Die Geschichte der Sternenkatze

"Schieferwind! Erzähl uns die Geschichte der Sternenkatze", maunzten die Jungen im Ältestenbau, ihre Augen groß und erwartungsvoll.

Schieferwind, ein in die Jahre gekommener Kater mit grauem, schütteren Fell, gähnte. Er richtete sich auf und schüttelte sich etwas, sodass graue Fellbüschel in das auf dem Boden verstreute Moos rieselten. Die Blattleere war vorüber und die Monde begannen wärmer zu werden, die Katzen verloren ihr dichtes Fell.

"Nun, nun", murmelte Schieferwind. Er tat ganz müde und zerstreut, doch die kleinen Kätzchen kannten den verschmitzten Kater und wussten, wie gerne er Geschichten erzählte. Und sie liebten es, wenn Schieferwind von alten Zeiten und Geschichten sprach, denn keine andere Katze im Clan konnte so lebendig und spannend erzählen.

Beerenfuß, die gefleckte alte Kätzin, die mit Schieferwind den Ältestenbau bewohnte, schnurrte wohlwollend und machte es sich gemütlich. Die Geschichte der Sternenkatze hatte Schieferwind schon unzählige Male erzählt, doch die Kleinsten des Clans konnten nie genug von der zauberhaften Katze hören, die vor so vielen Blattwechseln unter den Eichen und Fichten gewandelt war.

"Lasst mich mal überlegen, wie ging der Anfang nochmal?", miaute Schieferwind und dachte so angestrengt nach, dass die Jungen ungeduldig wurden.

"Es war einmal eine silberne Kätzin, die Sterne des Nachthimmels funkelten in ihrem Fell", maunzte Haseljunges aufgeregt mit gerecktem Kopf. Die kleine Kätzin hatte die Geschichte nun schon dreimal von Schieferwind erzählt bekommen und wollte sie doch wieder und wieder hören.

"Ah, stimmt, Haseljunges, so ging der Anfang!", miaute Schieferwind wohlwollend glucksend. Er räusperte sich, dann knüpfte er an Haseljunges Worten an.

"Es war einmal eine silberne Kätzin, die Sterne des Nachthimmels funkelten in ihrem Fell und der Nachthimmel selbst war dunkel und schwer, ohne jedes Licht außer das des Mondes, der auf die Wälder herabblickte, durch die die Sternenkatze streifte."

Schieferwinds Stimme war bedächtig und wirkte beruhigend auf die sonst so wuselige Rasselbande, alle versammelten Jungen lauschten stumm und andächtig den Worten des grauen Katers.

"Die Sternenkatze durchstreifte die Wälder gerne, sie mochte es, das klare Flusswasser zu trinken, die frische Waldluft zu atmen, die gesunde Beute zu schmecken und den singenden Stimmen der Vögel zu lauschen. So saß sie häufig unter Bäumen, den hellen Vogelgesängen lauschend, während die Sonne warme Schattenmuster auf das satte Moos warf.

Die Sternenkatze war glücklich und sie war zufrieden. Wo sie ihre Pfoten auf den Boden setzte, sprossen Blumen und frische Gräser. Berge wuchsen mächtig grollend und Bäume reckten ächzend vor Erleichterung ihre Kronen gen Himmel, wenn sie ihren Sternenblick auf sie richtete.

Mäuse und Eichhörnchen begleiteten sie auf ihren Pfaden, die sie lief und Hirsche senkten ihre mit majestätischen Geweihen bestückten Häupter, wenn sie der Katze mit dem funkelnden Silberfell über den Weg liefen. 

Die Tiere und Pflanzen des Waldes liebten die Sternenkatze, denn sie brachte ihnen neues Leben und ausgeglichene Balance, ihre Anwesenheiten konnte die bittere Kälte von Blattleeren mildern und den lebenspendenden Regen in heißen Blattgrünen hervorrufen. 

Und so lief die Sternenkatze mit Liebe im Herzen für all das Leben um sie herum durch die Wälder und Felder, durch Täler und über Berge, sprang über glucksende Bäche und schwamm durch schimmernde Flüsse. 

Doch wenn sie nachts vor dem Schließen ihrer Augen den Blick zum am Nachthimmel stehenden Mond richtete, fühlte sie etwas Seltsames. Es schlich sich eine Leere neben die Stelle in ihrem Herzen, in dem die Liebe wohnte. Und diese Leere erzählte von Einsamkeit und Bedauern. 

Bedauern, dass sie so allein wie der Mond ihre Pfade beschritt. Dass sie alleine die Wälder durchstreifte, alleine das klare Flusswasser trank, alleine die frische Waldluft atmete, alleine die gesunde Beute schmeckte und alleine den singenden Stimmen der Vögel lauschte.

So reiste die Sternenkatze weiter durch die ausgelassenen Wälder, doch wurde sie innerlich unruhiger und nachdenklicher. Und wenn sie abends die Augen schloss, erschien ihr der einsame Mond in ihren Träumen.

Sie wusste, dass auch er einsam war. Denn einst waren sie beide die Hüter des Nachthimmels gewesen, der Mond und der Stern. 

Sie hatten gemeinsam über die Nacht gewacht, die Wälder von oben betrachtet und die schwarze, kühle Luft geatmet. Es war ein stilles Leben voller Erfüllung und Ruhe gewesen, doch ohne Leben und Treiben. Der Stern hatte sich nach dem Leben gesehnt, welches auf Welt in all ihren Wäldern geherrscht hatte. Und wenn der Stern all das Treiben nur aus so weiter Ferne erahnen konnte, so wuchs die Sehnsucht nach einem solchen Ort, einem Ort des Lichts und Lebens, mit jeder Nacht, die der Mond und der Stern gemeinsam verbrachten. 

Und so hatte der Stern den Mond gebeten, den Nachthimmel für einige Zeit zu verlassen, um hinunter auf die bunte, lebendige Welt zu steigen. Und der Mond, in unendlicher Liebe zu dem Stern, hatte dessen Bitte nicht ausschlagen können und ihm den Segen gegeben, den Nachthimmel zu verlassen und als Katze die Welt mit all ihrem Licht und Leben zu erfahren.

Doch nun, da der Stern so lange in Gestalt einer Katze, dem feinsten aller Wesen, über die Erde gewandelt war und jeden Wald durchstreift, jedes Tal durchwandert und jeden Fluss durchschwommen hatte, nun fühlte sie sich einsam.

Sie lag unter den herabhängenden Ästen einer Weide und wünschte sich Gesellschaft, andere, mit denen sie das Glück des Lebens teilen könnte. 

Die Schritte der Sternenkatze waren nunmehr träge und schwer, als sie langsam ihren steten Weg fortsetzte und die Wälder durchstreifte. Eine Müdigkeit hatte sich mit der Einsamkeit in ihr Herz geschlichen und schien nicht gehen zu wollen, so ausgiebig die Sternenkatze auch unter den Kronen der Bäume rastete und träumte. Die Schwere in ihren Knochen blieb bestehen und senkte ihren Blick auf den Laubboden, statt ihn nach oben zu den singenden Vögeln zu richten.

Doch geschah es eines Morgens, dass die Sternenkatze auf eine Lichtung trat. Eine Lichtung in einem kleinen Buchenwäldchen, in dem viele Mäuse munter umherhuschten und die Vögel besonders lieblich ihre Lieder sangen. 

Auf dieser Lichtung fand die Sternenkatze einen Kater, das Fell braun gescheckt und die bernsteinfarbenen Augen blickten ehrfürchtig auf die nähertretende Sternenkatze. Eine Kätzin lag neben dem gescheckten Kater im Farn und an ihren Bauch drängten sich vier quirlige Junge, die ihre großen Augen erstaunt auf das Funkeln im Fell der Sternenkatze richteten.

Zwei weitere Katzen, die miteinander verwandt sein mussten, traten aus dem hohen Gras und bedachten den Neuankömmling mit einer Mischung aus Staunen und Ehrfurcht. Ihr schildplattfarbenes Fell war noch recht flauschig, die  Köpfe und Pfoten groß, sie mussten also noch recht jung sein. 

Der Kater musterte die Sternenkatze und miaute mit gesenkter Stimme: "Wer seid Ihr?" Doch die Sternenkatze war nicht imstande zu antworten, als Stern hatte sie keine Stimme, mit der sie den fremden Katzen ihre Geschichte hätte erzählen können. 

Doch sie setzte sich zu den Katzen und es dauerte nicht lange, bis diese verstanden, dass sie friedvoll und neugierig war. Und so begann die Kätzin, die den schönen Namen Singvogel trug, ihre Geschichte zu erzählen.

Sie und ihr Gefährte Baumrinde hatten die beiden Geschwister Licht und Schatten alleine zwischen den Wurzeln eines Baumes aufgefunden, ganz klein waren sie da noch und ihre Mutter nirgends zu sehen.

So entschloss sich das Paar, nachdem sie für einige Tage bei den Jungen gewacht und auf die Mutter gewartet hatten, dass sie die kleinen Kätzchen mit sich nehmen wollten, mit auf ihre Reise. Denn die beiden suchten nach dem Wasserfall, von dem die Eltern Singvogels einst erzählt haben sollten. Dort wollten sie Singvogels Eltern wiederfinden, die vor einigen Monden spurlos verschwunden waren. Baumrinde begleitete seine Gefährtin und kümmerte sich um sie, als sie trächtig wurde und die kleinen Junge gebar.

Die Sternenkatze lauschte dem Schicksal der Katzengruppe und sie fühlte sich glücklich in ihrer Mitte. Sie hatte Gesellschaft gefunden. Die Sternenkatze äußerte ihren wortlosen Wunsch, die Gruppe begleiten zu dürfen und die Katzen waren einverstanden, denn einem so zauberhaften Wesen waren sie noch nie zuvor begegnet. 

Sie staunten über das Leben, das überall spross, wo die Sternenkatze ihre Pfoten hinsetzte und sie waren überrascht, wie zutraulich die Mäuse und Eichhörnchen im Umgang mit ihr waren. 

Die Katzen mussten keinen Hunger mehr leiden und nahmen sich respektvoll so viel, wie sie zum Überleben brauchten. Gleichzeitig schützten sie die Schwächeren und harrten so manches Mal für mehrere Sonnenaufgänge an einem Ort aus, um einen Vogel mit verletztem Flügel zur Gesundung zu verhelfen. 

Die Sternenkatze war glücklich mit der Familie, mit der sie nun reiste. Allerdings war sie, trotz all der Liebe und Zuneigung, die die anderen ihr entgegenbrachten, auch noch immer eine Fremde für sie. Und dieser gewisse Grad an Fremdheit würde auch nicht verschwinden, so viele Blattwechsel sie auch miteinander verbrachten.

Denn ein Schimmer umgab die Sternenkatze, ein Schimmer ihrer Macht und Unsterblichkeit. Die Liebe des Mondes hing in ihrem Fell und auch wenn sie im Körper einer Katze war, so war es doch zu merken, dass etwas an ihr überirdischer war, als die anderen Katzen es überhaupt erahnen konnten.

Doch dies bereitete der Gruppe keinerlei Probleme. Sie liebten einander, sorgten füreinander und ließen einander nicht im Stich. Singvogels Junge wuchsen schnell heran und die Sternenkatze, die von den anderen nur Stern genannt wurde, beobachtete mit fasziniertem Wohlwollen das bunte Leben, das so vergänglich war und denen, die es lebten, doch so viel Freude bereiten konnte. 

Andere Katzen kamen hinzu und zogen weitere Generationen heran, sodass die Sternenkatze schon bald von vielen Gleichgesinnten umgeben war sowohl Singvogels als auch Baumrindes Schnauzen allmählich graue Haare bekamen.

Die Sternenkatze liebte die Katzengemeinschaft, in der sie lebte und sie wollte sie nicht verlassen. Doch spürte sie auch immer öfter, wie der Mond nach ihr rief und sie zurück an seiner Seite haben wollte, wie er ihr von seiner Einsamkeit am Nachthimmel erzählte. 

Mond und Stern konnten nicht ewig voneinander getrennt sein, das wusste die Sternenkatze. 

Und so kam es, dass, als die Katzengruppe den Wasserfall eines Mondes tatsächlich erreichte, dass sich die Sternenkatze von ihren geliebten Gefährten verabschiedete. Sie verließ die Katzen und kehrte als Stern an ihren angestammten Platz am Nachthimmel zurück. 

Singvogel und Baumrinde, die die Sternenkatze nun schon so viele Blattwechsel lang begleitet hatten, trauerten sehr bei diesem Abschied, doch war die Trennung nicht von langer Dauer. 

Denn als die beiden alten Katzen starben und ihre Körper verließen, lud der Stern die beiden Seelen ein, neben ihr und dem Mond am Nachthimmel zu leben und gemeinsam die dunklen Stunden zu verbringen. 

Und als der Stern so zurück am Himmel war, war er nicht mehr allein und nicht mehr einsam. Denn die Katzen, die sie liebte, kamen an den Nachthimmel zu ihr und füllten ihn mit Sternen, die hell leuchteten und über ihre Gefährten auf der Erde wachten. 

Diese benannten von nun an ihre Anführer mit der Nachsilbe -stern, um der Sternenkatze zu ehren, die sie zusammengeführt hatte und sie auch nach dem Tod noch im SternenClan vereinte. 

Die Sternenkatze war glücklich im SternenClan und man erzählt sich, dass sie auch heute noch manchmal auf die Erde kommt, um durch die Wälder zu streifen und den Vögeln zu lauschen."

Und damit endete Schieferwind seine Erzählung. Die Jungkatzen hatten große, leuchtende Augen und in ihren Gedanken kreiste die Sternenkatze.

Und als sie sich am Abend gemeinsam in der Kinderstube aneinander kuschelten, da war es ihnen, als würde ein besonderer Stern am Nachthimmel heller strahlen als die anderen.

Ob dies vielleicht die Sternenkatze war?

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- 1800 Wörter

Hey Sternis, da ist die erste Abgabe für den FederClan - der FederClan ist Teil eines WaCa-Schreibwettbewerbs von der lieben Donnerwolke1, schaut gerne mal vorbei (auch wenn die Anmeldung schon vorbei ist, kann man ja ein paar Sternchen für das Projekt dalassen und bei den anderen Teilnehmern vorbeischauen ;D)

Für meine erste Abgabe, die Kurzgeschichte, habe ich eine Art Märchen gewählt, da sich die WaCa-Katzen sicherlich auch Geschichten erzählen, wie wir Menschen  es tun. Und in dieser Geschichte wird die Herkunft des SternenClans erklärt - diese Erklärung ist nicht offiziell, sie entspringt nur meiner Fantasie und ist komplett fiktiv!

Doch was sagt ihr zu der kleinen Märchenstunde? ;D

Dieses Märchen wird der Anfang, die Grundlage, für die darauf folgende Story sein. 'Das Echo der Sternenkatze' wird sich ganz um die Prophezeiung (siehe Klappentext) drehen - seid ihr schon gespannt? ^^

Und ein großes Dankeschön möchte ich der lieben @-wildpfote- aussprechen, die dieses absolut atemberaubende, magische Cover gestaltet hat!
Wenn ihr mehr von dieser Kunst sehen wollt, geht doch auf ihr Profil und lasst ein Follow da, um ihr den gebührenden Respekt zu erweisen ;D <3

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