Kapitel 6. Weiche Beeren
- ν є я g α η g є η н є ι т -
- ~ 𝟹 𝙱𝚕𝚊𝚝𝚝𝚠𝚎𝚌𝚑𝚜𝚎𝚕 𝚞𝚗𝚍 𝚗𝚎𝚞𝚗 𝙼𝚘𝚗𝚍𝚎 𝚣𝚞𝚟𝚘𝚛 ~ -
"Weißpfote? Kann ich einen Moment mit dir reden?"
Weißpfote zuckte überrascht mit der Schwanzspitze, als ihre Mentorin hinter ihr aus dem Unterholz trat. Sie war gerade dabei gewesen, die Fährte einer Rötelmaus aufzunehmen. Schließlich war sie Teil der Jagdpatrouille. Genau wie Beerenfuß. Warum jagt sie dann nicht?, wunderte sich Weißpfote und begann sofort, sich Sorgen zu machen.
Also richtete sie sich angespannt auf und ließ ihre Mentorin auf sich zukommen.
"Was gibt es denn? Jage ich nicht gut? Ich weiß, dass ich immer noch etwas Probleme habe. Die schwarzen Sprenkel meines Fells können das Weiße nicht gut überdecken, deswegen hatte ich auch schon überlegt, ob ich mir vor einer Jagdpatrouille immer etwas Erde oder Lehm ins Fell schmieren sollte. Das geht aber so schwer wieder ab und ich bekomme es trotzdem meistens hin, einen Fang zu machen und-"
"Ist gut, Weißpfote, ist gut." Beerenpfote schnurrte, als sie Weißpfotes nervöses Miauen unterbrach.
"Darüber wollte ich gar nicht mit dir reden. Gerade durch dein auffälliges Fell nimmst du das Anschleichen und die Tarnung vor der Beute sehr viel ernster als die meisten, was dich genauso gut im Jagen wie die anderen Schüler macht. Wenn nicht sogar besser. Denn in der Blattleere, wenn es schneit, wird dir dieses Geschick zusammen mit dem hellen Fell ein Vorteil sein, warte es nur ab!"
Weißpfotes Schnurrhaare vibrierten aufgeregt. Ihre erste Blattleere würde bald kommen! Und Schnee - dieses weiße Zeug, das vom Himmel fallen sollte. Die Ältesten hatten ihr viel vom Schnee erzählt, doch sie konnte es noch nicht ganz glauben. Doch nun war schon Blattfall, die Nächte wurden kälter und die Jagdpatrouillen dringender, da sich viele Teile der Beute nun unter die Erde verzog, um der Kälte zu entgehen.
Zudem, so dachte sie insgeheim, könnte sie vielleicht während dieser kommenden Blattleere ihren Kriegernamen erhalten. Sie hatte gehört, dass gute Schüler meist schon nach sechs Monden zu Kriegern ernannt wurden. Sie trainierte schon seit drei Monden, darauf hatte sie geachtet, ihren sechsten Mond als Schülerin würde sie in der Blattleere erleben.
Einen kurzen Moment gestattete sie sich, ein Bild vor ihrem inneren Auge heraufzubeschwören. Auf diesem Bild stand sie stolz und groß vor dem Anführer und erhielt noch vor ihren Geschwistern ihren Kriegernamen, weil sie, anders als Weißpfote mit ihrem hellen Fell, nicht gut genug in dem Schnee getarnt waren.
In dem Bild von ihrer Kriegerzeremonie war auch alles weiß, wie Schnee, passend zu ihrem Fell - auch wenn Weißpfote nicht genau wusste, wie sie sich das vorstellen sollte.
Doch dann kam sie wieder in der Realität an.
"Weswegen wolltest du mich denn dann sehen, Beerenfuß?"
Die gefleckte Kätzin zögerte einen Moment.
"Nun, weißt du, ich bin deine Mentorin. Und als solche habe ich die Aufgabe, dich zur Kriegerin auszubilden und dich während dieser Ausbildung zu begleiten, um dich bestmöglich auf die Prüfung vorzubereiten."
Weißpfote nickte, der Teil war ihr bekannt. Sie wurde ein wenig unruhig.
"Das umfasst besonders das Ausbilden bestimmter Fertigkeiten, wie das Jagen, Verteidigen und das Kämpfen. Auch lehre ich dich, das Gesetz der Sterne zu befolgen und es zu respektieren. Doch ich möchte auch, dass du weißt, dass du mir über das Training dieser Dinge hinaus wichtig bist. Als Katze. Ich sehe dich an und weiß nicht, ob ich mich in deine Angelegenheiten einmischen darf, denn schließlich ist das nicht meine Aufgabe. Doch mein Herz sagt mir, dass ich mich auch um dich kümmern darf, um dich Sorgen darf. Und deswegen möchte ich meine Bedenken bezüglich deiner sozialen Kontakte und deiner sehr ... ehrgeizigen Einstellung gegenüber deinen Schülergefährten äußern."
Weißpfote stand wie erstarrt da.
Sanft fuhr Beerenfuß fort.
"Du trainierst so hart und nimmst das Schülerdasein sehr ernst. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, eine so fleißige und kluge Schülerin zu haben, Weißpfote. Doch es bekümmert mich, wie du dich von deinen Wurfgefährten entfernt hast. Du meidest sie, siehst sie nur noch als deine Konkurrentinnen und so pflegst du auch deine anderen Beziehungen. Immer wieder sehe ich dich alleine; alleine beim Essen, alleine in der Sonne liegend, alleine auf den Patrouillen. Und das, während deine Wurfgefährtinnen meist nur wenige Schwanzlängen von dir entfernt sind und sich unterhalten, gegenseitig unterstützen und zusammenhalten.
Ist etwas zwischen euch dreien vorgefallen, dass du dich so von ihnen distanziert hast, Weißpfote?", fragte sie vorsichtig.
In Weißpfotes Kopf drehte sich alles.
Warum konnte Beerenfuß nicht mit ihrer guten Leistung zufrieden sein?
Warum stocherte sie jetzt so in ihrem Privatleben herum?
Und warum war ihr das so sehr aufgefallen? Weißpfote selbst bemerkte es gar nicht mehr richtig, wenn und dass sie alleine war. So war das eben. Sie und ihre Wurfgefährtinnen hatten doch gar nichts mehr gemeinsam. Sie waren einfach zu verschieden.
Das versuchte Weißpfote sich zumindest einzureden. Denn wenn sie zuließ, dass die kleine Stimme in ihrem Kopf, die immer dann besonders laut wurde, wenn sie alle im Schülerbau lagen und Weißpfote mitbekam, wie sich Nachtpfote und Wisperpfote ein Nest teilten, in dem sie sich aneinander kuschelten und sich noch gegenseitig leise von ihrem Tag erzählten, auch im Rest ihres Tages lauter wurde, dann konnte sie ihr Training vergessen.
Um gut zu sein, brauchte es Disziplin. Und die konnte sie nicht haben, wenn sie sich nach lustigen, unbefangenen Gesprächen sehnte oder sich diese flüchtigen, selbstverständlichen Gesten von ihren Wurfgefährtinnen wünschte.
Wie Nachtpfote Wisperpfote im Vorbeigehen freundschaftlich mit der Schwanzspitze antippte. Wie sie einander schon fast im Halbschlaf noch einmal über die Stirn strichen. Wie Nachtpfote ohne ein Wort Wisperpfotes Morgenfell richtete, wenn es ganz verwuschelt war und Wisperpfote noch zu benommen vom Schlaf, um es überhaupt mitzubekommen. Wie die beiden sich über die Lichtung hinweg ansehen konnten und keine Worte brauchten, umeinander zu verstehen. Und dann schnurrten die beiden auf einmal unterdrückt, als gäbe es da einen Witz, den nur sie beide verstünden, und Weißpfote saß irgendwo zwischen ihnen mit aufrechter Haltung und ernster Miene und fühlte einen Stich im Herzen.
Schon allein, dass ihr all diese Geste zwischen den beiden aufgefallen waren, zeigte doch, wie unkonzentriert sie immer noch war. Daran musste sie etwas ändern. Weißpfote atmete tief durch, um sich wieder zu sammeln. Dieses Gespräch mit Beerenfuß wühlte sie ziemlich auf.
Doch damit war jetzt Schluss.
Sie schüttelte entschieden den Kopf und blickte Beerenfuß fest in die Augen.
"Zwischen uns dreien ist nichts vorgefallen, Beerenfuß, mach dir keine Sorgen. Wir haben uns einfach mit der Zeit ein wenig auseinandergelebt, das passiert." Sie zuckte beiläufig mit den Ohren, als hätte sie nicht zum größten Teil dazu beigetragen, dass die drei sich auseinandergelebt hatten.
"Außerdem habe ich ja gar nicht keine Freunde", fügte Weißpfote hinzu, um sich zu verteidigen. "Ich teile mir häufig mit Rabenpfote die Frischbeute, mit ihm verstehe ich mich gut."
Beerenfuß blickte sie schweigend an. Dann seufzte sie.
"Wie auch immer, ich bin auf jeden Fall für dich da, solltest du jemanden zum Reden brauchen." Sie wandte sich schon zum Gehen, dann drehte sie sich noch einmal zu ihr um.
"Und, Weißpfote, ich bin sehr stolz auf dich. Das wollte ich dir noch sagen."
Dann verschwand sie wieder zwischen den Blättern des Waldes.
Und obwohl Weißpfote sich über das Lob ihrer Mentorin freute, konnte sie nicht verhindern, dass es ihr schwer zu wiegen schien. Denn Beerenfuß' hatten so traurig geblickt und ihre Stimme hatte so bekümmert geklungen, als sie Weißpfote gelobt hatte.
Ärgerlich schüttelte Weißpfote den Kopf über diese Gedanken. Sie konnte Beerenfuß und ihre vielen Sorgen nicht verstehen. Sie war eine gute Schülerin und würde dadurch auch bald schon eine gute Kriegerin sein.
Das Bild von ihrer Kriegerzeremonie hielt sie gedanklich fest, während sie sich auf die Suche nach einer neuen Fährte machte; die Rötelmaus von vorhin war sicherlich schon längst über alle Berge.
Beerenfuß verschwendete ihre Zeit, wenn sie sich wirklich so viele Gedanken über das Sozialleben ihrer Schülerin machte. Sie war doch nicht ihr Junges! Weißpfote hatte schon eine Mutter, vielen Dank. Nun ja, vielleicht sollte Weißpfote auch nicht allzu hart mit Beerenfuß ins Gericht gehen. Schließlich hatte die Kätzin, bevor sie Weißpfotes Mentorin wurde, ihren ersten Wurf verloren. So hatte sie es gehört; es war eine herzzerreißende Geschichte, bei der beide Kätzchen tot zur Welt gekommen waren.
Damals war Weißpfote selbst noch ganz jung gewesen und hatte Beerenfuß' Trauer gar nicht mitbekommen. Aus diesem Grund wollte Weißpfote nachsichtig mit Beerenfuß sein. Vielleicht projizierte die kleine Kätzin, die Weißpfote mittlerweile schon fast überragte, ihre versäumten Muttergefühle ja nun auf ihre Schülerin. Oder es war ihre Vorstellung von Freundschaft, sich so einzumischen. Oder, dieser Gedanke kam Weißpfote nun, vielleicht machte Beerenfuß auch alles richtig und Weißpfote war die, die mit ihrer Ablehnung und dem sich Abschotten etwas falsch machte.
Was auch immer es war, darüber konnte sie sich später noch den Kopf zerbrechen. Denn nun hatte sie einen fetten, träge über den Boden hoppelnden Finken entdeckt.
Sie ließ sich in die Kauerhaltung fallen, zog die Pfoten nahe an ihren Bauch, hielt den Schwanz unbewegt auf Schulterhöhe und spannte die Bauchdecke an. Mit auf den Finken fokussiertem Blick schlich sie sich langsam näher, während sie darauf achtete, dass der Wind ihren Geruch nicht weitertrug und ihr helles Fell immer durch etwas getarnt war, dass sich zwischen ihr und dem Finken befand.
Und mit jedem bedächtig gesetzten Pfotenschritt, mit dem sie ihrer Beute näherkam, entfernte sie sich von den Gedanken, die sie soeben noch so aufgewühlt hatten.
Am Ende der Jagdpatrouille betrat sie das Lager mit zwei Vögeln und einer Maus im Maul, das Gespräch mit Beerenfuß hatte sie schon so gut wie vergessen.
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- 1500 Wörter
Naaa, Sternis ;D
Was sind eure Gedanken zu diesem Gespräch, bei dem Beerenfuß Weißpfote mit ihrem Ehrgeiz konfrontiert, der sie dazu bringt, sich von ihren Clangefährten zu entfernen?
Findet ihr Weißpfotes Einstellung auch eher problematisch oder seid ihr auf Weißpfotes Seite - Ehrgeiz und Disziplin sich wichtig, um gut zu werden?
Ich bin mal gespannt auf eure Antworten, nächste Woche geht's weiter! ;D
Möge der SternenClan eure Pfade erhellen ~
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