021. Brennende Kerzen

𝒶̀ 𝓁𝒶 𝒻ℴ𝓁𝒾ℯ.𝓉ℴ 𝒾𝓃𝓈𝒶𝓃𝒾𝓉𝓎

Sirius hatte früh gelernt, Halloween zu hassen.

Die wenigsten Reinblüter feierten überhaupt Halloween, im Gegenteil, sie verabscheuten das Gruselfest, an dem sich Muggel kleideten wie Zauberer und Hexen, während echte Magier nicht fürchten brauchten, in ihren eigenen Kleidern unangebracht aufzufallen.

Es war die eine Nacht des Jahres, in der sie in der Masse untergingen. Unentdeckt den Muggeln glichen.

Kein Wunder, dass die traditionellen Reinblüter jenen Brauch hassten, besonders diejenigen, die den Status Quo des Internationalen Statuts zur Geheimhaltung der Magie infrage stellten.

Es war egal, dass Halloween auf das keltische Samhain zurückging, um den Winter zu zelebrieren und einst als Fest der Magier galt.

Das tat es heute nicht mehr.

Sirius interessierte sich nicht für irgendeinen Hufschmied, der den Muggelbräuchen nach zwischen Himmel und Hölle herumirrte, nachdem er seine Seele an den „Teufel" verkauft hatte. Oder ob seine ausgehöhlte Rübe ihm den Weg leuchtete.

Das entschuldigte nicht, warum mit Fratzen verzierte Kürbisse die große Halle schmückten und er dabei zusehen sollte, wie irgendwelche Schlamm- Muggelstämmige ihre lächerlichen Kostüme vorführten.

James neben ihm, musste den Verstand verloren haben, so oft wie er schon erwähnt hatte, dass ihm Lily Evans' Katzenkostüm wirklich „außerordentlich gut gefallen" würde.

Ihr selbst hatte er es nicht gesagt. Nachdem Lupin das vorgeschlagen hatte, waren James' Wangen dunkelrot angelaufen und er hatte stark mit dem Kopf geschüttelt und behauptet, sie sollten lieber der Skelettband beim Musizieren zuschauen, die hätten „unfassbares Talent".

Sirius wusste nicht, wo sein Problem lag, doch anstatt zu meckern und sich zu beklagen, wie es von einem Black üblich wäre, schmollte er bloß über seinem Teller geschmorter Lammkeule und sagte nichts.

Viel lieber beobachtete er seine Freunde.

Peter, wie sich dieser glücklich seine vierte Portion auf den Teller häufte.

James, noch immer mit geröteten Wangen, der im Takt der Musik mit den Füßen auf den Boden klopfte und leise summte.

Und Remus. Das wandelnde Mysterium, das Sirius nicht lösen konnte. Er wurde wieder krank. Das sah man ihm an, doch so gerne er herausgefunden hätte, was für eine Krankheit seinen Zimmergenossen tatsächlich befallen hatte, so wusste er auch, dass er nicht fragen durfte.

James hatte es verboten.

Natürlich wusste Sirius auch warum. James fürchtete, es ginge ihm in typischer Black-Manier darum, dass Remus Lupin ein Halbblut war. Und Sirius verstand, wieso James sich darum sorgte, doch diesmal war es völlig unbegründet.

Sirius Black liebte nichts mehr als ein gutes Rätsel.
Und das Rätsel um Remus Lupin versprach ein ganz großes zu werden.

Halbblut oder nicht. Das war egal.

Mit vollgeschlagenen Bäuchen bewegten sich die ersten Schüler auf die kleine Tanzfläche vor der Bühne.

Die Skelette spielten gerade einen schnellen Foxtrott, als selbst Professor Dumbledore eine etwas widerstandsfreudige Professor McGonagall auf die Beine zog und das Tanzbein schwang.

James und Sirius tauschten ein Grinsen, bevor Peter beschloss das Thema zu wechseln: »Habt ihr schon eine Idee, welches Thema ihr für Thorburns Aufsatz nehmen werdet? Es ist schon eine schwierige Aufgabe... wir müssen alles selbst machen.«

Sirius rollte mit den Augen. »Du willst jetzt über die Schule sprechen? Es ist Halloween!«

Er wusste selbst, wie heuchlerisch der Ausruf war, das Schnauben hätte sich Remus jedoch sparen können.

»Professor Thorburn meinte, ich solle mich besonders anstrengend wegen meiner bisherigen Leistungen...«, nuschelte Peter.

Nun, da war etwas dran. Bisher hatte Peter etwa so viel magisches Talent gezeigt wie ein Squib. Und auch wenn Sirius schlau genug war, das nicht in James' Gegenwart laut zu sagen, fragte er sich manchmal wirklich, wie Peter es geschafft hatte, einen Hogwartsbrief zu erhalten. Vermutlich verfügte er nicht einmal über so viel Magie wie Sirius in seinem linken Zeh.

Sirius! Wie kannst du so etwas sagen?

Er zuckte zusammen. Schon seit einigen Tagen hatte seine innere Stimme beträchtliche Ähnlichkeit zu James' angenommen und es machte ihn wahnsinnig.

Kaum zwei Monate in Hogwarts und er verlor schon den Verstand.

Witze, über die er früher gelacht hätte, verknoteten ihm nun die Zunge. Sprichwörter aus seiner Kindheit bereiteten ihm Magenschmerzen. In seinem Kopf herrschte Chaos - ein Krieg an zwei Fronten und er wusste nicht, ob es Zeit war, die weiße Flagge zu hissen oder ihnen allen den Garaus zu machen.

Und als McGonagall ihn gefragt hatte, ob er lieber in Slytherin wäre... er hatte nicht ‚nein' sagen können, er hatte aber auch nicht ‚ja' gesagt.

Also tat er das einzig Vernünftige - er ignorierte die Probleme so lange, bis sie ihm um die Ohren fliegen würden. Ganz einfach.

»Das schaffst du schon«, sagte Remus. »Die fünf Rollen sind schnell gefüllt, sobald man erstmal ein Thema gefunden hat.«

»Aber das ist ja mein Problem. Ich habe keine Idee...«

James grinste. »Es sind bloß fünf Rollen Pergament, da wird man sich einfach ein paar schöne Gruselgeschichten aus der Nase ziehen können.«

Sirius' Miene hellte sich sofort auf. »Fetzig! Das machen wir!«

Remus schüttelte den Kopf. »Ihr könnt euch nicht einfach etwas ausdenken. Das fällt doch auf.«

James winkte ab und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Tisch, nachdenklich die Stirn in Falten gelegt.

»Wie wäre es mit... einer Gruselvilla, die von einem Geist aus dem... äh- Mittelalter heimgesucht wird.«

Remus rollte mit den Augen, doch das spornte James nur noch weiter an: »Einer alten, blutrünstigen Sabberhexe, die nach Rache sinnt.«

»Und die Muggel, die dort leben, sind Nachfahren von einem berüchtigten Hexenverbrenner«, fügte Sirius hinzu.

»Genial!«

»Fetzig!«

Peter sah seine Freunde mit offenem Mund an. »Ihr wollt lügen?«

»Das nennt sich kreativ sein, Pete«, grinste James süffisant. »Der Geist ist eine von den Hexen, die verbrannt wurden und lebt nun zwischen den Welten, weil ihre Aufgabe, diese Familie auszurotten, noch nicht erledigt ist.«

»Das wird immer besser.« Sirius lehnte sich ebenfalls nach vorne, diese Kreativität - das machte Spaß an der Schule.

»Wenn ihr in Geschichte der Zauberei aufgepasst hättet«, seufzte Remus, »wüsstest ihr, was für einen Mist ihr hier von euch gebt. Professor Thorburn lässt euch das nie durchgehen. Ihr werdet alles noch einmal schreiben müssen oder fallt durch.«

»Sei nicht so ein Miesmacher, Lupin«, lachte Sirius.

Als Remus ihm daraufhin jedoch die Zunge rausstreckte, schlug Sirius mit einer Ausgabe des Abendpropheten, den irgendein älterer Schüler mit zum Fest gebracht und dann vergessen hatte, spielerisch nach ihm.

»Sei nicht so frech«, lachte er, Remus duckte sich nur und die Zeitung flog Peter in den Schoß. Ohne groß auf den Inhalt zu achten, überflog der junge Pettigrew die Seiten, runzelte hier und da die Stirn und riss plötzlich die Augen auf.

Er schlug den Propheten aufgeschlagen auf den Tisch, stieß dabei nicht nur einen sondern gleich drei Becher Kürbissaft um und deutete auf eine der vielen Überschriften zwischen den sich bewegenden Bildern.

»Was?«, James versuchte kopfüber zu entziffern, worauf Peter deutete, »Das Ministerium im Wandel? Squibaufstände im Osten? Was soll das Peter?«

Peter runzelte verwirrt die Stirn. »Oh, nein. Hier.« Er rutschte mit dem Finger ein paar Zentimeter hinab und trommelte ungeduldig auf das Papier.

»Hogsmeads Heulende Hütte - Hokuspokus oder Heimgesucht«, las Sirius vor.

Das klang gar nicht einmal schlecht.

»Hm, vielleicht schreibe ich auch über die heulende Hütte«, sagte er, Peters entgeisterte Miene nicht bemerkend, »Lupin hat nicht unrecht. Thorburn könnte uns echt durchfallen lassen, er wirkt zwar wie jemand, der Spaß versteht...«

»... aber nicht so viel Spaß«, beendete James und nickte. »Vielleicht schreibe ich über die Frau in Schwarz oder die SS Richard Montgomery, die soll noch aus dem zweiten Muggelweltkrieg in der Themse liegen, angeblich hatte damals sogar Grindelwald seine Finger dabei im Spiel und hat alle möglichen Wassergeister losgelassen...«

»Danke für die Hilfe, Pete«, sagte Sirius und grinste.

»Klar... gerne.«

Sirius wandte sich zu Remus und hob überrascht die Augenbrauen, als er sah, wie weiß ihr Freund geworden war.

»Alles gut bei dir, Lupin?«, fragte er.

»Ich brauche nur etwas frische Luft. Zu viel gegessen.« Und er erhob sich und eilte aus der Halle.

James starrte genervt hinter ihm her. »Er hat weder Umhang noch Schal oder Mütze mitgenommen, kein Wunder, dass er sich ständig erkältet!«

Sirius hörte ihm nicht richtig zu, mit zusammengekniffenen Augen fixierte er erst den Tagespropheten, James und dann die Eichenportale, durch die Remus soeben verschwunden war.

Und er begann in seinem Kopf ein Puzzleteil neben das andere zu setzen...

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Halloween war vorbei, eine neue Schulwoche brach an und mit dem 01. November startete auch die Quidditchspielsaison, wie James in den letzten 24 Stunden nur etwa drei Dutzend Mal erwähnt hatte.

»Das erste Spiel ist Gryffindor gegen Hufflepuff! Das wird ein Kinderspiel!«, erzählte er Sirius schon zum fünften Mal, als sie sich auf den Weg hinunter zum Frühstück machten, während Peter und Remus noch schlaftrunken hinter ihnen hertorkelten.

Besonders letzterer hatte in der vorherigen Nacht kaum eine Auge zugetan. Sirius war irgendwann zwischen zwei und drei Uhr von einem von James' Tritten gegen sein Schienbein aufgewacht - er hatte sich wieder in das Bett seines Freundes geschlichen, nachdem er die vierte Nacht in Folge vom Grimauld Place geträumt hatte - und hatte Remus auf der breiten Fensterbank kauern und den Mond anstarren sehen.

Kein Wunder, dass er immer so dunkle Augenringe mit sich trug, wenn er nie schlief.

Die große Halle war wie gewöhnlich nur spärlich besetzt am Morgen, besonders da James immer viel früher aufzustehen pflegte, als der klassische Normalsterbliche, und die meisten anderen Schüler noch friedlich in ihren Betten schlummerten.

Sirius wäre am liebsten auch noch in den Federn geblieben, aber James wollte davon nichts wissen.

»Das Spiel ist Samstag, wir gehen doch zusammen hin, oder?«, fragte James, als sie sich gemeinsam an den Gryffindortisch setzten. Sogleich griff er nach der Teekanne und schenkte ihnen allen eine Tasse ein.

»Wir werden wohl keine Wahl haben«, grinste Sirius.

»Nein, nicht wirklich.« James lachte, bewarf ihn mit einer Scheibe Toast und fing Marlenes Blick auf, die gerade durch die Flügeltüren spaziert kam.

»Wenn das deine Mutter gesehen hätte!«, rief sie.

Sirius hatte nichts gegen McKinnon. Er wusste, dass sie und James sich schon kannten, seit sie noch in Windeln durch die Gegend spaziert waren. Dennoch... jedes Mal, wenn sie auftauchte und sich an James' Seite platzierte, war Sirius, als wäre er plötzlich fehl am Platz, als müsse er für sie beiseite treten.

James rückte ein Stück, so dass sie sich neben ihn setzen konnte. »Du vergisst, dass Mum die legendäre Essensschlacht von '67 haushoch gewonnen hat.«

»Oh, ja richtig! Sie hat Thomas die Torte ins Gesicht geschlagen.«

»An der hat sie den ganzen Morgen gebacken.«

Marlene kicherte. »Deswegen haben wir danach ja auch alles aufgegessen.«

»Es wird kein Essen verschwendet im Hause Potter«, grinste James. Er stupste sie mit seiner Schulter an, ließ den Blick über ihre Erscheinung wandern.

Sirius tat es ihm nach.

Ihm war schon am ersten Abend auf der Bootsfahrt über den schwarzen See aufgefallen, wie hübsch Marlene McKinnon war. Die Art von Schönheit, die aus der Menge herausstach und auffiel, auch wenn sie schon damals alles dafür getan hatte, sich hinter den Strähnen ihres dicken Haares zu verbergen.

Heute sah sie... anders aus.

Verwahrlost! schallte die Stimme seiner Mutter durch seinen Kopf und er musste ihr zustimmen.

McKinnon sah nicht aus wie sie selbst. Nicht einmal James' Ausstrahlung schien auf ihr trübes Äußeres Einfluss zu haben.

»Wie geht's dir, Marly?«, fragte James, während er sich wie zuvor auch schon die anderen, den Frühstücksteller belud, anstatt nur mit Brot umher zu schmeißen.

Sie seufzte und gähnte laut. »Slughorns Halloween Party ging eeeeewig! Ich habe kaum geschlafen.«

Das ließ Sirius mitten in der Bewegung innehalten, als er sich gerade eine vollbeladene Gabel gebackener Bohnen zum Mund hatte führen wollen.

Er wusste von den Slug-Club Treffen, Narcissa hatte wochenlang kein anderes Thema angesprochen, nachdem sie in ihrem dritten Jahr endlich eine Einladung zu seiner Weihnachtsfeier erhalten hatte.

Es war nicht einfach, von Slughorn eingeladen zu werden, besonders für die jüngeren Schüler.

»Wieso hat der alte Slughorn dich denn eingeladen? Normalerweise lädt er nur... Berühmtheiten oder die Excellence der Excellence ein.«

Sirius war überrascht gewesen, dass er keine Einladung erhalten hatte... als Erbe der Blacks.

Marlene runzelte die Stirn und James, Remus und Peter musterten ihn, als wäre er derjenige, der etwas nicht mitbekommen hatte.

»Was? Sie ist ja wohl kaum weltbekannt, wenn ich noch nie von ihr gehört habe.«

Er ließ die Gabel sinken.

Remus räusperte sich. »Sagt dir der Name Gareth McKinnon etwas?«

Was sollte das denn jetzt? »Nein. Wieso?«

Schockiert riss James die Augen auf. »Gareth ist der beste Sucher der Welt! ... nach mir natürlich. Er spielt bei den Wimbourner Wespen, von denen hast du doch aber gehört?«

»Ja, von denen habe ich gehört«, murmelte Sirius peinlich berührt. Er hasste es, Dinge nicht zu wissen, wenn sie offenkundig jeder andere zu wissen schien.

»Tja, das ist mein Bruder«, sagte Marlene wenig begeistert. »Öffnet einem staubige Türen, wenn man solche Verwandte hat. Es wäre aber nicht so langweilig gewesen, wenn James endlich von seinem hohen Hippogreif steigen und Slughorns Bitten und Betteln annehmen würde, dann müsste ich nicht neben solchen Miesepetern wie Severus Snape sitzen.«

Sirius' Kopf zuckte zu seinem Freund herum. »Du warst auch eingeladen?«

Im gleichen Moment hatte James entrüstet ausgerufen: »Schniefelus war da?!« und sein belegtes Brot zurück auf den Teller fallen lassen.

Marlene nutzte die Gelegenheit, um selbst nach dem Brötchen zu greifen und kräftig hineinzubeißen. Die Krümel fielen ihr in den Schoß. »Oh ja, Slughorn hat sich überhaupt nicht mehr eingekriegt. Hatte extra einen Gast da, damit dieser Snapes Zaubertranktalent bewundern konnte.«

Alle Jungen schnaubten. Remus versuchte sein Lachen hinter seiner Teetasse zu verbergen, die anderen gaben sich nicht solche Mühe.

»Was?«, fragte Marlene.

»Snape hat kein Zaubertranktalent«, lachte James.

»Er schien sich auszukennen«, sie zuckte mit den Schultern, »Naja. Ich muss zurück an meinen Tisch. Maud wollte meinen Verwandlungsaufsatz abschreiben.«

Und damit war sie verschwunden, ließ die Jungen ratlos zurück.

»Talent?«, fragte Peter.

»In Zaubertränke?«, ergänzte Sirius.

James schüttelte den Kopf. »Das war bestimmt ein Missverständnis. Sluggy wird eben alt.«

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Auch nach dem Mittagessen in Geschichte der Zauberei war Sirius immer noch ein wenig angefressen, dass anscheinend jeder in ihrem Jahr zum Slug-Club eingeladen worden war, nur er nicht.

Er konnte es nicht fassen, dass James das vor ihm geheim gehalten hatte, dass er überhaupt abgelehnt hatte, dorthin zu gehen.

Sirius mochte Slughorn nicht leiden können, aber der Slug-Club war eine Gelegenheit in der Zauberwelt Fuß zu fassen, die einem sonst nur der Abschluss seiner UTZs mit Glanzleistung ermöglichte, wenn überhaupt. Kontakte knüpfen war die einzige Möglichkeit, jemand von Bedeutung zu werden.

Normalerweise suchte sich Slughorn keine Kohleklumpen wie Snape aus. Nein, er griff für gewöhnlich gleich nach den Rohdiamanten. Schülern, die er nicht mehr groß bearbeiten musste, damit sie strahlen konnten. Er wollte sich keine Arbeit machen, er wollte bloß der Mittelsmann sein und dabei Gewinn machen.

Wenn man Narcissas Worten Glauben schenken durfte, leistete er eine verdammt gute Arbeit.

Professor Binns erzählte gerade etwas von irgendwelchen Koboldaufständen - Sirius war sich sicher, dass er das auch schon letzte Woche und die Woche davor getan hatte, doch er würde sich nicht beschweren - abgesehen von Lily Evans, die eifrig mitschrieb, hörte dem Geist sowieso niemand zu.

James stupste ihn an. »Morgen Abend ist es soweit«, grinste er verschwörerisch.

Knall!

Alle Augen wandten sich zu Remus Lupin, der scheinbar aus Versehen sein Schulbuch vom Tisch gefegt hatte und seine Freunde aus großen Augen anstarrte.

»W-w-was soll das?«, fragte Professor Binns.

»Nur ein Buch, Professor. Sorry...«, stotterte Remus.

Der Professor fuhr fort, als wäre nichts gewesen und die anderen Schüler nutzten die Gelegenheit, um ihre Augen weiter auszuruhen.

Sirius musterte Remus perplex. »Was ist los?«, formte er lautlos mit den Lippen, doch Lupin saß da wie erstarrt.

James lächelte ihm zu. »Um Mitternacht wird gefeiert.«

»Gefeiert?«, flüsterte Remus.

Sirius rollte mit den Augen. Natürlich hatte er es vergessen. »Mein Geburtstag!«

Remus nickte. »Ahja, richtig.«

»Du hast ihn vergessen.«

Auch wenn Lupin angestrengt den Kopf schüttelte, es war ihm ins Gesicht geschrieben.

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Am nächsten Abend, einem Dienstag, war es soweit. James und Peter hatten allerlei Essen aus der großen Halle mitgehen lassen, dass die vier Jungen es sich in ihrem Schlafsaal heute Nacht richtig gut gehen lassen konnten.

Oder besser gesagt, die drei Jungen.

Remus hatte sich am Nachmittag nach dem Unterricht entschuldigt, um in der Bibliothek zu seinem neu gefundenen Aufsatzthema für Professor Thorburns Unterricht zu recherchieren.

Das heimgesuchte Pfarrhaus von Borley.

Als James sich dann am frühen Abend auf die Suche nach ihm begeben hatte, war er Remus vor dem Krankenflügel in die Arme gelaufen.

»Ich habe mir schon wieder was eingefangen«, hatte Remus James erzählt und war zu Madam Pomfrey geeilt, hatte James stehen lassen.

Nun war Remus noch immer nicht zurück.

Eigentlich hatten die Jungen gehofft, ein Trank der Heilerin könnte den jungen Lupin in Sekundenschnelle wieder auf die Beine bekommen, damit er zu ihrer kleinen Feier doch noch dazustoßen könnte.

Das würde wohl nicht mehr passieren.

Sirius betrat in eben jenem Moment den Schlafsaal, als James all ihre Süßigkeitenvorräte auf einen kleinen Haufen auf seinem Bett zusammenschob. »Noch vier Stunden und dreiundvierzig Minuten«, verkündete James und grinste. »Dann bist du offiziell zwölf Jahre alt.«

Er strahlte. Seit langem hatte sich Sirius nicht mehr so sehr auf einen Geburtstag gefreut.

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Eine Stunde später lagen James und Sirius bäuchlings auf ihren Betten und spielten Zauberschach. Keiner von ihnen war wirklich gut und so war es seit ewigen Minuten bloß ein hin und her, in deren Zeit, die Figuren sich bloß darüber beschwerten, dass die Jungen Züge machen wollten, die in Anbetracht der Regeln nicht möglich waren.

»Turm nach e3.«

»Mit einem Turm kann man nicht diagonal ziehen! Das darf ich überhaupt nicht!«, schimpfte der kleine schwarze Turm.

»Oh«, sagte Sirius überrascht. »Dann f3?«

Der Turm fluchte, bewegte sich aber ein Feld nach vorne.

»Hey, danke!«, rief James. »Läufer nach f3.«

»Was hast du nur getan!«, schrie der Turm, ehe er vom Läufer mit dessen Bibel verhauen wurde und in Stücke zerbrach.

»Ich hab keine Lust mehr«, stöhnte Sirius.

»Nur weil du verlierst.«

»Wann kommt Peter endlich aus großen Halle zurück? Er wollte doch nur noch etwas zu Essen mitgehen lassen.«

»Turm nach c5.«

»Ich KANN NICHT diagonal ziehen!«

Sirius fegte das Schachbrett in eben jenem Moment von seinem Bett, als die Tür zum Schlafsaal der Jungen aufgestoßen wurde und Peter völlig aufgeregt mit einem Arm voll Süßigkeiten in ihr Zimmer gestolpert kam, wo er über eine der nun auf dem Boden verteilten Figuren trat und schmerzhaft aufschrie, sein Bein hoch an die Brust zog, die Kesselkuchen und Treacle Tarts fallen ließ und auf einem Bein durch das Zimmer hüpfte.

»Aua!!«

»Sirius, du sollst den armen Peter doch nicht verstümmeln«, grinste James.

Sirius setzte eine Unschuldsmiene auf. »Das war einfach schlechtes Timing seinerseits.«

Die beiden lachten, Peter war eher zum Weinen zumute. Während er die Tränen zurückkämpfte, heulte der König, auf den er getreten war, hemmungslos los.

»Meine Krone! Eine Delle! Und meine Milz, sie ist sicherlich verrutscht. Ruft jemand die Heiler! Oder einen Krankenwagen!«

Frank Longbottom warf im Vorbeigehen einen kurzen Blick in ihr Zimmer und schüttelte irritiert den Kopf, als er die Schachfiguren am Boden bemerkte, die alle jammerten, wie unmenschlich sie hier doch behandelt wurden.

James machte sich daran, die Figuren wieder einzusammeln und bemerkte dann ein Liederbuch zwischen den Leckereien, die Peter fallen gelassen hatte.

»101 Geburtstagslieder für den stattlichen Zauberer und die vornehme Hexe - frisch wie ein Flubberwurm oder alt wie eine Kröte. Hast du das aus der Bibliothek ausgeliehen, Pete?«

Peter, der sich auf sein Bett geworfen hatte und seinen verwundeten Fuß an sich drückte, nickte halbherzig.

Sirius sprang auf und stieß dabei erneut das Schachbrett um, woraufhin alle Figuren, die James wieder eingesammelt hatte, hinunterpurzelten und fluchten, was das Zeug hielt.

»Fetzig! Danke, Peter!«

James lachte. »101. Da haben wir einiges vor uns. Lassen wir die dreieinhalb Stunden wie im Flug vergehen!«

Und das taten sie auch.

Sie schlugen sich die Bäuche voll. Nicht einmal an Halloween hatten sie so viele Süßigkeiten auf einmal verdrückt.

Einige Zeit später lagen sie erledigt durch den Zuckerschock auf ihren Betten und starrten die Decke an, versuchten zwanghaft die Augen offen zu halten, bis die Uhr endlich Mitternacht schlagen würde.

Die vergangenen Stunden wirkten mehr wie ein Fiebertraum als die wahrhaftige Realität.

Aus vollen Lungen hatten sie in den schiefsten Tönen alte Zauberer-Geburtstagslieder geträllert, und das so laut, dass Max, Bil und Clarence sie angefleht hatten, die Klappe zu halten, weil sie schlafen wollten, bevor sie nachgegeben hatten und beim nächsten Lied ›Merlin wird nur einmal 152‹ mit eingestiegen waren.

Von ihnen hatten sie sich außerdem leere Butterbierflaschen geben lassen, um mit steinhart verzauberten Kesselkuchen eine Partie Bowling zu spielen.

Daraufhin folgte eine Runde Russisch Roulette mit Bertie Botts Bohnen in sämtlichen Geschmacksrichtungen, doch dabei blieb es nicht.

Man sah die Jungen nie auch nur eine Sekunde ohne eine süße Leckerei in den Händen - nun bezahlten sie die Strafe...

»Wie spät ist es?«, stöhnte Sirius.

»Noch zweiunddreißig Minuten bis Mitternacht«, erwiderte James, die Hände auf den Magen gepresst.

»Sollte so ein Reinfeiern nicht Spaß machen?«, scherzte Peter halbherzig, von den anderen kam nur ein tierisches Grunzen.

»Würde es wohl, wenn wir nicht die doppelte Menge unseres Gewichts in Süßigkeiten in uns aufgenommen hätten...« James schluckte. »Merlin, ist mir schlecht. Nie hätte ich gedacht, meine Mutter würde recht behalten... sagt ihr nie, dass ich das gesagt habe. Das wird sie mich mein Lebtag nicht vergessen lassen.«

»Ich dich auch nicht, wenn du dich übergibst«, mahnte Sirius, doch ein Grinsen konnte er sich nicht verkneifen. »...wie spät ist es jetzt?«

»Zwei Minuten später seit du das letzte Mal gefragt hast«, kam es erneut von James, begleitet durch ein Augenrollen.

»Remus kommt also nicht mehr.« Sirius richtete sich langsam auf. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Er hatte doch tatsächlich geglaubt, Lupin würde sich noch rechtzeitig zurück in ihr Zimmer stehlen, um mit ihnen feiern zu können. Erkältung hin oder her.

James zupfte an seinem Umhang. »Nein, wohl nicht.«

Von einer auf die andere Sekunde war ihre Übelkeit verschwunden. Das Funkeln in Sirius' Augen blitze auf und sprang wie ein Laubfeuer auf den schwarzhaarigen Jungen neben ihm über.

»Verlagern wir die Party?« James wackelte mit den Augenbrauen und Sirius' Mundwinkel zuckten nach oben. »Worauf du wetten kannst, Potter.«

Peter hob erschöpft den Kopf. »Ihr könnt mich runter rollen... ich glaube nicht, dass ich mich bewegen kann.« Ein Hicksen folgte seinen Worten.

»Mach kein Angebot, das ich nicht ablehnen kann«, sagte Sirius und stemmte sich auf, begann die restlichen Süßigkeiten in seine Umhangtaschen zu stopfen.

»Denk an die Schokofrösche«, wies James seinen Freund an, während er in seinem Schrankkoffer abtauchte.

Sirius strahlte. »Lupin sollte nicht wegen einer blöden Grippe auf eine hammermäßige Geburtstagsparty verzichten.«

Peter hielt plötzlich inne. »Aber es ist schon Sperrstunde. Wie sollen wir durch die Schule schleichen, ohne erwischt zu werden?«

»In der Gefahr liegt der Reiz«, grinste Sirius.

»Uns wird niemand sehen«, sagte James.

Peter schüttelte ängstlich den Kopf. »Wir können und ja nicht unsichtbar zaubern. Es ist unmöglich, dass Filch uns nicht findet.«

Ein Ass hatte James aber wie immer noch im Ärmel und das würde er wenn nötig auch ausspielen.

»Ach Peter, 'unmöglich' gehört nicht zu meinem Wortschatz«, sagte James mit einer solchen Überzeugung, dass die anderen interessiert aufblickten. »Ich habe das im Griff.«

»Und wie?«, Sirius hob interessiert die Augenbrauen, »Unsichtbarkeitszauber lernen wir erst im fünften Jahr...«

»Wir brauchen keine Zauber. Wir haben etwas viel Besseres.« James' Mundwinkel zuckten in die Höhe. »Ihr müsst mir aber versprechen, es nie jemandem zu verraten - ihr müsst es feierlich schwören.«

»Wir müssen was?« Sirius rümpfte die Nase. »Sollen wir uns mit Nadeln in die Fingerkuppen pieken, in die Hände spucken und auf Bruderschaft einschlagen?...- denn das wäre sowas von fetzig und ich wäre absolut dabei.« Begeistert hüpfte er auf.

Peter umgriff sofort sein eigenes Handgelenk und presste es an seinen Oberkörper. Er wirkte nicht besonders begeistert von der Idee und James lachte.

»Nein, das nicht gerade. Ihr müsst es bloß sagen, aber so ein Versprechen ist bindend, es darf niemals unter gar keinen Umständen gebrochen werden.«

»Was passiert, wenn man es bricht?« Peter sah ängstlich drein.

»Dann fällst du tot um, wie bei einem Unbrechbaren Schwur«, feixte Sirius, um seine Angst zu schüren.

Ein erschrockenes Quieken ertönte.

»Du wirst nicht sterben« sagte James, als Peter die Beine an den Oberkörper gezogen dasaß und Sirius panisch anstarrte.

»Spielverderber«, kommentierte der Black.

»Das Versprechen besiegelt bloß unsere Freundschaft. Ihr müsst es schwören und ich auch - das wird unser Geheimnis sein. Seid ihr dabei?«

Sirius nickte augenblicklich, sprang an die Seite seines Freundes und hob belustigt eine Augenbraue. »Etwas dramatisch, meinst du nicht?« James grinste.

Peter stand ebenfalls auf, wenn auch etwas wackelig auf den Beinen und gesellte sich zu ihnen. James klopfte ihm stolz auf die Schulter.

»Fetzig!«

Der junge Potter kniete sich vor sein Himmelbett und zog seinen Koffer hervor. Die Hand am Schloss, blickte er noch einmal auf. »Also-?«

Und alle zusammen nickten sie ein letztes Mal. »Ich schwöre feierlich, ich werde das Geheimnis wahren.«

»-und nehme es mit ins Grab«, fügte Sirius augenzwinkernd hinzu.

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»Ich kann es immer noch nicht glauben, ein echter Tarnumhang!«, flüsterte Sirius begeistert, und das nicht zum ersten Mal.

Glücklicherweise brannte zwar der Kamin, sonst war jedoch nichts und niemand in dem großen rubinfarbenen Gemeinschaftsraum zu sehen, der ihnen Schwierigkeiten bereiten könnte, als sie die Treppen hintereinander - unter dem Umhang versteckt - hinabstiegen.

»Ein waschechter Tarnumhang! Warum hat meine Familie nicht solche fetzigen Erbstücke? Mutter könnte mir wahrscheinlich bloß die Köpfe ihrer alten Hauselfen vererben...«

Peter gab ein ersticktes Quietschen von sich.

»Shh«, murmelte James, als sie bedächtig aus dem Portraitloch kletterten, ehe sie Korridore und Gänge entlangeilten, Treppen hinauf- und hinabstiegen, nur um auf einer von ihnen plötzlich anzuhalten.

Nun. James war ohne Vorwarnung stehen geblieben und Peter und Sirius deswegen unsanft gegen seinen Rücken gestolpert.

»Oi, was-«, James unterbrach Sirius, indem er ihm die Hand auf den Mund presste und das Treppengewirr hinab deutete.

Sirius und Peter lehnten sich über das Geländer.

Klein, ganz dort unten, erkannte Sirius, worauf James ihn aufmerksam machen wollte.

Lucius Malfoy und seine Freunde.

Alles in Sirius' Eingeweiden zog sich zusammen. Was machte Lucius um diese Zeit in den Gängen? Sicher, er war Vertrauensschüler, seine Freunde jedoch nicht.

James Hand fiel von seinem Mund ab und er schluckte schwer. »Gehen wir, wir haben nicht viel Zeit.«

Bestürzt sah James ihn an. »Du willst ihnen nicht hinterher?«

Sirius schüttelte den Kopf. Alles lieber als das... »Eher nicht. Lupin wartet doch auf uns.«

Also liefen sie weiter, ließen Malfoy und seine Machenschaften hinter sich, wenn James auch offensichtlich am liebsten alles stehen und liegen gelassen hätte, um ihm hinterher zu schleichen.

Vor den Türen des Krankenflügels machten sie Halt.

Ein Blick auf die Uhr, die um James' Handgelenk geschlungen war, zeigte an, dass sie noch zwei Minuten und dreiundvierzig Sekunden hatten, bevor es zur Mitternachtsstunde läuten würde. Genug Zeit also, um einen erkrankten Remus Lupin mit Schokolade aus dem Schlaf zu locken und ein letztes Geburtstagslied anzustimmen.

»Wir müssen leise sein, damit Madam Pomfrey uns nicht bemerkt«, flüsterte James und schob die Türen auf.

Der Krankenflügel lag ruhig und kalt da. Das klinische Weiß, das ihnen von allen Seiten entgegenstrahlte vermischte sich mit der kühlen Herbstluft, die durch eins der geöffneten Fenster hereinbrauste, und ihnen den Umhang um die Knöchel wehen ließ. Der Vollmond spendete das einzige Licht, doch das war ausreichend um mit Ernüchterung festzustellen, dass sie umsonst des nachts durch das Schloss geschlichen waren.

Ihre Mienen, die eben noch so voller Vorfreude gestrahlt hatten, verloren jeden Glanz. Missmutig und verwirrt starrten sie auf die vielen leeren Betten.

»Wo ist Remus?«, fragte Peter unsicher.

»Nicht hier«, gab Sirius zurück, ein mulmiges Gefühl hinunterschluckend. Zornig verzog er das Gesicht und riss sich den Umhang vom Kopf. Er schritt durch die Reihen von Betten, doch in keinem konnte er seinen Zimmergenossen finden. »Wieso hat er gelogen?«

Peter wollte schon einwenden, dass es dafür bestimmt eine Erklärung gab, doch Sirius trat gegen eines der Betten und Peter blieben die Worte im Hals stecken.

James seufzte, ein letzter Blick auf seine Uhr.

»Happy Birthday.«

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021. Brennende Kerzen

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