Chapter 75

(Bild: Professor Horace Slughorn)

Alexander Malfoy P.o.V.:

Meine Feder kratzt über das Pergament, gleichzeitig höre ich Flitwick zu und blende dabei die geflüsterten Gespräche meiner Mitschüler aus. Ich habe das Gefühl, bereits den ganzen Tag in diesem stickigen Klassenzimmer zu sitzen, dabei ist es gerade einmal die zweite Stunde Zauberkunst. 

Es ist der letzte Donnerstag im März, an dem wie üblich ein monatliches Abendessen des Slug-Clubs stattfindet. Ich bin eingeladen, doch aufgrund meiner Kopfschmerzen weiß ich nicht, ob ich hingehe. Ich bin sowieso schon so gestresst wegen dem letzten Quidditchspiel der Slytherins, das für Samstag angesetzt ist. Wir gegen die Ravenclaws - das Versprechen eines spannenden Spieles liegt förmlich in der Luft.

Ich sollte mir die Spielstrategien noch einmal ansehen und lieber mein Team aufs Feld hetzen, anstatt mir in Feierrobe Sluggies Festessen schmecken zu lassen. Doch es besteht sowieso keine Chance auf den Pokal. Wir haben zu wenige Punkte, um die Gryffindors, die in diesem Jahr klar vorne liegen, zu überholen. Selbst an die Ravenclaws heranzukommen wird schwer. Der einzige Grund, am Samstag ordentlich auf den Putz zu hauen, wäre, um Selena zu helfen, den Quidditchpokal zu ergattern. Ich kann nicht sagen, dass mir das keinen Spaß machen würde, aber es fühlt sich dennoch wie ein Verrat an meinen Freunden an. 

Unauffällig hebe ich den Blick, um Rodolphus und Gerrick anzusehen, die beide im Slytherin-Team spielen. Sie haben es nicht verdient, dass ich sie so hintergehe. Andererseits würde mit einem Sieg der Slytherins am Samstag nicht nur Selena und den Gryffindors geholfen werden, auch wir würden unsere Ehre zumindest zu einem großen Teil wiederherstellen. Erneut liefert sich mein Gewissen ein Duell mit meinen Gefühlen. 

Und die Bestrafung meines Vaters fällt womöglich nicht ganz so schlimm aus,. Ich mache mir nichts vor. Ich habe das Team in diesem Jahr nicht zum Sieg geführt, und das wird schmerzhafte Konsequenzen für mich haben. Doch ich mache mir mehr Gedanken über den über uns hereinbrechenden Krieg als eine einzelne Stunde Schmerz. Vater wird wissen wollen, ob ich die Bücher gelesen habe - was ich noch nicht über mich gebracht habe - und wenn ich Zuhause bin, wird er mir von Angesicht zu Angesicht von seiner Meinung über Muggel berichten.

Seit Selenas und meiner schicksalhaften Begegnung auf dem Astronomieturm vor mehr als eineinhalb Jahren besteht meine Welt nicht mehr aus schwarz und weiß, gut und schlecht. Es gibt einen riesigen grauen Bereich, in dem ich mich die meiste Zeit bewege. Ich bin nie ganz gut, nie ganz schlecht. Einmal der, der ich sein will und einmal der, der ich sein soll. 

Der Gong unterbricht meine abschweifenden Gedanken und als Adalar mich beim Zusammenräumen unserer Sachen fragt, ob ich heute zum alten Sluggie gehe, höre ich auf meinen Bauch und nicke. Es wird die reinste Folter werden, Selena zu sehen und sie nicht wirklich ansehen zu dürfen, doch das wird es wert sein. 

Lily Evans P.o.V.:

"Beeil dich, Sel, es ist schon fast sieben!", rufe ich gegen die Badtür, auf dessen andere Seite sich Selena seit zehn Minuten verschanzt hat. Es dauert nur etwa eine Sekunde und meine mäßig begeisterte beste Freundin erscheint im Türrahmen. Sie dreht sich langsam im Kreis und sieht mich fragend an. "Alles gut so?"

An den offenen Haare, den dezent geschminkten Augen und ihrem dunkelrotem Kleid gibt es nichts auszusetzen. "Perfekt", sage ich nach einem prüfenden Blick auf ihre Schulter, wo ich vor einer halben Stunde noch ein Knutschfleck gesehen habe. Jetzt verdeckt das kurzärmlige Kleid ihn. Ich halte ihr meine schwarze Weste vor die Nase, die ich ihr für den Abend leihe. Die Kerker sind dank Feuer im Kamin und Wärmezauber nicht mehr eisig, aber dennoch nicht gerade angenehm warm.

Nervös streiche ich mein dunkelgrünes Kleid glatt. Ich weiß, dass es wichtigere Anlässe für Festkleidung gibt und dass ich mich eigentlich wie alle anderen einfach über den Alkohol freuen sollte, den Professor Slughorn an diesen Abenden immer in Maßen ausschenkt, aber ich habe zu viel Angst davor, mich auf irgendeine Weise zu blamieren. Ich bin sowieso nicht bei jedem gerne im Slug-Club gesehen und ein peinliches Missgeschick gibt bestimmten Leuten nur noch mehr Munition gegen eine Muggelstämmige im begehrtesten Club der Schule.

Um mich ein kleines Stück zu beruhigen, nimmt Sel meine Hände in ihre und sieht mir fest in die Augen. "Es ist nur ein Abendessen, Lils, darauf gibt es keine Noten. Und außerdem bist du Sluggies Lieblingsschülerin, du bist die Einzige, die sich zurücklehnen und den Abend wirklich genießen kann." Dass sie selbst vorhat - wie schon seit Jahren - genau das Gleiche zu tun und auf das Einschleimen zu verzichten, sagt sie nicht. 

Hinter mir schnaubt Mia nicht gerade verhaltend. "Als ob Sirius oder James sich ins Zeug legen müssen. Sie können machen, was sie wollen, und trotzdem sind sie jedermanns Lieblinge. Ich mein, wann haben die beiden denn bitte etwas nützliches für irgendwen gemacht? Sie und Remus, der immer so tut, als ob er einen Heiligenschein trägt, wobei er eigentlich genauso schlimm ist, sind privilegierte, kleine Schwachköpfe ohne auch nur einen Hauch Anstand oder Verantwortungs-" Während sie ihrer Wut freien Lauf lässt, kann ich nicht mehr an mir halten. Ich will zu ihr, doch Sel hält mich am Unterarm fest, damit sie schneller bei ihr ist. Mia verstummt schlagartig, als Sel ihr eine klatschende Ohrfeige verpasst. 

Erschrocken springt Megan auf, die gerade noch zustimmend genickt hat, ich schlage mir die Hände vor den Mund und trete dann rasch neben Sel. Ich hätte sie aufhalten sollen, als sie mit wütend funkelnden Augen an mir vorbeigegangen ist. Hätte wissen müssen, dass sie Streit anfängt. Aber sie war zu schnell. Und wer rechnet schon mit einer saftigen Ohrfeige in Mias vorlautes und zickiges Gesicht?

"Spinnst du?", kreischt Megan mit hoher Stimme, "Sie hat mich doch nur verteidigt!" Ich ertaste unauffällig meinen Zauberstab in meiner Jackentasche. Gleichzeitig mache ich einen kleinen Schritt, um Sel von Megan abzuschirmen, die aussieht, als würde sie sich jeden Moment in eine Todesfee verwandeln. 

Sel legt freudlos lachend den Kopf in den Nacken. "Ach ja? Vor wen den?" Sie tritt an mir vorbei und ganz nah an Megan heran, um ihr fest in die Augen zu sehen. Ich behalte jetzt Mia im Auge, doch sie starrt nur unentwegt zwischen Megan und Sel hin und her. Da Sel Schuhe mit Absätzen trägt und Megan barfuß ist, besteht ein wesentlicher Größenunterschied, aber Megan drückt trotzdem nicht im Geringsten eingeschüchtert die Schultern zurück. 

"Hat mein Bruder dir jemals irgendetwas versprochen, Megan? Hat er dir irgendwann gesagt, dass er mit dir zusammen sein will? Oder war es nicht eher so, dass er jedem Mädchen bereits am Anfang sagt, dass er nichts Ernstes will? Jeder Mensch von hier bis zum Mond weiß, dass Sirius kein Typ für Beziehungen ist. Und du wusstest es auch. Also komm drüber hinweg und lass dich nicht mit solchen Typen ein, wenn du das Ende nicht verkraften kannst!" 

Megan hat die Fäuste geballt, doch Selenas Worte scheinen bei ihr anzukommen und sie weiß offenbar, dass sie wirklich kein Recht darauf hat, sich als abservierte Ex-Freundin aufzuspielen. Sel wendet sich ab. Im selben Moment sehe ich, wie Mia von ihrem Himmelbett aufspringt. "Sel!", rufe ich warnend und greife nach ihrem Arm, um sie außer Reichweite ziehen, aber da stolpert meine beste Freundin schon zurück, die Hand auf die Wange gepresst, auf der Mias roter Handabdruck pragt. 

Sel atmet schwer und wirft mir einen erschrockenen Blick zu, ehe sie ihre Hand sinken lässt. Ich will etwas sagen, aber Sel hebt beruhigend die Hand, während sie vor Mia tritt. "Vielleicht habe ich die verdient, keine Ahnung. Aber nur damit das klar ist: Weder Sirius noch James und schon gar nicht Remus sind privilegiert. Sie sind verdammt nochmal jeder auf seine eigene Weise durch die Hölle gegangen und stecken an manchen Tagen immer noch drin, also halt deine naive Fresse und geh mir aus dem Weg." Mit einem letzten abschätzigen Blick auf unsere beiden Schlafsaalgenossinnen nimmt Sel meine Hand und zieht mich hinaus. 

Vor der geschlossenen Tür schüttelt Sel ihre Hand aus und stößt ein leises, schmerzerfülltes "Huh, verdammt!" aus. Sie hat sich an die Wand gelehnt und ist daran ein kleines Stück heruntergerutscht. Ich trete an sie heran und begutachte ihre Wange, die feuerrot ist und am besten gekühlt werden sollte. Dann nehme ich sanft ihre Hand in meine. Ebenfalls gerötet, aber sonst unverletzt. "Guter Schlag, Schwester."

Schief grinsend sieht Sel auf. "Für meine erste Prügelei ganz gut, oder? Sorry, dass ich es uns mit den beiden verscherzt habe. Sie werden von jetzt an unausstehlich sein." Ich zucke die Schultern und grinse. Sel hebt abgrundtief seufzend die unverletzte Hand und ich ziehe sie wieder in eine stehende Position. "Na los, sie warten bestimmt schon alle auf uns."

Im Kerker brennen mehr Fackeln als sonst und alle leuchten den Weg zu Professor Slughorns Büro aus. Sämtliche Abzweigungen, nur mit Ausnahme von den beiden, die zu den Gemeinschaftsräume der Slytherins und Huffelpuffs führen, sind finster. Ich frage mich schon lange, wie man die Kerker mögen kann wie Severus es tut, und mir ist immer noch nicht ein einziger Grund eingefallen.

Slughorn und sein Club warten tatsächlich schon auf uns. Als wir durch die Bürotür treten, sehen alle Anwesenden auf und nicht wenige schauen anklagend. Umso später das Essen beginnt, umso länger dauert der Abend.

"Entschuldigen Sie, Professor Slughorn, wir sind ein kleines bisschen zu spät.", sage ich ohne einen Grund zu nennen, während Sel die Tür hinter uns schließt. Wir sind die Letzten.

Der Professor watschelt auf uns zu und nimmt mit gutmütiger Mine meine Hand in seine. Sie ist warm und feucht und ich würde vieles dafür geben, wenn wir uns endlich setzen könnten. "Oh, kein Problem, meine Liebe. Einer Frau sollte ihre Zeit im Badezimmer immer zugestanden werden." War das jetzt sexistisch? Doch ich lächle und werfe Sel einen mitleidigen Blick zu, als Slughorn ihre Hände kurz drückt. Aber auch sie lächelt, wobei ich das Gefühl habe, sie überspielt ihre wahren Empfindungen ein ganzes Stück besser als ich es kann. "Setzten wir uns- Oh, meine Liebe, was haben Sie denn da gemacht? Hat Sie jemand geschlagen?"

Slughorn betrachtet eingehend Selenas Wange und am Tisch kommt Unruhe auf. Sirius ist aufgesprungen und mit wenigen Schritten bei uns, James sieht aus, als wäre er, sobald Sirius ihm ein Zeichen gibt, genauso schnell da. 

Aber noch jemand, kein Gryffindor, kein Freund von uns, rutscht besorgt auf seinem Stuhl herum, während die anderen eher neugierig die Köpfe recken. Ich fange seinen Blick auf und gebe ihm ein unauffälliges Zeichen mit der Hand, wonach er einen Gang runterschalten soll. Also wirklich, dass die glasklaren Gesichtsausdrücke der beiden noch nicht alles verraten haben ist ein Wunder. Wobei, ich hab leicht Reden, ich weiß ja davon. Alle anderen würden Sel und Alexander nur mit einem Duell auf Leben und Tod in Zusammenhang bringen.

"Wer war das?", fragt Sirius eindringlich, der einen Finger unter Sels Kinn gelegt und ihren Kopf zur Seite gedreht hat. "Es war nur ein aus dem Ruder gelaufener Streit unter Schlafsaalgenossinnen, beruhige dich." 

Doch Selenas Worte haben den entgegengesetzten Effekt. "Megan? Hat Megan dich geschlagen?" Ohne eine Antwort abzuwarten will Black an uns allen vorbei durch die Tür stürmen, aber Sel hält ihn am Oberarm fest. "Warte!" Durch seinen Schwung wirbelt er einmal um meine beste Freundin herum, während Sel sich um ihre eigene Achse dreht. "Sie war's nicht! Und falls es dich interessiert: Ich hab als Erste zugeschlagen, also hab ich den roten Handabdruck ebenfalls verdient. Und jetzt entspann dich und setz dich wieder." 

Ich finde ja nicht, dass sie den Schlag verdient hat, aber Sel war schon immer so. Sie beschützt andere, die es nicht im Geringsten verdient haben, und sich selbst stellt sie hinten an. Ich versuche schon seit Jahren, ihr einen Hauch weniger Selbstlosigkeit beizubringen, weil es meiner Meinung nach zu viel geworden ist und sie mehr an sich denken sollte, aber sie ist stur.

Einen Moment lang herrscht absolute Stille, und ich sehe, wie am Tisch die unterschiedlichsten Blicke getauscht werden. Morgen wird die ganze Schule von unserem Zickenkrieg wissen. Na toll! Dann legt Slughorn den Kopf in den Nacken und lacht herzhaft auf. "Was für ein Schauspiel! Nun setzten Sie sich endlich, Miss Black, Miss Evans. In ein paar Minuten bringen die Hauselfen das Festessen." Er hebt galant seinen Arm und deutet zu den zwei einzigen noch freien Plätzen.

Es ist wirklich Schicksal im Spiel - oder Karma - denn neben wem werden Sel und ich sitzen? Genau. Sie neben ihrem geliebten Alexander, der schon sehnsüchtig auf sie wartet. Und wer wird auf meiner Seite sitzen? Potter! Ja, der James Fleaumont Potter, der mich bei unserer letzten Begegnung dazu überredet hat, auf einen Hippogreif aufzusitzen, und der mich wenig später vor eben diesem in Sicherheit gebracht hat. Ich brauch wirklich eine bessere Strategie, um Potter aus dem Weg zu gehen, die, die ich im Augenblick anwende, funktioniert anscheinend nicht annähernd so gut wie erhofft.

Auf halbem Weg zu unseren Plätzen schlägt Slughorn dann doch einen besorgten Ton an. "Ihrer Rivalin geht es doch gut, Miss Black, oder?"

Sel dreht sich lächelnd zu ihm um. "Oh, der geht es hervorragend, Sir, keine Sorge."

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(Bildquelle: https://i.pinimg.com/564x/68/3c/12/683c123abbf2c9f4e12383122a20f5a6.jpg)

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