19. DIE BABYSITTER

1984 | HAWKINS, INDIANA — Die Spannung lag wie ein schwerer Vorhang in der Luft, als wir alle im Wohnzimmer saßen und ruhelos auf irgendeine Antwort oder Lösung warteten. Alles war für ihn aufgebaut. Die glühenden Lichter strahlten ihn an, die dunklen Planen verdeckten jegliches Licht von draußen.

Nancy, Dustin, Lucas, Max, Steve und ich saßen nebeneinander, zusammengequetscht auf dem Sofa, die Stille zwischen uns nur von unserem aufgeregten Atmen durchbrochen. Unsere Blicke wanderten immer wieder zur Tür, erwartungsvoll und verzweifelt auf das, was kommen würde.

Auf einmal durchzuckten dumpfe Schreie die Stille, und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Die Geräusche, die aus dem Schuppen drangen, waren wie ein düsteres Echo der Ängste, die in unseren Köpfen lauerten.

Mit einem Mal brach Hopper mit Jonathan, Mike und Joyce ins Haus ein. In der Küche schnappte er sich sofort ein Stück Papier und setzte sich an den Esstisch. „Was ist los?", fragte ich und gesellte mich sofort zu ihnen, Steve stand fest an meiner linken Seite.

Ein schwerer Seufzer entwich Hopper, als er einen Stift ergriff und sich konzentriert über das Papier beugte.  „Ich glaube, er redet, nur nicht mit Worten", meinte Hopper. Seine Hand glitt geschickt über die leere Seite, während er mit jedem Strich ein Muster zu enthüllen schien, das nur er verstehen konnte.

„Was ist das?", fragte Steve, sein Blick fest auf die sich entwickelnde Zeichnung gerichtet.

„Morse-Code", erklang es synchron von Mike, Dustin, Lucas und mir.

Während Hopper weiterarbeitete, nahm das Chaos auf dem Papier allmählich Form an, und Buchstaben wurden zu Worten. „H-I-E-R", murmelte Hopper, als er die Nachricht entschlüsselte.

„Hier...", wiederholte Mike.

„Will ist immer noch da drin", erklärte Hopper schließlich, den Stift zur Seite legend. „Er redet mit uns."

Ich wandte mich an Jonathan, meine Gedanken wild wirbelnd, während ich nach einer Lösung suchte. „Jon, ich ... ich habe eine Idee. Es könnte funktionieren, aber..."

Joyce horchte gespannt auf. „Was ist es?", fragte sie.

„Schnapp dir deine Stereoanlage. Und Spiel Musik, die er mag. Das könnte ihn vielleicht zurückbringen", schlug ich vor, meine Worte schnell herausstoßend. Jonathan nickte hastig, drehte sich um und sprintete in sein Zimmer, um die Anlage zu holen.

Diejenigen, die zuvor im Schuppen mit Will waren, kehrten zurück, gefolgt von Hopper, der das Klopfen verfolgte, das Will am Bein seines Stuhls gemacht hatte. Über ein Walkie-Talkie gab er uns Signale, und zusammen mit Nancy und den Jungs begann ich, den Code zu entschlüsseln.

Nancy hielt den Zettel hoch, auf dem sie die Botschaft niedergeschrieben hatte, als Will fertig war. "Tor schließen", lasen wir alle die Worte laut vor und hofften, dass sie einen Hinweis auf Will's Zustand geben würden.

Völlig unerwartet durchbrach das Klingeln des Telefons die Stille, und wir alle zuckten zusammen. „Scheiße! Scheiße! Scheiße!", fluchte Dustin und stürzte zum Telefon. Er hob den Hörer ab, nur um ihn sofort wieder aufzulegen. Doch das Klingeln hörte nicht auf. Diesmal war ich schneller. Ich riss das Telefon von der Wand und warf es in den Flur.

„Glaubst ihr, er hat das gehört?", fragte Max besorgt.

„Es ist nur ein Telefon. Das könnte überall sein", versuchte Steve zu beruhigen. „Richtig?"

Ich öffnete gerade den Mund, um zu antworten, als ein schrilles Kreischen die Luft durchschnitt.

Er weiß, wo wir sind.

Wir gingen alle ein paar Schritte auf den Lärm zu. „Das ist gar nicht gut...", murmelte Dustin besorgt.

Einer nach dem anderen gingen wir alle zurück ins Haus, Hopper übernahm das Kommando und erteilte sofort Befehle. „Alle weg von den Fenstern!", rief er. Dann wandte er sich an Jonathan und hielt ihn eine Waffe entgegen. „Kannst du damit umgehen?"

Jonathan zögerte. „W-was?", flüsterte er unsicher.

Hopper wiederholte seine Frage lauter und ernster. „Kannst du damit umgehen?!"

„Ich kann es!", sprach Nancy selbstbewusst und griff entschlossen nach der Waffe. Sie stellte sich zu Steve, Hopper und mir. Ich umklammerte meine Brechstange fest, während Steve dasselbe mit seinem Baseballschläger tat.

„Wo sind sie?", fragte Max nervös. Niemand antwortete. Die einzigen Geräusche, die zu hören waren, waren das bedrohliche Knurren der Monster und all unsere schweren Atemzüge.

Plötzlich gab es einen lauten Knall an der Tür, bevor sie sich langsam öffnete. Wir hielten uns mit unseren Waffen bereit, aber es war nicht nötig, sie einzusetzen. Denn es war kein Demogorgon, der durch die Tür trat.

Es war Elfi.

Ich drehte mich sofort zu Mike um und sah, wie seine Augen aufleuchteten. Ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er sofort zu Elfi rannte und sie in eine feste Umarmung zog. Seine Stimme war leise, aber voller Emotionen, als er sagte: „Ich habe dich nie aufgegeben. Ich habe jede Nacht angerufen. Jede Nacht für..."

„353 Tage", nickte sie, und eine Mischung aus Erleichterung und Traurigkeit lag in ihrer Stimme. „Ich weiß..."

„Wieso hast nicht gesagt, dass du da bist? Dass es dir gut geht?"

Hopper trat einen Schritt vor und erklärte: „Ich hab's nicht erlaubt."

Auf der Couch sitzend beobachtete ich die Szene vor mir, und mein Herz fühlte sich warm an, als ich die Wiedervereinigung miterlebte. Hopper umarmte Elfi mit einer Mischung aus Vaterstolz und Sorge. Danach geriet Mike mit Hopper in einen Streit, der vom Chief in einen anderen Raum gezogen wurde, um die Situation zu beruhigen. Lucas und Dustin rannten zu Elfi und drückten sie nacheinander, und ihre Augen strahlten vor Freude, ihre Freundin wiederzusehen.

Als Elfi schließlich zu mir kam, spürte ich eine Mischung aus Nervosität und Freude. Als wir uns umarmten, fühlte es sich an, als ob ein Teil von mir wieder ganz wurde. „Ich habe dich vermisst", flüsterte sie mir ins Ohr, und mein Herz schlug schneller vor Glück.

„Ich dich auch, Kleine... oder sollte ich lieber Große sagen?" Ich versuchte, die Spannung mit einem kleinen Scherz zu lösen, und Elfi lachte leise, als sie sich von mir löste. Sie sah so anders aus. Sie hatte längere Haare und trug schwarze Kleidung, mit dunklem Augen Make-up. „Wow, du siehst wirklich cool aus", bemerkte ich.

„Rattenscharf", erwiderte sie mit einem breiten Grinsen, das mich ansteckte und mich zum Lächeln brachte. Dann wandte sich Elfi zu Joyce und fragte: „Kann ich ihn sehen?"

„Auf geht's. Wir müssen reden", begann Hopper am Esstisch, umgeben von Papieren über den Mind Flayer und Will. Seine Worte hallten in der Stille des Raumes wider, als wir alle gespannt lauschten, bereit, jede Information aufzusaugen, die uns helfen könnte den Mind Flayer zu besiegen und das Tor zu schließen.

„Er mag es kalt", sagte Joyce aus dem Nichts und führte Hopper und einige andere in Wills Zimmer. Ihre plötzliche Erkenntnis ließ uns alle innehalten und nachdenken. Der Gedanke, dass der Mind Flayer es bevorzugt, Kälte zu umgeben, ließ uns einen Schauer über den Rücken laufen. Es war wie ein Hinweis, den wir dringend brauchten, um sein Verhalten besser zu verstehen – Wir würden ihn die Hölle heiß machen, am einem Ort den er nicht kannte.

Als die Diskussion fortgesetzt wurde, beschlossen einige aus der Gruppe, sich um das Problem draußen zu kümmern. Diejenigen von uns, die blieben, versprachen, den Kampf von hier aus zu unterstützen. Steve und ich wurden zu den offiziellen Babysittern der Gruppe ernannt.

Im Haus blieben nun nur noch Steve, Dustin, Max, Lucas, Mike und ich zurück.

Vorerst.

Denn die Ruhe vor dem Sturm, die uns alle umgab, war ein deutliches Zeichen dafür, dass die Gefahr noch lange nicht vorbei war...

„Ist das wirklich nötig?" fragte Steve und runzelte die Stirn, während er den toten Demohund, der draußen von Elfi getötet wurde, eingewickelt in einer Decke in seinen Armen hielt.

„Ja! Ist es. Okay? Das ist eine bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckung!", versuchte Dustin zu erklären, während er aufgeregt herumfuchtelte.

Ich erhob mich von meinem Platz auf und setzte mich  auf die Küchentheke neben dem Kühlschrank. „Komm schon, Kleiner. Joyce hat schon genug durchgemacht. Ich denke nicht, dass sie nach Hause kommen möchte und einen Demohund in ihrem Kühlschrank finden will."

„Wir können es aber auch nicht einfach wie ein gewöhnliches Säugetier begraben, okay? Es ist kein Hund", protestierte Dustin energisch.

„Okay, ist ja gut", murmelte Steve und gab sich geschlagen. Mit vereinten Kräften packten sie den Demohund und legten ihn vorsichtig in den Kühlschrank. Ein leichtes Augenzwinkern von mir und ein Seufzen von Steve machten deutlich, dass dieser Moment sicherlich einer der seltsamsten war, den sie je erlebt hatten.

Ich kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo Lucas und Max gerade dabei waren, einige Scherben auf dem Boden zusammenzufegen. Mike lief nervös im Wohnzimmer auf und ab, sein Gesicht gezeichnet von Sorgenfalten. „Mike, es wird alles gut werden", versuchte ich, ihm Mut zuzusprechen, und lächelte ihn schwach an.

„Das kannst du nicht wissen, (Y/N)! Du warst nicht da drin!" Mike's Stimme klang völlig beunruhigt, als er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. „In diesem Labor wimmelt es nur von diesen Hunden!

„DEMO-HUNDE!", rief Dustin von der Küche aus und korrigierte ihn. Ein Augenrollen zwischen uns beiden konnte nicht vermieden werden, während Mike Dustin einen genervten Blick zuwarf.

„Hör zu, Hopper wird sich um Elfi kümmern. Sie wird in Sicherheit sein", versicherte ich ihm und zwang ein Lächeln auf meine Lippen. „Ich glaube sogar, dass sie diejenige sein wird, die ihn beschützt. Du weißt schon, mit ihren Kräften."

„Hört zu, wenn ein Coach dich im Spiel einsetzt, machst du, was er sagt. Alles klar?", erklärte Steve, während er sich die Hände abwischte, die mit Demohund-Schleim bedeckt waren, und versuchte mir gleichzeitig zu helfen, Mike zu beruhigen. Dustin und er kamen ins Wohnzimmer, wobei Mike in Panik geriet. Zum Glück blieben Max und Lucas jedoch im einiges ruhiger.

„Okay, erstens ist das hier kein beschwertes Spiel, und zweitens spielen wir nicht einmal mit. Wir sitzen auf der Bank", konterte Mike gereizt.

Steve starrte ihn verwirrt an, suchend nach einer passenden Antwort. „Ja, und was ich sagen will ähhh...", stotterte Steve.

„Ich glaube, das war sein Punkt, Mike. Wir sitzen auf der Bank... und können leider nichts tun."

„Das ist nicht ganz richtig", warf Dustin ein, und alle Augen richteten sich auf ihn. „Diese Demo-Hunde folgen einem Schwarmverhalten. Als sie vom Bus wegrannten, wurden sie gerufen."

„Dustin!", schalt ich ihn. „Ich weiß genau, was ihr gerade denkt, und nein! Wir werden nicht dorthin gehen! Und wir werden auch ganz bestimmt nicht versuchen, ihre Aufmerksamkeit zu erregen!"

„Genau! Ich stimme (Y/N) zu! Wenn wir gehen, werden wir alle draufgehen!", fügte Steve hinzu und warf das Handtuch über seine Schulter.

„Nein, das ist keine Möglichkeit, das ist eine Tatsache!"

„Da hat der Chief sein Loch gegraben! Das ist unser Weg in den Tunnel!" Dann ging er zu den anderen Zeichnungen, einem großen Haufen davon auf dem Boden. „Das hier ist wie ein Knotenpunkt! Denn alle Tunnel führen hierhin", erklärte Mike und kniete sich auf den Boden. „Wenn wir hier ein Feuer legen..."

„Ach ja? Ich sag Nein!", warf Steve mit einem skeptischen Blick ein, doch langsam begann ich, ziemlich überzeugt von dem Plan zu werden.

„Der Mind Flayer würde seine Armee rufen, und sie würden versuchen uns zu stoppen", stimmte ich den Kindern zu.

„Ernsthaft, (Y/N). Du auch?", fragte Steve mit einem Hauch von Enttäuschung und Verärgerung, die in seinem Ton mitschwang.

„Wir laufen dann zurück zum Ausgang und wenn er merkt, dass wir weg sind–"

„Hey!", rief Steve, um unsere Aufmerksamkeit zu erlangen. Doch keiner hörte ihm zu.

„Steht Elfi schon am Tor", meldete sich Max, bevor Steve in die Hände klatschte und wir ihm nun unsere Aufmerksamkeit schenkten.

„Hey! Hey! Hey! Das könnt ihr vergessen!"

„Steve–"

„Nein! Nein Nein! Kein aber! Ich habe versprochen auf euch aufzupassen und genau das hab ich vor! Wir bleiben Hier! Auf der Bank! Und warten bis die Startmannschaft ihren Job erledigt hat!", donnerte er, und sein Blick durchbohrte mich, als wäre ich ein ungezogenes Kind. Das machte mich wütender als alles andere, unf ein Funke an Wut loderte in mir auf.

„Ist das so, Harrington?", konterte ich, mein Ton war herausfordernd. Steve nickte entschieden. „Seit wann bist du mein Babysitter?!"

„Ja! Eigentlich hab ich sogar gedacht, du wärst auf meiner Seite.", erwiderte er und ich verschränkte die Arme. Mein Puls beschleunigte sich. „Habt ihr alle verstanden?"

„Wir sind hier nicht beim blöden Sport verdammt!", fauchte ich, meine Frustration wuchs mit jedem Wort. Wir mussten etwas tun, um ihnen zu helfen.

„Ich sagte habt ihr verstanden?", drängte Steve erneut, doch niemand wollte ihm antworten. Ich war immer noch überzeugt von unserem Plan und ließ nicht locker. Die Diskussion mit Steve wurde hitziger.

„Oh-oh Dustin, deine Eltern streiten sich", flüsterte Lucas lachend zu Dustin, der nur die Augen verdrehte. „Ach, halt die Klappe, Lucas", brummte Dustin. Max konnte sich ebenfalls ein Lachen nicht verkneifen.

Steve und ich gerieten weiterhin aneinander, doch als aus heiterem Himmel das Geräusch eines lauten Motors erklang, verstummten wir beide. Ein intensiver Blickaustausch zwischen uns folgte, bevor wir alle zum Fenster starrten...

Scheiße.

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