Kapitel 24

Es dauerte eine Weile, bis ich mich schließlich auf der geräumigen Herrentoilette wiederfinde.
Während ich mich in dem komplett in rot gehaltenen Raum umsehe, um sicher zu gehen, dass ich allein bin, komme nicht umhin, festzustellen dass sie um einiges sauberer und gepflegter ist, als die Clubtoiletten, die ich bisher erlebt habe.

Seufzend stütze ich mich an einem der Waschbecken ab und sehe in den großen Spiegel, der darüber hängt.
Mein Haar ist leicht zerzaust und ich muss feststellen, dass mein Blick durch den Alkohol etwas verschwimmt.
Eilig spritze ich mir Wasser ins Gesicht, um wieder etwas klarer sehen und vor allem denken zu können.

Ich höre die Tür mir aufgehen, drehe mich aber nicht um, um zu sehen, wer es ist.
Erst als er hinter mich tritt, bemerke ich Harrys Bild im Spiegel, sehe, wie seine Augen über mich wandern, als würde er versuchen, jeden Teil von mir in sich aufzusaugen.
Eine Gänsehaut überläuft mich.

,,Hey...", meint Harry vorsichtig, seine schlechte Laune scheint wie weggeblasen. ,,Alles gut bei dir, Louis?"
Ich zucke mit den Schultern und drehe mich zu ihm um.
,,Es ist nicht so einfach, Zayn so zu sehen, nach allem was... nach allem was passiert ist." Seufzend sehe ich zu Boden, bemerke nur am Rande, dass er einige Schritte auf mich zu macht.

,,Willst du darüber reden?"
Auf seine Frage hin seufze ich erneut, schüttle dann aber den Kopf. ,,Lieber nicht, dabei werde ich immer ziemlich emotional und wir wollen ja nicht, dass ich hier anfange loszuheulen, oder?"
Es ist ein erbärmlicher Versuch, die Stimmung etwas aufzulockern, aber auf den Lippen des Lockenkopfs bildet sich trotzdem ein kleines Lächeln. ,,Nein, natürlich nicht." Er zwinkert mir zu.

,,Weißt du, wieso... Liam und Zayn?", bringe ich stockend hervor und blicke möglichst beiläufig zu ihm auf.
Ein Grinsen bildet sich auf dem Gesicht des Filmstars. ,,Die lassen echt nichts anbrennen, was?" Er schweigt kurz. ,,Das geht schon etwas länger. Zayn... ähm," Vorsichtig sieht er zu mir, offenbar um zu sehen, wie ich bei der Erwähnung meines Ex-Besten-Freundes reagiere, doch ich sehe ihn nur abwartend an.

Also fährt Harry fort. ,,Soweit ich weiß, hat Zayn Liam mal nach Hause gefahren, nachdem er es hier etwas übertrieben hatte..." Er sieht meine gerunzelte Stirn. ,,Für uns ist es nicht so leicht, einfach ein Taxi zu rufen oder so."

Ich erwidere seinen Blick verwirrt und sehe dann etwas in seinem Blick aufblitzen. ,,Es ist nicht immer nur Zuckerschlecken, in der Öffentlichkeit zu stehen, weißt du?" Er seufzt und ein erschöpfter Ausdruck tritt in seine Augen. ,,Man ist ständig unterwegs, weg von denen, die man liebt, man wird ständig auf das reduziert, was die Leute zu sehen bekommen, man kann nie sicher sein, wem man trauen kann... Wer ist nur an deinem Geld und Einfluss interessiert? Wer schätzt dich wirklich für das, was du bist?"

Ich schlucke, als ich an sein kürzliches Coming-Out vor der Presse denken muss.

Er bricht seufzend ab. ,,Ist ja auch egal... Seitdem sind die beiden jedenfalls... sagen wir, recht gut befreundet, wenn du verstehst, was ich meine. Damals konnte ja keiner wissen, dass Zayn so ein Arschloch ist."
Verwundert sehe ich ihn an, als ich die kaum merklich Wut in seiner Stimme wahrnehme. ,,Zayn ist kein Arschloch, er ist nicht wirklich Schuld daran, dass unsere Freundschaft nicht mehr existiert.", gebe ich zu.

Ich lehne mich an das Waschbecken hinter mir. ,,Ich hab es damals niemandem leicht gemacht. Ich kann meinen Freunden nicht vorwerfen, dass sie es irgendwann aufgegeben haben, mit meiner Scheiß-Laune klarzukommen."

,,Das mag sein, aber deine Schuld ist es trotzdem nicht, Louis." Überrascht zucke ich zusammen, als sich plötzlich eine Hand um meine eigene legt. Harrys Hand.
Einen Moment lang bin ich versucht meine weg zu ziehen, dann aber lasse ich sie an Ort und Stelle, genieße das angenehme Kribbeln, dass seine Haut auf meiner hinterlässt. Ein Lächeln stiehlt sich auf meinen Lippen.

Und doch spüre ich die Spannung im Raum. Der Alkohol -zumindest schiebe ich ihm die Schuld zu- lässt die Gefühle in mir brodeln.
Langsam sehe ich auf und verliere mich in Harrys tiefgrünen Augen, die mir inzwischen noch näher gekommen sind.

Ich kann nicht verstehen, wie ich ihn vor wenigen Monaten noch so sehr hassen konnte.
Er scheint so anders zu sein, als ich am Anfang dachte.

Fürsorglich und irgendwie so unfassbar vertraut, als würde ich ihn schon viel länger kennen.
Meine Gedanken huschen zu Edward.
Edward, dem ich vertraue, obwohl er dies nicht mal genug erwidert, um mir seinen echten Namen zu sagen.
Edward, der auch meine Gefühle ganz offensichtlich nicht erwidert.

Und dann bin ich wieder in der Realität.
Mit einem überaus attraktiven Lockenkopf vor mir und genug Alkohol intus, um Dinge zu tun, die ich mich unter anderem Umständen niemals getraut hätte.

Es ist wie eine Einladung, die Harry mir da offenbart.
Er steht inzwischen direkt vor mir, uns trennen nur noch wenige Zentimeter und ich weiß genau, was er mir zeigen will, was er mir anbietet und gleichzeitig erwartet.
Also nehme ich seine Einladung an.

Ich überbrücke die letzten Zentimeter zu dem braunhaarigen Lockenkopf und verbinde seine Lippen mit meinen.
Zu Anfang ist der Kuss noch sanft, doch sobald Harry ihn erwidert, schwingt eine Menge mehr Leidenschaft mit, die mich überrascht gegen seine Lippen keuchen lässt.

Doch ich wehre mich nicht gegen ihn und das unglaubliche Gefühl, das er mit dem Kuss in mir hervorruft.
Stattdessen lege ich bereitwillig die Arme um seinen Nacken, um ihn zu mir herunter zu ziehen, während er seine Hände neben meinen Hüften rechts und links auf dem Rand des Waschbeckens platziert.

Der Kuss vertieft sich und wird immer leidenschaftlicher.
Unsere Lippen bewegen sich in einem wilden Tanz aufeinander und ich spüre den bitteren Geschmack von Alkohol, als Harry mit seiner Zunge gegen meine Lippen stößt, um Einlass bittet bis schließlich auch unsere Zungen miteinander tanzen.

Ich bin wie berauscht, kriege kaum mit, wie Harry mich, ohne dabei den Kuss zu unterbrechen, in eine der Kabinen zieht.
Drinnen drückt er mich gegen die Wand, was ich erwidere, indem ich ihn noch näher an mich ziehe, sodass kein Blattpapier noch Platz zwischen uns gefunden hätte.

Die Flut von Reizen und Emotionen überfüllt meinen Kopf und lässt meine Gedanken wirr durcheinander wirbeln.
Ich weiß nicht wirklich, was ich hier tue.
Es fühlt sich irgendwie seltsam an, Harry zu küssen... einfach so. Aber es fühlt sich auch gut an. Irgendwie vertraut...

Das plötzliche Geräusch der sich öffnenden Tür lässt uns zusammen -oder viel mehr auseinander- fahren und einen Moment lang lässt Harry von mir ab.
Er ist schon dabei unsere Lippen wieder miteinander zu verbinden, doch ich stoppe ihn.

In dem kleinen Augenblick, in dem seine berauschenden Lippen nicht auf meinen lagen, hat sich dieser kleine widerspänstige Teil in meinem Kopf gemeldet.
Der mehr oder weniger vernünftige Teil, der mir sagt, dass ich Harry kaum kenne, auch wenn es sich vielleicht so anfühlt. Der mich daran erinnert, dass ich vor wenigen Stunden noch Edward meine Gefühle gestanden habe.

Edward, der meine Gefühle vielleicht nicht erwidert, dem ich aber vertrauen kann und der in den letzten Monaten immer für mich da war, mit dem ich über alles reden kann.

Was zur Hölle tue ich also hier?

Ich löse mich von dem Mann vor mir. Stoße Harry zurück, auch wenn es mir einen Augenblick später schon leid tut, als ich den verletzten Ausdruck in seinen Augen sehe.
Doch im nächsten Moment bin ich schon aus der Kabine und hinaus aus der Herrentoilette geflohen.

Meine Gedanken überschlagen sich, während ich durch die Menge stolpere, mir mit verschwommenen Blick einen Weg hinaus bahne.
Woraus merke ich erst einige Sekunden später, als ich keuchend vor dem Club halt mache.

Nach Atem ringend stütze ich mich auf meinen Knien ab.
Ich habe das Gefühl, alles um mich herum dreht sich und ich bin mir nicht sicher, woran es liegt... Vielleicht am Alkohol, vielleicht auch an dem Adrenalin, dass sich durch meine Adern pumpt.

Oder vielleicht an Harry und seinen atemberaubenden sinnlichen Lippen?

Erst als mich jemand an der Schulter berührt, nehme ich langsam wieder meine Umgebung wahr. Und damit auch die Stimme, die besorgt meinen Namen sagt.
Ich blicke auf, nur um Zayn direkt vor mir zu erkennen.

,,Hey, Lou! Alles gut bei dir?"
,,Nein... Also ja... Ich weiß nicht...", bringe ich undeutlich hervor und schüttle dann den Kopf.
Zayn seufzt. ,,Na komm, ich bring dich hier weg. Mir ist egal wie sehr du mich hasst oder was auch immer, aber du bist immer noch mein Freund und so lass ich dich hier nicht herum laufen."

Ich würde ihm gerne sagen, dass ich ihn nicht hasse und das auch niemals getan habe, aber ich bin viel zu überfordert von all dem, was in den letzten paar Stunden geschehen ist.

Ich vertraue ihm, denn er ist in diesem Augenblick die beste Chance, um hier weg zu kommen und trotz allem, was passiert ist, ist da noch immer diese Bindung, die uns damals und offensichtlich auch heute noch wie Brüder aneinander gebunden hat.

...

Merry Christmas everyone!
Heute ein Larry-Kuss zum feierlichen Anlass und natürlich zu Louis' Geburtstag <3

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