Chapter 84
(Bild: Haustür der Blacks)
Sirius Black P.o.V.:
Es ist mitten in der Nacht zum Samstag, als mich ein stetiges Rütteln an meiner Schulter aus dem Schlaf reißt. Die Sonne geht gerade am Horizont auf, doch für mich ist es noch lange nicht Morgen. Ich sollte denjenigen, der meinen entspannten Schlaf stört, einen ordentlichen Kitzelfluch auf den Hals jagen. Während ich die Augen geschlossen halte, um meinem Peiniger in Sicherheit zu wiegen, drehe ich mich brummend auf die Seite, damit ich in sekundenschnelle nach meinem Zauberstab auf meinem Nachttisch greifen kann.
Mit einem Ruck setze ich mich auf, den Zauberstab erhoben, doch als ich Selenas Gesichtsausdruck sehe, bleibt mir die Stimme weg. In ihren Augen steht Panik, reine, ungefilterte Panik.
"Was ist passiert? Bist du verletzt?", frage ich ohne auf meine schlafenden Schlafsaalgenossen zu achten. Ich scanne Sel nach Verletzungen, aber außer dass sie noch in den Klamotten vom Abend ist, fällt mir nichts außergewöhnliches auf.
"Pssst", Selena legt sich den Zeigefinger auf die Lippen, greift nach meiner Hand und drückt sie beruhigend - was vielleicht geklappt hätte, wenn ihre nicht wie verrückt zittern würde. Gleichzeitig klettert sie zu mir aufs Bett, sodass sie mir im Schneidersitz gegenübersitzt.
"Leg den Muffliato-Zauber über uns.", flüstert Sel. Sorge rauscht durch meine Adern, aber ich mache, was mir geheißen, während Sel die Vorhänge zuzieht.
"Sie sind wieder in Gefahr, Sirius. Sie dürfen unter keinen Umständen am Montag ins Ministerium gehen! Wir müssen was tun!"
"Was? Wer? Die Potters? Wieso in Gefahr?", die Fragen wirbeln nur so in meinem Kopf. Von was redet Sel? Und woher hat sie ihre Informationen?
"Euphemia und Fleamont können das Safehouse nicht verlassen. Es wird einen erneuten Angriff geben. Aber diesmal sind sie wütender, die wollen Blut sehen, Sirius, sie dürfen nicht wieder zur Arbeit gehen, es ist zu gefährlich. Die Familienoberhäupter haben von dem Plan erfahren, Mum und Dad müssen versteckt bleiben. Unbedingt, sie dürfen nicht...", Selenas verhaspelt sich immer wieder in ihren eigenen Worten, so panisch versucht sie mir mitzuteilen, was sie erfahren hat. Das Gesagte ergibt in meinem Kopf nicht wirklich Sinn, aber ich denke, ich weiß, worauf sie grob hinauswill. Sie hat mitbekommen, dass die andere Seite von der Rückkehr der Potters an ihren Arbeitsplatz erfahren hat.
Angst baut sich in meinem Inneren auf, doch ich dränge sie krampfhaft zurück. Jetzt ist ein klarer Kopf wichtig.
"Die Familien und Voldemort planen einen erneuten Angriff? Woher weißt du das?", meine zweite Frage stelle ich, nachdem Sel nachdrücklich genickt hat.
"Ich... Das ist nicht wichtig, Sirius! Wir müssen was unternehmen! Egal, was, aber es ist an der Zeit, endlich was zu tun. Wir müssen das Ministerium ins Anwesen der Blacks schicken, die Verstecke verraten und all das. Wir müssen alles, was dem Ministerium bei der Festnahme von Orion und Walburga hilf, geben. Informationen weitergeben.", Sel fährt sich fahrig durch ihr verwuscheltes Haar, eine Geste, die mich stark an James erinnert.
Mit Gedanken, die einem Wirbelsturm gleichen, drehe ich den Kopf in die Richtung, in der James friedlich vor sich hin träumt. Seine Eltern sind in Gefahr. Wir müssen etwas tun. Jetzt.
"Mit dem Ministerium zusammen zu arbeiten wird nichts bringen.", sage ich langsam mit fester und sicherer Stimme.
Sel hebt den Kopf, Verzweiflung im Blick.
"Voldemort hat so gut wie alle Abteilungen in der Tasche, es fehlen nur noch wenige hochrangige Beamte. Wir können dem Ministerium nicht trauen."
"Aber Euphemia und Fleamont tun es, sie wollen dorthin zurück. Sie wollen wieder arbeiten.", Sels Stimme stockt und mir bricht fast das Herz.
"Sie wollen zurück, um zu verhindern, dass die Festung vollkommen in sich zusammenfällt. Also im übertragenen Sinne. Ich weiß nicht, ob das noch möglich ist, aber sie wollen es wenigstens versuchen. Wir können dem Ministerium nicht trauen, Sel. Wenn ein Angriff bevorsteht, müssen wir selbst handeln."
"Aber wie?", fragt sie in ungewöhnlich hoher Stimmlage.
"Wir müssen sie aufhalten. Aber mit Streitkraft geht das nicht, sie sind zu viele...", sage ich nachdenklich.
"Mit Taktik?", fragt Sel so heiser, dass ich sie kaum verstehe. "Wir können im direkten Kampf nicht gewinnen, aber-", sie stockt und sieht auf einmal mit einem Leuchten in den Augen auf, das Hoffnung bedeutet. "Wir brauchen ein Druckmittel, eines, das die Blacks von dem Plan zurückrudern lässt. Wenn Oroin und Walburga nicht mehr den Tod der Potters wollen, dann stehen die Chancen gut, dass Voldemort sie erst einmal verschont."
"Aber all die Verstecke, die wir im Anwesen kennen, sind wahrscheinlich längst nicht mehr aktuell. Sie sind fanatisch, nicht blöd.", meine ich. Dabei erwische ich mich, wie ich mir ebenfalls durchs Haar fahre. Es ist wirklich eine verdammt reizvolle Geste.
"Die kleinen Verstecke haben sie vielleicht geräumt. Aber was ist mit Oroins Tresor? Und dem Auktionsbuch darin?" Selenas Augen funkeln.
Ich nicke langsam. "Wenn wir das Buch hätte, würde niemand mehr auch nur in unsere Richtung atmen. Es stehe zu viele Namen drin, die Orion und Walburga als Vorsichtsmaßnahme aus dem Weg räumen würden, wenn sie wüssten, dass die das Buch nicht mehr haben. Wenn wir das Buch hätte, könnten wir verlangen, was wir wollen."
"Aber wir müssen dafür in nicht allzu ferner Zukunft ins Haus der Blacks einbrechen, den Tresor öffnen und lange genug leben, um das Buch mit Absicherung zu verstecken.", fährt Sel unseren Gedankengang fort.
"Morgen", murmle ich leise. "Es ist Hogsmeade-Wochende, wir können apparieren und einen Abstecher nach London machen."
Selena starrt mich mit offenem Mund an. "Und wenn sie Zuhause sind? Wir können doch nicht einfach-"
"Wir müssen vor Montag das Buch haben. Morgen ist unsere einzige Chance.", unterbreche ich sie. "Also heute, es ist ja inzwischen Samstag." Ich werfe einen Blick zu den Fenstern, hinter denen es immer heller wird. Dabei nehme ich den gryffindorroten Vorhang um mein Bett herum wahr. "Wir haben James' Tarnumhang, die Blacks müssen nichts von uns mitbekommen."
"Okay", beginnt Sel mit abwesendem Blick, "nehmen wir an, wir schaffen es nach London und ins Haus - was verflucht gefährlich ist. Wie öffnen wir den Tresor? Er ist wenigstens so verzaubert, dass er nicht mitgenommen oder aufgezaubert werden kann, wenn nicht sogar ein Fluch darauf liegt, der jeden Unbefugten zu Asche zerfallen lässt."
"Das glaube ich eher weniger. Orion ist arrogant. Er hat möglicherweise bei unserer Flucht ein paar weitere Flüche draufgelegt - einfach, weil er nicht dumm ist - aber er ist zu arrogant, um sich großartig Sorgen zu machen. Er würde niemals damit rechnen, dass wir es wagen, bei ihnen einzubrechen."
"Aber wir können nicht sicher sein, Sirius!"
"Stimmt, wir wissen es erst, wenn wir vor dem Tresor stehen."
"Du willst also wirklich gehen?", Sels Augen bohren sich in meine.
Ich nicke. "Es ist an der Zeit, Euphemia und Fleamont etwas zurückzugeben. Und wenn mich dabei ein Dolch oder ein grüner Blitz trifft, dann ist es eben so."
"Verdammter Dummkopf!", murmelt Sel. Nach einer Sekunde finsteren Blicken, seufzt sie und nickt langsam. "Was machen wir, wenn wir das Buch habe?"
Ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. "Darum kümmere ich mich, keine Sorge. Jetzt müssen wir erstmal den Morgen planen. Wenn wir jetzt durch einen der Tunnel verschwinden und später alle außer uns beiden nach Hogsmeade gehen, wird Gonnie bestimmt misstrauisch. Wir müssen abwarten und mit den anderen wie gewöhnlich ins Dorf gehen. Dann kapseln wir uns ab und haben einen ganzen Tag, um das Buch zu bekommen und es an einem sicheren Platz zu verstauen."
"Welchem sicheren Ort? Und wie sichern wir uns ab? Wenn wir beide im Krieg sterben, dann müssen die Potters trotzdem sicher sein!"
Ich lächle grimmig. "Ich hab da eine Idee, Schwesterchen. In zehn Minuten im Gemeinschaftsraum, ich zeig dir was.", mit diesen Worten stehe ich auf und schubse Sel behutsam von meinem Bett, damit sie sich umziehen geht, während ich den Tarnumhang unter James' Bett hervorkrame.
Der Morgen ist eine wahre Qual. Selena und ich haben mit einem Handschlag beschlossen, dass es viel zu gefährlich ist, einen unserer Freunde in die Sache mitreinzuziehen, und so vermeiden wir beim Frühstück geheimnisvolle Blicke und geben uns ganz normal. Auf dem Weg nach Hogsmeade unterhält Sel sich mit Peter und ich gehe mit Remus und James hinter ihnen her. Lily war - Merlin sei Dank - im Schloss geblieben. Eine weniger, um die wir uns Sorgen machen müssen.
Wir gehen zusammen ins Drei Besen und setzen uns an einen der hinteren Tische, wobei ich meiner Zwillingsschwester immer wieder aufmerksame Blicke zuwerfe. Sie ist am Zug. Sobald sie das Zeichen gibt, geht es los.
Nach etwa einer Viertelstunde, in der sie ungewöhnlich ruhig war, senkt sie den Kopf und legt beide Hände an die Schläfen wie als hätte sie Kopfschmerzen.
"Alles klar, Kleine? Du siehst blass aus.", frage ich wie abgesprochen.
Sel lächelt tapfer. "Ich hab nur ein bisschen Kopfschmerzen, mir geht's gut."
Ich runzle missbilligend die Stirn. "Geht es nicht. Ich bring dich zurück ins Schloss, dann kannst du dich hinlegen und eine Runde schlafen. Na los, hoch mit dir.", ich stupse sie an, damit sie von der Eckbank rutscht und wir aus dem Drei Besen gehen können. Selena lässt einen abgrundtiefen Seufzer hören, steht aber gemächlich auf.
"Sollen wir mitkommen?", fragt Remus besorgt.
Ich sehe zu Sel, die mit einem schwachen Lächeln den Kopf schüttelt, während sie sich von mir in ihre Jacke helfen lässt. "Nein, bleibt ruhig hier. Aber ihr könntet mir eine Ladung Schokolade mitbringen, wenn's euch nichts ausmacht."
James nickt, ebenfalls mit besorgtem Blick. Aber er wirkt auch irgendwie verärgert. "Sicher, dass ihr klarkommt?"
Diesmal bin ich mit nicken dran. "Wir sehen uns in ein paar Stunden. Und vergesst nicht die Stinkbomben zu kaufen."
Schnell, aber darauf bedacht, nicht zu schnell zu sein, verlassen wir das Drei Besen. Sobald wir die Tür hinter uns geschlossen haben, wirft Sel mir einen unbehaglichen Blick zu.
"Sie werden uns schon nicht böse sein. Es war eine Notlüge.", sage ich optimistisch.
Sel schnaubt und sieht sich in den Straßen von Hogsmeade um. "Und ob sie böse sein werden! Vor allem James!" Ihre Augen bleiben an einer Gruppe von Sechstklässlern hängen, die allesamt die Hogwartsuniformen tragen. Nicht viele gehen mit Zaubererklamotten ins Dorf, bei genauerem Nachdenken sind es nur die Slytherins. Ich kneife die Augen zusammen und tatsächlich. Es ist Malfoy mit seiner Todesser-Gang.
Ich sehe zu Sel, die sich in diesem Moment von dem Anblick der Gruppe abwendet und den Weg hinter das Drei Besen beschreitet. Mit einer steilen Falte auf der Stirn folge ich ihr. "Woher hattest du deine Infos? Die Todesser werden ihren bevorstehenden Angriff auf hochrangige Auroren nicht herumposaunt haben."
"Doch, haben sie.", antwortet Sel ungerührt. Sie macht keine Anstalt, mir weitere Informationenen zu geben.
"Und an wen - der uns mag - haben sie es verraten? Es mag dir vielleicht nicht aufgefallen sein, aber uns mögen nicht viele Leute mit Verbindung zu den Todessern."
Sel wirbelt herum und ich kann bereits in ihren Augen sehen, wie sie in Rage gerät. "Wir wissen davon und können was tun. Reicht das nicht?"
Ich kneife die Augen zusammen und betrachte sie eingehend. "Du verheimlichst was, od-", ich stocke und hebe wie vom Blitz getroffen den Kopf. "Du kennst den anonymen Breifeschreiber! James und ich haben die letzten Wochen ununterbrochen nach unserem Helfer gesucht und du erwähnst mit keinem Wort, dass du seine Identität kennst? Wer ist es, Sel?"
Selena starrt mich mit leicht geöffnetem Mund an, aber ich sehe ihr genau an, dass ich direkt ins Schwarze getroffen habe. "Wie kommst du darauf, dass ich ihn kenne?", es klingt wie ein schwacher Versuch, sich aus der Affäre zu ziehen, und das weiß sie auch. Im nächsten Augenblick dreht sie sich auf dem Absatz um und marschiert zum schmalen Durchgang hinter den Geschäften, der parallel zur Hauptstraße verläuft. Hier ist keine Menschensseele zu sehen.
"Wer ist es? Und wieso hast du Geheimnisse?", frage ich als ich ihr mit stampfenden Schritten folge.
"Sirius! Wir haben gerade Wichtigeres zu tun! Lass mir doch bis heute Abend Zeit, mir eine Ausrede einfallen zu lassen."
Ohne ein einziges Wort auf der Zunge starre ich sie an. Ihre Augen sind steinhart, undurchdringlich. Und ihren Schutzwall kann ich förmlich hochfahren spüren. Es ist ein seltsames Gefühl, sie hat sich noch nie vor mir schützen müssen, ich war immer der, der neben ihr steht, nicht der, der ihr gegenüber ist.
"Du würdest mich anlügen?", frage ich leise, sie keine Sekunde aus den Augen lassend.
Sel starrt zurück. "Er hat selbst geschrieben, dass er anonym bleiben muss. Je mehr von ihm wissen, in desto größerer Gefahr ist er. Also ja, ich werde lügen, wenn es sein muss."
"Verdammt!" Ich trete kraftvoll gegen die Außenwand des Drei Besen. Die Mauer ist zu stabil, als dass etwas kaputtgehen könnte, aber Sel ist heftig zusammengezuckt. Ich beachte sie nicht und lege stattdessen den Kopf in den Nacken, um in den klaren Himmel zu sehen.
"Er macht das für dich, oder? Er ist dein geheimnisvoller Freund und erst dadurch zum Helfer geworden. Ich hätte es wissen müssen! Du hast nie gesagt, wen du immer triffst, also muss er offensichtlich jemand sein, der was mit Reinblütern und Todessern zu tun hat. Und dann taucht eine Warnung von jemandem auf, der natürlich auch in Verbindung mit unseren Gegnern steht. Es ist so offensichtlich!"
"Sirius...", beginnt Selena, doch ihre Stimme versagt und sie kann nur auf ihre Schuhspitzen starren. "Tut mir leid.", es ist kaum mehr ein Flüstern.
"Du bist in ihn verliebt, oder?"
Selena schließt wie zur Bestätigung meiner Worte die Augen. "Du musst mir vertrauen, Sirius. Ich weiß, was ich tue. Er muss ein Geheimnis bleiben, um jeden Preis."
Fassungslos starre ich meinen Zwilling an. "Oh man, du bist sowasvon in ihn verliebt!" Ich lege die Handflächen aneinander und lehne sie an mein Kinn, währenddessen ich in das klare Himmelblaue schaue. Die Angst, unser Vorhaben, die auf uns wartenden Erinnerungen haben uns in diese Diskussion getrieben. Wir sollten das alles besprechen, wenn wir uns wieder beruhigt haben.
"Du hast recht.", räume ich nach mehreren Minuten ein. "Wir haben Wichtigeres zu tun." Sel sieht mich verwundert an, unter normalen Umständen hätte ich niemals so schnell aufgehört, ihren Standpunkt zu hinterfragen. Aber wie schon gesagt, es gibt Wichtigeres.
Unsere Landung am Grimmauldplatz Nr. 12 ist etwas holprig, doch da wir unter dem Tarnumhang appariert sind, brauchen wir uns keine Sorgen um neugierige Blicke zu machen. Auch vor den Augen unserer leiblichen Eltern sind wir sicher. Selenas Arm krallt sich schmerzhaft in meinen Unterarm, als sie vor mir in die Richtung sieht, in der unser Elternhaus vor den Muggeln verborgen liegt. Es ist noch immer wie damals, als ich Sel schwerverletzt in meinen Armen haltend aus der Haustür getragen habe. Es versprüht die selbe düstere Ausstrahlung, die selben gänsehauterregenden Erinnerungen.
"Na komm", murmle ich leise. Möglicherweise ist die Aufforderung mehr an mich gerichtet als an meine Schwester, doch Sel richtet sich auf meine Worte hin auf und schreitet mit erhobenem Kinn auf das Haus zu. Ich muss mich beeilen, um Schritt zu halten.
Die Haustür ist nicht verschlossen, zumindest nicht für uns, denn wir sind Reinblüter. Ein halbblütiger oder muggelstämmiger Zauberer hätte da mehr Probleme.
Es ist ein ganz und gar seltsames Gefühl, die massive Haustür hinter uns ins Schloss zu ziehen. Und obwohl ich dabei kein Geräusch verursache, bin ich fest davon überzeugt, dass jeden Moment Walburga Black in den Flur gelaufen kommt, den Zauberstab erhoben und mit wahnsinnigen Augen. Ich habe die Vermutung, dass es Selena ganz ähnlich geht. Sie steht wie ich still und steif da und rührt sich keinen Zentimeter. Im Gegensatz zu mir hat sie den Zauberstab bereits in der Hand. Vorsichtig taste ich nach meiner Hosentasche und ziehe meinen ebenfalls. Ohne Zauberstab will ich Mutter nicht entgegentreten.
Das Haus ist still und verlassen, und so wagen Sel und ich einige Schritte von er Haustür weg. Sobald wir den Schirmständer aus einem abgehackten Trollbein erreichen, ertönt mit einem Mal eine altbekannte Stimme aus der Kellerküche:"Orion! Es ist kurz vor Zehn. Der Brunch beginnt in Kürze."
Ich schaue mit aufgerissenen Augen zu meiner Schwester, die sich die Hand vor den Mund geschlagen hat. Sel blickt zurück, Schock und Angst in den Augen. Ich nehme einen tiefen Atemzug, dann nehme ich Selenas Hand in meine und bedeute ihr mit einem Nicken, dass wir weitergehen müssen. Wir wussten, dass sie womöglich Zuhause sein würden.
Ich will gerade den linken Fuß für einen weiteren Schritt anheben, als Orion Blacks durchdringende Stimme antwortet und mich und Sel erneut erstarren lässt:"Ich hoffe, du bist fertig. Ich will nicht erneut warten müssen." Auf seine Drohung folgen schwere Schritte, die sich dem oberen Treppenabsatz nähern. Keine Minute später erscheint Vater in unserem Blickfeld. Er stolziert die Treppe herunter und geht direkt in die Kellerküche, in der Mutter sich befindet.
Sobald er außer Sicht ist, höre ich Selena nach Luft schnappen und mir fällt auf, dass ich aufgehört habe, zu atmen. Ruckartig sauge ich Sauerstoff in meine Lungen. Mein Kopf, auf dem gerade eben noch ein eigenartiger Druck lag, dankt es mir, indem er wieder klare Gedanken zulässt. Ich ziehe an Selenas Hand und gemeinsam schleichen wir zu der Treppe, die in die oberen Stockwerke führt.
Im ersten Stock ist die Bibliothek, in der wir mit der Suche anfangen werden, weil sich dort der in die Gemäuer eingebaute Tresor befindet. Wir haben gerade den Raum betreten und Sel will die Tür hinter uns wieder schließen, als die gleichen schwere Schritte wie vorhin ertönen. Diesmal kommen sie aber direkt auf uns zu, auch nachdem sie die knarzende Treppe verlassen haben.
Sel kann mich gerade noch zur Seite schieben, dann wird die Tür nur einen Meter entfernt aufgeschoben und Vater kommt herein. Er sucht den Raum, der mit deckenhohen Bücherregalen gesäumt wird und in dem sich sonst nur sein riesiger Schreibtisch und zwei höllisch unbequeme dunkelgrüne Samtsessel befinden, mit den Augen ab. Er blinzelt und ich sehe, wie sich seine Nasenflügel weiten, als er tief einatmet. Hat er etwas gerochen? Hat er uns gerochen?
Mit einem Stolpern meines Herzens stelle ich fest, dass ich wie ein Verrückter schwitze. Auf meiner Stirn befindet sich mindestens eine Schweißperle und unter meinen Achseln ist mein Pullover unangenehm feucht. Auch Selena riecht nicht gerade frisch geduscht, nach Blumen und nach Merlins vermaledeitem Lieblingsparfum.
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(Bildquelle: https://i.pinimg.com/564x/9e/b5/f9/9eb5f9547aec9dd0b5bd26b12dfff6c1.jpg)
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