( 10 )
˚ ➴ ⋆。˚
Vier Tage später ist es schon wieder ein sonniger Mittag.
Seokjin und du habt euch schließlich doch dazu entschieden, auf die Piste zu gehen. Trotz Jins Plan, sich von seinem Vater zu entfernen, habt ihr euch für die Bahnen nahe Taehyungs Hotel entschieden. Jene sind schlichtweg weitläufiger und besitzen schönere Skihütten. Nachdem ihr euch die passenden Utensilien ausgeliehen habt und einige Zeit gefahren seid, habt ihr euch aufgrund der zunehmenden Kälte in eine Unterkunft zurückgezogen.
Du hoffst in diesem Restaurant deinen Kopf von Affären, alten Erinnerungen und negativen Gefühlen freizubekommen.
Es ist angenehm warm; ihr habt euch aus den dicken Schichten unserer Kleidung befreit und trinkt heißen Kakao. Und doch hast du das Gefühl, dass nicht nur dich etwas beschäftigt. Ob etwas ahnt? Ob er merkt, dass du dich schlecht fühlst? Oder ist dort tatsächlich diese eine Sache, die Taehyung stets angedeutet hat?
Seit eurer Ankunft in den Bergen verhält er sich wirklich eigenartig. Jin ist stiller, und dabei haltet ihr euch noch nicht einmal in der Nähe Taehyungs auf.
Du bekommst das Gefühl manchmal nicht los, dass es etwas mit Ryujin und ihrem Freund Namjoon zu tun hat. Doch was sollte dort vorgefallen sein, dass Jin den dunkelblonden Mann noch nicht einmal anschauen kann?
Obwohl es schon nach Silvester ist, ist die Piste wie das Restaurant wirklich sehr leer. Du hebst deinen Kopf, als ein Stimmengewirr an dein Ohr gelangt.
Ryujin und Namjoon kommen schnatternd und in Skikleidung an die Theke. Sie sind so sehr miteinander beschäftigt, dass sie nichts um sich herum mitzubekommen scheinen. Es ist das erste Mal, dass du Namjoon lachen siehst. Eigentlich sieht er ganz freundlich aus, denkst du dir und fragst dich, weshalb er stets so griesgrämig drein schaut.
Du stupst deinen festen Freund an: „Sag' mal, sind das nicht deine Tante und ihr Freund?" Seokjin, der eigentlich die letzte Zeit sehr müde gewesen ist, hebt nahezu ruckartig seinen Kopf. „Oh ja, du hast recht."
Da sich die Situation als passend herausstellt, fragst du ihn schließlich: „Sag' mal... was ist eigentlich mit Namjoon? Warum ist er in der Gegenwart von anderen - außer von Ryujin natürlich - so eigenartig... oder ist das nur bei mir so?"
Er schluckt schwer. „Nein, ich kenn' ihn auch nur so. Schätze, er ist einfach ein bisschen schüchtern." Du ziehst die Stirn kraus: „Und sie steht auf ihn?"
„Klar", entgegnet er seufzend. „Die zwei sind sogar verlobt. Ich weiß zwar auch nicht recht, was sie mit... ihm will - du musst wissen, ihre Ex-Freunde waren alle gleich: Reich, draufgängerisch und dunkelhaarig - aber Namjoon... er passt irgendwie nicht ins Bild."
Ein weiterer Seufzer verlässt seine Lippen und er fährt sich durch das braune Haar. Ob er sich wohl Sorgen um seine Tante macht?
„Aber wenn sie's glücklich macht...", erwiderst du daraufhin ermutigend. „Vielleicht ist er ja auch wohlhabend, und ihr wisst es nur nicht."
„Ne", entgegnet Jin sofort und ein belustigtes Lächeln ziert seine Lippen. „Er trägt jeden Tag dasselbe und fährt einen alten VW, der gefühlt aus dem 20. Jahrhundert stammt. Er ist eigentlich total schäbig."
Du bemerkst, wie sich Seokjins Stimmlage, als er von Namjoon spricht, verändert hat. Plötzlich klingt er so, als wäre ihm alles unangenehm. Er stellt ihn durch die Art, wie er bestimmte Worte betont und den Mund verzieht, dar, als sei er Ungeziefer. Tut er das tatsächlich nur, weil der Ältere sich etwas eigenartig verhält und nicht so viel Wert auf Äußerlichkeiten und Wohlstand legt?
Die Frage ist bloß, was deinen Freund dazu treibt. Dieser hat nämlich den Reichtum seines Vaters stets verabscheut. Du bist eher diejenige, die sich vor vielen Dingen schnell ekelt. Um weiterhin herauszufinden, was seine Intention gewesen ist, versuchst du, anders auf die Antwort zu kommen: „Hey, aber du hast mir auch nie erzählt, dass dein Vater so viel Geld hat!"
„(y/n), glaub' mir: Namjoon ist einfach eigenartig... vielleicht hat sie auch einfach ihren Männergeschmack geändert", erwidert er gelangweilt und signalisiert dir dadurch, dass die Sache für ihn gegessen ist. Kurz schmerzt dein Herz durch seine erneute genervte Tonlage.
Du kannst jedoch den Gedanken davon - wie vorletzten Morgen von Taehyung - nicht ganz abwenden: Ob es wirklich wohl einen Grund dafür gibt, weshalb Seokjin seinen zukünftigen Onkel nicht so gern mag?
Tatsächlich wirkt er so, als könnte er etwas verbergen... oder ist Jin einfach ein Mensch, der wie bei der Bemerkung, dass Modeln nur etwas für Schwule sei, viel zu ungerecht urteilt, und du hast es jetzt erst bemerkt, nachdem Taehyung wieder in dein Leben getreten ist und dir zeigt, dass man auch anders mit Problemen umgehen kann? Ob diese jetzt von dem 34-jährigen richtig angegangen werden, sei jetzt dahingestellt...
Aber etwas scheint Jin zu verbergen, was euch beide daran hindert, wirklich ehrlich miteinander umzugehen. Und das nagt an dir; vor allem, weil du nicht deinem festen Freund, sondern dir die Schuld dafür geben willst.
Währenddessen merkst du nicht, wie ihr beobachtet werdet. Die starken Arme auf das eiskalte Geländer seines Balkons gestützt und die Augen zu Schlitzen verengt, sieht die Person zu, wie ihr beide in diesem Après-Ski-Restaurant sitzt.
Er sieht, wie ihr miteinander sprecht, aber trotzdem nicht wie ein glückliches Paar wirkt.
Er weiß nur zu gut, dass er eifersüchtig ist.
Er weiß auch, dass ein weiterer Schritt nicht nur sein Untergang wäre. Wiederum weiß er auch, was die Wahrheit und was bloße Einbildung ist. Es hängt alles mit Seokjins Geheimnis zusammen.
Du kannst nicht wissen, dass der Mann auf dem Balkon genauso gut weiß, dass du die einzige bist, die ihn je auf emotionaler Ebene erreichen konnte. Seine One-Night-Stands hat er nie unterlassen, doch keiner seiner Affären hatte länger als drei Tage gehalten.
(...)
„Und wie haben die beiden sich kennengelernt? Seit wann sind sie zusammen?", fragst du neugierig, woraufhin Jin aufseufzt: „Dich lassen die zwei jetzt nicht mehr los, was?"
Tatsächlich willst du mehr über sie erfahren. Zwar hast du dir erst vorgenommen, nicht so viele Worte über das Thema zu verlieren, hast deinen Kodex schließlich doch gebrochen. Also nickst du.
„Ufff..."
Er verschränkt die Arme hinter dem Kopf, nachdem er einen weiteren Schluck genommen hat. „Ich glaube seit zwei-drei Jahren oder so..."
Anschließend kann man lange Zeit nur das Pfeifes des Windes hören, ehe Jin beginnt, alles hinunter zu rattern: „Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Namjoon und ich. Also, nicht richtig... als ich in der 8. Klasse war, machte er seinen Abschluss. Jeder kannte ihn..."
Er holt tief Luft und du schaust ihn überrascht über die Tatsache, dass Namjoon und Seokjin sich schon vorher bekannt gewesen sind, an: „Und?"
„Tja, er war komisch. Sah immer ziemlich schmuddelig aus und hatte keine Freunde. Niemand wollte ihn so richtig ansprechen. Man sagte, Alkohol und Drogen würden sein Leben bestimmen und er würde sich für gruselige Sachen interessieren, in seiner Freizeit mit seinen imaginären Freunden reden und so weiter... halt ein Außenseiter. Jedoch glaube ich, dass er mich nicht wiedererkannt hat, als Ryujin ihn irgendwann mitbrachte... doch ich dachte bloß, ich seh' nicht richtig..."
Er seufzt. „Weißt du, ich habe keine Ahnung, ob diese ganzen Geschichten über ihn stimmen, aber ich traue ihm nicht über den Weg. A-Also halte dich bitte eher von ihm fern... meine Tante kann ich ja schlecht von ihm fernhalten..." Kurz lacht er auf, klingt dabei aber eher verbittert.
„Ah", meinst du nur, da dir nichts weiteres einfällt. Ryujins Freund ist also ein möglicher Ex-Drogenjunkie und unbeliebter Mystery-Außenseiter? Dass Jin deshalb wohl Angst um seine Tante hatte, ist dadurch schon teilweise berechtigt.
„Schockiert?", fragt er dich und zieht eeine Augenbraue in die Höhe, nachdem er wohl deinen Gesichtsausdruck bemerkt hat.
„Wenn ja, denk nicht so viel darüber nach. Meine Tante weiß schon, was sie tut." Daraufhin drückt er dir einen Kuss auf die Lippen.
Du genießt eure Zweisamkeit, kannst dir aber nicht verkneifen, kurz daran zu denken, dass Taehyungs Küsse sich einfach schöner und gefühlvoller anfühlen. Jeder seiner Küsse brennt sich in deine Seele ein. Jins sind stets so gleich und scheinen keine intime Verbindung zwischen euch beiden herzustellen. Von seiner Seite scheint stets so wenig zu kommen...
„Du... ich geh' mal kurz auf's Klo, okay?", gähnst du und erhebst dich, ehe du dich kurz räkelst.
„Klar, bis später. Und bring mir bitte eine Packung Oreos mit. Hab' irgendwie Hunger drauf", ruft er dir hinterher und du nickst schmunzelnd. „Klar."
Bei diesen Keksen wird irgendwie stets der Gedanke an deine erste Nachricht von Taehyung in dir wachgerufen. Das muss nun wirklich aufhören. Da spielt es keine Rolle, wie schwierig es werden wird.
Jin ist wichtiger, Jin ist wichtiger, wiederholst du immer wieder leise in Gedanken und quält dich mit großen Schritten durch den tiefen Schnee, bis du schließlich bei den Toiletten der Piste ankommst.
Seufzend betrachtest du die Schilder an den Wänden. Bevor du die Tür zu den Damen-Toiletten aufdrücken kannst, öffnet sich die zum Herren-WC und du erschreckst gewaltig.
➴ ➴ ➴
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top