✩ Kapitel 8 ✩

„Bevor ihr gehen könnt, noch eine kleine Nebeninformation zu dem alljährlichen Turnier. Es findet schon in wenigen Wochen statt und der Sinn dahinter ist, sein Können mit dem, der anderen zu messen. Dabei werden die vier stärksten Leute aus jeder Fakultät gegen die Auserwählten der anderen Fakultäten antreten. Es gelten alle Anmeldungen bis zu dem nächsten Monat. Wer noch Fragen hat, bitte jetzt stellen."

Die hatte ich nicht. Beim Turnier hätten wir eh nicht die kleinste Chance gehabt, so armselig und schwach wie wir neben den anderen aussahen. Nun, die Lust dort teilzunehmen, hatte ich sowieso keine, von daher konnte ich, solange alle anderen ihre Aufmerksamkeit dem Lehrer widmeten, kurz ausatmen.

Es war gräulich gewesen, ihre Blicke auf mir zu spüren. Sie hatten mich die ganze Zeit über aus einem sicheren Abstand, wie ein fabelhaftes Tier im Zoo, mit ihren Augen betastet, mir meinen Mut genommen, sodass ich mir nicht einmal sicher sein konnte, ob dieses kleines bescheidendes Etwas in der letzten Reihe überhaupt ich war.

Den Kopf an den Arm lehnend sah ich aus dem Fenster. Hier und da erhellten Blitze den trüben grauen Himmel, welcher große Wassertropfen hinunter weinte. Ich sichtete ein paar unglückliche Schwänzer, die durch die Büsche rasten, um dem tobenden Element zu entkommen. Nur der rissige Asphalt und das trockene Gestein freuten sich über eine Möglichkeit, ihren Durst zu stillen.

„Das war's erstmal für heute. Als Hausaufgabe würde ich euch bitten, einen kurzen Text mit dem Titel „Celer und wie man ihnen entkommt" zu verfassen. Versucht den Tag noch so gut wie es bei dem Wetter geht zu genießen und bis zum nächstem Mal!"

Celer? Das hörte ich zum ersten Mal. Mir entwich ein Seufzen. Da sollte ich lieber Mary fragen. Die Gestaltwandlerin kannte sich bestimmt glänzend in Tierkunde aus.

Meine Mitschüler fingen heiter an, ihre Bücher einzupacken. Anstatt es ihnen nachzumachen, vergrub ich erschöpft mein Gesicht in den Händen und lauschte. Ich hörte die kaputte Uhr im Raum ticken, die Schritte der Magier, die schnell verstummten, den Donner, welcher auf der anderen Seite der Fensterscheibe über den Himmel rollte. Ich wusste, es war an der Zeit zu gehen, doch ich fand nicht einmal ansatzweise Kraft und Lust dazu. Und es war doch so schön, den frischen Regen dort draußen rauschen zu hören ...

„Naia Mare? Hat Ihnen mein Unterricht etwa so sehr gefallen, dass Sie mit der Tatsache, dass die Stunde bereits vorbei ist, nicht klarkommen können?" Erschrocken sah ich auf und erblickte den direkt vor mir stehenden Tierkunde Lehrer. Seine Lippen umspielte ein kleines Lächeln, die smaragdgrünen Augen leuchteten katzenartig im Halbdunkeln des Zimmers.

„Ich bitte um Verzeihung, Nai Shekal. Ich fürchte, ich war gerade etwas..."
„In eigenen Gedanken vertieft?", sein aufmunterndes Lachen schallte im tiefen Echo durch die Luft, „ist schon gut, das verstehe ich. So sehr ich mich aber auch über Ihre Gesellschaft freue, bin ich dazu gezwungen, Sie hier raus zu bitten. Gleich kommt schon die nächste Klasse, Sie wissen schon." Spielerisch zwinkerte er mir zu. Daraufhin nickte ich beschämt und eilte zu der Ausgangstür, wo ich dann schmerzhaft mit jemanden zusammenstieß.
Ohne nur ein Wort zu sagen, verschwand ich hinter seinem Rücken. Lust auf weitere Konflikt hatte ich gar keine, schließlich war der Tag auch so schon schlimm genug.

𑁍 𑁍 𑁍

Es regnete unaufhörlich, als ob jemand dort oben auf den Wolken säße und eimerweise Regen über die erschöpfte Erde schüttete. Weniger als eine Minute dauerte es, bis diese unsichtbaren Kreaturen mich von Kopf bis Fuß nass gemacht hatten.
Auf dem Weg zum Haus konnte ich mich aber dafür zurückziehen und Zeit zum Nachdenken finden, mit dem kühlen Laub und dem dunklen Himmel eins werden. Der rasende Wind kämmte mir die Beklemmung aus den Haaren, ehe ich meinen Schritt beschleunigte und dann mit ihm um die Wette lief. Weiter und weiter ...

Zu uns nach Hause kam ich völlig durchnässt und mit einem Mischmasch an Gefühlen.
„Ayla, was ist passiert?" Kyan stand angelehnt an den Türrahmen der Küche. Die von der Seite fallenden Haare verdeckten teilweise eine kleine Narbe, welche quer durch seine Stirn und den Haaransatz verlief. Sein Kopf hielt er schief, wie ein Höllenhund beim Lauschen.

„Was sollte denn passiert sein? Ja, ich stimme dir zu, der Schultag war anstrengend. In Geschichte bin ich generell nicht die Stärkste und Tierkunde..."
„Nein, nicht das" Er kniff die Augenbrauen zusammen und stieß sich von der Wand ab. Seinen Körper hielt er angespannt, was mir Sorgen bereitete. Kyans Gesichtsausdruck und Körperhaltung sprachen für sich — ihn bekümmerte etwas.

„Hat er dir wehgetan, sag schon! Oder hat er ... noch etwas Schlimmeres mit dir gemacht?"
„Wer?" Kyans Verhalten warf mich ganz aus der Bahn. Worüber sprach der Typ? Warum sollte mir jemand was getan haben?

„Ich weiß es nicht, aber jemand hat dich heute berührt. Wer war das?" Er klang nervös. So nervös, dass es sich auf mich übertrug. Aufgeregt knetete ich meine verschwitzten Finger und versuchte zu begreifen, was Kyan von mir wollte.

„Ich bin mit niemandem heute körperlich in Kontakt getreten, klar? Ich habe nicht den leisesten Schimmer, wovon du redest."

„Bist du dir sicher? In deiner Aura strahlt ein Funke an fremder Energie. So eine Wirkung auf eine andere Aura kann nur ein richtig starker Magier haben." Ich schwieg.
„Es tut mir leid, vielleicht täusche ich mich nur", plötzlich legte er seine rechte Hand auf meine Schulter, zog sie dann aber abrupt zurück und ging einen ganzen Schritt nach hinten. Um Gottes Willen, aus diesem Mann werde ich einfach nicht schlau, „es ist nur ... ich mache mir Sorgen, weißt du? Die Magier waren schon immer gegen uns, aber letzte Zeit übertreffen sie sich selber. Nun gut, willst du dich vielleicht setzen?" Stumm nickte ich, ehe ich nach ihm die Küche betrat und mich auf eines der Stühle niederließ.

„Tee?"
„Nein, danke. Wo sind die anderen?"
„Ruby schläft, Mary trainiert draußen mit Dany für ihre Prüfung in neun Tagen."
„Bei dem Wetter?"
„Mary kann nichts aufhalten, wenn es um ihren Wechsel geht", er lachte, „bei dem, was sich Nai Fortis anhören musste ... kein Wunder, dass er ihr eine Chance gegeben hat, sonst würde sie es echt nicht lassen. Mary wollte dich übrigens zu ihrer Prüfung einladen. Dany und ich werden auch da sein, um sie anzufeuern, kommst du?" Kurz musste ich überlegen. Ob ich wirklich Lust hatte, Mary bei ihrer Traumverwirklichung zuzuschauen und mich selbst dabei wie das Letzte zu fühlen? Auf der anderen Seite, vielleicht wird daraus eine spannende Show und Unterhaltung konnte ich im langweiligen Schulleben wirklich gebrauchen.

„Na gut", entgegnete ich schließlich und lehnte mich ermüdet an die Rückenlehne des Stuhls, „wann und wo findet die Prüfung statt?"
„Direkt nach der Schule am großen Stadion um drei, nehme ich an. Mary wird sich auf dich freuen." Offen lächelte er mich an. Es gelang ihm gut, doch ich merkte trotzdem, dass es ihm schwerfiel. Warum machte er sich denn solche Mühe?

„Ayla? Ich habe es den anderen schon erzählt, aber ich finde, du solltest es auch wissen." Überrascht starrte ich ihn an.
„Raus damit! Was hast du zu sagen?"
„Ich war heute im verbotenen Gang der Schule. Eigentlich gehe ich da nie lang, aber ich wollte eine Abkürzung zum Schasanisch-Raum nehmen. Und dann habe ich eine Aura aufgespürt. Sie kam aus einem der verschlossenen Räume und gehörte einem Artefakt." Er verstummte mit der Hoffnung, dass ich selber verstand, worauf er hinaus wollte.
„In der Academy sind viele Artefakte zu finden, was hat dich so beeindruckt?"
„Es war kein gewöhnliches Artefakt. Weißt du, die Academy verfügt nur an Waves-Artefakten, dieser besaß aber die Magie des Feuers."

„Das kann nicht sein." Ich ballte meine Hände zu Fäusten, und zwar so fest, dass die Fingernägel in die Haut reinbohrten, „Vielleicht hast du dich ja getäuscht, sowie mit der Sache bezüglich meiner Aura."
„Nein", schüttelte er den Kopf, „die Aura eines Artfeakten ist nicht dieselbe, wie die eines Menschen. Sie ist klarer und verständlicher. Da konnte ich mich unmöglich geirrt haben."

„Warum kannst du das überhaupt ... ich meine, Auren sehen?" Kyan runzelte die Stirn, die Frage schien ihm unangenehm zu sein.
„Ich war früher in der Artefaktoren Fakultät", fing er an zu reden, „Dann bekam ich meine zweite Gabe — der Magier."
„Wie, gleich zwei?" Er nickte.
„Mir wurde erlaubt beide Fakultäten zu besuchen, bis sich dann auch noch herausstellte, dass ich Auren sehen konnte. Mich überfüllte die Magie, sie war fast schon an Teil von mir, weshalb Nai Fortis entschieden hat, dass es besser für wäre, hierhin zu wechseln. Es ist hart, so viele Gaben zu haben, doch durchaus auch sehr hilfreich. Meine Sinne haben sich zum Beispiel verbessert. Und nun sagen sie mir, dass was Seltsames in der Academy vor sich geht. Pass auf dich auf, Ayla. Irgendwas stimmt hier nicht."

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