33. WIEDERVEREINT
1985 | HAWKINS, INDIANA — Der muffige Geruch von Popcorn und klebrigem Teppichboden lag schwer in der Luft, als die fünf Freunde im schummrigen Licht des Kinobadezimmers kauerten. Dustin, mit seiner Kappe leicht schief auf dem Kopf, schlich an die Tür heran und spähte vorsichtig hinaus. Die Atmosphäre war geladen, jeder Atemzug schwer vor Spannung.
„Und... untermischen", Flüsterte Dustin, während er seinen Kopf aus der Badezimmertür des Kino's streckte.
Die fünf warteten in geduckter Haltung, bis der passende Moment gekommen war, um sich unauffällig aus dem Kino zu schleichen und möglichen russischen Spionen zu entkommen. Die Vorstellung, dass jederzeit ein Russe um die Ecke biegen könnte, ließ ihr Herz schneller schlagen.
Auf Dustins Zeichen hin huschten sie aus ihrem Versteck und mischten sich unter die Menschenmenge, die aus den Kinosälen strömte. Das Dröhnen der Filmmusik und das Murmeln der Zuschauer boten ihnen die perfekte Deckung.
Wie aus dem nichts, spürte Steve wie eine warme Hand aus versehen gegen seine eigene strich. Es war (Y/N)'s Hand. Er blickte zu ihr rüber und bemerkte, dass ihre andere Hand, den Anhänger an ihrer Halskette festhielt. Es war die Halskette, die er ihr vor zwei Jahren an Weihnachten geschenkt hatte. Und sie trug sie immer noch. Doch er wusste, dass sie mit dem Anhänger spielte wenn sie nervös war. Aber auch Steve hatte große Angst. Immerhin, könnten die fünf jede Sekunde erschossen werden. Er nahm einen leisen Atemzug, ließ seine Angst wenn auch nur für wenige Momente ruhen und tat was er für richtig hielt.
Auf einmal spürte Steve eine warme Berührung an seiner Hand. Es war ein flüchtiges, fast zufälliges Streifen, das ihn innehalten ließ. Er drehte den Kopf und sah, dass es (Y/N)'s Hand gewesen war. Sie hielt ihre andere Hand um den Anhänger ihrer Halskette – dieselbe Halskette, die er ihr vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte. Sie trug sie immer noch, und er wusste, dass sie immer damit spielte, wenn sie nervös war. Aber auch Steve hatte große Angst. Sein Herz setzte einen Schlag aus.
Steve nahm einen leisen Atemzug und ließ die Angst, die seine Brust zusammenzog, für einen Moment ruhen. Inmitten der drohenden Gefahr, als jede Sekunde tödlich enden konnte, tat er, was ihm in diesem Moment richtig erschien.
Diesmal war es weder ein dummes Versehen noch ein Moment unter Drogeneinfluss. Diesmal war es volle Absicht.
Steve's Hand griff behutsam nach (Y/N)'s. Er wartete auf eine Antwort. Er dachte sie würde ihre Hand wegziehen, doch stattdessen verschloss sie ihre Finger mit seinen. »Du bist nicht allein. Ich bin bei dir.« Wollte er sagen, doch in diesem Moment reichte eine einfache Geste aus um seine Worte zu verstehen. »Ich weiß.« Und genau wie er, brauchte auch sie keine Worte in diesem gefährlichen Augenblick und gab seiner Hand einen leichten Druck.
Behutsam griff Steve nach (Y/N)'s Hand. Sein Herz pochte heftig, als er darauf wartete, dass sie ihre Hand wegzog. Doch stattdessen verschloss sie ihre Finger mit seinen. Ein stiller Dialog begann zwischen ihnen. „Du bist nicht allein. Ich bin bei dir." Er wollte es sagen, aber in diesem Moment reichte eine einfache Geste aus, um seine Worte zu verstehen. „Ich weiß." Sie erwiderte den Druck seiner Hand, und dieses einfache Zeichen reichte aus, um eine Welle der Erleichterung durch ihn hindurch zu spülen.
Steve hob den Blick und ließ das Kribbeln, das durch seine Finger zog, über sich ergehen. Es war ein vertrautes Gefühl, das er jedes Mal verspürte, wenn er in ihrer Nähe war – dieses Kribbeln, das ihn an den Moment erinnerte, als er mit Dustin auf den verlassenen Gleisen im Wald herumgelaufen war und die Köder verteilte. Ein Gefühl, das ihn jedes Mal überkam, wenn sie in seiner Nähe war.
Er wagte es schließlich, in ihre Augen zu sehen. In ihren tiefen, warmen Augen, die ihm die ganze Zeit über so viel bedeutet hatten. Er fragte sich idiotisch, wovor er die ganze Zeit Angst gehabt hatte. Sie war es, die ganze Zeit über. Sie war seine Suzie.
In ihren Augen konnte er sich verlieren, und für diesen einen Moment vergaß er alles um sich herum. Das Kino, die Gefahr, die Russen – alles verblasste, während er in ihre Augen blickte. Es war, als ob die Zeit stehen geblieben wäre, nur für sie beide.
„Scheiße, es hat funktioniert", flüsterte Erica, die neben Dustin vorne lief. Ihr Gesicht war eine Mischung aus Erleichterung und Unglauben. Sie fühlte sich wie in einem dieser Spionagefilme, die sie so gerne schaute, doch die Gefahr war real.
„Klar hat's funktioniert. Jetzt müssen wir nur noch mit den restlichen Leuten in den Bus steigen und dann ab nach Hause", schoss Dustin zurück, während er versuchte, den Überblick über die ausströmende Menschenmenge zu behalten. Sein Herz raste, aber er zwang sich, ruhig zu bleiben.
„Äh, Dusty?", murmelte Steve, der dicht hinter ihm lief.
„Was?", fragte Dustin und wandte den Kopf in seine Richtung.
„Wir sollten vielleicht nicht zu euch", gab Steve zu und schaute sich unsicher um. „Möglicherweise hab ich deinen vollständigen Namen genannt..."
Dustin wollte am liebsten abrupt stehen bleiben und sich zu Steve umdrehen, die Augen vor Wut und Angst geweitet. „Hast du ein Knall, oder was?!"
„Alter, ich stand unter Drogen."
„Und?", fragte Dustin empört. „Du leistest Widerstand! Du bleibst hart. Hart wie ein Mann!"
„Das sagst ausgerechnet du."
„Das sagst ausgerechnet du", konterte Steve, unfähig, den Sarkasmus aus seiner Stimme zu halten. Doch bevor Dustin eine weitere spitze Bemerkung machen konnte, griffen (Y/N) und Robin ein.
Die zwei blieben abrupt stehen und griffen nach den anderen, um sie ebenfalls zum Stillstand zu bringen. „Leute...", flüsterten sie eindringlich. Die Blicke des Rests wanderten nach vorne und erfassten die Bedrohung: Zwei russische Soldaten, die die aus dem Kino strömenden Menschen befragten.
„Abbruch!", murmelte Dustin panisch, als er bemerkte, dass einer der Russen auf sie aufmerksam wurde. Im selben Moment spürte Steve, wie (Y/N)'s Griff um seine Hand sich verkrampfte, als ob sie ihn nie wieder loslassen wollte.
„Abbruch!", wiederholte sie leise, während sie sich hastig umdrehten und versuchten, sich unauffällig an der Menge vorbeizumogeln.
Die Rolltreppen erschienen ihnen wie eine Rettungsleine, und Robin war die erste, die die Idee erfasste. „Schnell, zur Rolltreppe!", rief sie und setzte sich in Bewegung, gefolgt von Erica, die mit erstaunlicher Geschicklichkeit hinunterglitt.
Dustin war der Nächste, seine Schwester stellte sicher, dass er vor ihr sicher unten ankam. Die Angst und Verantwortung lasteten schwer auf ihren Schultern, doch sie ließ sich nicht beirren. Schließlich sprang (Y/N) hinterher, ihre Bewegungen hastig, aber entschlossen.
Steve war der Letzte. Er wusste, dass es seine Aufgabe war, die Nachhut zu bilden. Er würde für jeden von ihnen eine Kugel abfangen, ohne zu zögern. Aber er wusste auch, dass (Y/N) dasselbe tun würde.
Dank ihres Vorsprungs, hatten sich die fünf hinter der Ladentheke eines verlassenen Fast-Food-Restaurants verkrochen. Das flackernde Neonlicht von draußen warf gespenstische Schatten in den Raum, und der Geruch von altem Fett und kalten Pommes lag schwer in der Luft. Die Minuten zogen sich quälend langsam hin, und es waren bestimmt schon zwanzig vergangen, seit sie sich hier versteckt hatten. Doch immer noch hörten sie die grimmigen Stimmen der Russen, die ihnen unerbittlich auf den Fersen waren.
Diesmal waren es vier Verfolger, und sie waren definitiv bewaffnet. Und sie hatten ganz bestimmt keine Angst auf Kinder zu feuern. Jeder Schritt, jedes geflüsterte russische Wort ließ (Y/N)'s Herz schneller schlagen. Die dumpfen Schritte der Soldaten hallten durch die leeren Gänge des Einkaufszentrums, und jedes Mal, wenn sie lauter wurden, schien ihr Herz in ihrer Brust zu explodieren. Sie hatte Angst, aber nicht nur um sich selbst.
Dustin und Erica waren noch viel zu jung, um so etwas durchmachen zu müssen. Der Gedanke, dass ihrem kleinen Bruder etwas passieren könnte, schnürte ihr die Kehle zu. Robin, so mutig sie auch war, hatte das alles ebenfalls nicht verdient. Und Steve ... Steve, der immer an ihrer Seite war, dem sie noch so viel zu sagen hatte.
Doch Steve war immer noch an ihrer Seite und hielt wieder ihre Hand. Seine Berührung war warm und beruhigend, eine stille Versicherung inmitten des Chaos. Er war schon immer an ihrer Seite gewesen. Schon damals, als sie noch Kinder waren und er noch der selbstverliebte, unnahbare Junge war. Vielleicht, musste er einfach erst einen großen Fehler machen, um zu realisieren, was ihm wirklich wichtig war. Was tatsächlich gut für ihn war.
Einer der Russen wandte sich erneut an seine Partner. „Alle herkommen, ich hab sie gefunden", flüsterte er auf Russisch in sein Funkgerät. Die anderen drei rückten näher, ihre Waffen bedrohlich erhoben. Einer von ihnen zeigte auf die Theke, hinter der sich die fünf versteckten. Langsam näherten sie sich, und die Spannung war fast greifbar.
Bevor die Russen allerdings auf die Abzüge drücken konnten, hallte stattdessen ein Autoalarm durch das Einkaufszentrum. Die schrillen Töne ließen das „Scoops-Team" zusammenzucken, während die Russen sich instinktiv zum Geräusch umdrehten. Ein ausgestelltes rotes Cabrio, keine zehn Meter entfernt, blinkte und hupte wild. Die Situation schien wie aus einem surrealen Traum.
Keiner hinter der Ladentheke hatte auch nur die geringste Ahnung, was gerade passierte. Niemand wusste, ob sie es lebend hier raus schaffen würden. Mehrere Schreie ertönten, doch es waren die der Russen. Ein lauter Knall folgte, und dann wurde alles plötzlich still.
Langsam erhoben sich die Köpfe der fünf von der Theke. Vor ihnen lag ein Bild des Chaos. Das rote Cabrio lag verkehrt herum, keine paar Meter entfernt, das Heck in die Luft ragend. Die Russen lagen bewusstlos am Boden verstreut, ihre Waffen weit weg geschleudert.
Der Blick der Gruppe wanderte nach oben, hinauf auf das Geländer der oberen Etage.
Elfi.
Ihre Retterin stand dort, ihre Augen funkelten in der schwachen Beleuchtung des Einkaufszentrums. Sie war diejenige, die sie gerettet hatte. Mal wieder. Das Lächeln auf den Gesichtern von Dustin und (Y/N) war unbezahlbar. Dustin strahlte vor Bewunderung, während (Y/N) stolz war. Elfi wischte sich das Blut von ihrer Nase und lächelte zurück.
Und Plötzlich tauchte der Rest der Gruppe auf: Jonathan, Nancy, Mike, Max, Lucas und Will. Sie alle schauten besorgt und erleichtert zugleich, ihre Augen suchten die Gesichter ihrer Freunde.
Die sieben schlossen sich dem Scoops-Troop im Erdgeschoss an, ihre Schritte hallten durch das verlassene Einkaufszentrum. In der Ferne blinkten die Lichter der Läden, doch ihre Aufmerksamkeit galt nur dem Wiedersehen mit ihren Freunden. Dustin war der erste, der losrannte. Mit weit geöffneten Armen stürmte er auf Elfi und Mike zu und umarmte seine Retterin fest. „Du hast das Ding weggeschleudert wie ein Spielzeugauto!", lachte er aufgeregt.
„(Y/N)!", schrien Max und Will fast gleichzeitig, während sie auf die Henderson-Schwester zurannten. (Y/N) öffnete ihre Arme weit und ließ sich von den beiden in eine enge Umarmung ziehen.
Mit Will und Max hatte (Y/N) eine besonders enge Beziehung. Will vertraute ihr seine tiefsten Ängste und Sorgen an, oft fand er es leichter, mit ihr zu sprechen als mit seinem Bruder Jonathan. Bei (Y/N) fühlte er sich nie wie eine Last, sondern immer verstanden und unterstützt. Max hingegen sehnte sich nach einer Art älteren Schwester, eine Rolle, die Billy nie ausfüllen konnte. Sie suchte bei (Y/N) Rat und Trost, besonders bei den typischen Mädchenproblemen, und zusammen verbrachten sie Stunden in der Hawkins Arcade, wo sie versuchten, alle Highscores zu knacken. Max hatte es sogar geschafft, (Y/N) zum Skaten zu überreden, obwohl (Y/N) weit davon entfernt war, so gut zu sein wie Max. Dafür hatte (Y/N) Max zum Comiclesen gebracht, und mittlerweile war Wonder Woman Max' absolute Lieblingssuperheldin geworden.
„Was macht ihr hier?", fragte (Y/N), die beiden fest an sie geklammert.
„Lucas?", fragte Erica ungläubig und starrte ihren Bruder an, als könnte sie kaum glauben, dass er wirklich vor ihr stand.
„Was machst du denn hier?", fragte Lucas genauso verwirrt und sah seine kleine Schwester mit hochgezogenen Augenbrauen an, als (Y/N) sich langsam von Max und Will löste.
Erica verschränkte die Arme und zeigte mit einem dramatischen Fingerzeig auf die Kindeswohlgegährder. „Frag die. Ist nicht meine Schuld."
„Stimmt, ja ist wahr. Es ist unsere Schuld", gestand Steve und warf einen entschuldigenden Blick in die Runde.
„Ich versteh nicht ganz... was ist mit dem Auto passiert?", begann Robin verwirrt und näherte sich der Gruppe. (Y/N) legte einen beruhigenden Arm um ihre Schulter, aber das Strahlen in ihren Augen verschwand keine Sekunde lang, als sie zu Elfi blickte. „Elfi hat Superkräfte", erklärte sie mit Stolz in der Stimme.
„Wie bitte?", entgegnete Robin, ihre Augen weit aufgerissen vor Überraschung.
„Telekinese. Sie hat das Auto mit ihren Gedanken durch die Luft geschleudert", erklärte (Y/N) mit einem Grinsen.
„Das ist Elfi?!", staunte Erica, während sie Elfi, die sie nur aus Erzählungen kannte fasziniert betrachtete.
„Wer ist Elfi?"
„Entschuldige bitte, und wer bist du?", fragte Nancy verwirrt über das neuste Mitglied ihrer Gruppe.
„Ich bin Robin", stellte sich Robin vor, ihre Augen wanderten zwischen den anderen Mitgliedern der Gruppe. „Ich arbeite mit Steve
„Sie und (Y/N) haben den Geheimcode geknackt!", fügte Dustin hinzu.
„Ja, so haben wir herausgefunden, dass die Russen hinter allem stecken", erklärte Steve, bevor Jonathan das Wort ergriff. „Russen? Welche Russen?", fragte er verwirrt.
„Na die Russen!", sagte Steve und deutete auf die bewusstlosen (vielleicht aber auch toten) Männer am Boden.
„Das waren Russen?!", rief Max überrascht.
„Ein paar", antwortete Erica mit einem Achselzucken.
„Wovon redet ihr hier eigentlich?", fragte ihr Bruder.
„Habt ihr den Notruf nicht gehört?", fragte Dustin und wandte sich an Mike.
„Doch! Aber wir konnten nur die Hälfte verstehen", erwiderte der jüngste Wheeler.
„DIE SCHEIẞ BATTERIEN!!!", Fluchte Dustin.
„Wie oft muss ich dir das mit den Batterien noch erklären?!", tadelte Steve den Henderson-Jungen.
„Beruhig dich, Steve, alles ist doch gut ausgegangen", verteidigte Dustin sich.
Erica war empört über die Situation. „Gut gegangen?", fragte sie herausfordernd. „Wenn deine Ninja Schwester nicht so viele Russen ausgeknockt hätte, hätten wir zwei nicht rechtzeitig abhauen können! Wir wären ganz bestimmt alle da unten verrottet!"
Die Überraschung stand allen ins Gesicht geschrieben. „Du hast Russen ausgeknockt?", entfuhr es ihnen.
„Es waren nur fünf."
„Abgefahren!", riefen Will und Max beeindruckt, als sie ihr einen enthusiastischen Faustcheck gaben.
„Wir haben's überlebt, okay?", verteidigte sich Dustin trotzig.
„Ja, gerade noch so", seufzte Steve, bevor Dustin so gut er konnte den anderen die komplizierte Geschichte mit den Russen und dem Tor zu erklären versuchte.
Doch (Y/N) bemerkte, wie Elfi etwas abseits stand. Das Mädchen, mit der blutenden Nase, taumelte vorwärts, ihr Gesichtsausdruck gezeichnet von Verwirrung und Angst. Sie hielt sich die Ohren zu und verlor plötzlich das Gleichgewicht. „El?", rief (Y/N) besorgt, bevor Elfi nach hinten fiel. Doch bevor ihr Kopf den harten Boden erreichte, spürte sie eine Hand, die ihn behutsam hielt und sie vor dem Aufprall bewahrte.
„Elfi!"
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