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"Ich—" Taehyung holte tief Luft. Er wusste aber gar nicht wo er mit dem erzählen überhaupt beginnen sollte. Seine Gedanken purzelten nur so einem Abhang hinunter. So viel war geschehen. So vieles lief vorher schon nicht gut aber er hatte es immer wieder verdrängt gehabt. Gehofft es würde schon alles irgendwie werden.

Doch wenn er ehrlich zu sich war, war es schon lange nicht mehr in Ordnung gewesen.

Sie lebten schon lange nicht mehr miteinander, sondern nur noch stumpf nebeneinander her und das war bittere Tatsache.

"Mein Freund... er hat mich betrogen und ich hab ihn dabei erwischt..." erzählte er anschließend. Es war schwer, seine Gedanken in Worte zu fassen. Taehyungs Innerstes war immer noch viel zu sehr aufgewühlt. Es laut auszusprechen fühlte sich daher noch viel schlimmer an, als nur daran zu denken.

Noch immer klopfte sein Herz so stark, sobald er an das Bild in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer zurückdachte, noch immer zog es sich so schmerzhaft in seiner Brust zusammen, sodass er gar nicht mehr atmen konnte. Er fühlte sich einfach nur hintergangen und im stich gelassen.

Taehyung schilderte langsam. Er erzählte Jungkook einfach mehr als nötig gewesen wäre. Aber es tat einfach gut mit jemanden Neutralen darüber zu sprechen. Sich einfach auskotzen zu können, ohne sich rechtfertigen zu müssen und Jungkook war ein guter Zuhörer.

Er ließ ihm Zeit. Auch als Taehyung weiter ausholte und sogar davon erzählte, daß er ein gestörtes Körperbild von sich selbst besaß und ihm daher körperliche Nähe zu einem anderen Menschen große Überwindung kostete - selbst dann verhielt er sich ruhig und hörte ihm aufmerksam zu.

"Vermutlich war es das, was ihn insgeheim immer gestört hat... Ich war ihm nicht aufregend genug und viel zu langweilig." erklärte er stockend und verhaspelte sich regelmäßig in seinen eigenen Erzählungen. Einer seiner weiteren Schwächen. Denn sobald er emotional aufgewühlt war oder sich in die Enge getrieben fühlte, schaffte er keinen einzigen vernünftigen Satz mehr.

"Er hat sich oft darüber aufgeregt, daß ich— uhm... naja das ich... es nur im dunkeln tun wollte, verstehst du? Ich hasse diese Macken ja an mir selbst aber in seiner Nähe.. da.. da konnte ich mich nie vollständig fallen lassen... und ich denke, das wird ihm im endeffekt gestört haben..."

Taehyung atmete schwer aus und starrte einen Moment lang einfach nur in seine Tasse - doch dann fuhr er weiter, nun aber wesentlich energischer, nahezu verzweifelt. "Aber er war es doch auch, der nie mit etwas zufrieden war! Es war ihm nie gut genug! Egal um was es ging, immer suchte er die Fehler bei mir anstatt zuerst bei sich zu schauen! Er warf mir vor langweilig zu sein aber selber war er ein absoluter Spießer. Er bügelte selbst seine Socken! Seine Socken! Unser Leben bestand aus sinnlosen Diskussionen. Manchmal hatte ich das Gefühl, er würde regelrecht nach Fehlern suchen! Es war anstrengend... zermürbend und... verletzend. Egal wie oft er mich auch Scheiße angemacht hat, weil ich seine fuck Hemden falsch aufgehangen hab, bin ich trotzdem bei ihm geblieben... Ich hab versucht es ihm recht zu machen, versucht seine Bedürfnisse irgendwie zu befriedigen, ohne dabei auch nur eine Sekunde an mich zu denken.... Ich- i-ich hab—"

Taehyung hielt wieder an und presste die Lippen fest aufeinander. Ein zittern erfasste ihn, welches er nur schwer kontrollieren konnte. Jetzt wo er es so offen erzählte, fiel ihm selbst zum ersten Mal auf, wie sehr er sich die ganzen Jahre über selbst vergessen hatte.

"Ich.. hab alles gegeben was ich hatte... es hat ihm einfach nicht gereicht."

Nachdem all diese Worte gesprochen waren, merkte Taehyung wie ihm erneut die Tränen kamen. Die Emotionen in ihm kochten ein weiteres Mal in ihm hoch und das unnötigerweise auch noch direkt vor Jungkook.

Es war ihm wieder so unfassbar unangenehm und am liebsten wäre er auch aufgestanden und aus dieser Wohnung geflüchtet. Er ertrug den Blick aus diesen dunklen wachsamen Augen einfach nicht. Auch wenn etwas mildes in ihnen lag - oder gerade weil er ihn so ansah, schaffte Taehyung es nicht sich zu beruhigen. Es ging einfach nicht.

"E-es tut mir leid... I-ich wollte eigentlich nicht mehr heulen... aber fuck. Ich fühl mich einfach so aufgeschmissen... sorry..." Ja er heulte sich gerade ernsthaft bei einem eigentlich Fremden die Augen aus aber er war einfach nicht in der Lage den strömenden Tränenfluss zu stoppen.

"Ach Taehyung..." murmelte Jungkook sofort und war binnen weniger Sekunden bei ihm. "Du kannst so lange weinen wie du nur möchtest." sagte er noch, bevor er einfach so seine Arme um ihn legte und ihn sanft an sich presste.

Taehyungs Herz raste, es hämmerte ihm schmerzhaft gegen die Rippen, völlig verzweifelt klammerte er sich ein zweites Mal in dieser Nacht an seinen Retter und grub sein verheultes Gesicht in seine Halsbeuge.

Ohne Unterbrechung streichelte Jungkook ihm über den Rücken, sanft und beruhigend fuhr er immer wieder mit der Hand auf und ab und das solange bis Taehyungs Körper sich nicht mehr so fürchterlich schüttelte.

"Es ist okay, hörst du?" hauchte er leise gegen sein Haar und drückte in noch enger an sich. Genau dieser Halt hatte Taehyung immer gefehlt.

Sie standen eine Ewigkeit einfach nur da und taten nichts anderes als sich zu umarmen. Taehyung ließ alles raus, der ganze angestaute Frust und die Wut, sowie die große Enttäuschung - Einfach alles bis es keine Tränen mehr gab die er vergießen konnte.

Wie ein Kleinkind wischte Taehyung sich schniefend die letzten Tränen mit dem Handrücken weg. Jungkook blieb währenddessen ruhig, tätschelte ihm einfach nur nochmals über den Kopf und suchte anschließend den Augenkontakt.

Vorsichtig umfasste er sein Gesicht. "Geht es wieder etwas besser?"

Taehyung nickte zögerlich. Natürlich war er immer noch nicht ganz runtergekommen, doch der Schwarzhaarige wusste damit gut umzugehen. Er nahm ihn bei den Händen und zog ihn langsam mit sich mit.

"Komm.." meinte er leise und brachte das verheulte Bündel in sein Wohnzimmer. Die große Couch wirkte einladend und genau auf diese bequemen Polster drückte Jungkook ihn anschließend nieder.

Taehyung ließ alles widerstandslos geschehen. Betröpelt saß er schließlich da und starrte auf seine Hände.

"Ich weiß, wir kennen uns nicht richtig und es muss dir auch wirklich schwer fallen darüber zu reden aber du solltest wissen, alles was du mir hier erzählt, bleibt auch hier." erklärte Jungkook mit ruhiger Stimme und griff nochmals nach Taehyungs Händen. Der junge Koreaner blickte blinzelnd auf und es sah für einen Augenblick tatsächlich so aus, als würde er jeden Moment wieder losheulen. Er war ledeglich berührt von soviel Freundlichkeit, Fürsorge und liebevollen Worte.

Jungkook wirkte wie ein Traum. Wie ein unerreichbarer Traum.

"D-danke.. das weiß ich wirklich zu schätzen."

für eine kurze Weile herrschte angenehme Stille, bevor Jungkook anschließend nochmals das Wort ergriff.

"Hmmm.. " meinte er überlegend und sah zu Taehyung. "Möchtest du vielleicht hier bleiben? Es ist schon spät in der Nacht und eigentlich möchte ich dich so nicht auf die Straße setzen. Ich hab genügend Platz hier.. also... wenn du magst?"

Auf dieses Angebot hatte der Braunhaarige im Grunde nur sehnsüchtig gewartet. Er wollte wirklich nicht fort von hier, weshalb er noch sofort wie wahnsinnig mit dem Kopf nickte. "Ja! Ich möchte hier bleiben."

Überrascht über den plötzlich Umschwung in Taehyungs Stimme, fing Jungkook augenblicklich an zu grinsen. "Gut. Das freut mich."  Er nickt, bevor er zu Uhr sah.

Zwei Uhr nachts war zwar keine Zeit in der man etwas essen sollte aber nach diesem traumatisierten Erlebnis mit dem Ex und dem unfreiwilligen Tauchgang im Han River, dachte er, das Taehyung etwas Stärkung ganz tun würde.

"Hast du vielleicht noch Hunger? Ich könnte Ramen zubereiten."

"Ohja das wäre klasse! Ich hab großen Hunger." und wie zur Bestätigung knurrte Taehyungs Magen sehr laut auf. Er räusperte sich sofort aber es war zu spät, Jungkook hatte es bereits gehört und schmunzelte amüsiert.

"Na dann wollen wir dich mal nicht verhungern lassen, mh? Magst du shin Ramyen?"

"Ich esse nicht so gerne scharf, das verträgt mein Magen nicht so... Ich bin da etwas empfindlich."

"So?" Jungkook fing wieder an zu grinsen. "Mir kann es nie.. scharf genug sein." fügte er mit plötzlich süffisanter Stimme hinzu und zwinkerte dem jungen Koreaner zu, als er sah wie dieser ihn wie ein Auto anstarrte.

Taehyung bekam den Kloß in seinem Hals kaum runtergeschluckt. Das war doch mit Absicht gewesen? Oder?.... Oder?!

So als wäre rein gar nichts passiert, stand der Schwarzhaarige von der Couch auf und begab sich in die Küche zurück. Voller Tatendrang begann er die Tüten vorzubereiten, während Taehyung nach wie vor im Wohnzimmer saß und versuchte hinter Jungkooks Absichten zu kommen.

Auch wenn er gerade aus einer nicht geraden tollen Beziehung kam, wollte er Jungkook gefallen und sein Interesse wecken aber er stellte sich dabei dümmer an als es die Polizei erlaubte. Wo blieben die schlagwertigen Antworten? Wo war sein Selbstbewusstsein wenn er es mal brauchte?

Jungkook war einfach von einem anderen Schlag. Er hatte etwas wahnsinnig anziehendes an sich, verbotenes und Taehyung wusste einfach damit nicht umzugehen. Flirten war nicht seine Stärke und schon gar nicht mit Jemanden wie Jungkook, der so wirkte als wäre er mit dieser Fähigkeit geboren worden.

Er musste diese Chance daher jetzt einfach beim Schopfe fassen. Er wollte nachher nichts bereuen müssen, nur weil er einfach nur viel zu Feige war. Aber wie stellte er es an? In erster Linie musste er herausfinden ob der Schwarzhaarige überhaupt vergeben war. Ein letztes Mal wischte Taehyung sich über die Augen und versuchte tief durchzuatmen.

Das Weinen hatte gut getan und irgendwie hat sich dadurch der feste Knoten in seinen Eingeweiden gelöst.

Kurzerhand erhob er sich und folgte Jungkook einfach bis zur Küche. Vorsichtig schielte er durch die Tür und spielte schüchtern mit seinen Fingern herum, als er ihn mit dem Rücken zu sich gerichtet am Herd stehen sah. Das weiße Shirt spannte sich leicht über seinen Schultern und presentierte ihm eine definierte Muskulatur, die ihn wieder ganz verrückt im Kopf machte.

Seine Ohren wurden heiß. Diese ganzen unanständigen Vorstellungen - er konnte es einfach nicht abschalten. So sehr hatte Taehyung sich noch nie zu jemanden sexuell angezogen gefühlt, wie zu Jungkook. Es war beinahe zum Mäusemelken ihn dort so zu beobachten, ohne ihn berühren zu dürfen.

"Uhm..." schließlich machte er leise auf sich aufmerksam.

Jungkook warf sofort noch ein Blick über die Schulter und lächelte.

"Es dauert nicht mehr lange. Das Essen ist gleich fertig. Du kannst dich aber auch wenn du möchtest schon einmal hinsetzen." meinte er noch bevor er wieder auf seinen Topf starrte.

Taehyung folgte dem nett gemeinten Vorschlag und setzte sich. Der Tee, den Jungkook ihm noch vor wenigen Minuten serviert hatte, war noch etwas warm, weshalb er gleich einen Schluck davon nahm, einfach um die Trockenheit in seinem Hals zu bekämpfen.

"D-darf ich dich eigentlich etwas fragen?"

Jetzt oder Nie.

"Hm? Was möchtest du denn gerne wissen?" fragte Jungkook beiläufig während er den Topf von der Platte nahm. Er tat sich und Taehyung etwas auf, ehe er mit beiden Schüsseln zum Tisch hinüber ging und sorgfältig alles vor ihnen abstellte.

"Nun.." Taehyung starrte befangen auf seinen Schoß und kaute wie wild auf seine Lippen herum.

Nun sei ein Mann und frag ihn einfach!

"H-hast du... eine Freundin? Ich mein, die Wohnung ist so groß und naja... für einen allein.. schon sehr groß.. also deswegen  dachte ich, da gibt es vielleicht ja jemanden..." Taehyung redete so schnell, das er nur noch so vor sich hin stotterte. Es war daher schwer seinem Redeschwall zu folgen.

Kurz darauf folgte Stille.

"... Tut mir leid, das war zu direkt... oder?" hörte Taehyung sich selbst flüstern und am liebsten hätte der junge Koreaner seine Frage wieder zurückgenommen.

Jungkook dachte kurz nach, wahrscheinlich um eine passende Antwort zu finden, bevor er dann jedoch meinte. "Nein Taehyung. Ich bin nicht vergeben. Ich bin da nicht so für eine normale Beziehung gemacht..."

Perfekt! Jungkook war nicht vergeben!

Dennoch runzelte der junge Koreaner die Stirn. "Eh.. Wie meinst du das?"

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