024. Slughorns wilde Party

𝓃ℯ𝓋ℯ𝓇 𝓂ℯℯ𝓉 𝓎ℴ𝓊𝓇 𝒽ℯ𝓇ℴℯ𝓈

Am Abend des 10. Dezembers stand James Potter vor dem großen Spiegel im Badezimmer angrenzend an den Schlafsaal der Erstklässlerjungen von Gryffindor und zupfte sich seine Schulkrawatte zurecht, nachdem er es aufgegeben hatte, das Haarnest auf seinem Kopf bändigen zu wollen - es war sowieso zwecklos.

Mit den Fingern fuhr er den Rand seiner Nase entlang, bevor er sich wieder Sirius widmete.

»Wer feiert Weihnachten bitte zwei Wochen zu früh?«, fragte dieser wiederholt und ließ sich genervt rückwärts auf sein Himmelbett fallen.

»Hör auf zu meckern«, grinste James, »du bist bloß beleidigt, weil du nicht auch eingeladen worden bist.«

»Blödsinn, das ist mir doch völlig egal, Potter.«

»Sicher«, kommentierte Remus, der die Nase in einem Buch über Zauberwesen versteckt hatte und nur gelegentlich davon aufsah. Sirius bewarf ihn mit einem Kissen. »Lass mich schmollen, Lupin. Du bist immerhin auch nicht eingeladen worden, wieso regst du dich nicht auf?«

»Weil es mir im Gegensatz zu dir tatsächlich egal ist«, sagte Remus, das Zucken um die Mundwinkel konnte er nicht gänzlich verbergen.

Peter lachte und beobachtete den Schlagabtausch seiner Freunde mit großen Augen, während er einen Lakritzzauberstab nach dem anderen verputzte.

»Ich würde auch gerne zu einem Slug-Club-Treffen gehen«, seufzte er.

Sirius, noch immer beleidigt über Remus' Kommentar, schnappte sich dessen Buch und zog es ihm aus den Händen. »Das reicht jetzt aber«, sagte er, doch ihm erstarb das Lachen auf den Lippen, als Remus wie von der Tarantel gestochen aufsprang und danach greifen wollte. Sirius realisierte erst jetzt, dass er ihm nicht bloß ein sondern gleich zwei Bücher abgenommen hatte und stutzte. »Was ist das?«

Das Buch über Zauberwesen, das beim Kapitel der Werwölfe aufgeschlagen war, ließ er achtlos zurück auf das Bett fallen, stattdessen drehte er das andere Buch - oder Heft - mehrmals in alle Richtungen und hob prüfend eine Augenbraue.

»Ist das so ein Comic? Wie die Comics von Martin Miggs - dem mickrigen Muggel? Diese Bilderbücher?«

»Gib das her«, sagte Remus verzweifelt und versuchte ihm das Heft abzunehmen.

James kam endgültig aus dem Bad getreten und blickte seinem besten Freund über die Schulter, er war auch neugierig geworden, schob sich die Brille zurecht und las: »The Amazing Spiderman

»Ein Spinnenmann?«, grinste James, schnappte sich den Comic aus Sirius Händen und warf ihn Remus zu. Dieser fing ihn erleichtert auf und strich behutsam die Seiten glatt.

»Ist es das, was du immer liest, wenn wir glauben, du machst Hausaufgaben?«, fragte Peter.

Remus schürzte die Lippen und Sirius schnaubte belustigt, ehe er James von Kopf bis Fuß betrachtete. »Schick, schick. Nur deine Haare...« Er fing sich einen freundlichen Knuff in die Schulter ein und lachte.

»Kann ich so gehen?« Erwartungsvoll breitete James die Arme aus.

Sirius wackelte mit den Augenbrauen, ein albernes Grinsen zierte sein Gesicht. »Sie werden hingerissen sein, Darling

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Pünktlich um acht klopfte James an die Bürotür seines Zaubertrankprofessors. Von drinnen ertönte bereits eine Menge Gelächter, das Klirren vieler Gläser, laute Stimmen und Musik. Celestina Warbeck stimmte gerade „Ein Kessel voller heißer, starker Liebe" an, als die Tür aufgerissen wurde und James staunte nicht schlecht.

Das Büro war mehr als doppelt so groß wie die normalen Arbeitszimmer der Lehrer. Da musste einiges an Magie geflossen sein, um das Zimmer so umzumodeln, dass es auf die Anzahl an Gästen perfekt abgestimmt war.

Doch auch die Raumausstattung ließ nicht zu wünschen übrig. James fühlte sich wie im Inneren eines Weihnachtsbaumes. All die Wände und selbst die Decke waren mit smaragdfarbenen Behängen geschmückt, an die kleine Tannennadeln gestickt worden waren. Über dem Kamin lagen goldene und rubinrote Seidentücher, während von der Decke saphirblaue Christbaumkugeln und Schneeflocken hingen. Am beeindruckendsten war jedoch die goldene Lampe, die wie ein Kronlüster über der gedeckten Tafel hing und in der echte Feen flatterten, jede einzelne leuchtete in bunten Farben.

»Mr. Potter, wie schön!«, dröhnte die Stimme Professor Slughorns zu ihm herüber und eine mächtige Pranke schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Eine wahrliche Freude, ganz außerordentlich.« Er bugsierte James in das Büro, reichte ihm ein mit Goldapplikationen geschmücktes Weinglas und deutete auf Severus Snape, der sich gerade an den köstlichen Speisen bediente. Slughorn strahlte.

»Mr. Snape, sehen Sie mal, wen ich hier gefunden habe. Sie und Mr. Potter sind im gleichen Jahrgang und Ihrer beider Eltern waren - und sind - große Koryphäen auf dem Gebiet der Zaubertränke, sicherlich haben Sie sich viel zu erzählen, bis mein Gast für Mr. Potter eingetroffen ist.« Slughorn wuselte davon und ließ James und Severus allein zurück.

Keiner von ihnen sagte ein Wort, sie sahen sich an und gerade, als James auf dem Absatz umdrehen und einfach woanders hingehen wollte, stieß Snape einen Zischlaut aus.

»Dein Vater eine Koryphäe? Lächerlich...«

James' Kiefermuskeln spannten sich an.

»Haarpflegeprodukte...«

»Dass du davon nichts verstehst, war mir bei deinem schleimigen Schopf sofort klar«, patzte James. Seit Tagen hatte er diese angestaute Wut in sich und Severus Snape war nun wirklich die perfekte Gelegenheit, sie loszuwerden. Als hätte Slughorn genau das geplant.

Snape rümpfte die lange Hakennase und schnaubte verächtlich. »Man sollte meinen, ein Mann der seinen Lebensunterhalt mit solchem Mist verdient, hätte seinem Sohn wenigstens beibringen können, wie man sich die Haare kämmt.«

»Genauso wie deiner dir hätte erklären sollen, was ein Shampoo ist.«

Severus runzelte einen Augenblick die Stirn, dann lächelte er bosartig. »Mein Vater? Nein, Potter - meine Mutter. Es wundert mich aber auch nicht, dass du nichts von talentierten Müttern verstehst, wo deine sich bloß einen reichen Mann gesucht hat.«

»Erbärmlich anderer Leute Eltern in den Dreck ziehen zu wollen, weil dir nichts einfällt, was du mir vorhalten kannst.«

»Talentlosigkeit von einem unbedeutenden Vater?«

»Gehört hast du ja wohl von ihm, während mir der Name deiner Mutter scheinbar entfallen ist. Wie erfolgreich kann sie da wohl gewesen sein?«

»Sich mit Unwissenheit schmücken zu wollen, ist klassisch Gryffindormanier«, Snape stellte seinen Teller beiseite und legte den Kopf schräg. »Doch was sollte man auch anderes erwarten, von einem Jungen, dessen Kopf so aufgeblasen ist, dass er vom Boden abheben könnte.«

Das leere Weinglas so fest umklammert, dass seine Knöchel weiß hervorstachen, trat James einen Schritt auf Snape zu. Er wollte ihn schlagen, so gerne würde er den schmierigen Schleimbeutel mit einem blauen Auge ins Bett schicken...

»Sagt der Junge, der nicht einmal mit einem Besen in die Luft steigen kann, ohne wegen seiner Schleimspur am Boden festzukleben, Schniefelus.«

»Und du? Rutschst auf deinem eigenen Blut aus? Wie geht es denn deiner Nase? Sitzt schön schief, wie man sieht. Was machst du jetzt, wenn dir dein angeblich gutes Aussehen nicht mehr aus jeder Patsche helfen kann?«

James riss die Augen auf. Sofort griff er sich ins Gesicht und verfluchte sich direkt selbst.

Snape grinste boshaft und trat auch auch einen Schritt vor.

»Woher?«, fragte James, doch er wollte es eigentlich gar nicht wissen.

Hatte Evans...

Das Glas in James' Hand zersprang in Tausend kleine Splitter und mit einem Mal war es, als hätte jemand die Schallplatte dem Plattenspieler entrissen, alle Gespräche verebbten abrupt und Slughorn kam zu ihnen beiden herübergewuselt.

Alle Blicke ruhten auf James und Snape, die nur wenige Zentimeter voneinander entfernt standen und sich anstarrten, als wollten sie einander an die Kehle springen.

Mit einem Schlenker seines Zauberstabs begann die Musik weiterzuspielen und Professor Slughorn erreichte die beiden Jungen mit einem schiefen Lächeln, das er versuchte aufrecht zu erhalten.

»Meine Herren, ist bei Ihnen beiden alles in bester Ordnung?«

»Es könnte nicht besser sein«, presste James zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, die Unsicherheit darüber, was da gerade passiert war, kaschierend. Slughorn, dem diese Aussage, so falsch sie auch sein mochte, ausreichte, klatschte fröhlich in die Hände. »Schön, schön. Mr. Potter, folgen Sie mir. Ich möchte Ihnen Hamish MacFarlan von den Montrose Magpies vorstellen, einer meiner ehemaligen Schüler. Genialer Quidditchspieler, wie Sie wissen.«

Slughorn packte James am Arm und zog ihn von Snape fort, zurück an einen Tisch nahe des Eingangs, wo sich eine Gruppe von Mädchen - sie waren vielleicht in ihrem fünften oder sechsten Schuljahr - versammelt hatte, hinter vorgehaltenen Händen kicherten und dem Mann, den Professor Slughorn nun wie einen alten Saufkumpanen begrüßte, schöne Augen machten.

James war für einen Augenblick völlig sprachlos. Hier stand er nun, sich dem Mann gegenüber wissend, dessen Quidditchspiele er schon aus Kinderschuhen bestaunt hatte und die er und sein Vater in ihrem Garten nachgespielt hatten.

Hamish MacFarlan war eine Legende, der ehemalige Kapitän der Montrose Magpies, der erfolgreichsten Mannschaft Englands.

Dieser Mann war James' Idol, der Sucher, der er eines Tages sein wollte. Einer, der jedes Spiel gewann - nun, bis auf eins, doch das würde James nicht passieren.

Recht klein, mit eingefallenen Wangenknochen und - trotz seines noch nicht so fortgeschrittenen Alters - schon schütterem Haar, reichte MacFarlan Slughorn fest die Hand. Selbst zu einer Weihnachtsfeier schien er keinen Wert auf Festumhänge oder einen Anzug zu legen, sondern trug stattdessen helle Turnschuhe und seine alte Quidditchuniform, die James mit großen Augen bewunderte.

»Mr. Potter?«, murmelte MacFarlan kritisch, »der Sohn vom alten Fleamont?«

James nickte aufgeregt. Jede Spur von Ärger über Snape war wie weggeblasen, hier stand immerhin ein waschechter Quidditchspieler vor ihm, der ihm nun alle Tipps und Tricks für seinen Erfolg verraten würde. Genau das, was James sich sein Leben lang gewünscht hatte.

»Sie haben 7 Mal den Liga-Pokal und einmal sogar den Europa-Pokal gewonnen«, rezitierte James sein Wissen über MacFarlan aus seinem Buch Quidditch im Wandel der Zeiten, während dieser unbeeindruckt, als höre er das ständig, bloß eine wegwerfende Handbewegung machte.

»Mit genug Talent ist alles möglich.«

»Haben Sie den Schnatz im Spiel gegen die Chudley Cannons 1962 tatsächlich in unter drei Minuten gefangen?«

»Gegen Gordin Gudgeon keine Meisterleistung, dennoch war das eine hervorragende Arbeit meinerseits, richtig. Das muss man sagen.« Mit zwei Fingern fuhr er sich über den Drei-Tage-Bart und brachte die Mädchen am Nebentisch dadurch zum Kichern.

»Horace - nun, Professor Slughorn - berichtete mir, Sie wollen selbst auch Quidditch spielen? Hüter, nicht wahr?«

James schüttelte kräftig den Kopf.

»Ich werde einmal der beste Sucher Englands.«

MacFarlan verschluckte sich beinahe an seinem Elfenwein.

»Ich will das tun, was sie tun. Ich will auch ein professioneller Quidditchspieler werden«, sprudelte James weiter. »Ich will irgendwann der jüngste Sucher werden, der für England spielt, ich will-«

Der Ex-Kapitän unterbrach ihn mit einem lauten und aufgesetzten Gähnen. »Sucher? Sie? Machen Sie sich nicht lächerlich.«

Für einen Moment aus dem Konzept gebracht, stockte James der Atem, dann, im Glauben, den Mann vor ihm bloß falsch verstanden zu haben, sprach er weiter: »Ich kann schon länger fliegen als laufen, ich fange absolut jeden Schnatz und eines Tages werde ich-«

»Sie haben viel zu große Füße«, sagte MacFarlan so, als wäre das allein das Nötige, um jede von James' Aussagen zu falsifizieren.

James blinzelte. Eine Sekunde lang überlegte er, was er als nächstes sagen sollte, dann runzelte er die Stirn. »Was?«

»Sie können nicht wirklich glauben, ein ernstzunehmender Sucher zu werden, wenn sie in den nächsten Jahren nach oben sprießen wie eine Heister. Unvorstellbar, dass England einen Sucher anheuert, der nicht von einem Riesen unterschieden werden kann.«

»Ich bin der beste Flieger, den Hogwarts je gesehen hat«, protestierte James, doch seine Stimme verlor mit jedem Wort an Kraft. »Und für mein Alter bin ich nicht gerade groß...«

»Noch nicht, mein Junge, noch nicht. Und der beste Flieger Hogwarts? Wie hat man Sie, einen Erstklässler, nur in die Quidditchmannschaft aufnehmen können?«

»Ich bin nicht in der Hausmannschaft«, murmelte James, »Erstklässler kommen nicht-«

»Merlin sei Dank - glauben Sie mir, das hat nichts mit Ihrem Alter zu tun, auch, wenn Ihr junges Wesen und die überschwängliche Liebe Ihrer Eltern vermutlich ein falsches Bild der Selbstwahrnehmung in Ihren Kopf gepflanzt hat. Sie sind bestimmt ein passabler Flieger, das möchte ich Ihnen nicht abstreiten, doch jetzt schon anzunehmen, Sie könnten einmal in eine Profiliga aufsteigen... Ha! Ein Sucher ist klein und flink, vielleicht werden Sie einmal ein ordentlicher Treiber, doch da müssten Ihre Arme noch einiges an Muskelmasse dazugewinnen.«

Beinahe ehrlich bedrückt schüttelte MacFarlan den Kopf. »Schlagen Sie sich die Hoffnung besser gleich aus dem Kopf, sonst erwartet Sie bloß die Enttäuschung.«

Nun lächelte er wieder, breit und fröhlich, als hätte er soeben keine Hiobsbotschaft überbracht, sondern bloß ein nettes, kleines Weihnachtsgeschenk, die Schleife drumherum.

»Sie sagten, Sie wären ein Fan?«, fragte MacFarlan. »Hier, ich gebe Ihnen ein Autogramm, das heitert Sie wieder auf.«

Der Stimme beraubt, sah James zu Boden. Hier stand er, der ehemalige Kapitän der erfolgreichsten Mannschaft Englands und ließ seinen Traum zerplatzen.

Und hatte Max McCoy nicht ebenfalls Anmerkungen fallen lassen, als James verkündet hatte, Sucher werden zu wollen?

War das der Grund, warum Wood ihn ständig ausschloss?

»Spieler für England müssen in bester Form sein. Keine Mannschaft, die etwas auf sich hält, würde einen Spieler aufnehmen, der mit drohenden Wachstumsschüben zu kämpfen hat.«

»Haben Sie ihn schon einmal fliegen sehen?«, ertönte plötzlich eine Mädchenstimme hinter James. Eine Stimme, die James aus Tausenden wiedererkennen würde. Marlene.

Hamish MacFarlan sah erstaunt auf. »Junge Lady, wir unterhalten uns hier gerade. Sie dürfen nachher nach einem Autogramm fragen.«

»Nein, danke«, sagte Marlene entschieden, ein Unschuldslächeln aufgesetzt. Sie stellte sich an James' Seite und verschränkte ihre Arme. »Wenn Sie James schon einmal auf einem Besen gesehen hätten, wüssten Sie, dass er mit verbundenen Augen besser fliegen kann als Sie. Er erkennt den Schnatz über drei Quidditchfelder hinweg, während Sie das letzte Spiel hier in Schottland verloren haben, weil Ihnen zu spät aufging, dass der Schnatz hinter Ihrem Kopf schwebte.«

MacFarlans Auge zuckte verdächtig zusammen.

Es war das eine Spiel gewesen, das er verloren hatte. Die eine Wohltätigkeitsveranstaltung, die ihn vermutlich noch in seinen Albträumen heimsuchte. Kurz vor Ende seiner Profikarriere auf dem Feld von Hogwarts gegen eine Schülermannschaft... gegen...

Ohne MacFarlans Antwort abzuwarten, zog Marlene James mit sich, wandte sich nur ein letztes Mal um und rief zuckersüß: »Mein Bruder, Gareth McKinnon, lässt Sie übrigens grüßen. Vielleicht erinnern Sie sich, er war der Sucher, der Ihnen den Schnatz vor der Nase weggeschnappt hat. Er ist übrigens etwa 1,85 Meter groß.«

Mit wenigen Schritten waren sie aus MacFarlans Sichtfeld verschwunden, Marlene bugsierte James um die vielen Gruppierungen herum und fand schließlich zwei mit rotem Samt überzogene Stühle in einer der Ecken, auf die sie sich fallen ließen.

Marlene kicherte und James musterte seine beste Freundin ehrfürchtig.

»Mund zu oder willst du Florfliegen fangen?«, grinste sie und entlockte ihm ein heiseres Lachen. »Was für ein dämmlicher Froschkopf.«

James feixte. »Ich fand ja, er hatte mehr Ähnlichkeit mit einem kahlen, alten Ziegenbock.«

Mit Marlene war es einfach in solche alten Muster zu fallen. Die negativen Empfindungen fort zu lachen und blöde Sprüche zu reißen. An ihrer Seite konnte er sich vorstellen wieder zehn Jahre alt zu sein, ein Fan der besten Quidditchmannschaft Englands und ihres Suchers. Als wäre dieser Abend ein komplexer Traum und nicht die bittere Realität.

»Du musst mich erinnern, Peter seinen Mondkalender und die Sternkarten zurückzugeben«, sagte Marlene und verschränkte die Knöchel übereinander, die Beine langgestreckt.

»Konnte es dir helfen? Ich hätte dir ja auch meine Karten gegeben, aber...«

»Aber du hast nicht ein einziges Mal im Unterricht aufgepasst«, grinste sie, »Ich will nicht wissen, wie du am Ende des Jahres deine Prüfungen schreiben willst. Wie lernst du ohne Notizen?«

»Osmose.«

Marlene schnaubte. »Unmöglich bist du. Bekommst wahrscheinlich sogar noch die besten Noten des Jahrgangs, wie ich dich kenne, und das ohne einen Finger zu rühren. Das ist verdammt unfair.«

»Niemand hat je behauptet, das Leben wäre fair«, sagte James, ein selbstgefälliges Grinsen auf den Lippen.

»Blödmann.« Sie rollte mit den Augen, als das Lied wechselte. Endlich verstummte Celestina Warbeck, und die ersten Töne, um das Tanzbein zu schwingen, füllten den Raum. Sie sprang auf, griff James bei den Händen und zog ihn hoch.

»Ist das-?«, fragte er, als die Männerstimme begann zu singen.

»Route 66!«, grinste Marlene, »Eliana hat mir versprochen, Slughorn ein wenig Muggelmusik unterzujubeln. Lass uns tanzen, das haben wir ewig nicht gemacht!«

James wusste, abzulehnen würde ihn nicht weit bringen, so ließ er sich von Marlene zu den Rolling Stones auf die Tanzfläche ziehen, wo Marlenes Schwester, Eliana, wie auch etwa ein Dutzend andere Schüler schon amüsiert zur Musik mitwippten. Gegen James und Marlenes »Moves« hatte jedoch keiner eine Chance.

Er wirbelte sie herum und vollführte ein paar der Schritte, die er aus dem Muggelfernsehen kannte.

»Wir sollten diese Tanzparties wieder regelmäßig einführen!«, rief James über die Musik hinweg.

Marlene schenkte ihm ihr breitestes Lächeln, drehte sich auf der Stelle, so dass der Tellerrock unter ihrem Festumhang breit ausfechernd mitschwang und sang ein paar wenige Zeilen mit. James tat es ihr gleich.

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Slughorns Party hielt bis in die frühen Morgenstunden an, doch James und Marlene verließen das Büro schon um kurz vor Mitternacht. Sie hatten ihren Spaß gehabt und wollten sich nun müde und ausgelaugt auf den Weg zurück in ihre Gemeinschaftsräume machen.

Obwohl der angetrunkene Slughorn ihnen mehrfach einen Met angeboten hatte, waren sie bei Kürbissaft geblieben und nun dennoch bester Laune. Marlene tanzte den Gang entlang, während James hinter ihr hersprang, dabei mit den Armen fuchtelte, als würde er ein Schwert schwingen.

»Ich besiege alles und jeden, stellt euch meine Gegner und Ihr werdet vernichtet!«, rief er laut. Aus seinem Zauberstab sprühten weiß-goldene Funken.

Marlene brach in schallendes Gelächter aus und musste sich vorbeugen, die Hände auf die Knie gestützt, um wieder zu Atem zu kommen. Ihr gackerndes Lachen war so ansteckend, dass es nicht lange allein durch die Kerker hallte. Prustend rangen sie nach Luft, mussten jedoch gleich wieder abtauchen, als der Versuch, sich ernst in die Augen zu sehen, auf ganzer Linie misslang.

»I-ich habe deinem, deinem, deinem Ego wohl einen o-ordentlichen Schub gegeben, als ich deine Flugkünste angepriesen habe.«

James winkte ab und äffte MacFarlans Stimme nach: »Die Wahrheit muss eben ausgesprochen werden.«

Wieder kicherten sie drauf los.

Doch nachdem auch diese Runde Gelächter verebbt war und sie bloß noch mit verhakten Armen durch das Kellergewölbe wanderten, legte James den Kopf schräg und stupste mit seinem Dickschädel den seiner besten Freundin an.

»Es braucht schon mehr als einen abgehalfterten Quidditchspieler, um mich meines Mojos zu berauben.«

»Ich habe nicht gesagt-«

»Aber gedacht. Ich kenn dich doch, Marley. Du hättest da vorhin nicht eingegriffen, wenn du nicht geglaubt hättest, seine Worte würden mich verletzen.«

Zunächst sagte sie nichts, biss sich nur unsicher auf die rissigen Lippen, ehe sie James einen typischen Ich-durchschaue-wenn-du-mich-jetzt-anlügst-Blick zuwarf und sich die Arme verschränkend vor ihm aufbaute.

»Und? Hat er?«

»Hat er was?«

Marlene seufzte genervt. »Hat er dein Ego zerstückelt und darauf rumgetrampelt wie ein Abraxaner?«

James gluckste. »Keine Sorge.« Er fuhr sich mit den Fingern über die Nasenkontur und dann durchs Haar.

»Er war dein Idol. Er hätte das nicht sagen sollen, so ein Mistkerl ist das, er-«

»Marlene!«, unterbrach sie James, »Mir geht es gut. Wirklich. Ich hab doch immer noch Gareth, den ich anhimmeln kann.«

Das brachte sie wieder zum Lächeln. »Pah, Gareth liebt dich. Es würde mich nicht wundern, wenn er Mum und Dad damals darum gebeten hätte, dich zu adoptieren. Du warst sein Spielgefährte, während ich bloß die blöde kleine Schwester war, obwohl ich viel besser spiele als du.«

»Träum weiter!« Er raufte ihr durchs Haar. Auch heute, so zurecht gemacht in ihrem mitternachtsblauen Festumhang, hingen ihr die Strähnen trocken und spröde ins Gesicht. »Wie geht es dir eigentlich?«, fragte er.

Er war nicht blind, er hatte gesehen, wie sich Marlene immer mehr verändert hatte - äußerlich.

Sie sah ihm nicht in die Augen. »Alles ist gut bei mir.«

Natürlich glaubte er ihr kein Wort, aber Marlene hatte noch nie gerne über ihre Gefühle gesprochen, wenn sie diese noch nicht mit sich selbst ausgemacht hatte. Sie brauchte Zeit, die konnte er ihr wenigstens geben.

James griff nach ihrer Hand, ließ sie eine Pirouette drehen und legte dann geschmeidig in der Bewegung den Arm um ihre Schultern. Sie streckte ihm die Zunge raus und grinste.

»Es ist meine Schuld, dass wir so wenig gesprochen haben in letzter Zeit«, sagte er. »Wenn, dann ging es immer nur um Belanglosigkeiten. Du sprichst mit mir, ja? Wenn dir was auf der Seele liegt.«

»Fühl dich nicht schlecht, Potter. Du hast jetzt eben Black - Tweedledee und Tweedledum seid ihr beiden und dann gibt es noch die anderen zwei Musketiere. Du bist beschäftigt.«

»Du weißt, dass da immer Platz für dich sein wird?«

Sie lächelte traurig. »Sicher. Aber ich habe jetzt auch Maud und Grace. Erstere ist außerdem immer noch abgöttisch in dich verliebt. Kannst du bitte mit ihr reden wie ein großer Arsch, um ihr das auszutreiben? Es ist nicht zum Aushalten!«

Gerade als James darauf antworten wollte, trappelten ihnen Fußgeräusche entgegen, nur konnten sie im flimmernden Licht der Fackeln keine Gestalt ausmachen.

»Was macht ihr denn schon auf dem Rückweg?«, fragte Sirius' Stimme plötzlich. Nur Sirius war gar nicht da.

James blinzelte, zog sich die Brille ab und setzte sie sich wieder auf.

»Du hast das auch gehört?«, fragte er Marlene, die sich neben ihm versteifte.

»Wir werden wohl zusammen verrückt«, sagte sie.

»Was guckt ihr denn so blö- ah, wartet.« Sirius zog sich den Tarnumhang vom Kopf, so dass nur dieser ohne Körper mitten im Kerkergang schwebte. Marlene machte einen halben Sprung zurück.

»Merlin und Morgana und der Phönix! Was zur Hölle?«

James klatschte begeistert. »Ha! Genial, Sirius, was machst du hier?«

Der Black streifte sich den Umhang nun auch von den Schultern und reichte ihn an James. »Hab mir den ausgeliehen. Ich dachte, ich... dachte, ihr wärt noch auf der Party.«

Marlenes Atemrhythmus hatte sich wieder halbwegs normalisiert, als sie sich mit hochgezogenen Augenbrauen an James wandte. »Du hast den Umhang mit nach Hogwarts gebracht? Weiß das deine Mutter?«

»Dad weiß es«, grinste James und sah dann wieder zu Sirius. »Wolltest dich zu uns auf die Party mogeln? Das wäre episch gewesen. Genial! Du hättest mit uns tanzen können!«

Sirius machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. »Walzer?«

»Oh Merlin, nein! Keine Standardtänze.«

»Wie könnte man sonst...«

Es hätte James überraschen sollen, wie wenig sein Freund doch wusste, aber das tat es nicht, nicht mehr. Die Blacks waren traditionell reinblütig. Und das schloss nicht nur so vieles, was über den Tellerrand hinausreichte aus, dass schloss auch alles andere - Sirius - ein. Versteckte ihn vor Erfahrungen, Idealen und Lebensweisen, die die unantastbaren Achtundzwanzig nicht für respektabel erachteten, um ihn ja immer dahin zu erziehen, zu glauben, dass es nichts besseres als die Kultur der Magie gäbe.

Gefangen im Kosmos der Ignoranz.

»Lass uns zurückgehen und wir zeigen dir, wie man tanzt! Muggel-Style!«, sagte James.

Sirius und Marlene sahen beide nicht überzeugt aus.

»Ehrlich gesagt, bin ich ziemlich erledigt. Feiert ihr schön weiter, ich gehe ins Bett.« Marlene winkte zum Abschied und verschwand den Gang entlang, die Treppen hinauf und weg war sie.

»Da waren's nur noch zwei«, grinste James. Er warf sich den Tarnumhang über die Schulter und musterte Sirius einen Moment lang.

Seine Haare waren schon viel länger geworden seit ihrer Ankunft in Hogwarts. Es sah gut aus, es stand ihm, länger, unruhiger, ein bisschen zottelig wie ein junger Streuner, wild. Nicht mehr so vornehm und glatt. Als würde mit jedem Zentimeter Haar ein weiteres Glied der Kette brechen, die ihn an die alten Traditionen band.

»Gehen wir?«, fragte James.

»Meinst du, der alte Slughorn hat kein... Problem mit meiner Anwesenheit?«

»Du wolltest dich doch ohnehin auf die Party schleichen. Jetzt ist es zu spät für einen Rückzieher! Komm, das wird...-« Ihm blieben die nächsten Worte ihm Hals stecken. Ohne einen Augenblick zu zögern, presste er Sirius gegen die Mauer und warf den Umhang über sie beide.

Gerade noch rechtzeitig, bevor Lucius Malfoy an ihnen vorbeirauschte, Wyatt Graves an seiner Seite.

»Wieso jetzt, Luce?«, fragte Wyatt erneut. Seine Stimme hatte James erkannt und so schnell handeln lassen. Nun pochte sein Herz in seinen Ohren und Sirius' weißes Gesicht neben ihm war schweißgebadet. Er biss sich fieberhaft auf die Unterlippe.

»Es ist nicht einmal Vollmond heute und Slughorns Weihnachtsfeiern sind einmalig. Mit dem Zeug, das er ausschenkt, würde sich Lavinia vielleicht endlich nicht mehr so zieren.«

James rümpfte angewidert die Nase und war überrascht als der Malfoy es ihm gleich tat.

»Ich würde das an deiner Stelle nicht in Narcissas Gegenwart wiederholen, wenn du keinen Flederwichtfluch abkriegen möchtest. Sie weiß von deiner... Abneigung gegen die Abendsegler.«

Wyatt erschauderte. »Elende Ratten mit Flügen... aber du kannst mir nicht sagen, du hättest Black noch nicht flachgelegt. Warum sollte es mit mir und Lavinia anders sein?«

Sirius versteifte sich.

»Narcissa und ich sind in absolut allen Belangen anders als du und Zabini. Ihr werdet einzig und allein aus Pflichtbewusstsein heiraten, das ist etwas Gutes. Verzeih, wenn ich mich missverständlich ausdrücke. Aber es ist anders als Narcissa und mein Bündnis.«

Lucius band sich im Gehen die blonden Haare zu einem kleinen Zopf im Nacken zusammen, ohne der Mauer, an die James und Sirius noch immer gepresst dastanden, einen achtlosen Blick zuzuwerfen.

Sirius zitterte und James griff nach seiner Hand, drückte dreimal zu. Ich. Bin. Hier. Ein Zeichen, eine Botschaft, ein Versprechen. Das Spenden von Trost, wenn Worte nicht ausreichen oder nicht ausgesprochen werden können. Euphemia Potter war schon immer mehr ein Mensch von Taten und Berührungen als unnötiger Schwafelei gewesen.

Eine Umarmung, ein Kuss, ein über-den-Kopf-streichen nach einem Albtraum. Worte waren eben nicht alles.

Wyatt war eine Sekunde erstaunt stehen geblieben, bevor er Malfoy nacheilte und sagte: »Erzähl mir nicht, du liebst Blondie Black. Du bist nicht im Stande dazu, Luce. Erzählst du ihr das, damit sie dich ranlässt?«

James hatte nur einmal geblinzelt, schon war der Malfoy auf dem Absatz herumgedreht, den Zauberstab erhoben und Graves auf die Brust gesetzt. »Wie bitte?! Wiederhol das doch bitte.«

»Urgh«, Wyatt schluckte schwer, die Hände in Frieden erhoben. »Ein Witz, Luce. Nur ein Witz. Komm schon, du weißt, wie ich das gemeint habe.«

»Um deinetwillen hoffe ich das nicht.« Er knurrte fast schon, dann, als wäre nichts von alldem passiert, steckte er den Zauberstab zurück in seinen Hosenbund, strich sich die Krawatte glatt und deutete Richtung Ausgang aus dem Kerker, nach oben. »Wir sollten uns beeilen. Auch wenn heute kein Vollmond ist, möchte ich einige Vorkehrungen treffen. Wir können nicht riskieren das Blutbad aus dem letzten Jahr zu wiederholen, das wäre äußerst...«

»Unglücklich?«, schlug Wyatt vor.

»...fatal«, sagte Lucius.

Und sie verschwanden. Eilten weiter und James wollte ihnen hinterher, weil - oh, Merlin - WAS WAR DAS?

Sirius packte ihn am Arm und hielt ihn zurück. »Was machst du da, bist du wahnsinnig?«

Überrascht blickte James zu ihm auf. Sirius war einen halben Kopf größer als er, doch in diesem Augenblick hätten es auch zehn Köpfe sein können. Die Intensität in seinen sturmgrauen Iriden hätte James fast schrumpfen lassen. Fast.

»Wir müssen natürlich hinterher«, sagte James. »Blutbad? Du hast doch gehört, was sie gesagt haben. Das klang nicht nach einem lustigen Streich, das klang...« Gefährlich.

James war von klein auf erzogen worden, ein Gryffindor zu sein. Natürlicherweise war Slytherin damit seine angeborene Nemesis gewesen.

Nieder mit den Schlangen. Er war der Löwe, er musste noch lernen, zu brüllen. Aber der Sinn nach Gerechtigkeit, der einen wahren Gryffindor ausmachte, den hatte er in die Wiege gelegt bekommen. Er könnte nicht tatenlos in seinen Gemeinschaftsraum zurückkehren, geschweige denn auf eine Party, wenn hier etwas vonstatten ging, dass den Lehrern offensichtlich nicht bekannt sein sollte.

»Wir können froh sein, dass sie uns nicht bemerkt haben«, sagte Sirius. »Jetzt lass es gut sein, James.«

»Ist das dein Ernst? Ich dachte, du hasst Malfoy?«

Sirius zuckte nur mit den Schultern. »Er ist Cissys Verlobter. Ich muss ihn nicht mögen, aber alles, was ihm zur Last gelegt wird, betrifft auch sie. Und sie hat das nicht verdient.«

James konnte nicht so recht glauben, was er da hörte. Wie automatisch fuhr er mit den Fingern seine Nasenkontur entlang und verfluchte sich sogleich, als er bemerkte, wie Sirius seine Bewegung interessiert verfolgte.

»Ah, darum geht es«, sagte er. »Rache.«

»Nein!«, rief James aufgebracht. Seine Hand fiel an seiner Seite herab und er schüttelte vehement den Kopf. »Hier geht es um Slytherins, die irgendetwas blutrünstiges aushecken und wenn Malfoy ein Meuchelmörder ist, soll deine Cousine eben jemand anderen heiraten. Ist doch egal. Ist doch besser!«

Ob Narcissa Black nun Lucius Malfoy oder irgendeinen anderen von sich und seinem Stand überzeugten reinblütigen Trottel heiratete, machte im großen Inzuchtsspiel der unantastbaren Achtundzwanzig vermutlich keinen Unterschied.

»Du verstehst das nicht«, murmelte Sirius und wandte sich ab. Begann die Stufen, die schon Marlene und auch Wyatt und Lucius genommen hatten, ebenfalls emporzusteigen. »Lass uns zurück in den Gemeinschaftsraum gehen, das war eine idiotische Idee, hier herunterzukommen.«

James verstand tatsächlich nicht. Aber er wollte es auch nicht verstehen, nicht, wenn es so ein verdrehtes Blutpuristengedöns war, das Sirius nur wieder seinen Eltern nachgeplappert hatte, bis es sich in seinem Kopf festgesetzt hatte und dort nun sein Gift in seine Nervenbahnen pumpte.

James hatte sich immer gefragt, ob das Haus Slytherin seine Schüler verdarb oder ob es die Schüler waren, die innerlich schon so verdorben waren, dass der Hut sie nur nach Slytherin schicken konnte.

Ohne ein weiteres Wort miteinander zu sprechen, stapften die Jungen die Treppen hinauf, James noch immer den Umhang umgriffen, seine Fingerknöchel weiß, je stärker er zupackte.

Jede Ritterrüstung, die sie passierten, trug mittlerweile eine Weihnachtsmütze, jedes Porträt einen weißen Schnurrbart, der mit jedem Tag, den Weihnachten näher rückte, länger und bauschiger wurde.

Auf der letzten Treppe brach Sirius das Schweigen. »Es ist besser so«, sagte er.

James wünschte sich, er hätte einfach nichts gesagt.

»Ist es das, ja?«

»James... du verstehst es nicht. Du führst ein ganz anderes Leben, du...«

»Das könntest du auch.«

Sirius blinzelte, schüttelte den Kopf. »Kann ich nicht. Ich bin anders als du. Du bist vielleicht kein Schlammblut, aber trotzd-«

»Sag das nicht!«, fiel James ihm ins Wort. »Das ist ein furchtbares Wort! Es ist ekelhaft und grausam und das bist nicht du!«

»Es ist KEINE elende Beleidigung! Es ist die verdammte Wahrheit, ein beschissener Fakt! Bei Salazar, mach dir nicht ins Hemd!«

James fiel die Kinnlade runter. Bei Salazar...

»Du bist kein Slytherin, also benimm dich nicht so! Du bist besser als das, du bist besser als deine Familie!«

Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sie standen nur wenige Meter von der fetten Dame entfernt, die friedlich in ihrem Rahmen döste. Nicht mehr lange... denn Sirius explodierte mit all der Intensität, die einem Black würdig war.

»HÖR AUF! HÖR VERDAMMT NOCH EINMAL AUF! Ich bin in Ordnung! Weder mit mir noch mit meiner Familie läuft irgendetwas falsch, verstehst du?!« Er fuhr zu James herum, türmte über ihm auf wie eine Welle, bereit ihn unter sich zu begraben und zu ertränken. James sah ihm furchtlos entgegen, er scheute nicht vor einem Kampf der Gezeiten.

»Seit dem ersten Tag benimmst du dich, als wäre ich eins deiner kaputten Spielzeuge, das du unbedingt noch reparieren willst, bevor du es doch nur auf den Müllhaufen wirfst!«, keifte Sirius, sein hübsches Gesicht vor Zorn verzerrt, blutunterlaufene Augen taxierten James stählerne Ruhe inmitten des Sturms.

»So ist das überhaupt nicht«, sagte er kopfschüttelnd. »Ich weiß nur, dass du so viel besser sein kannst als der Rest deiner Familie. Du wolltest mit der Tradition brechen...«

»Was wenn ich nicht „besser" sein WILL? Was wenn es kein „besser" gibt?«, Sirius drehte sich von ihm fort, er konnte ihn nicht länger ansehen.

»Meine Familie ist nicht schlecht! Meine Eltern sind keine schlechten Menschen, keine schlechten Zauberer, keine schlechten Eltern! Nur weil sie andere Werte vertreten als du, eine andere Lebensweise haben, macht sie das nicht böse! Wer gibt dir das VERFICKTE Recht, hier den Moralapostel zu spielen?!«, Sirius' Miene hellte sich gehässig auf, als James wegen des Schimpfwortes zusammenzuckte, »Meine Eltern lieben mich, so wie dich deine! Ich bin nicht dein dreckiger Sozialfall! Ich bin nicht Schniefelus und du bist nicht Lucius - VERFICKT NOCH EINMAL - Malfoy!«

James antwortete nicht, er stand nur da, die haselnussfarbenen Augen glänzten im Licht der Fackeln verdächtig, doch Sirius blieb nicht lange genug, um ihn weinen zu sehen.

Er trat vor die fette Dame, die schlau genug gewesen war, den Mund zu halten, seit sie durch sein Geschrei aufgewacht war.

»Zankapfel«, sagte Sirius und das Porträt schwang beiseite, ließ ihn ein. Er blickte nicht zurück, sah nicht, dass James sich immer noch nicht rührte, nur da stand und nicht wusste, wohin mit seinen Händen.

»Das wird schon werden, Schätzchen«, sagte die fette Dame nach einer Weile. Damit fiel die erste Träne.

»Ich weiß nicht, vielleicht war das auch das Ende«, sagte James, griff nach dem Rahmen und kletterte selbst auch durch das Loch in der Wand zurück in den Gemeinschaftsraum.

Das Feuer knisterte, die roten Samtsessel standen einladend und warm im Raum, der Duft nach Zimt und Kamille lag in der Luft. Zu Hause. Aber der Raum war ihm noch nie so kalt vorgekommen wie in diesem Moment.

Dennoch schnappte sich James eine der Wolldecken und platzierte sich vor dem Kamin. Er konnte sich nicht dazu aufraffen, in seinen Schlafsaal hochzusteigen. Dort wo... er war.

»Du bist noch auf?«, kam eine Stimme vom oberen Absatz der Treppe der Jungen ein paar Sekunden, Minuten, vielleicht auch Stunden später.

James drehte sich nicht um, starrte weiter durch einen Tränenschleier in die Flammen. Verschwommenes Rot, Gelb und Blau. Die Wärme auf seiner Haut, der Rauch - wie ein Lagerfeuer unter dem Sternenhimmel. Mit zugekniffenen Augen konnte er sich vorstellen, neben seinem Dad im Gras zu sitzen. Ohne Sorgen, einfach frei.

Meine Eltern lieben mich, so wie dich deine.

Konnte Liebe falsch sein?
Gab es verschiedene Arten von Liebe?
Konnten Eltern ihre Kinder falsch lieben?

Jemand setzte sich neben ihn. Groß, breitschulterig. James sah immer noch nicht auf.

»Potter, oder?«, fragte der Junge.

Frank. Frank Longbottom, James erkannte seine Stimme. Er war ein Jahr vor ihnen eingeschult worden, seine Mutter war eine Freundin von James' Mum. Augusta Longbottom, eine furchterregende Frau.

Er nickte einmal.

»Das erste Jahr kann manchmal schwierig sein«, sagte Frank. Sah sich um, ob sie beobachtet wurden und griff dann nach einem der Steine der Kaminaußenwand, zog ihn heraus und griff in das Loch.

James runzelte die Stirn, doch da hatte Frank schon eine Tüte Marshmallows und zwei kleine Metallstäbe in den Händen.

»Engorgio«, flüsterte er, den Zauberstab auf das Metall gerichtet, dann reichte er einen der Stäbe an James und hielt ihm die offene Tüte mit den Marshmallows hin.

Zögerlich griff sich James einen, Frank tat es ihm nach. Sie sprachen nicht weiter, sie saßen einfach nur da, brutzelten ihre Marshmallows über dem Feuer und ließen James' Tränen trocknen.

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024. Slughorns wilde Party

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