006. Die Bürde der Jugend

ℳ𝒶𝓇𝓁ℯ𝓃ℯ ℳ𝒸𝒦𝒾𝓃𝓃ℴ𝓃

01. September 1970

Der erste September war für jede junge Hexe und jeden jungen Zauberer in Großbritannien einer der schönsten Tage des Jahres, auf den sie den ganzen Sommer lang sehnlichst warteten.

Der Tag, an dem es nach ermüdend heißen Wochen, viel zu viel Langeweile und Bergen an Hausaufgaben endlich zurück in die Schule für Hexerei und Zauberei ging, zurück an den schönsten Ort der Welt: Hogwarts.

Doch besonders für diejenigen, die noch zu jung waren, um die Hogwarts Schule besuchen zu können, konnte es sich genauso gut um den schlimmsten Tag des Jahres handeln.

Und so kam es, dass sich die gesamte Familie McKinnon an diesem Dienstag Morgen am Esstisch versammelt hatte, um zwei ihrer vier Kinder nach Schottland zu verabschieden, während die jüngste Tochter den Eindruck machte, als würde morgen die Welt untergehen.

»Wieso darf ich denn nicht mitkommen?«, jammerte Marlene zum wiederholten Male und schob frustriert das Glas mit dem grünen Klumpensaft von sich, dessen Inhalt ihre Mutter fröhlich als Frühstück bezeichnet hatte.

Seit Wochen schon quälte Cynthia McKinnon ihre Kinder in ihrem Diätwahn mit der Kost der Natur und wie so oft musste sich Marlene verkneifen, zu erwähnen, dass sie keine Kuh war und somit auch an nichts Interesse hatte, das nach pürierten Grashalmen schmeckte.

Aber in ihrer Frustration hätte sie sich sogar die grüne Pampe runtergewürgt, wenn sie dafür nur mit nach London gedurft hätte.

Ihre Familie zeigte wenig Bewunderung oder gar Mitleid für ihren eisernen Willen.

Marlene gegenüber saß ihr Vater, Elias McKinnon, ein älterer Mann im Festumhang, dessen Gesicht sie einem Auror nicht einmal in einer Notsituation hätte beschreiben können, so oft, wie er hinter den Blättern des Tagespropheten verschwunden war, wenn er überhaupt zu Hause auftauchte und sich nicht in seinem Büro im Ministerium versteckte.

Seine unbefriedigende Antwort war wie üblich das Rascheln der Zeitung und der Griff zur Kaffeetasse.

»Du bist noch zu klein«, erwiderte Eliana schließlich zu ihrer Linken, während sie sich, einen kleinen Spiegel in der Hand, die Lippen anmalte.

Sie war im vergangenen Monat 13 geworden und trug seither immer dieses kleine Täschchen bei sich, indem sich Rouge über Lippenstift bis hin zu Mascara nur so stapelten.

Marlene verzog das Gesicht. »Letztes Jahr durfte ich doch auch mit zum Gleis.«

»Und wärst beinahe in den Zug gesprungen, als er losgefahren ist«, grinste Gareth, der älteste Sohn der McKinnons, der nur noch ein letztes Mal nach Hogwarts fahren würde, ehe er im nächsten Sommer seine Abschlussprüfungen ablegen würde, um danach als Profisportler für eines der britischen Quidditchteams zu fliegen.

»Und das Jahr davor, hast du dich in meinem Koffer versteckt«, lachte Eliana.

Marlene kicherte: »Es war so doof, dass Mum dir unbedingt kurz vor der Abfahrt noch einen Pullover kaufen musste. Sonst hätte sie mich nie gefunden.«

Gareth wuschelte ihr durch das rostrote Haar. »Deswegen kannst du dann aber wohl verstehen, warum es mittlerweile zu gefährlich ist, dich mitzunehmen. Mr. Potter hat in den letzten Jahren genug ertragen dürfen.«

Mr. Potter oder einfach nur Fleamont war der Vater von Marlenes bestem Freund aus Kindertagen und dazu auch noch einer ihrer Nachbarn in der kleinen Stadt Godrics Hollow.

Er und seine Frau hatten sich über die Jahre mehr um die Kinder der McKinnons gekümmert, als ihre eigenen Eltern, die doch bloß nur an ihre Arbeit und - im Falle von Cynthia McKinnon - an ihre vergangene Modelkarriere in der Hexenwoche dachten.

So hatte Fleamont Eliana und Gareth in den letzten Jahren immer zum Gleis begleitet, während Cynthia und Elias überall gewesen waren, nur nicht zu Hause bei ihren Kindern.

Marlene rollte mit den Augen. »Ach, Fleamont fand das lustig. Er und James haben doch jedes Jahr eine Wette laufen, was mir als nächstes einfallen könnte. Er wird mich bestimmt vermissen.«

»Das denke ich nicht«, gab Cynthia zu bedenken, ohne den Blick von ihrer ungezuckerten Grapefruit zu wenden, die sie mit ihrem Löffel versuchte auszuspachteln.

Verwundert hoben Eliana und Gareth beide die Köpfe.

»Nun«, fuhr Mrs. McKinnon fort und strich sich das blonde, auftoupierte Haar zurück, »dieses Jahr wird er euch jedenfalls nicht zum Gleis begleiten.«

»Was!?« Eliana zuckte so ruckartig beiseite, dass sich ein Streifen Lippenstift über ihre Wange beinahe bis an ihr Ohr zog. »Wieso denn nicht?«

»Wer soll uns sonst verabschieden?«, fragte Gareth.

Genervt zupfte eine der perfekten Augenbrauen ihrer Mutter in die Höhe. »Selbstverständlich werde ich euch zum Zug bringen.«

Gareth klappte der Mund auf.

»Aber wieso?«, rief Eliana.

Der gequälte Ausdruck auf den Gesichtern ihrer Geschwister, ließ Marlene doch so etwas wie Schadenfreude empfinden.

Nun war sie immerhin nicht mehr ganz so enttäuscht, nicht mitzudürfen, wobei die Vorstellung, ihre Mutter, das Bild von Klasse, Eleganz und Anmut zwischen den sich tummelnden Schülern, herumfliegenden Eulen und weinenden Eltern, stehen zu sehen, hätte Marlene nicht mit Gold aufwiegen können.

Würde sie ihre Kinder zum Abschied überhaupt umarmen und dem Zug hinterherwinken oder sie bloß abliefern und sofort wieder disapparieren?

Entrüstet über die offensichtliche Enttäuschung ihrer Kinder, räusperte sich Cynthia lautstark und flötete: »Weil ich eure Mutter bin und Mr. Potter heute keine Zeit für euch hat, er ist zudem bloß unser Nachbar.«

Eliana wischte sich betrübt das Rot von der Wange. »Aber was ist denn so wichtig?«

»Könnte er es nicht verschieben?«, murmelte Gareth.

»Vielleicht dauert es auch nicht so lange und wir warten.«

»Dann könnten uns Marlene und sogar Thomas vielleicht doch noch begleiten.«

Marlene zog scharf die Luft ein, noch ehe Gareth zu Ende gesprochen hatte.

Erzürnt schlug ihre Mutter mit der flachen Hand auf den Tisch. »Es reicht! Es reicht.«

Langsam und galant erhob sich Cynthia von ihrem Platz am Kopfende, mit Tigerschritten durchquerte sie den Raum, ehe sie hinter ihrem zweitältesten Sohn innehielt, der anders als seine Geschwister nicht den Blick zu Boden gerichtet hatte, sondern stur geradeaus schaute, ein undefinierbares Funkeln in den Augen.

»Thomas wird euch sicherlich nicht begleiten, Gareth«, zischte Mrs. McKinnon, eine Hand auf die Schulter ihres Sohnes gelegt, der dabei kaum merklich zusammenzuckte.

»Ich will überhaupt nicht mit«, sagte er ruhig. »Heute Nachmittag beginnt mein neuer Job im Gartencenter, dafür muss ich mir vorher noch neue Handschuhe besorgen.«

Marlene lächelte Thomas zu, wie in der Hoffnung, den Gesichtsausdruck ihrer Mutter, der bei jedem weiteren Wort in sich zusammengefallen war, kompensieren zu können.

Auch wenn Thomas mit seinen 15 Jahren deutlich älter war als sie, hatte sich Marlene immer schon für sein Glück verantwortlich gefühlt, da sie die stille Verurteilung ihrer Eltern, darüber dass Thomas mit elf Jahren keinen Brief der Hogwarts Schule erhalten hatte, einfach nicht ertragen konnte.

Dann war er eben nicht magisch - und wenn schon!

Leider sahen ihre Eltern das anders.

Cynthia stützte zufrieden die Hände in die Hüften. »Na, seht ihr, es gibt überhaupt keinen Grund, euren Bruder zu etwas zu zwingen. Geh ruhig das Gartenwerkzeug kaufen, Darling.«

Ihr strahlendes Lächeln hätte nicht falscher sein können, als sich Thomas erhob und das Esszimmer verließ, um sich seine Schuhe anzuziehen.

»Handschuhe«, murmelte Marlene genervt und erntete ein anerkennendes Nicken seitens ihrer Schwester.

Sie alle hassten es, wie ihre Eltern Thomas grundsätzlich übergingen.

»Wie bitte?«, fragte ihre Mutter, »Marlene, hör endlich mit dieser hässlichen Nuschelei auf, du bist eine McKinnon und kein Bauerntrampel.«

Die Haustür schlug ins Schloss.
Am liebsten wäre Marlene Thomas hinterhergestürzt.

Sie atmete tief durch und schluckte den Ärger hinunter. Es half nichts, sich ihrer Mutter zu widersetzen oder mit ihr zu streiten - am Ende fühlte man sich selbst doch nur wie der furchtbarste Mensch auf Erden, wenn sie vor einem in Tränen ausbrach oder sie drehte den Spieß um und führte einem genau vor Augen, weshalb man die größte Enttäuschung seit der Erfindung von Schlaghosen war.

Man konnte nur verlieren.

Sir räusperte sich und sagte: »Ich wollte wissen, was aus deinem Fototermin bei der Hexenwoche geworden ist. Du konntest die letzten Wochen nicht aufhören, davon zu erzählen und auf einmal hast du heute doch Zeit, Gareth und Eliana zum Bahnhof zu bringen?«

Eliana räusperte sich warnend, doch da war es schon zu spät und Vorhang auf - das Drama begann...

Theatralisch ließ sich Mrs. McKinnon in Thomas' nun leerem Stuhl nieder und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Der Termin wurde abgesagt! Ihr glaubt ja nicht, wie furchtbar dieser Schlamassel ist. Die Fotografin... also, so eine unverantwortliche Person ist mir in meinem Leben noch nicht untergekommen.«

»Sie hat ein Baby entbunden, Mum«, fuhr Eliana dazwischen.

»Es wurde fest mit ihr gerechnet! Ich habe vier Kinder bekommen und nicht einen einzigen Termin in meiner gesamten Karriere verpasst. Das erfordert nur eine gewisse Einstellung und Planung, etwas das man von einer Hexe in diesem Geschäft wohl erwarten darf.«

»Mum, sie hat ein Baby entbunden, das funktioniert eben nicht immer nach Zeitplan«, wiederholte sich Eliana und Mrs McKinnon setzte gerade erneut an, doch eben jenen Moment nutzte Mr. McKinnon, um in einem Schwung die Zeitung niederzulegen und sich gedankenverloren über den rostroten Bart zu streichen.

»Schlimm«, sagte er. »Schlimm, schlimm, schlimm.«

»Was ist schlimm, Dad?«, fragte Gareth und versuchte einen Blick auf die Seite des Tagespropheten zu erhaschen, die Mr. McKinnon mit eisblauen Blicken zu erdolchen versuchte.

»Ein weiteres Mädchen ist verschwunden. Levana Carroll. Cynthia, du erinnerst dich doch an die Carrolls, wir waren auf ihrer Hochzeit vor ein paar Jahren.«

»Oh ja, Sonnenblumen und Gladiolen - eine Braut in Buttergelb, diesen Anblick werde ich so schnell nicht vergessen können.«

»Agatha hatte kurz darauf den Unfall, hat nur ihn und die Tochter zurückgelassen. Und jetzt ist auch noch das Mädchen fort, der arme Mann.«

Gareth griff nach der Zeitung. »Steht dabei, wer sie entführt hat?«

»Wer? Ach, wer wohl...«, Mr. McKinnon riss seinem Sohn den Propheten wieder aus der Hand. »Natürlich steht es nicht dabei, Junge, das Ministerium würde doch keine Stellung beziehen wollen. So langsam sollten sich die Auroren jedoch dazu bekennen, dass jede zweite Vermisstenanzeige, die in den Nachrichten der Muggel auftaucht, zuerst bei uns Schlagzeilen macht. Das sind keine Zufälle.«

Elianas Augen weiteten sich. In Momenten wie diesen sah sie ihrer Mutter so ähnlich, dass es beinahe erschreckend war. Marlene war jedoch klug genug, jenen Gedanken für sich zu behalten.

»Du glaubst doch nicht, dass dieser Rattenfänger ein Zauberer ist, Dad?« Den Lippenstift auf ihrer Wange hatte sie völlig vergessen.

Kein Zauberer, dachte Marlene und verfluchte sich sofort für den Gedanken.

»Es wäre dumm, es nicht in Erwägung zu ziehen. So viele Kinder aus magischen Familien zu entführen, erfordert gewisse Fähigkeiten, die die Muggel nicht aufbieten können.«

Gareth schüttelte den Kopf und deutete auf den Artikel. »Aber der Prophet schreibt hier, dass keine Spuren von Zauberei an den Tatorten gefunden wurden. Welcher Zauberer verwendet keinen Zauberstab?«

»Sehr gut«, nickte Elias anerkennend, »Du vergisst aber, dass nicht alle Mitglieder der magischen Gesellschaft einen Zauberstab führen.«

Die Farbe wich aus Gareths Wangen, Eliana schluckte heftig.

»Du meinst doch nicht-«

»Zauberwesen«, sagte Marlene matt. »Vampire, Kobolde, Werwölfe...«

Es wurde still am Tisch der McKinnons.
Und dann schlug die Uhr Zehn.

Cynthia erhob sich, ein verkniffener Ausdruck im Gesicht, der ihre Abneigung deutlich machte. Sie hasste es, Politik oder etwas ähnlich Aufwühlendes bei Tisch zu besprechen, besonders wenn ihre Kinder dabei saßen.

»Eliana, geh dir dein Gesicht waschen. Gareth, hol eure Koffer. Ich will euch beide in fünfzehn Minuten wieder hier unten sehen.«

Und sie alle sprangen auf und verließen den Tisch, ließen Marlene und ihren Vater allein zurück, der seine Tochter mit aufgeweckter Neugier betrachtete, seit sie das Wort ergriffen hatte, doch Marlene mied seinen Blick.

Zusammen räumten sie den Tisch ab und trugen das dreckige Geschirr in die Küche.
Im Gegensatz zu vielen anderen wohlhabenden Familien, hatten die McKinnons keine Hauselfen, die sie beschäftigten. Und auch wenn Marlene sich oft gerne eingeredet hätte, es wäre eine noble Absicht ihrer Eltern gewesen, wusste sie es besser.

Ihr Vater hasste Zauberwesen.

»Du wusstest, dass ich nicht von Zauberern gesprochen habe, noch ehe ich deinen Geschwistern unter die Arme greifen musste, nicht wahr?«, fragte Elias und begann die Teller und Tassen in der Spüle zu stapeln, bevor er das heiße Wasser laufenließ und seiner Tochter ein Handtuch zuwarf.

Marlene nickte schwach.

»Wieso hast du nichts gesagt?«

Sie griff nach dem ersten sauberen Teller und begann abzutrocknen, wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.

Weil ich nicht bin wie du?
Weil ich nicht gleich hinter jeder Gefahr ein Zauber- oder Tierwesen vermute?

Wenn das wahr wäre, hätte sie wie Eliana und Gareth länger für die Lösung gebraucht. Sie hätte nicht die Vorurteile eine Antwort kreieren lassen, ohne alle Fakten zu kennen.

»Du bist klug, Marlene. Klüger als Eliana und Gareth, beinahe so klug wie Thomas vielleicht, aber ihm hat das Leben andere Steine in den Weg gelegt. Wenn du wolltest, könntest du Großes erreichen. Aber du eiferst deinem Bruder in seinen Quidditchträumen nach und verlierst dabei aus den Augen, wie viel mehr noch in dir steckt.«

Marlenes Hände verkrampften sich in dem Handtuch, dass sie beinahe eine der Tassen hätte fallen lassen. Sie wollte das alles nicht hören.

Sie hörte Gareth gerade einen der Koffer die Treppen hinunter hieven, konnte ihn förmlich dabei sehen, wie er seinen Rennbesen unter den Arm geklemmt hatte, ein immer währendes Grinsen auf den Lippen, weil er ein letztes Mal zurück nach Hogwarts durfte... dieses Haus verlassen durfte.

Natürlich wollte sie sein wie er.
Jeder wollte sein wie er.

Gareth war das Vorbild, das sich jedes Elternteil für seine Kinder nur wünschen konnte.

Charismatisch, freundlich, der geborene große Bruder und Held, der beste Spieler auf dem Platz, ein Anführer und Teamplayer.

Aber natürlich fand ihr Vater auch daran etwas, was er bemängeln konnte. Weil nichts je gut genug war.

»Vielleicht ist der Entführer doch ein Muggel«, krächzte sie hervor.

»Möglich«, sagte Elias und reichte ihr eine Handvoll Besteck. »Jedoch unwahrscheinlich.«

»Warum? Weil jedes Tierwesen ein kaltblütiges Monster ist?« Zwei Messer knallten auf die Arbeitsplatte.

»Du lässt dich von deiner Liebe zu Thomas blenden.«

Und das restliche Besteck folgte.

Was sollte das bedeuten?!

Elias seufzte. Die Ärmel hochgekrempelt, pendelten seine Hände im warmen Wasser. Den Spülschwamm hatte er beiseite gelegt. »Nur weil ich kein Freund von Tierwesen bin, möchte ich sie nicht alle eingesperrt sehen. Doch nur, weil mein Sohn ein Squib ist, werde ich nicht von jedem von der Zaubergesellschaft gemiedenen Wesen nur das Beste erwarten.«

»Das ist furchtbar.«

»Das ist pragmatisch.«

Marlene schüttelte den Kopf. Nein, das war nicht richtig. Sie ließ das Handtuch liegen und stürzte aus der Küche, doch noch im Türrahmen hielt ihr Vater sie auf.

Mit seiner nassen Hand griff er nach ihrem Unterarm, seine stechend blauen Augen bohrten sich in ihre.

»Du bist mir ähnlicher, als du denkst. Wenn du einmal älter bist, wirst du das erkennen.«

Wütend riss sie sich los. »Dann hoffe ich, dass ich nie so alt werde wie du!« Und sie verschwand.

Im Flur prallte sie gegen Gareth, der gerade den zweiten Koffer die Treppe runtergetragen hatte. Nicht einmal sein Lächeln konnte dieses dumpfe Gefühl in ihrem Magen verdrängen, dass ihr Vater womöglich Recht behalten würde. Sie war zerfressen von Vorurteilen und vielleicht würde sie das eines Tages so bitter werden lassen wie ihn...

»Na, kletterst du wieder in einen unserer Koffer? Mum ist noch oben und hilft Ellie mit ihren Haaren, du hast also Zeit«, feixte Gareth.

Marlene rang sich ein Grinsen ab, doch es war nicht sonderlich überzeugend.
Wie gerne würde sie verschwinden, einfach abhauen, aber wenn sie ehrlich war, wollte sie nicht nach Hogwarts, sie wollte an den Ort, wo sie glücklich sein, dahin wo man dieses Wirrwarr in ihrem Kopf verstehen konnte.

»Heute nicht, Gareth.« Sie legte die Arme um seinen großen Körper und ließ sich von ihm einmal zerquetschen und durch die Luft wirbeln.

»Ich werde dich vermissen, Lene.« Noch ein letztes Mal wuschelte er ihr durchs Haar, ehe sie die Tür aufriss und die Veranda hinuntereilte.

»Sag Eliana, wir sehen uns Weihnachten und dass sie ohne Farbe im Gesicht viel hübscher aussieht!«, rief Marlene ihm noch zu, bevor sie den Kiesweg nach rechts bog und das größte Haus am Ende ihrer Straße ansteuerte.

Gareth lachte und wünschte ihr viel Spaß, er wusste genau, wohin sie wollte.

Dahin, wo das Glück zu Hause war.
Zu James.

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006. Die Bürde der Jugend

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