𝟎𝟎𝟏 ⭑
Hey!
Ein Mitschüler von mir, sieht immer schlechter aus und ich sehe immer wieder neue Wunden, primär an seinen Unterarmen, die er sogar scheinbar versucht zu verstecken und mache mir Sorgen. Persönlich, habe ich kaum was mit ihm zu tun und habe das Gefühl, dass er mich nicht gerade sympathisch findet. Selbst, bin ich eher eine Außenseiterin und gelte eher als „Freak", weshalb man eigentlich auch nichts mit mir zu tun haben will und ich denke, er gehört dazu. Jedoch scheint niemand anderes was zu tun und ich hab ihn vor ein paar Tagen weinend im Klassenraum entdeckt. Auf Ansprechversuche, hat er entweder garnicht oder mit einem „Ist doch eh jedem scheiß egal." Oder „Geh!" reagiert. Habt ihr eine Idee, was ich tun kann?
Danke schon Mal im Voraus.
(30.11.2024 | 20:54)
Hallo,
Erstmal: Deine Beobachtung zeigt, dass du ein sehr einfühlsamer und mitfühlender Mensch bist. Es ist nicht einfach, jemanden leiden zu sehen und dabei das Gefühl zu haben, dass man nicht helfen kann, vor allem, wenn die Person sich zurückzieht und abweisend reagiert. Trotzdem bist du bereit, über deinen eigenen Schmerz und deine Unsicherheiten hinauszuwachsen, um einem anderen Menschen zu helfen. Das ist bewundernswert.
Jetzt zum primären Thema: Menschen, die in schwierigen Phasen ihres Lebens sind und sich innerlich zurückziehen, tun dies oft aus Selbstschutz. Die Wunden, die du an den Unterarmen deines Mitschülers bemerkst, können auf eine tiefe innere Verletzlichkeit hinweisen – auf eine Art von Schmerz, die so überwältigend ist, dass sie nach einem Ventil sucht, um sich auszudrücken. Dieses Verhalten ist häufig ein Versuch, mit Emotionen umzugehen, die sich unkontrollierbar anfühlen: Scham, Trauer, Einsamkeit, Selbsthass oder das Gefühl, nicht gesehen oder gehört zu werden.
Dass er scheinbar versucht, diese Wunden zu verbergen, deutet darauf hin, dass er möglicherweise Angst vor Verurteilung hat – oder sich selbst bereits stark verurteilt. Seine abweisenden Reaktionen auf deine Annäherungsversuche wie „Ist doch eh jedem scheißegal" oder „Geh!" könnten eine Abwehrhaltung sein. Oft entsteht diese Haltung aus dem Glauben, dass andere sowieso nicht helfen können oder dass Zuwendung eine Art Schwäche bedeutet.
Diese Schutzmauern zu durchbrechen, erfordert sehr viel Geduld und Feingefühl. Du hast ihn schon einmal weinen sehen – das zeigt, dass da ein enormer Druck hinter diesen Mauern steckt. Tränen sind oft ein Signal, dass jemand Hilfe bräuchte, aber nicht weiß, wie er sie annehmen kann.
Es ist verständlich, dass du dich unsicher fühlst. Du sagst, dass du selbst eher eine Außenseiterin bist und von vielen als „Freak" angesehen wirst. Erstmal, tut uns dies sehr leid, denn solche Etiketten können unglaublich schmerzhaft sein – und wir glauben, dass viele Menschen, die dich so nennen, gar nicht wissen, was für ein starker und mutiger Mensch du bist. Dass du trotzdem den Mut findest, dich für jemanden einzusetzen, der in einer schweren Zeit steckt, weist wirklich von einem großen Herzen.
Vielleicht spürst du eine Verbindung zu seinem Schmerz, auch wenn er diese Verbindung vielleicht (noch) nicht erwidert. Es kann sein, dass er dich in eine ähnliche Schublade steckt, wie andere es mit dir tun – oder dass er einfach nicht weiß, wie er auf deine Offenheit reagieren soll. Das bedeutet jedoch nicht, dass deine Versuche vergeblich sind.
Es ist wichtig, dass du dir klar machst: Du kannst nicht die alleinige Last tragen, ihn zu „retten". Das ist eine Verantwortung, die niemand alleine tragen kann, und sie darf dich nicht überwältigen. Was du jedoch tun kannst, ist, ein erster Lichtstrahl zu sein – eine Botschaft der Hoffnung, dass er nicht allein ist und dass Hilfe möglich ist.
Wenn direkte Ansprache bisher nicht funktioniert hat, könntest du versuchen, auf andere Weise Kontakt herzustellen. Kleine Gesten der Freundlichkeit können manchmal mehr bewirken als Worte:
• Ein kurzes Nicken oder ein offenes Lächeln, wenn ihr euch seht.
• Ein beiläufiges „Hey, alles okay?" ohne Druck, dass er antworten muss.
• Vielleicht sogar ein Zettel oder eine kleine Botschaft, die du ihm zusteckst. Etwas wie: „Ich sehe, dass es dir gerade nicht gut geht. Falls du reden möchtest, ich bin da."
Manchmal brauchen Menschen Zeit, um Vertrauen zu entwickeln. Indem du ihm signalisierst, dass du für ihn da bist, legst du den Grundstein dafür, dass er sich dir vielleicht irgendwann öffnen kann.
Da du selbst das Gefühl hast, wenig Einfluss auf ihn zu haben, könntest du überlegen, ob es in eurem Umfeld jemanden gibt, dem er mehr vertraut. Vielleicht eine Lehrkraft, ein Mitschüler oder eine Schulsozialarbeiterin?
• Du könntest dich an diese Person wenden und deine Beobachtungen schildern. Das ist keine Petzerei, sondern ein verantwortungsbewusster Schritt, um sicherzustellen, dass er die Hilfe bekommt, die er braucht.
• Wenn du dir unsicher bist, wie du das ansprechen sollst, könntest du auch anonym bleiben. Viele Schulen haben Beratungsstellen oder Vertrauenspersonen, die solche Anliegen vertraulich behandeln.
Menschen, die sich selbst verletzen, fühlen sich oft wertlos und allein. Es kann helfen, ihnen zu zeigen, dass es sichere Räume gibt, in denen sie nicht beurteilt oder kritisiert werden. Vielleicht könntest du im Klassenraum oder in Pausensituationen eine Atmosphäre schaffen, in der er sich willkommen fühlt – zum Beispiel, indem du dich in seine Nähe setzt oder ihn in ein Gespräch einbindest, ohne Druck auszuüben. Natürlich nur, wenn das auch für dich okay wäre.
Es mag sich anfühlen, als könntest du nicht viel bewirken, aber manchmal sind es die kleinen Dinge, die den größten Unterschied machen. Ein freundliches Wort, eine unterstützende Geste oder einfach das stille Angebot, zuzuhören, können der Beginn eines Heilungsprozesses sein.
Wenn er sich zurückzieht oder abweisend reagiert, ist das allerdings kein Zeichen, dass du versagt hast. Es ist vielmehr ein Hinweis darauf, dass er Zeit braucht, um Vertrauen zu entwickeln.
Vergiss zudem nicht, dass du kein ausgebildeter Therapeut bist, und es ist nicht deine Aufgabe, alles zu lösen. Dein Ziel sollte sein, ihm eine Möglichkeit aufzuzeigen, Hilfe zu bekommen – nicht, ihn alleine zu retten.
Deine Bereitschaft zu helfen ist bewundernswert, aber du darfst dabei nicht vergessen, auch auf dich selbst zu achten. Es klingt, als hättest du selbst schon einiges durchgemacht – und ich hoffe, dass du auch für dich jemanden hast, dem du dich anvertrauen kannst. Wenn diese Situation dich belastet, könnte es dir helfen, mit einer Vertrauensperson zu sprechen.
Manchmal ist es auch wichtig, dir selbst zu erlauben, Grenzen zu setzen. Du bist nicht verantwortlich für das Leid der Welt, und es ist nicht egoistisch, auch auf deine eigenen Bedürfnisse zu achten.
Am Ende möchten wir dir noch etwas mitgeben, das du vielleicht auch ihm auf irgendeine Weise vermitteln könntest: Es gibt immer Menschen, die sich kümmern. Auch wenn es sich manchmal nicht so anfühlt, ist da irgendwo ein Licht – und manchmal sind es die kleinsten Funken, die den Unterschied machen.
Vielleicht bist du dieser Funke für ihn, auch wenn er es jetzt noch nicht erkennt. Und vielleicht bedeutet dein Mut, dich trotz deiner eigenen Unsicherheiten für ihn einzusetzen, dass du ihm irgendwann helfen kannst, seinen Weg zu finden.
Hab Geduld mit ihm – und mit dir selbst. Alles, was du tun kannst, ist, offen und ehrlich zu zeigen, dass du für ihn da bist. Der Rest liegt nicht in deiner Hand, und das ist auch in Ordnung.
Wir hoffen, dass dieser Weg dir hilft, deine Sorgen zu sortieren und den richtigen Ansatz zu finden. Es ist nicht leicht, aber allein die Tatsache, dass du dich so intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt, zeigt, wie viel Mitgefühl und Stärke in dir steckt.
Du bist ein ganz wundervoller Mensch, vergiss das nie.
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