine mir nur allzu bekannte Stimme - Bilbos. "Hört ihr mich? Ich weiß, in welche Richtung wir gehen müssen!" Von den Zwergen allerdings gab es weit und breit kein Lebenszeichen.
Jetzt stehe ich unter einem großen Baum. Bilbos Stimme kam von oben. Vermutlich ist er raufgeklettert. Ich mache mich daran, ihm zu folgen. Auf meinem Weg bemerke ich die großen, besorgniserregenden Spinnennetze, die im Wald verteilt sind. Wachsam behalte ich alles so gut ich kann im Auge, während ich weiterklettere.
Als ich durch das Blätterdach breche, erwarten mich ein wunderschöner Sonnenuntergang, rote Baumkronen und - Bilbo.
Direkt neben mir.
Erschrocken schreit er auf, als er mich sieht, verliert den Halt und stürzt nach hinten. Sofort strecke ich die Hand aus, nicht einmal zwei Sekunden später schwebt Bilbo unter mir in der Luft. "Rina!", ruft er überrascht aus, ein breites Lächeln ziert sein Gesicht.
"Bin ich so furchteinflößend?", scherze ich.
"Was machst du denn hier? Bist du uns gefolgt?"
"Nach einer Weile, ja", gebe ich zu, mache eine Handbewegung, als würde ich etwas zu mir ziehen. Dadurch schwebt Bilbo langsam auf den Baum zu. Er hält sich an den Ästen fest und als ich sicher bin, dass er Halt gefunden hat, löse ich den Zauber auf. "Beorn fand, ihr könntet Hilfe brauchen", begründe ich mein Handeln schulterzuckend, als Bilbo wieder neben mir steht.
Wissend hebt der Hobbit beide Brauen. "Du hast uns also gar nicht vermisst?"
"Euch? Pff." Schnaubend winke ich ab. "Hättet ihr wohl gern. Und überhaupt", fahre ich fort, ohne Bilbos Schmunzeln zu beachten. "Wo sind die anderen eigentlich abgeblieben?"
"Unten." Er runzelt die Stirn. "Oder etwa nicht?"
"Ich habe sie nicht gesehen", verneine ich. Misstrauen macht sich in mir breit. Ich weiß ja, dass überlegtes Handeln - sowie regelmäßige Waschtage - nicht zu den Stärken der Zwerge gehören, aber dass sie einfach alle auf einmal spurlos verschwinden, finde ich doch etwas seltsam.
Unter uns knackt etwas.
"Hallo?", ruft Bilbo in der Erwartung, die Zwerge würden antworten. Sofort halte ich ihm den Mund zu. "Sei leise", zische ich warnend, nehme langsam meine Hände wieder weg, nur, um sie an mein Schwert zu führen. Die Zwerge mögen nicht da sein, aber allein sind wir gewiss nicht.
Bilbo erstarrt und schluckt, sein Gesicht wird blass. "Rina..." Mit zitternden Fingern deutet er hinter mich. Ich drehe mich um und sehe, wie einige Bäume des Düsterwaldes umgeknickt werden, als würde etwas Großes und Schweres sie auf seinem Weg zu uns auf die Seite schieben. Moment... Zu uns?
"Es kommt auf uns zu", stelle ich unnötigerweise klar.
"Es?", wiederholt Bilbo. "Was ist es?"
"Ich... Ich weiß nicht. Etwas Großes, Gefährliches, vor dem wir uns verstecken sollten. Brauchst du noch mehr Info? Das war eine rhetorische Frage", füge ich augenrollend hinzu, als Bilbo zu antworten ansetzt. "Los, beweg dich!" Damit schiebe ich Bilbo nach unten. Wir machen uns an den Abstieg, doch kaum, dass wir auf dem nächsten Ast stehen, bleibt Bilbo in einem kleinen Teil einer der Spinnennetze hängen, stolpert und fällt schreiend nach unten.
"Bilbo!", keuche ich, klettere ihm ohne zu Zögern nach. Mit gezielten, flinken Sprüngen bewege ich mich von Ast zu Ast, klettere weiter nach unten. Geschockt halte ich inne, als ich die riesige Spinne sehe, die vor Bilbo steht und ihn vermutlich schon als ihr nächstes Mahl eingestuft hat. Ich will nach meinem Dolch greifen, um ihn nach der Spinne zu werfen, da ertönt ein Geräusch hinter mir. Noch ehe ich reagieren kann, taucht dort eine weitere, haarige Spinne auf, faucht mich an und wickelt mich in ein Kokon aus Spinnweben.
Alles um mich herum wird binnen Sekunden dunkel.
-
"Rina? Rina, wach auf..."
Diese Stimme... Ich kenne diese Stimme. Aber sie klingt zu weit entfernt und zu dumpf, um sie ausmachen zu können.
"Rina!"
Mühselig öffne ich die Augen, sehe erst verschwommen, dann mit jedem Blinzeln klarer. "Bilbo...?" Er ist bedeckt mit Spinnweben, hat sich aber anscheinend eigenhändig mithilfe seines Schwertes aus seinem Kokon befreit. Dasselbe macht er nun mit mir.
Genervt ziehe ich die klebrige, silberne Masse so gut es geht von meinen Klamotten. "Diese verdammten Spinnen", brumme ich, als ich auch Weben in meinem zerzausten Haar erkenne.
"Psst!", zischt Bilbo, deutet nach links. Einige Meter unter uns klettert eine Spinne gerade nach oben. Nebeneinander verstecken wir uns hinter dem breiten Stamm eines Baumes. "Hast du die anderen gefunden?", frage ich den Hobbit leise. Er nickt und deutet nach vorn, wo ich, nicht weit von uns entfernt, weitere Kokons erkennen kann. "Wir müssen sie losschneiden", flüstert Bilbo.
"Da stimme ich dir zu, aber es wäre besser, wenn sie mich nicht sehen, sonst schicken sie mich gleich wieder weg", murmle ich.
"Aber wie willst du das anstellen?", fragt Bilbo.
Nachdenklich beiße ich mir auf die Unterlippe, da kommt mir eine Idee. Ich schließe die Augen, konzentriere mich auf jede einzelne Faser und Pore meines Körpers. Bildlich stelle ich mir vor, wie ich verschwinde... Und als ich kurz darauf höre, wie Bilbo leise meinen Namen sagt, weiß ich, dass er mich nicht mehr sehen kann.
Ich bin unsichtbar.
"Bin direkt neben dir, Kleiner", beruhige ich ihn.
"Wie... Wie hast du das gemacht?" Staunend reißt Bilbo die Augen auf. Irritiert bemerke ich, wie er seine freie Hand - in der anderen hält er sein Schwert - schnell in die Tasche seiner Weste schiebt, sie kurz darauf beinahe erleichtert rauszieht.
Ich beschließe, es zu ignorieren, immerhin müssen wir unsere Freunde retten. "Magicae, schon vergessen? Jetzt komm, wir teilen uns auf."
Während Bilbo die Zwerge vor uns losschneidet, ziehe ich mich auf den Ast über uns und kümmere mich um die, die dort festhängen; Thorin, Dori, Gloin, Balin und Fili. Mit meinem Schwert schneide ich die Fäden über ihnen durch, sodass ihre Kokons zu Boden fallen. Keiner beschwert sich, scheinbar schlafen sie oder wurden von den Spinnen betäubt. Während unserer Rettungsaktion verliere ich Bilbo kurzzeitig aus den Augen. Zwischendurch müssen wir uns gegen ein paar Spinnen zur Wehr setzen, aber das ist bald erledigt.
Als alle Zwerge auf dem Boden liegen und nach und nach aufwachen, ertönt Bofurs Stimme: "Wo ist Bilbo?"
"Hier oben bin ich!" Bilbos Worte wandeln sich kurz darauf in einen Schrei um. Eine Spinne hat sich auf ihn gestürzt. Reflexartig hält Bilbo sein Schwert vor seinen Körper, ersticht so das Tier. Beide fallen von dem Baum. Besorgt werfe ich einen Blick nach unten, atme jedoch auf als ich sehe, dass Bilbo sich aufrappelt. Es geht ihm gut. Dieser Hobbit ist zäher, als er auf den ersten Blick wirken mag.
Die Zwerge werden derweil von Spinnen verfolgt, die das Geschrei gehört haben. Eine von ihnen beugt sich über den am Boden liegenden Bombur. Die anderen Zwerge schnappen sich je ein Bein des riesigen Tiers, ziehen daran und mit einem widerlichen Geräusch trennen sie sie vom Körper der Spinne. Dieser fällt auf Bombur drauf.
Ich verziehe keine Miene, immerhin bin ich Schlimmeres gewohnt, und klettere in den angrenzenden Baum. Der Zauber ruht weiterhin auf mir. Dadurch ist es mir erlaubt, zu beobachten, wie die Zwerge von Düsterwaldelben umzingelt werden, ohne, dass irgendjemand mich entdeckt. Die Elben töten einige der Spinnen, machen sich dann daran, die Zwerge zu entwaffnen. Wo ist Bilbo?! Allein werde ich die Zwerge nicht retten können, unsichtbar hin oder her. Darum bleibe ich vorerst im Baum sitzen, beobachte, wie ein Elb Fili durchsucht. Dieser sieht mit einem verwegenen Grinsen frech zu ihm rauf. Das Grinsen vergeht ihm, als der Elb ein Messer hinter Filis Rücken hervorzieht. Wenn er denkt, dass das alle seine Waffen waren, liegt er - so, wie ich Fili kenne - daneben.
Mir fällt der blonde Elb, der die Gruppe offenbar anführt, ins Auge. Ein Krieger nannte ihn vorhin Legolas. Legolas wie in König Thranduils Sohn? Dann ist Blondie da drüben also der Prinz von dem Saftladen hier. Ich werde aus meinen Überlegungen gerissen, als Kili laut aufschreit. Eine Spinne hat ihn in der Mangel. Ich mache mich bereit, meinen Dolch nach dem Biest zu werfen, doch eine rothaarige Elbin kommt mir zuvor. Erstaunt starrt Kili sie an.
Thorin scheint - berechtigterweise - alles andere als froh darüber zu sein, dass die Elben sie erwischt haben. Seine Laune verschlechtert sich, als Legolas den Befehl gibt, sie gefangen zu nehmen und zu seinem Vater zu bringen.
Gedanklich fluchend folge ich ihnen, so leise ich kann, durch die Baumkronen. Verdammte Scheiße. Zum Glück bin ich ihnen nach, sonst wären die jetzt sowas von geliefert. Und wo steckt überhaupt Bilbo? Ich sehe mich um, doch von dem Hobbit keine Spur. Mir bleibt nichts anderes übrig als die Elben zu verfolgen, die Zwerge allein zu retten und mit ihnen zurückzukommen, um dann Bilbo zu suchen. Hoffentlich ist das auch eine gute Idee...
Beim Palast angekommen, schlängle ich mich gerade so rechtzeitig an Legolas vorbei und durchs Tor. Der junge Elbenprinz - oder vielleicht ist er auch steinalt, kann man bei denen ja nie so genau wissen - hat den Wald beobachtet, als hätte er gemerkt, dass jemand ihn und seine Sippe verfolgt. Knapp nach mir betritt er den Palast, die Wachen schließen die Tür hinter ihm.
Die Zwerge werden in Zellen gesperrt. Dabei beobachte ich von einem Vorsprung über ihnen aus, wie einer der Elben Fili dummerweise auch seine letzte Waffe abnimmt. Ich wusste, er hat noch welche... Oder hatte. Jetzt bin ich ihre letzte Hoffnung. Während die Elben die Zwerge einsperren, verlasse ich lautlos den Kerker. Gut, jetzt weiß ich, wo sie sind... Aber was, wenn ich sie befreit habe? Ich beschließe, auszukundschaften, welche Wege noch aus dem Schloss rausführen, damit wir sofort fliehen können, ohne auf unangenehme Überraschungen zu stoßen.
Auf meinem Weg durch einen der Gänge überkommt mich plötzlich ein unangenehmer Schwindel. Ich keuche unterdrückt auf, stützte mich gegen die Wand. Meine Sicht verschwimmt, mein Kopf dröhnt. Durch zusammengebissene Zähne versuche ich, tief ein und aus zu atmen. Der Zauber hat mich überanstrengt, mein Amulett leuchtet in regelmäßigen Abständen rot auf. Ich werde gleich wieder sichtbar! Ich muss mich irgendwo verstecken... Aber wo? Hastig sehe ich mich um. Mein Blick bleibt an einem Durchgang hängen, ein goldener Bogen windet sich um den Eingang. Hinter mir kann ich die Schritte einiger Elben hören. Mir bleibt keine andere Wahl. Ich springe in den Durchgang, drücke mich an die Wand. Mir bleibt nur zu hoffen, dass ich einigermaßen mit der Dunkelheit verschmelze, denn ich kann spüren, dass ich wieder sichtbar geworden bin. Ich halte die Luft an, schließe die Augen.
Erst, als ich höre, dass die Wachen an mir vorbeigegangen sind, atme ich erleichtert aus. Glück gehabt. Jetzt schnell einen Weg hier raus suchen, die Zwerge retten und Bilbo finden, und dann nichts wie raus aus diesem verdammten Wald!
Während ich weiter die Treppen nach unten steige, kommt mir ein Gedanke. Was, wenn wie Zwerge mich verjagen? Womöglich macht nicht mal die Tatsache, dass ich sie rette, einen Unterschied für sie.
Dann ist es eben so, denke ich, laufe schnellen Schrittes weiter und halte wachsam die Augen nach Elben offen. Momentan ist nur von Bedeutung, dass wir alle hier rauskommen. Vorzugsweise lebend. Was danach passiert, werde ich noch sehen...
Am Ende der Treppe erreiche ich einen Weinkeller. Vorsichtig spähe ich durch die Tür, aber niemand ist zu sehen, darum betrete ich den Raum ganz. Es scheint keinen Ausweg von hier zu geben. Hoffnungsvoll laufe ich um ein mit Weinflaschen befülltes Regal herum, doch das einzige, was sich mir offenbart, ist -
"Bei den Valar - Bilbo!", keuche ich auf, lege eine Hand auf mein schlagendes Herz.
Der Hobbit sieht mich erst erschrocken, dann lächelnd an. "Rina? Was tust du denn hier?"
"Dasselbe könnte ich dich fragen, du warst plötzlich weg." Wütend funkle ich ihn an. "Pass in Zukunft gefälligst auf dich auf, du Volltrottel! Ich habe keine Zeit, deine Leiche von Bäumen zu kratzen."
"Ist das deine Art, mir zu sagen, dass du dich um mich gesorgt hast?"
"Äh, was? Schwachsinn. Jetzt mach mal was Sinnvolles und hilf mir, einen Ausweg zu finden. Wir müssen die Zwerge befreien."
"Ich bin dir einen Schritt voraus", sagt Bilbo und ich bin froh, dass er das vorige Thema um meinetwillen fallen lässt. Nicht in einer Millionen Jahren würde ich zugeben, dass ich mich um jemanden gesorgt habe. Auch nicht, wenn es dabei um Bilbo, Kili oder Fili geht.
"Was meinst du?", frage ich interessiert.
Zur Antwort zeigt der Hobbit auf den Boden.
Ich hebe eine Braue. "Holz. Wow, toll. Und jetzt?"
"Um Himmels Willen, bist du nun von Orks ausgebildet worden oder nicht? Sieh genauer hin!"
Nachdem ich Bilbo mahnend angefunkelt habe, verrät mir ein zweiter Blick, dass sich im Boden neben einigen leeren Fässern eine Falltür befindet.
"Denkst du dasselbe, was ich denke?", fragt Bilbo, der ebenfalls die Fässer beäugt.
"Du meinst, dass das eine total bescheuerte Idee ist?"
"Von der Gefahr ganz zu schweigen."
"Wir wären schon verrückt, das zu machen."
"Wahnsinnig." Forschend sieht er mich von der Seite an. "Nur, damit ich das richtig verstehe - wir machen das trotzdem, oder?"
"Natürlich!" Grinsend sehe ich auf Bilbo herab. "Lass uns diese Idioten retten."
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