017. Neue Besen kehren gut
𝓅ℯ𝓇𝒻ℴ𝓇𝓂 𝒶𝓉 𝓉𝒽ℯ 𝒽𝒾𝑔𝒽ℯ𝓈𝓉 𝓁ℯ𝓋ℯ𝓁.𝒶𝓁𝓌𝒶𝓎𝓈.
Am kommenden Montag hatte James Potter genau zwei Sorgen und eine davon war nichts Geringeres als...
...Eulendreck!
Als James die Treppe hinauf in die Eulerei gestiegen war, hatte er nun wirklich nicht damit gerechnet, dass er beim Hinuntergehen über und über mit Vogelexkrementen beschmiert wäre.
Das Zeug klebte ihm an den Schuhen, seinem Umhang und natürlich auch noch in den Haaren. Überall dort, wo man eigentlich keine gefiederten Hinterlassenschaften haben wollte.
Da dachte man, so geschickt wie James von klein auf schon immer gewesen war, hätte ihn die Pfütze, die ganz unschuldig auf ihn gewartet hatte, nicht umhauen können, doch falsch gedacht.
Es hatte bestimmt witzig ausgesehen und James hätte womöglich auch darüber lachen können, wenn es nicht so verflucht weh getan hätte.
Vielleicht war das ein Zeichen gewesen, dachte James verdrießlich, den Brief, den er eigentlich seinem Uhu Aramis ans Bein hatte binden wollen, zerknüllt zwischen den Fingern.
Lange hatte James mit sich gehadert, ob es wirklich eine gute Idee wäre, Fleamont und Euphemia in so einer doch recht heiklen Situation um Hilfe zu bitten, jetzt hatte er sich entschieden. Nein.
Oder zumindest, jetzt noch nicht.
Kopfschüttelnd versuchte sich James, von den Sorgen zu befreien, doch wie zu erwarten, ließen ihn die Befürchtungen, mit denen er den Brief gefüllt hatte, nicht so einfach los.
Mum, Dad, ich weiß nicht, was ich tun soll...
Er ist ein guter Mensch, da bin ich sicher...
Er muss es nur neu lernen...
James umgriff das Stück Papier noch fester und sprintete den Weg zurück zum Schloss. Wenn er nicht die nächste Standpauke wegen Unpünktlichkeit von McGonagall kassieren wollte, musste er sich beeilen.
Normalerweise stand James Potter mit den Vögeln und der Sonne auf, heute hatte er sich allerdings erst aus dem Bett geschält, nachdem seine Freunde hinunter zum Frühstück gegangen waren.
Er wollte sich nicht in Erklärungsnot begeben, wenn die Frage aufgekommen wäre, wieso er seinen Eltern schon nach weniger als einer Woche die zweite Eule schicken würde. Jetzt knurrte ihm deshalb der Magen.
Und wofür? Es war doch umsonst gewesen.
»Das Halbblut muss eben lernen, was du und ich einfach können!«, hatte Sirius am gestrigen Abend herausposaunt, als James die Bedenken geäußert hatte, dass Remus Lupin immer noch nicht aus der Bibliothek zurückgekehrt war.
Peters Gesicht war kreidebleich geworden, James hingegen hatte die Farbe von Lily Evans' Haaren angenommen.
Es machte ihn umso wütender zu sehen, wie sich Sirius wie ein Idiot verhielt, während er gleichzeitig vollkommen fasziniert von Olives Kubbelschreiber war. (»Wie kann da denn Tinte rauskommen?«)
Das musste doch etwas bedeuten!
Sirius ist einfach falsch erzogen worden, hatte sich James erneut gerechtfertigt, als Peter ihn gefragt hatte, wieso er seinen Freund nicht einfach abschrieb.
Aber selbst das waren komische Gedanken, die James Unbehagen bescherten.
»Woher weiß man, was falsche Erziehung ist? Warum ist unsere Erziehung richtig?«, Peter selbst hatte nicht begriffen, was er da gesagt hatte, zumindest hatte er das Ganze einfach wieder abgetan und war zu Bett gegangen. James hingegen hatte es ins Grübeln gebracht und das gefiel ihm nicht.
Seine Eltern waren nicht... perfekt - ganz objektiv gesehen, wusste James das auch. Sie taten nicht immer das, was er wollte. (Selbst wenn er drohte seinen Koffer zu packen und zu den McKinnons zu ziehen, bat Fleamont Potter ihn meist nur, Marlene einen schönen Gruß auszurichten)
Doch egal, welche Entscheidungen sie trafen, und egal, ob James sie mochte oder nicht, wusste er, dass Mum und Dad einfach richtig lagen - sie waren Erwachsene, sie waren seine Eltern - sie wussten es besser, weil sie nur das Beste für James wollten.
Aber wollten Sirius' Eltern denn nicht auch das Beste für ihn?
Wie konnte man Kinder haben und dann trotzdem noch falsche Entscheidungen treffen? Das widersprach sich doch.
Eltern waren da, um ihre Kinder vor falschen Entscheidungen zu bewahren, sie sollten sie nicht auch noch befürworten. Oder verursachen.
Noch immer gedankenverloren huschte James durch das Portal zurück ins Schloss und begann die große Treppe emporzusteigen. Tiefes Ein- und Ausatmen half zwar nicht, die umherwirbelnden Sorgen loszuwerden, doch immerhin erinnerte es ihn an sein zweites Problem des Tages: Quidditch und das anstehende Auswahlspiel am Nachmittag.
Oder besser: Die Tatsache, dass sich Maverick Wood es zur Lebensaufgabe gemacht hatte, James Wackersteine in den Weg zu nie endendem Ruhm als Profiliga-Flieger zu legen.
Zum wiederholten Male hatte dieser ihm deutlich gemacht, dass er James heute nicht auf dem Feld sehen wollte. Er war offiziell ausgeladen worden.
Was erlaubte sich Wood eigentlich?
War er so eingeschüchtert von James' Talent?
Anders konnte sich der junge Potter das einfach nicht erklären.
Seinen faulen Ausreden jedenfalls glaubte er keinen Ton - nach wiederholtem Nachhaken und Nerven war Wood am Samstag schließlich eingeknickt und hatte James eine ganze halbe Minute lang zugehört, ehe er ihm wieder ins Wort gefallen war und laut verkündet hatte, er würde keinen kleinen Jungen zum Testspiel kommen lassen, der nicht mindestens eine Flugstunde bei Madam Hooch gehabt hatte.
Das war einfach unfair, fand James, es war nicht seine Schuld, dass der Unterricht verschoben worden war. Als er am Sonntagfrüh genau das zu Wood sagte, druckste dieser noch einen weiteren Moment herum, bevor er schließlich einlenkte und behauptete, dass James' fehlender Ehrgeiz im Unterricht ein genaues Abbild zeigen würde, wie er sich auf dem Spielfeld benehmen würde.
Er war davongelaufen, ehe James überhaupt die Gelegenheit hatte, zu antworten.
Wenn es nicht Ehrgeiz war, der ihn Wood so lange hinterher hatte laufen lassen, was dann?
Faule Ausreden... nichts weiter.
Nun, wann immer Maverick Wood ihm in den Gängen begegnete, schlug der direkt die entgegengesetzte Richtung ein. Und das von einem Siebtklässler.
»He, Potter!«
James umrundete gerade die Statue eines einbeinigen Zauberers aus dem 17. Jahrhundert, als er Max McCoy und Bilius Weasley erblickte, die sich von der Steinmauer des Turms stießen und auf ihn zukamen.
»Kann nicht!«, keuchte James, nicht langsamer werdend. »Komme sonst zu spät zu McGonagall.«
Seine Turnschuhe schlugen mit jedem Schritt hart auf die marmornen Stufen, die Krawatte, die er im Sprint gebunden hatte, hing wieder aufgelöst über seiner Schulter.
»Du kommst heute Nachmittag nicht zur Auswahl, oder?«, rief Max ihm hinterher. Das brachte James zu einem abrupten Stillstand, so plötzlich, dass Dorcas Meadowes, eine der Hufflepuff Erstklässler, in ihn hineinstolperte. Mit einem genervten »Merlin!« verschwand sie im nächsten Klassenzimmer.
James jedoch drehte sich ganz langsam um, zog sich den heruntergerutschten Umhang wieder über die Schultern und blinzelte.
Mussten sie es ihm auch noch unter die Nase reiben?
»Ich bin offiziell ausgeladen, sagt Wood...«
»Eine Schande«, seufzte Bilius, »Ich wollte dich wirklich gern fliegen sehen.«
»Freitag ist die nächste Flugstunde bei Hooch, sie ist wieder gesund.«
Max strahlte. »Das trifft sich gut. Sonntag ist nämlich das erste Training zur Saisoneröffnung.«
»Super«, sagte James. Der sarkastische Unterton brachte Bil und Max zum Grinsen.
»Ich denke, du solltest kommen«, sagte Max.
»Das denke ich auch«, sagte Bilius.
James trat überrumpelt einen Schritt zurück. »Zum Training?«
Als hätten sie es einstudiert, nickten die beiden synchron und traten den Rückzug an. »Dann wäre das abgemacht! Bil, hast du Clarence gesehen?«
»Aber ich bin doch gar nicht im Team!«, rief James ihnen hinterher, doch sie beachteten ihn schon gar nicht mehr.
»Nun, ein verantwortungsvoller Vertrauensschüler wie er würde niemals die Toiletten unten im Kerker mit Stinkbomben präparieren, also muss das wohl jemand anderes gewesen sein«, sagte Bil und lachend verschwanden die Sechstklässler hinter zwei Ritterrüstungen im nächsten Gang.
James grinste.
Er war vielleicht nicht offiziell in der Mannschaft, aber er durfte beim Training zeigen, was er konnte? Spätestens dann würde Wood einknicken müssen!
Ein Glockenschlag ertönte.
»Eulendreck! McGonagall!«, rief James.
Und er sprintete weiter.
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Gerade als die Professorin für Verwandlung die Türen zum Klassenzimmer schließen wollte, fegte James um die letzte Biegung und kam vor ihrer bebrillten Nase mit einem charmanten Lächeln - und nur ganz leicht außer Puste - zum Stehen.
»In letzter Sekunde, Mr. Potter«, mahnte McGonagall, ließ ihn eintreten, schloss die Tür und kehrte dann an ihr Pult zurück.
»Pünktlich ist pünktlich, Professor.«
Er musste einen wirklich zerstörten Eindruck machen, so wie ihn alle anstarrten, McGonagall und ihr Naserümpfen eingeschlossen.
Sein Krawattenknoten hatte sich drei Treppen zuvor zum zweiten Mal verabschiedet, das weiße Hemd war von seinem Sprint gänzlich zerknittert und seinen Umhang trug er nur noch über einer Schulter.
Mit den Fingern versuchte er die völlig zerzausten Haare zu richten, als er Lily Evans bemerkte, die ihn anstarrte, als wäre er der Blutige Baron persönlich.
Sie musste stinkwütend sein, Unpünktlichkeit konnte sie gar nicht leiden. Ihr Gesicht nahm eine dunkelrote Färbung an, ehe sie den Kopf schnell zurück zur Tafel wandte. Der Sitz neben ihr war leer.
»Lupin ist immer noch nicht aufgetaucht«, flüsterte Sirius, als sich James neben ihn fallen ließ.
Stimmt... Problem Nummer Drei, das Problem, das er seit gestern Abend zu verdrängen versuchte: Wo zur Hölle war Remus Lupin?
»Beim Frühstück war er auch nicht«, quiekte Peter.
Während Professor McGonagall über die komplizierten Formeln einer Verwandlung von einem Streichholz in eine Nadel sprach und sich nicht einmal anmerken ließ, dass der leere Sitz ihr Sorgen bereitete, wussten James, Sirius und Peter nicht recht, wie sie sich auf den Unterricht konzentrieren sollten.
Sie alle sahen ziemlich mitgenommen aus und verfolgten bloß sporadisch, was ihre Lehrerin von sich gab.
Überrascht stellte James fest, dass Lily Evans ebenfalls nur mit einem Ohr zuhörte, während sie auf einen Arm gestützt, halbherzig mitschrieb und ihr stetiges Gähnen als Räuspern zu vertuschen versuchte.
»Vielleicht ist er krank«, meinte Peter erneut. Sirius und James nickten, wirkten jedoch nach wie vor nicht überzeugt.
»Er sitzt vielleicht immer noch in der Bibliothek«, grinste James müde, »Hat die Zeit vergessen und ist eingeschlafen.«
Womöglich hätte er den unnötigen Ausflug in die Eulerei gegen einen kurzen Trip in die Bibliothek tauschen sollen. Ob Remus dort wirklich immer noch saß?
Die letzten paar Tage hatte er ziemlich müde ausgesehen, wenn James genauer darüber nachdachte. Oder Peter hatte Recht und Remus war wirklich einfach nur krank. Hatte sich für die Nacht im Krankenflügel einquartiert...
Egal wie krank er wäre, James würde niemals freiwillig die Heilerin aufsuchen, für ihn gab es nichts schlimmeres als Krankenhäuser und Pflegestationen.
Marlene dagegen hatte immer gefallen am St. Mungos gehabt. Fasziniert von den vielen Krankheiten und Gebrechen war sie durch die Gänge und über die Stationen gewandert, hatte sich alles genau angesehen und kein Problem damit gehabt, die Nacht über dort zu bleiben, als einer der Klatscher ihr mit sieben beinahe den Schädelknochen gespalten hatte.
»Überall ist es besser als zu Hause«, hatte sie gesagt und gelacht, als James bestürzt an ihrem Bett hatte Wache halten wollen.
»Sein lautes Schnarchen hätte ihn aber verraten«, grinste Sirius und James schnaubte laut auf.
Ein scharfes Räuspern ließ ihre hochroten Köpfe zurück zur Tafel schnellen, wo Professor McGonagall überaus verärgert die Arme vor der Brust verschränkt hielt.
»Mr. Potter, Mr. Black, Mr. Pettigrew! Ich schätze keiner von Ihnen ist in der Lage zu wiederholen, was ich soeben gesagt habe?« Herausfordernd hob sie die Augenbrauen und presste die Lippen zu einer geraden Linie.
Sirius und Peter schüttelten wie zu erwarten die Köpfe, James jedoch meldete sich. »Aber Professor, natürlich haben wir aufgepasst. Sehen Sie?«
Er zückte seinen Zauberstab und richtete ihn auf das Streichholz vor ihm, ließ ihn zweimal niedersausen, bevor er eine Art Schlaufe vollführte und »Paracus« sagte.
Einen Atemzug lang geschah nichts. Voller Anspannung fixierte James das hölzerne Streichholz, als könnte es nur allein mit der Kraft seiner Gedanken dazu anspornen, sich zu verwandeln, wenn sein Zauber misslungen war.
Professor McGonagall sah unbeeindruckt drein, als aus Holz plötzlich silberner Stahl wurde, es glänzte und wider Erwarten aller lag eine Stecknadel vor James anstelle des Hölzchens.
Es wäre untertrieben zu behaupten, Professor McGonagall und seine Mitschüler wären überrascht gewesen, James aber war zum ersten Mal seit langem wirklich sprachlos.
»Nun gut. Fünf Punkte für Gryffindor, Mr. Potter. - Für unverschämtes Glück.« Professor McGonagall wandte sich zurück zur Tafel, um das Lächeln zu verbergen, das sich auf ihre Lippen zu schleichen versuchte.
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Auf die Fragen, wo Remus war, wollte die Professorin nicht während der Stunde antworten (»Mr. Lupin ist für heute entschuldigt, Mr. Black, und nun üben Sie weiter oder ich verwandele Sie in eine Stecknadel«), aber auch nach der Stunde ließ sich McGonagall nicht von ihren Einwänden aufhalten und wies die drei an, sich bei Remus selbst zu erkundigen, wo er war, sobald er zurück wäre.
Und tatsächlich, als Remus Lupin am späten Nachmittag plötzlich einfach im Gemeinschaftsraum an einem der Tische über einem Bogen Pergament saß, wusch die ganze Anspannung von ihren Schultern einfach ab, dann wurde James wütend.
»Wo warst du?!«
Überrumpelt fuhr Remus hoch. Auch einige andere Gryffindors, die verteilt im Raum arbeiteten oder entspannten hoben überrascht die Köpfe.
»Was?«, fragte Remus, sichtlich überfordert.
»Wir haben uns Sorgen gemacht, du warst einfach verschwunden!«, rief James und setzte sich neben ihn. Peter und Sirius taten es ihm nach.
»Oh, ich war nur-«
»Nicht in der Bibliothek. McGonagall hat gesagt, du warst heute den ganzen Tag vom Unterricht befreit. Leute, die beim Lernen dort einschlafen, sind das für gewöhnlich nicht.«
»Ja, also-«
»Bist du krank?«, James runzelte besorgt die Stirn und musterte zum ersten Mal das Gesicht seines Freundes. »Du bist ziemlich blass um die Nase und wow... hast du überhaupt geschlafen? Die Schatten unter deinen Augen sind-«
»James, lass mich doch ausreden!« Frustriert warf Remus die Feder auf den Tisch. Tinte bekleckerte das Holz und Pergament.
Sirius und Peter grinsten sich an.
»Du klingst wie eine übereifrige Mutter«, sagte Peter.
James' Kopf zuckte herum. »Nimm das zurück!«
»Er hat schon ganz recht«, lachte Sirius, »Du klingst genau wie Cissy, meine Cousine, und ihr größtes Hobby ist es, die Mutter für alle und jeden zu spielen, der nicht schnell genug davonlaufen kann.«
Mit feuerroten Wangen ließ James seinen Blick zum prasselnden Kaminfeuer in der gegenüberliegenden Ecke wandern. Er hatte gerade tatsächlich auch seiner eigenen Mutter sehr ähnlich geklungen... ein gruseliger Gedanke, doch schnell schüttelte er das von sich und sah erwartungsvoll zu Remus. »Gut, dann rede.«
Mit zittrigen Fingern zupfte Remus am Ärmel seines Umhangs und mied ihren Blick, hielt ihn stur auf das bis auf die Spritzer Tinte leere Pergament gerichtet, während er sprach. »Ich war im Krankenflügel. Krank, ich... hab schwache Knochen, breche mir schnell mal was. Jetzt ist alles okay, Madam Pomfrey wollte mich bloß zur Beobachtung dabehalten. Hab außerdem nicht gut geschlafen, daher die Augenringe.«
Erst mit dem letzten Wort blickte er auf. Unsicherheit schimmerte im warmen Braun seiner Augen. Glaubte er, das wäre peinlich?
James grinste ihm zu. »Oh man! Sag uns beim nächsten Mal einfach Bescheid.« Er wollte Remus gerade wie üblich freundschaftlich auf die Schulter schlagen, hielt sich in letzter Sekunde jedoch selbst auf. »Ich breche dir doch keinen Knochen, wenn...«
Remus schüttelte den Kopf. »Nein. Nur zu.«
Dennoch klopfte James ihm bloß auf den Arm, ein breites Lächeln im Gesicht.
Remus, sichtlich erleichtert, erwiderte die Geste und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
Ein weiteres Problem gelöst. Zufrieden seufzte James, sog den warmen Duft von Feuer und Tee des Gemeinschaftsraum aus und schloss für einen Moment die Augen. Nahm die Brille ab und fuhr sich über die Nasenwurzel. Blieb nur noch... er zog die Brille wieder auf, ehe sein Blick zu Sirius huschte.
Denn während Peter schon wieder glücklich Zauber Schnipp-Schnapp auspackte und die Karten verteilte, sah Sirius als einziger von ihnen alles andere als glücklich aus. Seine silbergrauen Augen fixierten Remus geradezu. Der Ausdruck, den er dabei trug, erweckte den Anschein, als würde er gerade versuchen, das schwierigste Rätsel einer Sphinx zu lösen - ohne Erfolg.
James räusperte sich und riss Sirius damit aus seinen Gedanken, zog die Augenbrauen hoch, um seine nächsten Worte noch einmal zu untermauern: »Also war Remus nicht die ganze Nacht in der Bibliothek zum Lernen, hab ich doch gleich gesagt.«
Sirius rollte mit den Augen.
»Oh, aber da sollte ich jetzt hin«, sagte Remus. »Ich muss wie ihr auch die Hausaufgaben in Verwandlung machen und ich verstehe absolut nicht, was ihr da heute besprochen habt. Ich muss das nachlesen und... hey!«
James riss ihm das Pergament aus den Händen. »Gib mir das, ich erkläre dir, was wir heute gemacht haben - immerhin hat keiner außer mir es geschafft, sein Streichholz in eine Nadel zu verwandeln. Ich bin ganz klar der Profi der Stunde.«
Entrüstet ließ Sirius die Hände zu beiden Seiten fallen. »Mein Streichholz war ganz silber und spitz! So viel besser warst du nicht.«
James wollte gerade etwas erwidern, da seufzte Peter und legte das Kinn auf seiner Handfläche ab, den Ellenbogen auf den Tisch gestützt, schob er mit der anderen Hand ihnen die Kartenstapel von Zauber Schnipp-Schnapp zu. »Mein Streichholz ist in Flammen aufgegangen... gleich viermal! McGonagall wollte mir dann kein neues mehr geben, sie dachte, ich hätte es absichtlich angezündet.«
»Mach dir nichts draus, Pete«, sagte James, »Du solltest dich nicht mit mir vergleichen, ich bin einfach ein Naturtalent.« Er zuckte mit den Achseln und grinste.
»Und dabei noch so bescheiden«, antwortete Remus, eine Augenbraue in die Höhe gezogen und griff nach seinem Kartenstapel.
James grinste und langte ebenfalls nach seinen Karten. »Bescheidenheit ist mein zweiter Vorname.«
Das brachte sie alle zum Lachen.
»Wer fängt an?«, fragte Peter, seinen Stapel bereit vor sich gelegt.
»Ich«, rief Sirius sofort, doch als hätte das Schicksal es so gewollt, explodierte in genau diesem Moment seine oberste Karte und bedeckte seine Nase mit Ruß.
Und erneut brachen die Jungen in Gelächter aus.
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Am Freitag zur Mittagszeit stand die Sonne hoch in ihrem Zenit, der wolkenlose Himmel strahlte in einem satten Blau, während die Bäume des verbotenen Waldes seicht im süßen Spätsommer-Wind hin und her wogen und zartes Vogelgezwitscher die Luft erfüllte.
Das grüne Gras versprühte einen angenehmen Sommerduft, während kleine Bienen und Hummeln fröhlich vor sich hin summend ihre Arbeit verrichteten.
Die Erstklässler der Gryffindors trotteten im Gleichmarsch den Weg vom Schloss hinunter auf das frischgemähte Quidditchfeld, wo eine großgewachsene Frau mit ergrauten Strähnen schon auf sie wartete.
Allen voran James Potter und Sirius Black, sie stolzierten wie Könige - oder verwöhnte kleine Prinzen - den kleinen Wanderweg hinab.
Während Sirius jedoch ruhig und gelassen wirkte, hätte man James' nervöse Energie beinahe schon greifen können. Angst hatte er keine, immerhin war das bei weitem nicht sein erster Ritt auf einem Besen, doch heute ging es um mehr - er wollte es ihnen allen beweisen, dass das nicht nur leere Worte gewesen waren, sondern dass er tatsächlich das Zeug dazu hatte, in die Gryffindor Mannschaft aufgenommen zu werden, egal was Wood auch sagen mochte.
Remus schlurfte gemächlich hinter ihnen her, während Peter versuchte mit James und Sirius Gleichschritt zu halten. Mit seinen schwachen Knien hatte Remus dieses Unterfangen schon aufgegeben, bevor er es überhaupt versucht hatte.
Unten angekommen ragte Madam Hooch über ihnen auf wie eine hohe Eiche - eisern und starr - sie hatte stechend gelbe Augen, die wie die eines Falkens angriffslustig umherzuckten, als könnte sie jeden Moment zum Sturzflug ansetzen und ihre Beute mit ausgefahrenen Krallen packen und zerfleischen.
Sie war gekleidet in einen violetten Umhang sowie Knie- und Ellenbogenschoner wie sonst die Quidditchspieler. Um ihren Hals baumelte eine silberne Trillerpfeife, deren Anblick allein schon jedes Trommelfell zum Klingeln brachte.
In den Quidditchtribünen saßen ein paar wenige Schüler, darunter Marlene McKinnon, die den Gryffindors bei ihrer ersten Flugstunde zusehen wollten. Ravenclaw und Hufflepuff hatten schon gestern ihren Unterricht gehabt.
Die Erstklässler standen sich in zwei Reihen gegenüber, rechts von jedem einzelnen lag ein alter, knorriger Besen, der definitiv schon bessere Zeiten gesehen hatte. Die Äste waren verbogen und buschig, das Holz rissig und ungeschliffen - Schulequipment eben. James vermisste seinen Komet 2-10.
Madam Hooch räusperte sich lautstark, ehe sie einmal kräftig in ihre Trillerpfeife bließ, um jedes kleine Flüsterfeuer auszulöschen und all die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Erschrocken presste sich Peter beide Handflächen auf die Ohren, als das durchdringende Pfeifen über die Wiese schoss. Auch die anderen verzogen unangenehm das Gesicht und versuchten unauffällig ihre Ohren zu schützen.
Die ältere Frau stemmte die Hände in die Hüften und deutete auf die Besen.
»Na worauf wartet ihr noch?«, blaffte sie, »Eine schriftliche Einladung?«
Sirius gluckste. »Ja, das wäre eigentlich ganz nett.«
Die anderen Jungen taten sich schwer, ihr Lachen zu verbergen, doch Madam Hoochs Aufmerksamkeit lag glücklicherweise nicht auf ihnen. Die Lehrerin hatte sich gerade Olive zugewandt, die die Hand erhoben hatte und unsicher auf ihrer Lippe kaute.
»Prof-...Madam...Miss...Ma'am? Mrs. Hooch?«, stotterte Olive unsicher.
»Madam«, korrigierte Hooch streng, eine tiefe Furche zog sich zwischen den Augenbrauen über ihre Stirn.
Olive schüttelte den Kopf. »Nein, nein, Sie können mich ruhig Olive nennen.«
James versuchte sein Lachen zu unterdrücken, was in einem albernen Grunzen endete.
Hooch sah aus, als wollte sie, Olive bei nächster Gelegenheit den Hals umdrehen.
Doch die Brünette fuhr davon unbeirrt einfach fort: »Wie genau fliegen diese Besen eigentlich? Sind die Besen selbst magisch oder sind sie normal? Könnte man mit ihnen rein theoretisch auch den Boden fegen?«
Auf ihre letzte Aussage hin, schnappte James entgeistert nach Luft.
Wie konnte sie nur daran denken, einen Besen zum Saubermachen zu verwenden? Einen Rennbesen!
Die Schulbesen mochten alle Auslaufmodelle sein, doch das musste ja nicht gleich bedeuten, dass sie wertlos waren.
»Ein Halbblut weiß sowas eigentlich«, flüsterte Sirius spitz.
Madam Hooch blinzelte Olive irritiert an. »Nein - das sollte man nicht - die Besen werden zum Fliegen verzaubert, das Besenregulations-Kontrollamt ist dafür verantwortlich. Daraufhin ist der Besen imstande die vom Zauberer oder von der Hexe ausgehende Kraft zu kanalisieren und umzuwandeln, so dass der Besen dem nachkommt, was der Zauberer ihm 'befiehlt'. Dafür ist es besonders wichtig, bestimmt zu sein und genau zu wissen, was man will - ist man nicht in der Lage, den Besen zu kontrollieren, entwickelt er eine Art Eigenleben oder kommt in der Luft zum Stillstand, worauf nur der Fall folgt.«
Olive schluckte schwer. »Das sind ja... super Aussichten...«
James konnte sie nur leid tun. Er hätte sich nie auch nur ausmalen können, wie schlimm es sein musste unter Akrophobie zu leiden - doch der Gedanke niemals mehr Quidditch zu spielen, weil er sich vor der Höhe fürchtete, jagte ihm wahrscheinlich ebenso große Angst ein.
Er lebte für den Sport.
Madam Hooch baute sich erneut vor ihnen auf und deutete auf die Besen. »Strecken Sie Ihre rechte Hand über den Stiel und -«
Wieder unterbrach eine in die Luft geschossene Hand ihren Vortrag, dieses Mal war es jedoch Sirius'.
»Mr. Black?«, rief die Lehrerin ihn gereizt auf.
»Was ist mit Linkshändern?«
Madam Hooch unterdrückte ein Stöhnen. »Strecken Sie Ihre dominante Hand über den Besenstiel und sagen Sie ›Hoch!‹.«
Sirius - und auch Thalia - wanderten auf die andere Seite ihrer Besen und taten es den anderen gleich, die alle im Einklang die Worte ihrer Lehrerin wiederholten, alle bis auf James, der schon, während Hooch noch gesprochen hatte, den Besen in seine ausgestreckte Hand hatte schnellen lassen und es sich nun auf ihm bequem machte, was die Lehrerin mit einem halben Kopfnicken zur Kenntnis nahm.
Nur wenige der Besen schossen sofort in die Hände ihrer Besitzer, Lily Evans' Wangen glühten vor Stolz, als ihr Besen schon beim zweiten Ruf nach oben flog.
Auch Sirius hatte es geschafft, doch die restlichen Besen, blieben am Boden.
Alice und Remus' Feger hatten sich bloß im Gras gewälzt, während Peter und Olives sich überhaupt nicht rührten.
Thalias schwebte genau zwischen dem Boden und ihrer Hand, Valorelle hatte es nicht einmal versucht und Odessa lieferte sich einen Starrkampf mit ihrem Besen.
Immer wieder wiederholten die anderen das ›Hoch!‹ wie ein Mantra, das sie von bösen Geistern fernhalten sollte und nach einiger Zeit flogen auch die anderen Besen in die Hände ihrer Besitzer, nur Olives Besen dachte nicht einmal daran, sich zu bewegen, was bei dem Zittern in ihrer Stimme nicht verwunderlich war.
Sie wollte den sicheren Erdboden überhaupt nicht hinter sich lassen. Der Besen konnte das spüren.
Als Madam Hooch gerade damit beschäftigt war, Remus und Peter zu erklären, wie sie den Stiel greifen sollten, um nicht hinten runter zu rutschen, bückte Olive sich blitzschnell und hob den Besen einfach auf.
Sie warf James und Sirius ein zartes Lächeln zu und zuckte mit den Schultern, als sie deren belustigte Blicke bemerkte und setzte daraufhin ein täuschend echtes Pokerface auf.
»Nun steigen Sie alle auf die Besen!«, verkündete Madam Hooch, ehe sie durch die Reihen ging, um ihre Handgriffe zu überprüfen. James schenkte sie ein anerkennendes Nicken und zog zum Nächsten weiter.
»Hab doch gesagt, ich spiele in zwei Jahren schon in der Topliga«, flüsterte er nicht ganz so leise, wie er vielleicht dachte und erntete von Lily Evans bloß ein demonstratives Augenrollen und ein Schnauben.
Remus grinste. »Wie war das mit der Angeberei?«
»Das nennt sich Talent, Remus. Für meine angeborenen Fähigkeiten bin ich nicht verantwortlich.«
Die Jungen lachten.
Madam Hooch nickte zufrieden, als sie all ihre Griffe kontrolliert hatte und mit dem Ergebnis einverstanden schien. Sie hob die Trillerpfeife an die Lippen.
»Achtung! Wenn ich jetzt pfeife, stoßen Sie sich alle mit vollster Kraft vom Boden ab, steigen drei Meter in die Lüfte, halten dabei den Besenstiel gerade und kommen dann wieder runter, in dem Sie sich leicht nach vorne neigen. Auf meinen Pfiff! Drei... zwei... eins...«
Der schrille Pfiff heulte über das Feld und sie stießen sich vom Boden ab.
James flog, bloß eine Hand am Besen, mehrere Runden um die anderen bis hoch zu den Tribünen, wo er Marlene ein High Five gab, ehe er zurück schoss.
»Mr. Potter!«, Madam Hooch klang mehr als erzürnt, »Halten Sie sich gefälligst an meine Anweisungen! Wenn Sie eine Show hinlegen wollen, machen Sie das in ihrer Freizeit oder das ist das letzte Mal, dass sie auf einem Besen gesessen haben!«
James grinste bloß und schenkte der Lehrerin ein bezauberndes Lächeln. Er konnte nicht anders.
Zu seiner Überraschung war Sirius doch etwas unsicher auf seinem Besen unterwegs, während Lily Evans zielsicher in die Luft schoss und nach ein paar Sekunden wieder ordentlich auf dem Gras aufsetzte.
»Sehr gut, Evans!«, johlte er, sie hielt den Blick jedoch gesenkt.
Mit einem Achselzucken blieb er neben Sirius in der Luft schweben und griff nach dessen Besenstiel, um ihn in die Waagerechte zu befördern. »Besser?«
Sirius nickte erleichtert. »Danke, Mann, doch ich glaube Peter braucht dringender deine Hilfe.«
James' Blick schoss über das Feld und blieb schließlich an dem kleinen Wirbelwind hängen, den er als seinen Zimmergenossen identifizierte.
Peters Besen drehte sich auf der Stelle im Kreis und schleuderte den kleinen Jungen beinahe zurück auf den Rasen. Remus versuchte vom Erdboden aus - nach zwei Sekunden, die er auf dem Besen gesessen hatte, war er wieder weitgehend sicher gelandet und hatte es danach scheinbar aufgegeben - auf ihn einzureden und ihm zuzusprechen, doch Peter war schon ganz grün um die Nase und sah nicht so aus, als würde er große Notiz von dem nehmen, was um ihn herum geschah.
James vollführte zwei kleine Loopings auf dem Weg zu ihm, ehe er seinem Freund die Hand reichte, an die sich der kleine Pettigrew wie einen Rettungsring klammerte. Er machte sogar Anstalten, mit auf James' Besen zu klettern, doch der schüttelte bloß den Kopf, wobei die Brille, die ihm sowieso schon schief auf der Nase sitzte, beinahe gänzlich den Abflug antrat, doch geschickt fing der angehende Quidditchspieler sie aus der Luft, bevor sie aus seiner Reichweite verschwinden konnte.
James dirigierte Peter zurück auf den Boden und erhob sich dann wieder in die Lüfte.
»Mr. Potter! Drei Meter habe ich gesagt!«
»Kümmern Sie sich um die anderen, nicht um mich! Im Gegensatz zu denen brauche ich keine Hilfe.«
Er schoss hinauf, breitete am höchsten Punkt des Bogens die Arme aus und schloss die Augen, den Besen nur noch mit den Oberschenkeln fest umklammert.
Dieser kurze Augenblick reichte aus, um all den anderen zu beweisen, dass er Recht behielt - kein Mensch könnte je sein Talent bezweifeln, wenn er ihn auch nur einmal auf einem Besen erlebt hatte.
Denn dort oben in der Luft war er frei.
Der Wind zerzauste ihm die Haare und trug ihn immer höher, wo all die anderen unter ihm nur noch als bloße Punkte auf einer grünen Fläche zu erkennen waren.
Mit ihnen schrumpften all die Sorgen, die er glaubte zu haben - hier oben war er in seinem Element, hier konnte ihm keiner etwas anhaben.
Er verstand sich auf Loopings, Rennbesen und Quidditch - das war sein Spielfeld, das würde er gewinnen.
Marlene jubelte ihm zu, während Madam Hooch am Boden einen Aufstand probte, doch James konnte sich nicht halten.
Denn Fliegen bedeutete für ihn, keine Regeln. Er hatte nicht übertrieben, als er behauptet hatte, er hätte schon auf einem Besen gesessen, bevor er überhaupt laufen konnte. Von klein auf war sein Vater mit ihm zu den Spielen gefahren, hatte ihm im Garten Quidditch beigebracht und was es bedeutete, ein Mitglied eines Teams, ein Spieler, zu sein.
In der Luft hatte er die Kontrolle, denn sein Besen war eines der wenigen Dinge, die er wirklich im Griff hatte - wo er ganz allein die Verantwortung trug - etwas, das er meistern konnte.
Wenn man so hoch über allem schwebte, wirkten die eigenen Probleme plötzlich viel kleiner - das Heimweh ließ nach - denn hier oben, hier war er wirklich zu Hause, wo der Wind und die friedliche Stille herrschten, wo er eins mit dem Besen war, wo die Welt einen Augenblick still stand, sich nicht drehte, als würden die Zeiger der Uhren aufhören zu ticken, denn die Zeit selbst verfing sich in ihrem eigenen Netz aus Chaos.
Hoch in der Luft war James Potter ein Meister, ein Naturtalent, der Beste auf dem Platz.
Am Boden war er nichts als durchschnittlich...
Er packte den Besenstiel wieder fester und setzte zum Sturzflug an. Wenige Meter vor dem Gras wurde er langsamer, bevor er behutsam aufsetzte und in die Runde strahlte.
»Sah ich gut aus da oben?«, grinste er.
Madam Hoochs gelbe Falkenaugen taxierten ihn und das Grinsen rutschte ihm von den Lippen. Der klägliche Versuch, es aufrecht zu erhalten, scheiterte maßlos, als sie sich vor ihm aufbaute und ihn mit mehr als fünf Köpfen überragte.
»Das gibt Nachsitzen, Mr. Potter! Das ganze Wochenende werden Sie den Besenschuppen auf Vordermann bringen!«
»Wieso?! Weil ich ein guter Flieger bin?«
Die Lehrerin schüttelte streng den Kopf.
»Weil Sie unfähig sind, sich an Regeln zu halten, Mr. Potter!«
James schnaubte. »Regeln sind da, um gebrochen zu werden.«
Es war vielleicht nicht das Klügste, was man einer Lehrkraft an den Kopf hätte werfen können...
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»Fetzig! Die zweite Woche und du hast dir schon Nachsitzen eingebrockt - das muss ein neuer Rekord für Erstklässler sein«, bellte Sirius lachend.
Die Gryffindors befanden sich wieder auf dem Rückweg zum Schloss, von wo der köstliche Geruch das baldige Abendessen ankündigte, das nur darauf wartete, von ihnen verputzt zu werden.
»Hey, vielleicht bekommst du dafür eine Auszeichnung im Pokalzimmer!«
Während Sirius jedoch heitere Stimmung versprühte und alberne Witze riss, zog James ein langes Gesicht. Er war doch felsenfest überzeugt gewesen, mit seinem charmanten Lächeln, könnte er sich galant aus jeder Affäre ziehen... leider schien das bloß bei seiner Mutter zu funktionieren.
»Oh Merlin«, murmelte er plötzlich, »Meine Mutter - Sie wird mich köpfen, wenn sie davon erfährt!«
Alarmiert ging er einen Schritt schneller, woraufhin die anderen ihm stolpernd folgten, bemüht mit ihm mitzuhalten.
Peter, der der Meinung war, sich an diesem Tag schon genug sportlichen Tätigkeiten hingegeben zu haben, stöhnte laut und schnaufte: »Wieso rennst du so?«
James hielt zielsicher auf das Schloss zu. »Meine 'Letzte Mahlzeit' einnehmen.«
»Deine was?«, fragte Sirius entsetzt, auch er kam so langsam ins Schwitzen.
»Meine 'Letzte Mahlzeit'. Es ist üblich, dass Sterbende sich aussuchen dürfen, was sie essen wollen.«
»Du stirbst aber nicht«, versuchte Remus ihn zu beschwichtigen.
»Du kennst meine Mutter nicht«, lachte James, dem der Stell-ja-keinen-Unsinn-an-Blick nach wie vor nicht aus dem Kopf ging.
»Was hast du denn auch erwartet?«, fuhr ihm Lily Evans energisch in die Parade, sie war von den Mädchen als einzige noch nicht vorgelaufen, sondern hatte wie er auch noch die allerletzten Sekunden auf den Besen genutzt.
Ihr Zaubertränke-Buch vor die Brust gepresst, stolzierte sie an den Jungen vorbei, den Trampelpfad hinauf, zum Schloss.
Verdattert blickte James ihr hinterher.
»Ist sie mit dem falschen Fuß vom Besen gestiegen?«
Remus' Mundwinkel zuckten leicht. »Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass sie dich nicht leiden kann.«
Sirius grinste breit. »Lupin, da könntest du wohl Recht haben.«
James fand das überhaupt nicht witzig. Was hatte er Evans denn getan?
»Aber sie ist wirklich richtig gut geflogen«, wandte Peter zwischen den Lachen der anderen ein, »zumindest war es das, was ich noch mitbekommen habe, bevor...« er sich gleich zweimal auf das Feld übergeben hatte.
Besenflug war eben nicht für jedermann.
Doch ja, James musste Peter zustimmen. Lily Evans war eine geborene Fliegerin.
»Hat mich auch überrascht«, sagte Sirius nachdenklich, einen Finger ans Kinn gelegt. »Einem Schlammbl-« Er hielt mitten im Wort inne, sein Blick traf James und er schluckte. »Einer Muggelstämmigen hätte ich das nicht zugetraut.«
Stille.
Das war doch... wenn auch nur...
War das eine erste Einsicht? Das erste Mal, dass ihm aufgefallen war, was er da sagte? Das erste Anzeichen einer Besserung? Der erste Hinweis, dass sich Sirius überhaupt bessern wollte?
Auch wenn die Aussage noch immer fragwürdig war, hatte Sirius die Beleidigung nicht ausgesprochen.
Zitternde Finger fanden ihren Weg ins James' Umhangtasche, in der er seit Anfang der Woche den Brief aufbewahrt hatte, nicht so recht in der Lage, ihn abzuschicken oder zu verbrennen.
Sirius wollte sich bessern! - Noch heute Abend würde James seinen Uhu nach Godrics Hollow schicken
Er lächelte und Sirius tat es ihm gleich.
Problem gelöst...
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Das rege Treiben in der großen Halle ließ die Jungen nach wie vor staunen. Morgens traf man selten die gesamte Schülerschaft an, da die meisten ihre Zeit im kuschelig-warmen Bett solange ausreizten, bis sie beinahe maßlos zu spät dran waren, während andere sogar schon im Schloss umherwanderten, bevor die Sonne überhaupt richtig aufgegangen war. Abends sah das doch ganz anders aus.
An den Haustischen reihten sich die Schüler auf den Bänken aneinander, nur sporadisch waren wenige Plätze frei geblieben, die ihnen den Platz boten, die Ellenbogen etwas weiter als fünf Zentimeter von ihren eigenen Körpern zu entfernen.
James, Sirius, Remus und Peter hatten sich gerade allesamt am Gryffindortisch niedergelassen, als sich Professor McGonagall festen Schrittes durch die Tischreihen auf das Lehrerpult zubewegte.
James schrumpfte auf seinem Sitz in sich zusammen.
Bestimmt, hatte Madam Hooch seine Hauslehrerin sofort ins Bild gesetzt und einer Standpauke à la McGonagall wollte er nicht ausgesetzt sein.
Er schluckte schwer und versuchte eine besonders betroffene Miene aufzusetzen - was ihm jedoch völlig misslang, nachdem er Sirius' Blick auffing, der ihm provozierend entgegen grinste - als die Professorin immer näher kam.
Darauf gefasst, ihr jede Ausrede entgegenzupfeffern, die sein Verhalten rechtfertigte, wandte James sich McGonagall zu, die hinter ihnen zum Stillstand gekommen war.
»Mr. Potter.«
James' Wangen färbten sich rot.
»Ich habe von Ihrer kleinen Eskapade auf dem Quidditchfeld gehört«, eisern fixierte sie ihn mit strenger Miene. Und natürlich mussten sich alle seine Klassenkameraden zu ihnen umdrehen, um der Show gebannt zu folgen. »Eine schöne Show haben Sie veranstaltet... das gibt Nachsitzen, wie Sie wissen, das ganze Wochenende nach dem Mittagessen bis zum Abendessen.«
Am liebsten hätte James protestiert, widersprochen, doch er nickte bloß.
Zur Überraschung aller, zuckten McGonagalls Mundwinkel in die Höhe. »Sie können stolz auf Ihre Flugkünste sein.«
Sprachlos öffnete der junge Potter den Mund, nur um ihn im nächsten Augenblick wieder zu schließen.
»Das war eine starke Leistung. Sie machen Ihrem Vater auf dem Feld alle Ehre«, sagte McGonagall und drehte auf dem Absatz um. Der smaragdgrüne Umhang wehte ihr mit jedem weiteren Schritt um die Knöchel.
James drehte sich demonstrativ um, das breiteste Grinsen auf dem Gesicht, das man tragen konnte, fokussierte - nur ganz zufällig - Lily Evans, die mit geweiteten Augen ihrer Professorin hinterher sah und sagte: »Und das nennt sich Talent.«
Doch der Moment des Triumphes hielt nicht lange an.
»Du musst am Sonntag Nachsitzen? Was ist mit dem Training?!« Max McCoy war hinter ihnen aufgetaucht, entsetzt wartete er darauf, dass James ihm widersprach und das versuchte er auch...
»Was?! Oh nein... ich muss bloß morgen und am Son... das Training! Nein!«
Er würde es nicht schaffen...
Hatte Wood Recht behalten?
War er zu verantwortungslos?
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017. Neue Besen kehren gut
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