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Taehyung
Es war so weit, Samstag.
Ich linste auf mein Handy und stellte fest, dass nichtmal fünf Minuten vergangen sind, seitdem ich das letzte Mal auf die Uhr geguckt hatte. Es war kurz nach halb fünf, noch reichlich Zeit bis zu meinem Treffen mit Jungkook.
Nervös kaute ich an meinen Nägeln herum, bis das Jucken in meinen Beinen mich schließlich von meinem Bett aufspringen ließ. Ich lief zu meiner Zimmertür, schnappte meine Tasche und sah mich zum heute bereits zwanzigsten Mal kurz im Spiegel an, bevor ich aus meinem Zimmer tappte.
„Ich gehe jetzt, komme in ein paar Stunden wieder!", rief ich laut, während ich meine Jacke anzog. Jimin saß auf der Couch und schaute irgendwas in der Glotze, wobei er bei meiner Nachricht neugierig den Kopf zu mir drehte. „Du gehst? Wohin?"
Meine Ohren begannen zu brennen. „Ich bin verabredet, bis dann.", mit diesen Worten sauste ich förmlich aus der Wohnung, die Tür fiel hinter mir laut ins Schloss. Das bleischwere Gefühl in meiner Magengegend machte sich wieder breit, während ich die Treppen hinabstieg.
Aus irgendeinem Grund wollte ich weiteren Fragen von Jimin aus dem Weg gehen - zumindest was Jungkook betraf. Ich hatte ihm kaum von meinen Begegnungen mit dem Jüngeren erzählt und ihn sogar angelogen; ich wusste schon früher, dass Jungkook zur gleichen Universität ging wie wir.
Frustriert stöhnte ich auf, als ich das Gebäude verließ und in die Richtung meines Autos tappte.
Etwas in mir sträubte sich, meinem besten Freund von den Zettelchen zu erzählen, die ich Jungkook schrieb, und von dem Treffen, zu dem ich jetzt ging.
Ich fühlte mich so mies. Es gab keinerlei Grund, dies zu tun - vor allem nicht, da Jimin Jungkook ja auch kannte. Daran war nichts falsch, nichts verboten. Also was zur Hölle trieb mich dazu?
Gedankenverloren fuhr ich noch eine Ewigkeit durch die Gegend, um mehr Zeit verstreichen zu lassen, bis ich es schließlich nicht mehr aushielt und zwanzig Minuten zu früh vor dem Wohngebäude der WG stand.
Jungkook hatte mir in der Zwischenzeit sogar nochmal die Adresse geschrieben, obwohl ich ihn danach daran erinnerte, dass ich sie schon von Hoseoks Geburtstag hatte.
Das flaue Gefühl in meinem Magen hatte sich inzwischen in meinem gesamten Körper ausgebreitet, alles in mir hatte danach geschrien, einfach umzudrehen und wieder nach Hause zu fahren. Als wäre das, was ich jetzt machte, nicht richtig.
Doch jetzt, wo ich vor dem Gebäude stand, drängte Jungkooks Name auf einer der dutzend Klingeln jeglichen dieser Gedanken fort und ich drückte auf das Schildchen. Als ich dann schließlich aus dem Fahrstuhl trat und ein breit lächelnder Jungkook mich an seiner Wohnungstür empfang, verflog auch der letzte meiner Fluchtinstinkte.
Jungkook sah gut aus, er trug wie an Hoseoks Geburtstag ein weißes Hemd, das er dort jedoch mit einem T-Shirt austauschen musste, als ein Getränk versehentlich über ihn geschüttet wurde. Ich schluckte unwillkürlich, als ich einen Blick auf Jungkooks Oberarme warf, die die Ärmel des leicht durchsichtigen Hemdes ein wenig spannten. Seine Haare waren gestylt und er schien leichtes Make-up zu tragen.
Doch Jungkooks strahlendes Lächeln zog meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, bevor ich ihn noch irgendwie weiter mustern konnte. „Hallo Taehyung! Ich hatte nicht erwartet, dass du so früh schon da bist, ich hab mein Zimmer noch gar nicht komplett aufgeräumt.", meinte der Dunkelhaarige verlegen, während er mich in die Wohnung lotste.
Ich lächelte schief und zog meine Jacke und Schuhe aus. „Verzeih, ich hatte zu viel Zeit und Langeweile. Ich hoffe, das ist nicht allzu schlimm, dass ich spontan einfach früher gekommen bin.", antwortete ich, doch bevor Jungkook mir eine Antwort geben konnte, tauchte Seokjins Kopf hinter einem Türrahmen auf. Als er mich erkannte, bildete sich ein breites Grinsen in seinem Gesicht. „Hallöchen Tae, lang nicht gesehen, was?"
Ich hob meine Hand zu einem leichten Winken. „Hallo Jin, ja, ist ewig her. Hab dich unglaublich vermisst seit Mittwoch.", antwortete ich theatralisch und grinste den Älteren breit an. Der Braunhaarige schmunzelte und trat ganz in den Flur, bevor er mit dem Daumen hinter sich zeigte. „Ich wollte gerade anfangen zu kochen, möchtest du nicht auch gleich zum Essen bleiben?"
Ich blinzelte überrascht und wollte bereits höflich ablehnen, als Jin seine flache Hand hob und den Kopf schüttelte. „Wag es ja nicht abzulehnen, Kim Taehyung. Du hast mein hervorragendes Kimchi noch nie gegessen; es wäre eine Frechheit, wenn du heimgehen würdest, ohne es zu probieren."
Leicht musste ich schmunzeln und blickte von Seokjin zu Jungkook. „Wäre das denn auch in Ordnung für dich, wenn ich zum Essen bleibe, Jungkook?"
Der Dunkelhaarige schien kurz überwältigt von der Frage, doch er fing sich schnell und räusperte sich ein wenig verlegen. „Na aber sicher doch. Dann muss ich nicht allein mit Jin essen, Hobi ist heut Abend unterwegs. Eins muss ich dem Alten aber lassen: Er macht tatsächlich sehr gutes Kimchi." Für diese Antwort erntete Jungkook einen Tritt in den Hintern, doch der Jüngere kicherte nur und lief dann los in die Richtung seines Zimmers. „Komm Taehyung, ich zeig dir jetzt meine Projekte."
Lächelnd folgte ich dem Kleineren, während Jin mit einem verschwörerischen Grinsen in der Küche verschwand, das ich jetzt einfach mal nicht hinterfragte.
Jungkook huschte in seinem Zimmer hin und her, als ich eintrat, und schien zu versuchen, die letzten größeren Chaoshaufen zu verstecken. Quer gestapelte Bücher und Ordner, einsam herum liegende Blätter und Socken, eine Reihe leerer Plastikflaschen.
Peinlich berührt kratzte Jungkook sich am Hinterkopf. „Ignorier das Chaos bitte, normalerweise sieht es nicht so schlimm aus, ich stecke nur zur Zeit in einer riesigen Kreativitätsblockade für ein Uniprojekt, für das ich nicht mehr viel Zeit hab. Solche Blockaden führen häufig dazu, dass ich auch in anderen Bereichen nachlasse, wie zum Beispiel Ordnung.", erklärte der Dunkelhaarige mit geröteten Wangen und schob ein letztes Mal lose Papierblätter auf seinem Schreibtisch zusammen.
Ich lächelte sanft und winkte ab. „Kein Stress, Jungkook, so geht es jedem doch mal. Jede Person, die behauptet, ihr Zimmer war noch nie unordentlich, lügt. Das Chaos stört mich absolut nicht.", meinte ich, was den Jüngeren sichtlich beruhigte.
Dann musste ich auf einmal an Hoseoks Geburtstag zurückdenken und grinste leicht. „Ich wette, das knutschende Pärchen an Hoseoks Party hätte es auch nicht gestört."
Alarmiert drehte Jungkook seinen Kopf zu mir - er war schon wieder dabei, weiter aufzuräumen - und stöhnte laut auf. „Gott, ich hab vergessen, dass das passiert ist, und dass du es mitgekriegt hast. Das war so unglaublich frech, wer macht bitteschön im Schlafzimmer eines Fremden rum?? Ich will gar nicht wissen, was sie hier sonst so getrieben hätten, wär ich nicht da gewesen, um sie gleich wieder rauszuschmeißen.", während der Kleinere sich in seiner Schimpftirade verlor, fiel mir etwas hinter seinem Rücken ins Auge. Sofort erinnerte ich mich an unser Gespräch auf dem Balkon zurück.
„Deine Schallplattensammlung!", rief ich aus und eilte begeistert darauf zu. Jungkook unterbrach seine Schimpferei und drehte sich zu mir um, die Röte kehrte auch wieder in seine Wangen zurück. „Oh, ja... Du kannst sie dir ruhig angucken.", murmelte er, woraufhin ich fröhlich begann, die Platten durchzugehen.
Mein Mund klappte bei einigen Seltenheiten und grandiosen Alben auf. „Wow, deine Sammlung ist ja irre. Und so groß!", während ich das sagte, wühlte ich bereits im dritten Regalfach. Jungkook schmunzelt leise hinter mir. „Ja, einen Großteil davon hab ich von meinem Vater geerbt. Er war wahrlich ein begeisterter Sammler. Wenn du möchtest, können wir auch eine Platte hören."
Auf diesen Vorschlag hin fing ich noch mehr an zu strahlen und drückte dem Dunkelhaarigen Lover Man von Billie Holiday in die Hände. „Mach das Album an!"
Jungkook ging meiner Bitte wortlos nach und legte die Schallplatte auf. Als dann auch schon die ersten Jazz-Töne erklangen, vergrößerte sich mein Lächeln und ich fühlte mich eine Spur leichter. Die Musik hob mich direkt in höhere Welten, ein warmes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus, so süß wie Honig.
Aus einer Laune heraus schnappte ich mir Jungkooks Hand und begann mit ihm zu tanzen. Völlig überrumpelt ließ dieser sich mitziehen, sein Gesicht färbte sich erneut in diesem verräterischen Rot, doch es dauerte nicht lang, bis auch Jungkook schmolz und sich mit einem Lächeln der Musik hingab.
Wir tanzten leise kichernd durch das halb aufgeräumte Zimmer, während Lady Days liebliche Stimme uns beschallte.
Nach einer Weile ließen wir uns beide wortlos einfach mit dem Rücken auf Jungkooks Bett fallen; ein wenig außer Atem, doch mit einem Grinsen bis über beide Ohren.
Jungkook drehte sich mit dem Kopf zu mir und blinzelte. „Also eigentlich wollte ich dir ja meine Kunstwerke zeigen, und nicht mit dir tanzen.", grinste er schief, woraufhin ich nur kicherte und ebenfalls meinen Kopf drehte. „Nun ja, was noch nicht ist, kann ja noch werden."
Dieser Satz ließ den Jüngeren wieder vom Bett aufspringen und in die Hände klatschen. „Okay, dann erheben Sie sich, Herr Kim! Ich werde Ihnen nun mehrere Jahre Leid und Elend, Leidenschaft und Liebe vorstellen."
Und dies tat er auch.
Von Werken aus Ton, über Gemälde mit Öl und Acryl sowie Skizzen aus Blei und Kohle, bis hin zu etlichen Skulpturen, bei denen Jungkook mich verbesserte auf Plastiken; scheinbar ein ganz eigener Begriff in der Kunst und stark zu unterscheiden von Skulpturen. Bei jedem Werk, das ich erblickte, war ich jedes Mal aufs Neue völlig verblüfft.
Jungkook ist wirklich talentiert...
Ich beugte mich gerade über ein besonders interessantes Ölgemälde, in dem sich mittig eine tiefblaue Blumenvase mit einem Rosenstrauß befand, dessen helle, pinkfarbene Blütenblätter durch die dunkle Umgebung förmlich leuchteten.
Jungkook erzählte mir währenddessen mehr von seinem aktuellen Uniprojekt, bei dem er in einer kreativen Krise steckte. Doch selbst nach einem Hin und Her mit möglichen Lösungsansätzen von mir und Abblockereien von Jungkook, setzte sich dieser frustriert auf seine Bettkante, ohne ein Ende für seine Kreativitätskrise.
Daraufhin herrschte eine Weile Stille zwischen uns, in der ich mich weiter in die Kombination von Jazz-Musik und dem dunklen Rosengemälde aus Öl verlor, bis Jungkooks Stimme plötzlich wieder ertönte.
„Willst du mein Kunstprojekt sein?"
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Ich hoffe, jeder hatte einen schönen Start ins neue Jahr! <3
Zu Neujahr habe ich einen etwas längeren One-Shot namens 'Swimming Fool' zu Soonchan veröffentlicht, einem eher kleineren Shipping in Seventeen.
Würde mich freuen, wenn ihr ihn auschecken würdet, falls noch nicht geschehen! :)
Hab auch endlich die Zeit & Motivation gefunden, hier weiterzuschreiben, also finally ein neues Kapitel, hehe~
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