Eins

ʷᵉ ᶜᵃⁿʾᵗ ᵇᵉ ˡᵒˢᵗ
ⁱᶠ ʷᵉ ᵈᵒⁿʾᵗ ᵏⁿᵒʷ
ʷʰᵉʳᵉ ʷᵉʾʳᵉ ᵍᵒⁱⁿᵍ

Der Winter hielt Einzug in Stars Hollow.

Die Bäume waren kahl, das Laub schon vor Wochen im Winde verweht, als Taylor Doose zur späten Abendstunde die Ladentür seines Eisladens schloss. Sein grauer Schnauzbart zuckte, während sein Blick zu dem kleinen Café an der Straßenecke, angrenzend an seinen kleinen Shop, schoss. Die Lichter waren aus, alles war dunkel, denn Luke Danes verbrachte seinen Donnerstagabend nicht mit dem Servieren seiner erstklassigen Hamburger - auch wenn er das wohl viel lieber getan hätte, als das, was ihm tatsächlich bevorstand...

Klapperndes Geschirr und wirre Stimmen drangen aus dem weißen Häusschen, in dessen Vorgarten an die zwanzig kleine Gartenzwerge wohnten, wie winzige Soldaten, im Kampf gegen unerschütterliche Eindringlinge.

Zwei kleine Katzen flitzten zwischen ihren Beinen hin und her, während Babette Dell mit ihrer Gabel in der Luft herumfuchtelte, um ihrer Geschichte mehr Ausdruck zu verleihen. Dabei stach sie ihrem Ehemann, Morey, beinahe ein Auge aus, ohne es auch nur überhaupt zu bemerken und lachte gackernd zwischen den Worten.

"-Und Patty sagt zu ihm, Michael-Schätzchen, wenn ich nicht verheiratet wäre, würde ich dir glatt die Kleider vom Leib reißen."

"Nein!" Lorelai zog erschrocken die Luft ein, auf den Lippen trug sie ein breites Grinsen und Babette gackerte schallend.

"Ich stecke ihm also zehn Dollar in seine linke Potasche, gebe ihm einen Kuss und sie gibt ihm einen Klapps auf den Hintern.- er hatte einen wirklich tollen Hintern."

Lorelai warf Luke einen Seitenblick zu. Amüsiert musste sie feststellen, dass er stumm seinen Braten fixierte, aus Angst in das Gespräch verwickelt zu werden.

"Michael Douglas hatte aber auch einen hübschen Hintern", sagte Lorelai so ernst wie es ihr nur möglich war.

"Nicht so toll wie Lukes Hintern", entgegnete Babette und brachte Luke dazu, sich an seinem Bier zu verschlucken.

"Nicht so bescheiden, Süßer! Morey hat auch einen tollen Hintern."

Moreys Wangen verfärbten sich dunkelrot. "Ach, Babs..."

Luke griff nach seiner Serviette und wischte sich über den Mund, ehe er sich zu sprechen traute. "Könnten wir das Thema wechseln?"

"Nicht so bescheiden, Süßer", wiederholte Lorelai Babettes Worte und ließ ihre Augenbrauen kokett in die Höhe zucken. "Du hast einen tollen Hintern."

"Könnten wir bitte nicht über meinen Hintern sprechen?", entgegnete er verzweifelt, die Stimme erhoben.

Lorelai legte Messer und Gabel beiseite und nahm seine Hand in ihre. Sie zwinkerte, bevor sie ihm einen Luftkuss zuwarf, um daraufhin mit Babette und den Armen voll dreckigem Geschirr in der Küche zu verschwinden.

Sie ließ sich auf Moreys Hocker nieder und trocknete Teller und Gabeln ab, nachdem Babette sie in der Spüle versenkt hatte.

Lorelai warf einen Blick durch das kleine Küchenfenster, von dem sie eine perfekte Sicht auf ihre Veranda hatte und fühlte sich beinahe wie in der Zeit zurückversetzt. Max wollte sie abholen, ein Abendessen, zu dem es nie gekommen war, weil Cinnamon - Babettes Kater - gestorben war.

Ein zartes Lächeln lag auf ihren Lippen, als sie die Erinnerung mit einem Kopfschütteln verscheuchte. Das war nun schon so lange her... wie viel Zeit vergangen war, wie groß und erwachsen Rory nun war, wie lange sie keinen Gedanken mehr an Max verschwendet hatte.

"Nun, Herzchen, wie geht es unserer lieben, kleinen Rory?"

Babette reichte ihr den nächsten Teller, doch Lorelai zögerte.

"-Ach... es geht ihr- gut. Wirklich gut. Sie wohnt bei einer Freundin, konzentriert sich aufs Schreiben."

Rory war zu Paris gezogen, nachdem sie die Bombe hatte platzen lassen. Aus Angst, jemand könnte es erfahren, war sie aus der Stadt geflohen.

"Die Stars Hollow Gazette wird sich nicht lange aufrecht halten, wenn sie nicht zurückkommt", sagte Morey, der plötzlich im niedrigen Türrahmen aufgetaucht war. Er stand gebückt da, die Arme verschränkt, Luke neben sich.

"Ja, wann kommt sie eigentlich wieder?", fragte Luke.

Er wusste es auch noch nicht. Rory hatte ihre Mutter schwören lassen, es niemandem zu erzählen. Niemandem. Nicht einmal Luke. Emily. Lane...

"Ich- Rory sagte-", Lorelai blickte erneut aus dem Fenster, zurück in die Vergangenheit. Die Wahrheit zu verschweigen, war nie die beste Lösung gewesen, ganz im Gegenteil. Am Ende kam sie doch immer heraus, aber das war nicht ihr Geheimnis.

"Sie meinte, sie würde sich um eine Lösung kümmern. Solange, bis sie wiederkäme."

Falls sie wiederkäme...

Nachdem sie sich von Babette und Morey verabschiedet hatten, steuerten Lorelai und Luke zurück zu ihren eigenen vier Wänden. Ihre Hände verschränkt, nachdenklich und still.

"Rory kommt also nicht so schnell wieder?", fragte Luke plötzlich.

"Sie braucht Zeit für sich."

"Es ist nicht - nicht wegen mir, oder? Wegen der Hochzeit?"

Überrascht sah Lorelai auf. "Wie kommst du denn darauf, Mister? Nein, niemals, nicht in einer Billionen Jahren. Rory liebt dich."

Luke entspannte sichtlich. Der Gedanke belastete ihn wohl schon eine Weile.

Lorelai verschränkte ihre Hände und strahlte zu ihm hinauf und atmete einmal tief durch.

"Weiß du was?"

Luke hob eine Augenbraue, während er behutsam mit seinem Daumen Kreise auf ihrem Handrücken zog.

"Ich rieche Schnee."

Und mit ihren Worten fielen die ersten Flocken...

───❅ ·❆· ❅───

Im Schatten der Dunkelheit saß Rory Gilmore, die Hände über dem Kopf frustriert zusammengeschlagen, vor ihrem Laptop. Das grelle Licht ließ sie die Augen zusammen kneifen, während sie den unruhigen Curser fest fixiert hielt. Er war ein Mahnmal und verhöhnte sie auf ganzer Linie.

Doch wie sollte sie weiterschreiben, wenn jedes Wort, das ihr aus den Fingern in die Tasten glitt, klang, wie verrottender Abfall stank.

Am liebsten hätte sie die Maus gegen die nächste Wand geschleudert, geschrien, doch die Kinder - Paris' Kinder - schliefen im Zimmer nebenan.

Nachdem Rory erfahren hatte, dass sie schwanger war, hatte sich alles verändert. Sie war geflohen, der Realität entwischt und nächtigte nun bei Paris und Doyle.
Die Tage verbrachte sie mit den Kindern, die Nächte mit dem Schreiben. Doch ihrem Leben konnte sie nicht entfliehen, dafür hatte das Schicksal gesorgt.

Denn in der Schreibtischschublade zu ihrer linken, versteckt unter einem Notizbuch, einigen Postkarten, zwei Zeitschriften und alten Rechnungen lag ein Brief, eine Einladung.

Die Einladung zu einer Hochzeit von Logan Huntzberger und Odette Richesse.

Sie wusste nicht, wen sie dafür verantwortlich machen durfte, doch Mitchum Huntzberger stand ganz oben auf ihrer Abschussliste.

Ein leises Klopfen an der Tür ließ sie aufschrecken, doch kurz darauf steckte Paris schon ihren Kopf in das Zimmer.

"Gut, du bist wach", stöhnte sie und ließ sich auf Rorys Bett fallen, eine Weinflasche und zwei Gläser in den Händen, die sie nun in die Luft streckte und ein weiteres undefinierbares Geräusch von sich gab.

"Doyle?", riet Rory und traf scheinbar direkt ins Schwarze.

"Elender Mistkerl!" Ohne eins der Gläser auch nur schief anzusehen, setzte sie die Flasche an die Lippen und nahm einen großen Schluck.

"Ich habe ihm meine ganze vermaledeite Jugend geopfert."

"Paris, du bist nicht alt", warf Rory dazwischen, doch sie hätte genauso gut behaupten können, Francie Jarvis und sie hätten sich die Blutsbrüderschaft geschworen.
Paris hörte nicht zu. Sie war in ihrer eigenen kleinen Blase aus Selbstmitleid gefangen, aus dem sie sich nur selbst wieder hinaus hieven konnte.

"Diese Scheidung macht mich noch wahnsinnig. Beim letzten Treffen mit seinem Anwalt, hat er doch tatsächlich gesagt, er will das Samtsofa aus dem Erker im 2. Stock."

"Und?", Rory hob die Augenbrauen. "Du hasst dieses Sofa."

"Ich weiß doch genau, was er plant! Er will mich bloß ablenken und am Ende schnappt er sich all das, wofür ich hart gearbeitet habe! Im Gegensatz zu ihm verfolge ich Prinzipien und schreibe keine lausigen, alten Drehbücher über irgendwelche Seifenopern, die niemand verfolgt."

Sie setzte sich auf und nahm einen weiteren Schluck.

"Ich erschaffe Leben!"

Instinktiv schoss Rorys Hand auf ihren Bauch und ihr Blick verklärte sich. Tränen stiegen ihr in die Augen, doch eisern blinzelte sie sie zurück.
Niemand außer ihrer Mum wusste von ihrem kleinen Geheimnis und so sollte es auch bleiben... bis dieser Umschlag in ihrem Schreibtisch keinerlei Bedeutung mehr haben würde.

"Schreiben ist nicht so einfach, Paris", versuchte Rory ihre Gedanken wieder zum Thema zurückzuführen. "Er hat etwas gefunden, das ihn ausfüllt und ihm Freude bereitet und er ist wirklich gut in dem was er tut."

"Auf wessen Seite stehst du eigentlich?!"

Rory seufzte. "Vergisst du die T-shirts? Team Paris. Für immer und ewig, aber das bedeutet nicht, dass ich Doyle von der Klippe stoße."

"Das könntest du auch nicht", sagte Paris und setzte die Flasche erneut an. "Er ist noch immer sehr gut in Krav Maga. Du erinnerst dich?"

"Die Albträume werden mich bis an mein Lebensende heimsuchen."

Paris erhob sich und strich sich die kurzen Strähnen aus den Augen. Sie fixierte Rorys Laptop, der noch immer vor ihr stand, unangerührt, wie schon seit Wochen.

"Du hast nichts geschrieben", stellte Paris nüchtern fest. "Wo bist du beim letzten Mal stehen geblieben?"

"Yale." Ihre Finger zuckten in die Richtung der Schublade. "Der Anfang des 2. Jahres."

"Oh Gott, es ist Huntzberger, oder?"

Vor Schreck hätte Rory beinahe den Laptop vom Tisch gefegt. Sie versuchte eine undurchdringliche Miene aufzusetzen, doch es war schließlich Paris, die hier vor ihr stand.

"Du weinst diesem idiotischen Bonzen doch nicht immer noch hinterher? Eure Affaire ist doch wohl beendet, jetzt wo er im Frühjahr diese französische Erbin heiratet?"

"Meine was?"

"Oh, ich bitte dich. So geheimnissvoll wie du glaubtest zu sein, warst du ganz eindeutig nicht."

Unsicher verschränkte Rory die Arme vor der Brust und zog ihre Beine auf den Stuhl.

"Genauso wie du zu verheimlichen versuchst, dass du schwanger bist."

Rorys Beine rutschten mit einem dumpfen Schlag vom Stuhl und schlugen auf dem Teppich auf.
Natürlich, wie hätte es auch anders sein sollen. Paris war den ganzen Tag auf ihrer Arbeit von Schwangeren oder Paaren, die dem Kinderwunsch nachjagten, umgeben.

Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie hinter ihr Geheimnis gekommen wäre.
Scheinbar war es früher statt später.

Paris setzte die Weinflasche ein weiteres Mal an ihre Lippen.

"Es war wirklich nicht zu übersehen", sagte Paris nüchtern. "Ich nehme an, Bradley Cooper ist der Vater?"

Rory nickte bloß, ihrer Worte entmächtigt. Ihr Geheimnis sollte ein Geheimnis bleiben, sie wollte doch nichts lieber als vor der Realität davonlaufen zu können... dieses Mal konnte sie aber keine Yacht stehlen und einfach auf die stürmische See fahren, auch nicht, wenn sie den Leuten am liebsten, die Hüte vom Kopf schlagen würde...

Sie musste dieses Buch fertig schreiben, doch wie sollte sie über das schreiben, was sie so gewaltig versuchte zu vergessen?

Paris seufzte tief, stellte die Flasche auf den Tisch und zog Rory auf die Beine. Stürmisch wie Paris sein konnte, zog sie Rory in eine Umarmung und schob sie sogleich wieder von sich.

"Männer sind Schweine."

"Ay ay", lachte Rory und lächelte zu ihrer Freundin hinab. Was würde sie ohne Paris nur tun?

"Du kannst gerne solange bleiben, wie du willst, das weißt du", sagte Paris, doch eine kleine Falte bahnte sich ihren Weg über ihre Stirn. "Aber wer übernimmt die Zeitung in deinem Kuh-Kaff während du weg bist?"

Rory lächelte. "Oh, dafür brauchte ich bloß jemanden, der sich mit dem Schreiben auskennt und mich wöchentlich auf dem laufenden hält."

Ja, dafür hatte sie den Besten gefunden.

───❅ ·❆· ❅───

Der Nachtwind heulte durch die Straßen, trieb die ersten Schneeflocken umher.

Ein einsamer Wagen kurvte durch die menschenleere Stadt, während im Radio die letzten Töne von December, 1963 verklangen.

Sein Blick huschte durch das Schneegestöber hinüber zu dem Café, das in völliger Dunkelheit dalag, ruhig, beinahe schlafend. In seinen schwarzen Haaren verfingen sich die weißen Flocken.

Jess Mariano war zurück.

Und der Winter hielt Einzug in Stars Hollow.

───❅ ·❆· ❅───


𝙳𝚒𝚜𝚌𝚕𝚊𝚒𝚖𝚎𝚛: 𝙳𝚊𝚜 𝚒𝚜𝚝 𝚎𝚒𝚗𝚎 𝙴𝚛𝚜𝚝𝚎𝚗𝚝𝚠𝚞𝚛𝚏-𝚟𝚎𝚛𝚜𝚒𝚘𝚗, 𝚍𝚊𝚑𝚎𝚛 𝚒𝚜𝚝 𝚑𝚒𝚎𝚛 𝚗𝚒𝚌𝚑𝚝𝚜 𝚞𝚎𝚋𝚎𝚛𝚊𝚛𝚋𝚎𝚒𝚝𝚎𝚝 𝚞𝚗𝚍 𝚟𝚒𝚎𝚕𝚕𝚎𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚗𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚊𝚕𝚕𝚣𝚞 𝚜𝚝𝚒𝚖𝚖𝚒𝚐 𝚖𝚒𝚝 '𝚊 𝚢𝚎𝚊𝚛 𝚒𝚗 𝚝𝚑𝚎 𝚕𝚒𝚏𝚎'.
𝙳𝚒𝚎 𝚞𝚎𝚋𝚎𝚛𝚊𝚛𝚋𝚎𝚒𝚝𝚎𝚝𝚎 𝚅𝚎𝚛𝚜𝚒𝚘𝚗 𝚐𝚒𝚋𝚝 𝚎𝚜, 𝚜𝚘𝚋𝚊𝚕𝚍 𝚆𝚒𝚗𝚝𝚎𝚛 𝚊𝚋𝚐𝚎𝚜𝚌𝚑𝚕𝚘𝚜𝚜𝚎𝚗 𝚒𝚜𝚝 𝚞𝚗𝚍 𝚒𝚌𝚑 𝚖𝚒𝚝 𝙵𝚛𝚞𝚎𝚑𝚕𝚒𝚗𝚐 𝚋𝚎𝚐𝚒𝚗𝚗𝚎.

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