17. DAS LABOR
1984 | HAWKINS, INDIANA — Die Demohunde waren entkommen, und mit der hereinbrechenden Dunkelheit schien auch die Kälte sich intensiviert zu haben. Jedes Knacken eines Zweiges ließ mich unwillkürlich zusammenzucken, während wir uns durch den dichten Wald kämpften. Was ich nicht wusste war, dass Steve es bemerkte. Steve spürte jedes Mal, wie sein Herz schwer wurde, wenn er sah, wie ich reagiertest. Es schien so ungerecht, dass ich erneut in diese Gefahr gezogen wurde. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, mich zu verlieren...
„(Y/N), hey. Komm mal her", begann er, und ohne zu zögern zog er seine Jacke aus. Ich trat näher, ein paar Schritte vor den anderen Kindern, und spürte, wie er mir die Jacke um die Schultern legte.
„Was machst–"
„Du bist am frieren und zittern." Er legte einen Arm um meine Schultern und zog mich sanft näher an sich heran, während wir weiter durch den Wald gingen. „Ich pass schon auf dich auf. Du bist nicht allein. Mach dir keine Sorgen." Als ich zu ihm aufblickte, bemerkte ich, dass sein Blick entschlossen nach vorne gerichtet war. Ein Hauch von Erleichterung durchströmte mich, und sogar ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich den vertrauten Duft seines Haarsprays auf der Jacke wahrnahm.
„Danke", flüsterte ich. Seine Augen trafen meine, und ein warmes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
„Und du bist dir ganz sicher, dass es Dart war?" Lucas' Stimme durchbrach die Stille, seine Augen suchten nach Gewissheit.
„Ja", nickte Dustin zuversichtlich. „Er hatte genau dasselbe gelbe Muster auf seinem Hinterteil."
„Aber... vor zwei Tagen war er noch winzig", warf Max ein, während sie versuchte, die unheimliche Entwicklung zu begreifen.
Dustin runzelte die Stirn. „Er hat sich schon mehrmals gehäutet. Dreimal schon."
„Gehäutet?"
„Gehäutet", bestätigte Dustin mit Nachdruck. „Die Haut abgeworfen, um weiter zu wachsen wie eine Raupe."
„Und wann wird er sich wieder häuten?", hakte Max nach, während sie sich mit der Hand durch ihre roten Locken strich.
„Bestimmt bald. Und dann wird er vollständig ausgewachsen sein. Oder fast", fügte Dustin hinzu, und ein unangenehmes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. „Und seine Freunde auch..."
Steve spürte meine Anspannung und zog mich instinktiv näher an sich heran. Ich hatte schon einmal gegen den Demogorgon gekämpft, aber die Aussicht, sich erneut mit solch einer Bedrohung auseinandersetzen zu müssen, ließ meine Nerven vibrieren. Besonders wenn es gleich mehrere sein würden. Verdammte Scheisse, fluchte ich im Stillen.
„Ja, und er wird bald mehr fressen, als nur Katzen", sagte Steve sarkastisch.
„Warte, eine Katze?", rief Lucas aus, seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, während er Dustin mit einem Arm zurückhielt. Alle Augen richteten sich auf die Jungen, und eine unangenehme Stille breitete sich aus. „Dart hat eine Katze gefressen?!"
„Nein, was? Nein!", protestierte Dustin hektisch, doch Steves Worte ließen keinen Raum für Zweifel.
„Was laberst du?", warf Steve nun ein. „Er hat Miez gefressen."
„Miez? Wer ist Miez?" Max' Unwissenheit unterbrach den Moment der Anspannung für einen Augenblick, und ich hatte völlig vergessen, dass sie nicht von Anfang an Teil unserer Gruppe war.
„Meine Katze", seufzte ich, als die Erinnerung an meine geliebte Miez schmerzhaft wieder hochkam.
„(Y/N)!" Dustin's aufgeregter Ruf durchschnitt die Stille, als ich ihm in den Rücken fiel.
„Ich wusste es!", rief Lucas aus und gab Dustin einen Schlag gegen den Arm. „Du hast ihn behalten!"
„Nein! Nein, ich...", begann Dustin, bevor er resigniert seufzte. „Er hat mich vermisst. Er wollte nach Hause kommen."
„Schwachsinn!", brummte Lucas, seine Augen funkelten vor Ärger.
„Ich wusste nicht, dass er ein Demogorgon ist, okay?"
„Oh, dann gibst du es also zu?"
„Leute, wen interessiert das?", warf Max ein und versuchte offensichtlich die Jungen zum Schweigen zu bringen. „Wir müssen gehen." Ihre Stimme war ruhig, aber bestimmt, und ich konnte nicht umhin, ihren Einsatz zu bewundern.
„Mich schon!", sagte Lucas ernst. „Du hast die Gruppe in Gefahr gebracht, Dustin! Du hast gegen die Regeln verstoßen!"
„Das hast du doch auch!"
„Was?!"
„Du hast..." Dustins Stimme brach ab, als er die Taschenlampe auf Max schwenkte und sie von der plötzlichen Helligkeit zusammenzuckte. „Einer Fremden die Wahrheit gesagt!"
Max schnaubte verärgert: „Einer Fremden?!"
„Du wolltest es ihr auch sagen!", verteidigte Lucas sich.
„Ja, hab ich aber nicht, Lucas, okay?!", antworte Dustin. „Ich habe es ihr nicht erzählt!"
Steve zog mich energisch zur Seite, sein Blick auf etwas gerichtet, das im Schein seiner Taschenlampe auftauchte. „Hey, Leute?", begann Steve, doch niemand hörte zu. Die Kinder waren in einen hitzigen Streit vertieft. „Leute!", rief ich laut, um seine Worte zu verstärken, und die Diskussion verstummte augenblicklich. In der Ferne erklang ein schrilles Kreischen, das an Darts schreckliche Laute erinnerte. Steve ließ mich los, und wir eilten gemeinsam in Richtung des Geräuschs.
„Nein, nein, nein. Hey! Leute, warum geht ihr auf das Geräusch zu?!", schrie Max verwirrt, aber rannte uns dann doch trotzdem hinterher.
Wir standen alle am Ende einer Klippe, von der aus wir einen Blick auf die Stadt hatten. Unter normalen Umständen hätte mich die romantische Atmosphäre fasziniert – der rollende Nebel über den Gebäuden, die funkelnden Sterne am Himmel... Doch an diesem Abend beobachtete ich nur, wie Lucas sein Fernglas herauszog und die Gegend absuchte.
„Ich sehe ihn nicht", murmelte Dustin.
Lucas ließ sein Fernglas sinken. „Das ist das Labor. Sie wollten zurück nach Hause."
Die Stille um uns herum war beinahe greifbar. Ich zog Steve's Jacke fester um mich, um mich vor der Kälte zu schützen, die sich in der Luft breitmachte. Dann brach ich das Schweigen: „Also, gehen wir da rüber oder was?"
Steve nickte langsam, während er einen Kieselstein von der Klippe trat. Sein Blick wanderte über die Stadt, und ich konnte sehen, wie sich seine Gedanken sortierten. „Ja. Ja, ich denke, das werden wir", antwortete er schließlich, seine Stimme ruhig, aber entschlossen.
Der Weg zum Ziel verlief größtenteils in Stille. Dustin und ich bildeten das Schlusslicht der Gruppe, während Lucas und Max schweigend nebeneinander gingen und Steve die Führung vorne übernahm. Plötzlich legte Dustin eine Hand auf meinen Arm und brachte mich zum Stehen. Die anderen gingen weiter, ohne zu bemerken, dass wir zurückgeblieben waren. „Also, (Y/N)...", begann er.
Ich sah ihn verwundert an, fragte mich, was ihn bewog, mich aufzuhalten. „Also, Dustin."
„Du und Steve, hm?" Er hob die Augenbrauen, und ich musste beinah anfangen zu lachen. War er etwa besorgt um mich?
„Was? Nein, Ich- wir sind nicht...", begann ich verlegen zu stammeln. „Außerdem ist er immer noch nicht über Nancy hinweg." Ich blickte nach vorne und bemerkte, dass der Rest der Gruppe außer Sichtweite war. „Wir sollten zurück zur Gruppe gehen, Dusty."
„Gut so! Du bist eh viel zu cool für Harrington.", sagte mein Bruder schließlich und zauberte mir ein warmes Lächeln auf die Lippen.
„Das haben Henderson's so an sich", erwiderte ich und zwinkerte meinem kleinen Bruder zu, bevor wir uns wieder in Bewegung setzten.
Wir hatten gerade versucht, zu der Gruppe aufzuschließen, als plötzlich Schritte vor uns erklangen und uns vor Schreck fast die Taschenlampen aus der Hand fielen. Ich richtete das Licht auf die Schatten vor uns und erkannte, wie Steve auf uns zugerannt kam, ohne Max und Lucas im Schlepptau. „Steve! Ist alles in Ordnung? Wo sind Max und Lucas?", rief ich, mein Herz schlug immer noch wie wild.
Steve schwieg, aber er umarmte mich und Dustin fest. „Scheiße, Leute..." Er ließ uns erleichtert los und trat einen Schritt zurück. „Verdammt, lauft ja nicht wieder einfach alleine los. Wir dachten schon, ihr wärt tot."
„Uns geht's gut", sagte Dustin nur.
„Ja, das weiß ich jetzt. Kommt schon, ich habe den Jungs gesagt, sie sollen dort warten", erwiderte Steve mit einem knappen Nicken. Dustin sprintete davon, während Steve seinen Arm erneut um meine Schultern legte, und wir uns langsam bewegten, den anderen nach.
„Tut mir leid, dass ihr euch Sorgen um uns gemacht habt", flüsterte ich leise, doch ein Hauch von Dankbarkeit lag in meiner Stimme, als ich zu ihm aufblickte.
Er blickte herunter, und für einen kurzen Moment schienen sich unsere Blicke zu verlieren. „Du hast mir einen ordentlichen Schrecken eingejagt, Henderson", murmelte er dann und schenkte mir ein kleines Lächeln, das mir das Herz schneller schlagen ließ. Die Nähe zwischen uns war elektrisierend, und ich spürte, wie mein Atem schneller ging.
Plötzlich durchbrach ein weiteres markerschütterndes Kreischen eines Demohundes die Stille, und wir beide zuckten zurück, die Magie des Moments gebrochen. Unwillkürlich spannte sich mein Körper an, und ich wandte mich schnell wieder dem Weg zu, während ich versuchte, mein aufgewühltes Inneres zu beruhigen.
„Wir... ähm... wir sollten wohl besser zu den Kids zurück", murmelte ich schließlich mit roten Wangen, und mein Blick glitt zu Steve, der mich mit einem undeutlichen Ausdruck in seinen Augen ansah. Er nickte zustimmend und begleitete mich (und verfluchte in Gedanken diesen verdammten Demohund), während wir dem Weg folgten, unsere Gedanken zunächst von der Bedrohung der Demohunde überschattet, doch ich konnte nicht anders, als hin und wieder über das nachzudenken, was eben passiert war.
Für den Rest der Reise hatte ich Steve konsequent gemieden. Es war nicht so, dass ich ihn nicht mochte – im Gegenteil, ich war mehr als nur ein wenig froh und erleichtert darüber, dass er hier war. Doch die Spannung zwischen uns war spürbar, und ich hatte das Gefühl, dass jede Interaktion mit ihm zu einem peinlich berührten Schweigen oder einem unbeholfenen Versuch, Smalltalk zu machen, führen würde.
Also ging ich lieber zwischen Dustin her, der an meiner Linken war und Max, die auf meiner Rechten war. Die beiden fragten nicht nach, warum ich Steve auswich, aber sie bemerkten definitiv die nervöse Energie, die zwischen uns herrschte. Jedes Mal, wenn Steve versuchte, mit mir ins Gespräch zu kommen, lenkte ich geschickt ab und begann ein Gespräch über irgendetwas anderes. Einmal versuchte Steve mir sogar zu sagen, dass mein Schnürsenkel offen war. Anstatt ihm dafür zu danken, wandte ich mich stattdessen an Lucas und rief laut: „Also! Schnecken, hab ich recht?"
Schließlich erreichten wir das Labor und warteten gespannt am Eingangstor, während die Dunkelheit um uns herum lagerte. Wir spähten in alle Richtungen, versuchten in der Finsternis etwas auszumachen.
„Leute?", rief Max verwirrt aus und begann langsam auf das Labor zuzugehen. Plötzlich hörten wir Motorengeräusche und zwei Autos tauchten um die Ecke auf, rasten direkt auf uns zu.
„SCHEISSE! SCHEISSE!"
Wir alle sprangen rechtzeitig zur Seite. Das erste Auto donnerte knapp an uns vorbei, doch das zweite kam abrupt zum Stehen, nur wenige Meter von uns entfernt.
„Steigt ein!", brüllte eine vertraute Stimme, und als sich die Tür des Wagens öffnete, konnte ich ein erleichtertes Lächeln nicht unterdrücken. Es war Chief Hopper – und noch nie zuvor war ich so erleichtert gewesen, ihn zu sehen.
„Kommt schon!", drängte Steve und eilte zum Vordersitz. Die anderen drei Kinder quetschten sich auf den Rücksitz, und ohne zu zögern, griff Steve nach meinem Handgelenk und zog mich auf seinen Schoß auf den Beifahrersitz. Ich spürte seinen Herzschlag unter meinen Fingern, und ein seltsames Kribbeln durchfuhr mich, als ich mich auf seinem Schoß niederließ. Ich schloss die Tür so schnell ich konnte, während Steve Hopper anwies, sofort loszufahren. „Okay, lasst uns los!"
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