002. Gift in deinen Adern
ℛℯ𝓂𝓊𝓈 ℒ𝓊𝓅𝒾𝓃
09. März 1965
...»Einspruch!«
Lyall Lupins feste Stimme hallte durch den ganzen Gerichtssaal Nr. 10.
Er wusste, dass der Kampf schon längst ausgefochten war. Er hatte seine Kollegen, seine Rückendeckung in eben jenem Moment verloren bemerkt, in dem er die Verhandlung des Zaubergamots betreten und die schuldbewussten Gesichter seiner Mitstreiter erblickt hatte.
Ihre Angst dominierte über allem anderen, selbst ihrem verfluchten Moralsinn. Doch so leicht würde Lyall nicht zurückschrecken, denn Fenrir Greyback war ein Monster, ein widerlicher Werwolf, der es sich zum Spaß gemacht hatte, andere zu verletzen, zu töten und - am schlimmsten - zu verwandeln.
Er gehörte eingesperrt.
Komme was wolle.
»Weshalb Mr. Lupin?«, fragte der Großmeister, Griffith Otis, »Die Demokratie hat gesprochen!« Mit seiner faltigen Hand deutete er auf all die erhobenen Arme der Mitglieder des Rates, die zugunsten Greybacks abgestimmt hatten.
Fenrir Greyback selbst saß in mitten des runden Raumes, umzäunt von den Tribünen, auf denen sich die Zauberer und Hexen in ihren einheitlichen pflaumenfarbenen Roben aneinander reihten, und grinste frech zu Mr. Lupin empor, wobei seine angefeilten Reißzähne im Licht der Fackeln bedrohlich aufblitzten.
Der Stuhl, auf dem er saß, war zum Podium des Großmeisters ausgerichtet, seine Arme mit silbernem Eisen gefangen, jedes Glied für eine seiner grausamen Taten. Es hatte beinahe etwas Poetisches...
Lyall genoss diesen Anblick; Greyback endlich in Ketten gelegt, doch wenn er nichts unternehmen würde, wäre der Wolf schneller wieder frei, als Lyall Azkaban sagen könnte.
Frustriert sah Lyall in die Gesichter seiner Kollegen, die seinem Blick gekonnt auswichen, die anklagende Schuld nicht ertragend. »Wohl eher die Angst, Sir! Fenrir Greyback ist eine Gefährdung für das Allgemeinwohl! Wie können Sie es verantworten, einen Massenmörder laufen zu lassen?!«
»LUPIN!« Großmeister Otis packte mit den alten Händen den Rand des hölzernen Podiums. Seine Fingerknöchel stachen weiß hervor, je stärker er zugriff, die Augen weit aufgerissen, die Zähne zusammen gepresst. »Wie können Sie-«
Zu aller Überraschung war es der junge Bartemius Crouch, der erst kürzlich zum Leiter der Strafverfolgungsabteilung ernannt worden war, der sich lautstark räusperte und mit säuselnder Stimme betonte: »Mr. Lupin hat ganz Recht, Mr. Otis. Greyback ist dem Ministerium nicht zum ersten Mal aufgefallen. Es wäre unverantwortlich, ihn gehen zu lassen, wenn es uns solch eine Mühe bereitet hat, ihn überhaupt zu fassen zu bekommen.«
Greyback beobachtete von seinem Stuhl aus das Schauspiel, das sich ihm bot. So gelassen und entspannt, wie er dort saß, hätte man meinen können, er wäre bloß zu Kaffee und Kuchen eingeladen worden, die Ketten hätte er selbst mitgebracht. Sein perfides Grinsen ließ Lyall einen Schauer den Rücken hinunterwandern. Greyback genoss die Verhandlung, weil er genau wusste, dass er als freier Mann wieder hinaus spazieren würde. Dafür hatte er gesorgt...
So einflussreich wie Greyback war, wäre es ihm ein Leichtes, mehr als eine Drohung auszusprechen, was mit denen und deren Familie geschehen würde, die gegen ihn aussagten.
Griffith Otis' Gesichtszüge entgleisten. Er hielt den Blick starr auf Crouch und Lupin gerichtet, wollte nicht, dass die anderen sahen, wie verzweifelt er wirklich war.
Neben ihm saß Nobby Leach, der Zaubereiminister. Er wirkte weder verängstigt, noch in irgendeiner Weise betroffen. »Wir haben Gesetze, dem Gesetz ist Folge zu leisten«, sagte er, »Die Mitglieder haben abgestimmt, Greyback wird freigesprochen.«
Die Ablehnung Leachs traf Lyall unvorbereitet, wenn er es auch hätte ahnen müssen. Der Minister war nicht mehr der Mann, der einst zu aller Überraschung gewählt worden war - der erste muggelstämmige Zaubereiminister, ein Schritt in die richtige Richtung. Doch die Politik in diesem Land hatte den einst so nach Umbruch strebenden Zauberer gezüchtigt.
Er hatte viele Veränderung - Verbesserungen - bewirkt, hatte sich für Muggel- und Muggelstämmigen-Rechte eingesetzt und war dem Widerstand der Reinblut Fraktion des Zaubergamots entschlossen entgegengetreten. Doch mit jedem vereitelten Gesetz, mit jeder weiteren Schmierkampagne seitens Abraxas Malfoy hatte Leach einfach... aufgehört zu kämpfen und sich seinem Schicksal gebeugt.
Otis wollte der Aufforderung des Ministers sofort nachkommen, doch Crouch packte sein Handgelenk, bevor er den Hammer schwingen konnte.
»Mr. Crouch!«, bellte Nobby Leach, »Ich muss Sie doch sehr bitten! Sonst werden Sie in Ihre Schranken gewiesen.«
Greyback lachte, er hatte nicht ein Wort gesprochen, seit er dort unten auf dem Stuhl saß. Seine alleinige Anwesenheit löste in den meisten schon das Verlangen aus, sich die nächste Brücke hinunter zu stürzen. Seine wilden, braunen Haare hingen ihm wie struppige und zerfetzte Vorhänge vor das Gesicht, die lange breite Nase erinnerte mehr an eine Hundeschnauze als an das menschliche Riechorgan.
Vielleicht war er mal ein gutaussehender Mann gewesen, doch die Krallenspuren auf seinen Wangen, das wölfische Auftreten und die mörderischen Reißzähne zeigten das Monster in ihm, das er wirklich war. Ein Werwolf. Die womöglich furchterregenste Kreatur, die unter den Muggeln und Zauberern lebte.
Otis schüttelte Crouchs Arm von sich, er hob den Hammer und rief: »Fenrir Greyback; Vorgeworfen wird ihm, sieben Kinder im Alter von drei bis acht und zwei gestandene Zauberer ermordet zu haben, während er in seiner Werwolfgestalt gefangen war. Ein weiteres Kind soll von ihm gebissen und verwandelt worden sein. Das Zaubergamot hat demokratisch entschieden, dass die Beweise unzulänglich sind und damit-«
Wie in Trance sah Lyall den Großmeister an. Wieso unternahm niemand etwas? Jemand musste ihn aufhalten. Entsetzt beobachtete er, wie Griffith Otis' Arm sich rasant senkte.
Der kleine Fäustel schlug auf den Resonanzblock.
»Der Angeklagte wird in allen Punkten freigesprochen."«
»Nein!«
Doch es war zu spät.
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Noch ganz durcheinander und wütend packte Mr. Lupin seinen Aktenkoffer zusammen. Die ganzen Beweise, die er so krampfhaft in den letzten Monaten zusammengetragen hatte, waren nun nicht mehr als ein Haufen Müll.
Fenrir Greyback war schon von drei Auroren hinaus eskortiert worden und jede weitere Sekunde brannte Lyall ein Loch nach dem anderen ins Herz. Allein einen weiteren Massenmörder auf den Straßen Londons zu wissen, ließ seine Gefühle Achterbahn fahren.
Missmutig blickte er auf das sich bewegende Bild eines kleinen Jungen mit schokoladenbraunem Haar und vielen kleinen Sommersprossen auf der Nase, die mit dem Alter immer mehr zu verblassen schienen. Der Junge saß auf dem Schoß seiner Mutter, einer wunderschönen Frau mit langen blonden Haaren, und winkte Lyall fröhlich zu, während er mit kleinen Patschehändchen versuchte nach den Haaren seiner Mutter zu greifen. Für ihn, für seinen Sohn Remus, hätte Lyall gewinnen müssen, um dem Kleinen eine sichere Zukunft zu gewähren, doch vergebens...
»Mr. Lupin! Mr. Lupin, warten Sie!«
Es war Bartemius Crouch, der Jüngling im Ministerium, der so schnell aufgestiegen war, dass er wohl schon bald den Titel Minister innehaben würde. Er kam ihm hinterhergeeilt, als Lyall gerade Gerichtssaal Nr. 10 verlassen wollte, fort von seiner wohl größten Niederlage, fort von den schuldigen Gesichtern seiner Mitarbeiter, die ihm doch nichts nützten. Die Angst war ihnen unter die Haut gekrochen, hatte sich festgebissen, wie der Werwolf selbst und sie von innen heraus vergiftet.
Er ließ das Bild in seiner Anzugtasche verschwinden, ehe er aus müden Augen aufblickte.
Der junge Mann mit den mausbraunen kurzen Haaren, die wie mit einem Lineal gescheitelt zu sein schienen, hatte eine äußerst ungewöhnlich gerade Haltung, als würde ein Besenstiel im Kragen seines Hemdes stecken. Kleiner Flaum kräuselte sich auf seiner Oberlippe, so als würde Barty versuchen, sich einen Schnurrbart stehen zu lassen.
Lyall ertappte sich dabei, wie er dachte, dass der Versuch bislang mehr nach einer ziemlich behaarten Raupe aussah, die unter seiner Nase nistete.
»Mr. Crouch, was verschafft mir die Ehre?«
Crouch kam knapp vor ihm zum Stehen, leicht außer Atem von seinem kurzen Sprint. »W-was ist nu... nun un-unser nähächster Schritt?«
Mr. Lupin blinzelte.
»Nächster Schritt?«
»Um Greyback doch noch nach Azkaban zu schicken, wo er und sein ganzes Pack hingehören.« Barty zupfte sich den pflaumenfarbenen Umhang zurecht, darauf bedacht, jede einzelne Falte zu erwischen.
»Ahja«, erwiderte Lyall.
»Greyback mag diesen Kampf gewonnen haben, doch wir gewinnen den Krieg.«
Lyall lächelte trüb, die junge Naivität in Bartys Worten bespöttelnd. Es war nicht viele Jahre her, da war er mit der selben Einstellung in die Schlacht gezogen, doch nun... hatte er die Hoffnung aufgegeben? Er würde weiter für das Recht der Welt einstehen, das war er seiner Hope schuldig, dem kleinen Remus ebenso.
»Crouch, der Krieg ist etwas, das es zu verhindern gilt und nicht herbeizusehnen ist, nur in der Hoffnung letztendlich gewinnen zu können. Wir löschen die Flammen, bevor sie das Haus in Brand stecken, in dem wir Leben. Sonst haben wir vielleicht überlebt, aber um welchen Preis?«
Lyall zog seinen Hut, die Unterredung war für ihn nun beendet, er wollte so schnell wie möglich nach Hause. Sein Magen schlug Purzelbäume bei dem Gedanken an die fabelhaften Kochkünste seiner Frau. »Crouch.«
»Lupin.«
Er griff den Aktenkoffer fester, bevor er hinaus eilte, die verbliebenen Mitglieder des Zaubergamots mit ihren schuldbewussten Gesichtern ein für allemal hinter sich lassend.
Seine Knochen zerrten an ihm, erinnerten ihn an den Schmerz, den Lyall in den Augen der Zurückgebliebenen gesehen hatte, als er ihnen eröffnen musste, ihre Liebsten seien von einem Werwolf angegriffen worden und würden nie zurückkommen. Nie könnte er vergessen, was Greyback angerichtet hatte und nun würde er damit davon kommen... der Werwolf hatte bekommen, was er wollte. Die Freiheit lachte ihm entgegen - die Verbrechen, die ihm zur Last gelegt worden waren, nun aus dem Register gestrichen. Er könnte nicht erneut dafür angeklagt werden - nun war es an den Auroren auf weitere Opfer zu warten, die Fenrir verursacht hätte, weitere Leichen, die den blutroten Weg bildeten, auf dem er lief.
Das Ministerium hatte heute versagt.
Den Kopf gesenkt hechtete er die vielen Korridore entlang. Der Kamin der Familie Lupin war nicht an das Flohnetzwerk angeschlossen, also entschloss sich Lyall für einen kurzen Spaziergang an der frischen Luft, um den Kopf von all den furchtbaren Gedanken zu befreien und danach nach Hause zu apparieren.
Die kühle Frühlingsluft schlug ihm entgegen, als er aus der roten Telefonzelle stieg und den Duft nach Londoner Abgasen und Kirschblüten einsog. Seine Sohlen knirschten über den feuchten Kies, als er sich in Bewegung setzte. Lyall wollte gerade um die nächste Ecke verschwinden, als er ihn sah.
Ein maliziöses Grinsen umspielte seine Lippen, entblößte die angefeilten Reißzähne. Des Werwolfs dunkle Augen folgten jeder Lyalls Regungen, als würde er sich jeden Moment auf ihn stürzen wollen, das Fleisch von seinen Knochen reißen...
»Greyback.« Lyall zog unauffällig den Zauberstab aus seiner Manteltasche.
»Lupin... Lupin... Lupin...«
Fenrir Greyback stieß sich von der Steinmauer ab, an der er bis eben gelehnt hatte, die Arme verschränkt, den Zauberstab in den großen Klauen umherzwirbelnd.
»Keinen Schritt weiter, Werwolf!«, hisste Mr. Lupin, den Zauberstab erhoben. Greyback lachte bellend.
»Sieh's ein, Lupin, du hast verloren. N' freier Mann bin ich jetzt.« Er hob die Hände. Seine bloßen, behaarten Handgelenke, an denen die eisernen Ketten rote Abdrücke hinterlassen hatten, schienen Lyall nur so zu verspotten. Er hatte versagt.
»Jeder freie Vogel kann auch wieder in einen Käfig gesperrt werden«, presste Lyall zähneknirschend hervor. So gerne hätte er dem Werwolf einen Fluch nach dem anderen auf den Hals gehetzt. »Euer ganzes Pack ist eine Bande von Mördern. Ihr tötet aus Spaß, du tötest aus Spaß. Kinder, Erwachsene, Zauberer, Muggel - es ist dir egal. Die Welt wäre ein besserer Ort ohne euch Halbmenschen! Jeder einzelne Werwolf gehört getötet, dann ist die Welt wieder rein!«
Er hatte sich in Rage geredet, die Worte entsprangen seiner Wut, nicht seinem Verstand.
Das war sein Fehler.
Greybacks Gesichtszüge verhärteten sich. Ein gefährliches Funkeln trat in seine Augen, er fletschte die Zähne und zog die buschigen Augenbrauen zusammen. Er sah dem Wolf in ihm so verdammt änlich, als hätte er über die Jahre mehr von einem Werwolf als von einem echten Menschen. Was sein Inneres anging, war dem wohl auch so. »S' nicht besonders klug, Lupin - 'nen Werwolf gerade heute zu verärgern.« Er trat näher an Lyall heran. Sein blutiger Atem schlug ihm ins Gesicht, doch Lyall wagte keinen Schritt zurückzuweichen. Seine Handflächen wurden feucht, mit klammen Fingern umfasste er den Zauberstab fester, doch der Geruch nach Eisen, nach getrocknetem Blut ließ ihm Tränen in die Augen schießen.
Greyback knurrte. »Einen Werwolf an Vollmond wütend zu machen - nicht gerade schlau.«
Lyall blinzelte. »Du wagst es nicht, mich zu töten. Sie würden dich sofort nach Azkaban stecken!« Er drückte seinen Zauberstab gegen die Wolfskehle, blind vor Wut, doch Greyback war stärker. Mit seinen Pranken stieß er Lupin von sich, seine langen Krallen zerfetzten den Stoff des Nadelstreifenanzugs und hinterließen rote Striehmen an Lyalls Unterarmen. Blut quoll aus ihnen hervor, sog sich in den grauen Stoff und färbte ihn zu einem schmutzigen Braun. Vor Schmerz jaulte Lupin auf. Die beiden Männer achteten nicht auf das kleine Stück Papier, das in aller seelenruhe zu Boden segelte.
»So wie heute?«, fragte der Wolf gehässig. »Sollte ich dich zerfetzt haben, bleibt von dir nicht mehr genug übrig, das man dem Ministerium als Beweis bieten könnte.«
»Noch ist der Mond nicht aufgegangen!«
Stimmengewirr echote von den Hauswänden bis hin in die kleine Seitengasse, in der Lyall und Greyback sich gegenüber standen, beide Zauberstäbe erhoben. Die Muggel erinnerten Lyall daran, dass sie noch immer mitten in London standen. Die kleine Sackgasse, mochte zwar völlig menschenleer sein, doch er konnte sich hier kein Duell leisten. Die Gefahr, einen Unbeteiligten zu verletzen, war einfach zu groß.
Greyback spürte seine Angst. Die gelben, spitzen Zähne schimmerten kupferfarben. Er schnappte nach Lyall und säuselte: »Noch nicht...«
»Verschwinde, Greyback!«
Den neugefundenen Mut auskostend, stieß er den Wolf zurück, bevor Lupin in Richtung Innenstadt davon lief. Er war kein Kämpfer, ihm lag das Schwert auf der Zunge, ein Künstler der Worte, doch im Augenblick wünschte er sich nichts sehnlicher, als nicht vor lauter Angst zu zittern. Er war ein Feigling der vor einem Krieg floh, ohne zu bemerken, dass er schon mittendrin steckte.
Greyback leckte sich über die Lippen, seine Zunge fuhr den rauen und spröden Mundrand entlang, glitt über die scharfen Reißzähne. Er genoss den Duft des Angstschweißes, der von Mr. Lupin ausgeströmt war, genoss die Furcht, die in seinen Augen getanzt hatte.
Das würde heute Nacht ein Festschmaus werden, dachte er sich, als der Kies unter seinen Schuhen auf einmal ein anderes Geräusch von sich gab. Mit seinem nahezu perfekten Gehör, war er dem der einfältigen Menschen weit überlegen und so ließ er seinen Blick hinabschweifen.
Er bückte sich und hob das Foto auf. Der kleine Junge lächelte ihm fröhlich zu, bevor er sich in der Halsbeuge seiner Mutter versteckte.
»Alle Werwölfe gehören getötet, Lupin?«, rief er in die leere Gasse, die Stimme kalt und grausam. »Das werden wir ja noch sehen...«
Er disapparierte, löste sich auf in einer Wolke aus schwarzem Rauch und verschwand in den Schatten der Gasse.
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»Gute Nacht, Remus«, flüsterte Lyall, bevor er seinem Sohn einen flüchtigen Kuss auf die Stirn hauchte. Dem kleinen Lupin fielen schon die Augen zu und es kostete ihn alle Anstrengung, um sie noch offen zu halten.
»Daddy, kannst du nachgucken, ob-«
Lyall lachte vergnügt, die angespannte Stimmung des Nachmittags war verflogen und er kniete sich auf die Holzdielen und lugte unter das Bett, nur um kleine Staubflocken und mehrere einzelne Socken vorzufinden.
»Keine Monster«, versicherte er und zerstrubbelte seinem Sohn die braunen Haare. »Bleib unter der Decke und du bist sicher, bis Mommy und ich dich morgen früh zum Frühstück rufen.«
Die Lippen des kleinen Jungen verzogen sich zu einem breiten Grinsen. »Gibt es Schokotorte zum Frühstück?« Die zarten Sommersprossen tanzten belustigt über sein Gesicht. Lyall schüttelte den Kopf, sich bemühend ein ernstes Gesicht aufrecht zu halten.
»Remus, Schokotorte ist doch kein Frühstück, auch nicht morgen.«
»Aber morgen ist mein Geburtstag!«
Lyall wandte sich zum Gehen um, mit seinem Zauberstab löschte er die Öllampen und griff nach der Tür. »Wir werden sehen, Sohnemann.«
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Die Sonne verschenkte ihre letzten Strahlen in einem dunklen Rot und Gold, ehe sie schließlich hinter den Hügeln im Westen verschwand. Der pralle Mond löste sie von ihren Diensten ab, stieg hoch hinauf und hüllte die Welt in einen blauen Schein.
Lyall und Hope Lupin saßen eng umschlungen auf dem Sofa vor dem Kamin, nicht ahnend, dass im Wald angrenzend an ihr Grundstück in eben jenem Moment ein Mann mit den Schmerzen seiner Verwandlung kämpfte.
Er spürte jeden seiner Knochen brechen, wachsen, sich verbiegen. Seine Haut brannte wie das schlimmste Höllenfeuer, das die Dämonen zu bieten hatten, jede Zelle in seinem Körper schien vom Mond ergriffen, bereit sich zu wandeln, ihn zu wandeln. Dunkle Borsten brachen aus seinem Rücken hervor, hüllten den Wolf in sein schwarzes Gewand aus dichtem verfilzten Fell.
Die dunklen, gierigen Augen richteten sich gen Himmel, ein schauderhaftes Grinsen umspielte seine Lippen, die scharfen Zähne begannen zu wachsen, ragten ihm beinahe bis ans Kinn, die Nase zog sich in die Länge und wurde zu der Wolfschnauze, die er so ersehnte. Die Ohren wurden spitz, die Augen scharf. Zusammen mit der Verwandlung setzte der Hunger ein, der unstillbare Durst nach frischem Blut, das seine Kehle hinab rinnen sollte. Die langen, zerschundenen Hände und Fingernägel wurden zu Pfoten und Krallen, ein weiteres knöchernes Knacken und er warf den Kopf in den Nacken.
»Aroooooooooo!«
Der Mond mein alter Freund, dachte er und beugte die Vorderpfoten, als würde er knien. Ich bringe dir das Opfer, das wir alle verdienen.
»AroooArooArooooooooo!«, jaulte er erneut und preschte vor. Er hörte das Knistern der Blätter und Äste, die er passierte, vernahm den Duft des Waldes im Frühling. Der Mond erhellte ihm den Weg, das kleine Farmhaus kam schnell in Sicht und mit ihm der Duft nach frisch gebackenen Plätzchen, Staub und Blut.
Fenrir wusste, wo der Junge war. Ein Kinderspiel.
Wenn Lyall Lupin seinen Plan durchschaut hätte, wäre es schon zu spät. Mit den eigenen Waffen geschlagen. Greyback stürzte auf den Baum vor dem Fenster, hievte sich hinauf, um durch das nächstgelegene Fenster zu krachen. Glas zersplitterte, die Äste unter seinen Wolfstatzen gaben nach und schlugen dumpf zu Boden. Der Wolf kam mit vor Vorfreude zitternden Pranken zu Stehen, sah hinab auf die kleine Gestalt, die von dem lauten Krach aufgeschreckt war und sich an die Wand kauerte, zu entsetzt um zu weinen, zu verängstigt um zu schreien.
Doch das wäre auch nicht nötig gewesen. Aufgeschreckt durch das Geräusch von zersplinternem Glas kamen Lyall und Hope die Stufen hinaufgerannt.
Greyback knurrte. Das kleine Jagdspiel, das er sonst so liebte, musste wohl ausfallen. In eben jenem Moment als Lyall mit erhobenem Zauberstab die Tür eintrat, war der Wolf schon vorgesprungen und hatte seine gelben Reißzähne in der Schulter des Jungen vergraben.
Remus schrie vor Schmerz auf.
»Remus!«, wimmerte Hope und brach bei dem Anblick zusammen.
»NEIN! STUPOR! IMPEDIMENTA! PETRIFICUS TOTALUS! NEIN! NEIN! NEIN! STUPOR!«
Hope vergrub das Gesicht in den Händen, als Nicht-Magierin nicht im Stande etwas auszurichten, geschweige denn dabei zuzusehen.
Die Zauber trafen Greyback nicht, er hatte die Zähne schon wieder aus Remus' Fleisch gerissen, Blut tropfte zu Boden, auf das Bett. Was für eine Verschwendung, dachte er. Mit einem einzigen Sprung hechtete der Wolf aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit, in den Schutz des Waldes.
Er hatte bekommen, was er wollte.
Nie endendes Leid für Lyall Lupin.
Der Junge war ihm völlig egal.
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002. Gift in deinen Adern
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