Chapter 95
(Bild: Zaubertrankklassenzimmer)
Selena Black P.o.V.:
Ich bin noch im Halbschlaf, als ich Sirius Stimme erkenne, die immer wieder meinen Namen durch die Dunkelheit flüstert:"Selena? Bist du wach?"
Mein erster Instinkt ist hochzuschrecken und Sirius, der sich gerade neben mich legt, aus dem Bett zu schubsen. Wie konnte er in unseren Raum der Wünsche gelangen? Alec! Wo ist Alec? Hat Sirius ihn entdeckt?
Doch dann fällt mir auf, dass das Bett, in dem ich liege, nicht nach Alec riecht. Nur nach Waschmittel und meinem Rosen-Shampoo. Und als ich die Augen öffne, sehe ich, dass die Bettedecke im grellen Licht eines Zauberstabes gryffindorrot ist, nicht leuchtend weiß. Ich bin im Mädchenschlafsaal, nicht im Raum der Wünsche.
Ich setze mich auf und erinnere mich langsam wieder daran, dass Alec und ich heute Nacht Mal wieder in unseren eigentlichen Betten schlafen wollten. Eine aus Geheimhaltungsgründen notwendige Maßnahme, die ich mit jeder Faser meines Körpers bereue. Ich will neben Alec liegen und seine Körperwärme spüren. Seinen Arm um mich.
"Selly?", fragt Sirius leise in den Raum, und erinnert mich so an seine Anwesenheit. Ich reibe mir über die Augen und werfe einen Blick zu den Turmfenstern. Es muss mitten in der Nacht sein.
"Ja, ich bin wach. Ist alles okay? Albtraum?"
"Nein", sagt er nur.
Ich lege mich wieder hin und spüre sogleich die Schulter meines Zwillings an meiner. Sirius löscht mit einem geflüsterten "Nox" das Zauberstablicht und schweigt.
Es überrascht mich, dass Sirius zu mir kommt und nicht mit James redet. Seit dem Tag, an dem wir in das Anwesen der Blacks eingebrochen waren und er erraten hat, dass ich in den für ihn anonymen Briefschreiber verliebt bin, hat er sich von mir distanziert. Verletzt, enttäuscht, die Kluft, die sich in den letzten Jahren zwischen uns gebildet hat, zum ersten Mal wahrnehmend. Erst seit letzter Woche ist er mir gegenüber nicht mehr so übertrieben wachsam. Aber nur, weil er dafür viel zu sehr in Gedanken vertieft war. Ich ahnte schon, dass ihn ein wichtiges Thema belastet, doch nach allem, was in den letzten Monaten passiert war, dachte ich nicht, dass ich ihm helfen könne.
"Erzählst du's mir?", frage ich gegen den Baldachin meines Himmelbettes starrend. Sirius Schulter zuckt. Dann richtet er sich auf und vergräbt den Kopf in der Bettdecke über meinem Bauch. Ich streichle ihm über den Hinterkopf, versuche ihn zu beruhigen, damit seine Körper sich nicht mehr schüttelt und seine Tränen versiegen. Es muss wirklich schlimm sein. Mein Herz zieht sich bei Sirius' unterdrückten Keuchen zusammen und mir wird schlecht vor Schuldgefühlen. Ich hätte ihn trotz unserem schweigsamen Streit auf seine Nachdenklichkeit ansprechen sollen. Vielleicht hätte ich ihm helfen können ehe es ihn so schwer bedrückt.
"Hey, Sissy, ich bin da. Ich bin bei dir, egal, was los ist. Was auch immer passiert, wir kämpfen Rücken an Rücken gegen jeden Fiesling, der sich uns in den Weg stellt, versprochen."
Ich streiche immer wieder über Sirius' Hinterkopf und rede weiter, um ihn irgendwie zu beruhigen. Er mochte es schon immer, einfach nur eine Stimme zu hören, damit er sicher sein konnte, dass er nicht alleine war. Denn alleine zu sein, war schon immer sein schlimmster Albtraum.
Ich plappere so lange vor mich hin und versichere ihm um die hundert Male, dass er der wichtigste Mensch auf der Welt für mich ist, bis er die Nase aus meiner Bettdecke nimmt und den Kopf seitlich auf meinen Bauch legt.
Da der Zauberstab inzwischen erloschen ist kann ich es nicht sehen, aber als er spricht bin ich in der Lage zu hören, dass sein Gesicht in meine Richtung gedreht ist:"Meinst du das ernst? Das mit dem was auch immer passiert?", seine Stimme ist kratzig, heiser.
Mit der einen Hand streichle ich seine Wange, die andere lege ich zwischen seine Schulterblätter.
"Wir sind Zwillinge. Du wirst mich nicht so einfach los!"
Ich warte auf eine Erklärung für sein Verhalten, doch Sirius schweigt.
Mit einem leisen Seufzer schließe ich die Augen, während ich mit einer kleinen Rückenmassage beginne. Sirius war noch nie gut darin, bei Problemen Hilfe zu suchen. Und ich habe Zeit.
"Das ist schwieriger als ich dachte.", murmelt er nach einer gefühlten Ewigkeit in meine Bettdecke.
"Lass dir Zeit. Wir haben noch ganze sechseinhalb Stunden bis die Zauberkunstprüfung beginnt."
Sirius' Finger streift meinen, als er sich das offene Haar aus dem Gesicht streicht.
"Und die würdest du mit mir wach verbringen?" Es klingt, als wollte er eigentlich fragen, ob ich ihn immer noch liebe.
"Ja, du Spinner. Ich hab dich eben lieb, komm damit klar.", das klang härter als beabsichtigt, doch Sirius Reaktion ist, dass er mich noch fester umklammert.
"Selber Spinner!", murmelt er in die Decke.
Ein Stich durchfährt mich, weil er es nicht zurücksagt.
Doch das ist gerade nicht das Wichtigste.
"Bist du wegen unserem wortlosen Streit die letzte Woche so nachdenklich gewesen? Wegen dem ... bestimmten Slytherin?"
Sirius erstarrt einen Augenblick lang. Dann schüttelt er den Kopf.
"Nein, ich ...", er bricht ab und krallt seine Hände in die Bettdecke. "Ich kann's nicht sagen."
"Muss du auch nicht, kein Stress. Alles wird gut, Sissy, auch das zwischen uns wird sich wieder einrenken, du wirst schon sehen." Zumindest hoffe ich das. Ich vermisse meinen Zwilling.
Wieder tritt Schweigen ein und ich muss gegen die Müdigkeit ankämpfen, die mich langsam aber sicher überkommt.
"Ich hab letztes Wochenende jemanden geküsst, Sel. Jemand völlig fremdes, den ich nie wieder sehen werde."
"Und du hast dich Zauberstab über Kopf in sie verliebt?", rate ich.
Sirius schüttelt den Kopf.
"Nein", flüstert er, "das ist es nicht."
Ich spüre, wie er tief Luft holt.
"Es war ein Mann. Ich habe einen Mann geküsst. Oder wurde geküsst, keine Ahnung wie das genau war, in meinem Kopf ist alles so durcheinander."
Meine Hände haben innegehalten und ich beeile mich, wieder über seine Wange und Schulter zu streicheln. Das kam jetzt überraschend.
"Deiner Nachdenklichkeit nach hat es dir gefallen?", frage ich.
"100 Punkte."
"Also stehst du auf Männer?"
"Ich ... weiß es nicht. Dass ich mit so vielen Mädchen was hatte, lag nicht daran, dass ich nichts gefühlt habe." Sirius atmet überfordert aus.
"Bist du überrascht?", fragt er mich nach einigen Sekunden Stille. "Weil ich fühle mich vom Zug überrollt!"
Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. "Nein", sage ich, "ich kann nicht behaupten, dass es mich besonders aus den Socken haut. Wie du eben schon so schön sagtest, du hattest wirklich mt vielen Mädchen was am laufen."
"Immerhin hat einer von uns die Socken noch an!"
Erneutes Schweigen tritt ein, das lediglich vom Kreischen einer weit entfernten Eule durchbrochen wird.
"Kannst du irgendwas dazu sagen, damit ich nicht durchdreh?", fragt Sirius plötzlich. Ich richte meinen Blick auf Sirius obwohl ich in der Dunkelheit keine Chance habe, ihn zu erkennen.
"Ich könnte sagen, dass es für mich nichts ändern wird, auch wenn ich mich erst an den Gedanken gewöhnen muss, dich nicht mehr mit einem Bikinimodel im Arm zu sehen. Oder ich könnte dir sagen, dass wir genau aus solchen Gründe von Zuhause abgehauen sind.", sage ich. "Wir wollten Freiheit und Friede mit sich selbst und der aktuellen Situation. Für mich bedeutet das, dass ich mich in denjenigen verlieben darf, in den ich mich eben verbliebe. Ob eine Frau oder ein Mann. Ein Gryffindor oder ein Slytherin."
"Versuchst du mir gerade über die Blume zu sagen, dass ich dir Unrecht getan habe, weil ich mich nicht über einen Slytherin gefreut habe?", seine Stimme klingt eine Spur zu forsch. Doch das ist meine Chance, mit ihm was Alec betrifft wieder ins Reine zu kommen. Und die will ich sicherlich nicht vertun. Ich will meinen Zwilling wieder zurück.
"Nein, was ich eigentlich sagen will, ist, dass du ihn nicht feiern muss. Oder besonders glücklich über unsere Beziehung sein muss. Nur Akzeptanz könntest du mir schon entgegenbringen. Wenigstens so viel, dass du dich mir gegenüber wieder wie mein Bruder verhältst."
Einen Moment lang halte ich inne. Dann fahr ich fort:
"Vielleicht verstehst du ja, dass es nicht geplant war. Ich wollte mich nicht in ihn verlieben, und umgekehrt war es sicherlich genauso."
"Benutzt du gerade meine sexuelle Verwirrtheit dazu, mich deinen Lover akzeptieren zu lassen?"
"Kann sein.", ich bin sicher, dass Sirius mein Lächeln heraushört. Er seufzt.
"Es funktioniert jedenfalls.", meint er gedämpft. "Was vor einer Woche passiert ist... Das war nicht geplant, ich bin da einfach reingerutscht und jetzt bin ich nicht in der Lage zurückzukommen. Ich kann mir vorstellen, dass es bei dir - bei euch - genauso war. Einmal nicht die Notbremse gezogen und im nächsten Moment knutscht du mit irgend so einem Typen in einem Pub rum, den du gleichzeitig näher ziehen und wegestoßen möchte." Wieder vergräbt er das Gesicht an meinem Bauch. "Ich kann einfach nicht vergessen, wie es sich angefühlt hat, von ihm geküsst zu werden! Ich glaub, ich werd verrückt..."
"Du wirst nicht verrückt, mein Schatz, vertrau mir. Du wirst nur erwachsen."
"Ist doch das Gleiche!", behauptet Sirius nach einem heftigen Gähnen mit müder Stimme.
Alexander Malfoy P.o.V.:
"Zu Beginn des Schuljahres habe ich Ihnen einige Zaubertränke vorgestellt. Den Felix Felicis, den leider keiner von ihnen herstellen konnte, den Trank der lebenden Toten und den stärksten Liebesttank der Welt. Wer von Ihnen kann sich noch an dessen Namen erinnern?", Professor Slughorn lässt den Blick durch den Klassenraum wandern und stoppt bei Bailee.
"Miss Parkinson" Bailee schaut ruckartig auf. "Haben Sie eine Idee?"
"Amortentia, Sir." Ihr Kopf dreht sich und für eine Sekunde sieht sie mir direkt in die Augen. Ich muss wirkliche einen Weg finden, damit sie sich wieder entverliebt.
"Exakt. Nehmen Sie fünf Punkte für Slytherin.", Slughorn strahlt, klatscht in die fleischigen Hände und watschelt dann zur Tafel, um in unordentlicher und riesiger Schrift Amortentia anzuschreiben.
"Heute wagen wir uns an den stärksten Liebestrank der Welt, meine Damen und Herrn. Schlagen Sie ihre Bücher auf Seite 277 auf und decken Sie sich mit den Zutaten aus dem Vorratsschrank ein. Ich bin gespannt, wer von Ihnen im vergangenen Jahr gut genug mitgearbeitet hat, um diesen äußerst komplizierten Zaubertrank anzurühren."
Es kommt mir so vor, als ist er nicht der erste Lehrer, der in den letzten Tagen so etwas gesagt hat. Seit wir am Dienstag die letzte und für mich schwierigste Zaubereigeschichtsprüfung hinter uns gebracht haben, scheinen die Lehrer uns allesamt im Unterricht noch einmal testen zu wollen. Dabei sollte man meinen, eine Woche voller stundenlangen, umfangreichen und anspruchsvollen praktischen Prüfungen würde reichen.
Adalar, der in Zaubertränke neben mir sitzt, fragt mich, ob er mir die Zutaten aus dem Vorratsschrank mitnehmen soll. Ich ignoriere ihn - aus Vorsichtsmaßnahme, damit ich ihm keinen Fausthieb verpasse - und gehe an ihm vorbei.
Lange kann ich mich nicht mehr so verhalten. Immerhin hat Adalar mich bloß übergangen.
Wie gerne ich ihn zu einem Duell herausfordern würde...
Selena, die am anderen Ende des Raumes mit Lily quatscht und in diesem Moment auflacht, scheint nicht zu bedenken, wie sehr mich ihr Lachen aus der Bahn wirft.
Reiß dich zusammen, Malfoy!
Ich konzentriere mich auf die Zutaten, die ich gleich aus dem Zutatenschrank nehmen werde. Zwei Drachenschuppen, sieben Blätter einer Peitschenden Weide, eine Drittel Unze Lurchblut, ein Einhornhaar, ...
"Oh, Sie sind auf dem richtigen Weg, Mr Malfoy, sehr schön.", lässt mich Slughorn nach einem Blick auf mein giftgrünes Gebräu wissen. Inzwischen ist die erste Hälfte des Zaubertranksunterrichts vorbei und der Zaubertranklehrer macht seinen üblichen Rundgang. Ehe er sich wieder ans Pult setzt, wo seine Füße in der Luft baumeln und er sich im Sekundentakt durch die blonden immer weniger werdenden Haare fährt.
Ich lese den nächsten Schritt nach und sehe dabei den Siegelring mit dem Malfoy-Wappen an meinen Finger im Licht einer des Feuers unter meinem Kessel glänzen. Die Härchen in meinem Nackens stellen sich auf und das Gefühl beobachtet zu werden überkommt mich. Langsam sehe ich auf und mich im Kerkerraum um. Alle konzentrieren sich vollkommen auf ihre jeweiligen Tränke. Nur Bailee nicht. Sie starrt auf meine Finger und hebt gerade den Blick, um mir ins Gesicht zu sehen. Ich ziehe die Augenbrauen nach oben, was sie dazu bringt, rasch das Gesicht abzuwenden.
Ich muss mir wirklich was einfallen lassen, so kann das nicht weitergehen.
Mein Zaubertrank glänzt eine halbe Stunde später perlmuttartig in allen Regenbogenfarben, wobei jeder seine individuelle Lieblingsfarbe sieht. Bei mir ist es der einzigartige Farbton von Selenas Augen, bei Gerrick, wie er großspurig behauptet, ist es Blutrot. Für Adalar ist nur Schwarz zu sehen und für Bailee Hellblau.
Während Slughorn zum Schluss der Stunde herumgeht und beim Tisch von Selena stehenbleibt, um die Zaubertränke zu beurteilen, kann ich meinen Blick ohne Bedenken auf Selena richten.
"Und, nach was riecht Amortentia für Sie, Miss Evans?"
Auf Lilys Wangen legt sich ein Schatten von Rot, als die ganze Klasse sie neugierig anstarrt.
"Pergament, Blumen und ... das letzte kann ich nicht wirklich zuordnen.", ihre Wagen werden noch dunkler, was Slughorn natürlich nicht unkommentiert lässt.
"Sie sollten es herausfinden, Lily, womöglich will der Trank Ihnen etwas mitteilen."
Mit einem Zwinkern geht er weiter.
Er fragt nicht erneut einen Schüler nach einer Beschreibung des Duftes. Zum Glück, sonst hätte ich improvisieren müssen.
Mich auf meinen Geruchssinn konzentrierend wende ich mich meinem Kessel zu.
Der erste Duft, den ich wahrnehme, riecht nach dem Poliermittel für meine Geige, welches ich zwar seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gerochen habe, das ich allerdings schon immer geliebt habe.
Dann kommt mir noch der Geruch eines Hauses in den Sinn, das ich vor einigen Tagen zusammen mit einem älteren Makler besichtigt habe; ohne dass ich irgendjemanden davon erzählt habe. Der Geruch des heruntergekommenen Hauses verwirrt mich. Kann man in die Zukunft verliebt sein?
Ich hebe nicht den Kopf, blicke aber aus dem Augenwinkel zum Tisch der Gryffindors hinüber.
Wenn Selena wüsste, dass ich aus Lindow eine Zeitung mitgehen hab lassen, in der die Annonce für den Hausverkauf mit der Postadresse des Maklers zu finden war - sie würde mich entweder Vollidiot nennen oder mit mir schlafen. Eventuell sogar beides.
Apropos Selena; als nächstes kommt mir Sonnenschein in den Sinn, welcher auf jeden Fall dem Gefühl entstammt, das Selena in mir auslöst, wenn ich nur an sie denke. Sie fühlt sich an wie Sonnenschein - auf welche Art auch immer sie das anstellt. Sonnenschein mit einem gewaltigen Hauch von Freiheit.
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(Bildquelle: https://i2.wp.com/www.amyantoinette.com/wp-content/uploads/2012/12/harry-potter-studio-tour-potions-lab.jpg)
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