Chapter 58

(Bild: Hogwarts Express)

Selena Black P.o.V.:

Weihnachten bei den Potters ist so ziemlich das Gegenteil von dem traditionellem, steifen Weihnachten, das ich kenne. Während bei den Blacks ein im Kreis der engsten Verwandten einfaches Abendessen alles ist, was in den Feiertagen stattfindet, werden bei den Potters alle nur denkbaren Klischees erfüllt. 

Socken, die über Nacht an den Kamin gehängt werden, gleich neben einem Tablett mit Keksen und einem Glas Milch für Santa Claus und einigen Möhren für seine neun Rentiere. Ich hatte, bis Euphemia mir davon erzählt hat, keine Ahnung wer Rudolph mit der roten Nase ist und dass man dem Weihnachtsmann süßes Gebäck bereitlegt, als Dankeschön für seine Geschenke. 

Die einzigen Geschenke, die man im Hause Black zu Weihnachten zu erwarten hat, sind lehrreiche Bücher oder extra Stunden bei einem der schnöseligen Privatlehrer. Umso schöner sind die Weihnachtstage dafür in diesem Jahr. Alle zusammen haben wir Lichterketten und Mistelzweige aufgehängt und kleine, festliche Dekorationen im ganzen Haus verteilt. Weihnachtskarten von Freunden und Kollegen haben auf dem Kaminsims ihren Platz gefunden und die Kekse, die nicht für Santa reserviert sind, stehen mitten im Wohnzimmer und schrumpfen mit jeder Minute, die vergeht. 

Ich nehme mir vor, diesen Keksduft, die Lacher, die in kurzen Abständen erklingen und allgemein die Atmosphäre im Haus nie zu vergessen. Ich lache James gerade aus, weil Sirius anscheinend auf die glorreiche Idee gekommen ist, ihm ein Hirschgeweih aus Plastik aufzusetzen, als James mit großen Schritten auf mich zu kommt und mir eine riesige, rot-weiße Bommelmütze über die Augen streift. Grinsend scheibe ich sie nach oben, um wieder etwas zu sehen.

In diesem Augenblick kommt Fleamont ins Wohnzimmer, mit Kisten voller Christbaumkugeln für den Tannenbaum bepackt. Ein teuflisches Lächeln legt sich auf seinen Mund, als er uns sieht. Allerdings nicht wegen den Kopfbedeckungen. Er schaut ohne ein Wort auf einem Punkt über James und mir. Ich lege verwirrt, aber neugierig den Kopf in den Nacken. Ein Mistelzweig.

Sirius Lachen hallt im Wohnzimmer wider, während James und ich uns etwas überfordert ansehen. Dann grinst der schwarzhaarige plötzlich und beugt sich blitzschnell vor. Es ist ein ultrakurzer, brüderlicher Kuss, der nichts romantisches an sich hat. Er sagt so viel wie: Hab dich lieb, Schwesterchen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. 

Nachdem sowohl James als auch ich eine der Beeren vom Mistelzweig gepflückt haben, will ich mich mit roten Wangen abwenden, doch James ist schneller. Er hält mich am Oberarm fest und zieht mich in eine Umarmung. "Der Kuss hat soviel bedeutet wie Danke für die verdammt lustige und enge Freundschaft in den letzten fünfeinhalb Jahren und nicht Ich liebe dich, lass uns heiraten. Also komm damit klar.", murmelt er leise, sodass Sirius es nicht hören kann. Ich nicke erleichtert. Ich weiß nicht wieso, aber das musste ich gerade einfach hören. 

"Danke für deine unglaublich loyale und in jeder Situation aufheiternde Freundschaft, James. Ich hab dich lieb." Ich spüre sein Lächeln an meiner Schläfe, als er mir einen fetten Schmatzer draufdrückt. Ich löse mich von ihm und wische mir mit verzogenen Lippen über die Stelle. "Man, James!" Doch er lacht nur und wirft sich neben Sirius auf das nächste Sofa, der ihn mir hochgezogenen Augenbrauen mustert. Dann beugt er sich nahe zu James, um ihm mit großen Augen zu fragen, was es gerade zu Flüstern gab. 

James zwinkert mir zu und antwortet nicht. Er nimmt sich einen Keks und tut so, als würden wir ihn nicht beide anschauen. Wobei Sirius' anschauen fast schon gruslig wirkt. Nach einigen Sekunden Stille sieht er schließlich wieder auf, dann verstört zwischen uns hin und her. Er seufzt tief. "In Ordnung, Pad. Ich werde dir jetzt genau das Gleiche sagen, das ich Star gesagt habe. Wehe du lachst!" Er atmet tief durch und setzt ein lässiges Lächeln auf. "Vielen Dank für die letzten Jahre voller Freundschaft und Streiche und den ganzen Nachsitz-Stunden in Gonnies Büro. Ich hab dich lieb, Sirius."

Sirius sieht vollkommen überrascht aus. Er dreht den Kopf in meine Richtung und fragt:"Sowas sagt der zu dir, wenn ich es nicht hören kann?" Im selben Moment rutscht er aber näher zu James und umarmt ihn fest. Dabei murmelt er gedämpft, aber nicht so leise, dass ich es nicht hören kann:"Hab dich auch lieb, Bruder." James grinst mich über Sirius' Schulter hinweg an und winkt mit einer Hand. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Schneller als gewöhnlich bringe ich die wenigen Meter zum Sofa hinter mich und quetsche mich zu den beiden Jungs. 

Fleamont, der die ganze Szenerie vom Weihnachtsbaum aus beobachtet hat, schüttelt amüsiert den Kopf. Dabei murmelt er:"Weihnachten, das Fest der Liebe und der Verrückten." Sirius schnappt sich ein Kissen und schleudert es auf Fleamont. Und in eben jenem Moment erleuchtet ein Kamerablitz den Raum und ein Brummen ertönt. Ich vermute, dass Euphemia gerade irgendwo in der Nähe der Tür steht und ein Polaroid-Bild von und allen macht. 


Am nächsten Morgen, nach einer gelungenen Bescherung und einem üppigen Frühstück, als wir unsere Wintermäntel anziehen, um in die Kirche zu gehen, steht diese Fotografie auf dem Kamin im Wohnzimmer. Darauf zu sehen ist ein großes Knäul aus verschiedenen Farben, das aus Sirius, James und mir besteht, und ein verschwommenes, durch die Luft segelndes Etwas, das dabei ist, Fleamont, der eine Christbaumkugel in der Hand hält und breit Lächelt, um einige Meter zu verfehlen.

Der Hogwarts-Express fährt in diesem Jahr schon am 28. Dezember, damit jeder die Chance hat Weihnachten Zuhause zu feiern und den Sylvesterball zu besuchen. Es fühlt sich eigenartig an, mitten in den Ferien schon wieder nach Hogwarts aufzubrechen, aber erst einmal im Schloss angekommen, hat sich dieses Gefühl wieder gelegt. Hogwarts ist einfach Hogwarts, und definitiv kein Ort, an dem man sich unwohl oder falsch fühlt.

Die Tage vor dem Ball vergehen wie im Flug und plötzlich ist die Zeit gekommen, in die Kleider zu schlüpfen und sich zu schminken. Mia und Megan brechen fast eine halbe Stunde vor der Eröffnung auf, um ja nicht zu spät zu kommen. Zu dieser Zeit hat Lily einen halben Nervenzusammenbruch, weil wir noch keine Frisur haben. Sie tigert im Schlafsaal auf und ab und sieht sich immer wieder rastlos um, als würde plötzlich aus dem Nichts ein Friseursalon auftauchen. "Beruhige dich, Lils. Er hats mir versprochen, also wird er gleich da sein." 

Lily sieht wenig überzeugt aus, bleibt aber stehen und sieht mir dabei zu, wie ich meinen Lieblingslippenstift auftrage. Dann geht sie zu dem Spiegel zwischen den Himmelbetten von Mia und Megan und betrachtet sich im Spiegel. Sie trägt ein Kleid in einem Grünton, der dem Grün ihrer Augen sehr nahe kommt. Am Oberkörper liegt es eng an und ist durchgehend mit Spitze verziert, an der Taille ist ein schlichter gleichfarbiger Gürtel, ab dem das Ballkleid glatt in einem weitschwingendem Rock bis zum Boden fällt. 

Lily zupft die Ärmel zurecht, die knapp über die Ellenbogen reichen und auch aus Spitze bestehen. Nur hier nicht so dicht, weswegen man durch den durchsichtigen Stoff ihre Haut sehen kann. "Du siehst spitze aus, und jetzt setzt dich-", ich verstumme. Die Schlafsaaltür schwingt auf und schlägt gegen die Wand. "Ich habe gehört, hier ist eine holde Jungfrau in Nöten.", ruft Sirius grinsend in den Raum. 

Ich verdrehe die Augen. "Du bist zu spät. Kannst du mit Lily anfangen, ich brauch noch ne Minute?" Sirius nickt und richtet seine Augen auf meine beste Freundin, die ein wenig ängstlich aussieht. 

Ein paar Minuten später steht Lily staunend vor dem Spiegel und verrenkt sich den Kopf, um die Flechtfrisur näher zu betrachten, die mein Bruder hervorragend hinbekommen hat. Ich zucke zusammen, als Sirius etwas zu fest an einer meiner Haarsträhnen zieht. "Sorry", murmelt er konzentriert. 

"Woher kannst du das?", fragt Lils mit immer noch fassungsloser Stimme. Sirius antwortet nicht sofort. "Sel und ich waren früher oft stundenlang in einem Raum eingesperrt. Da wird einem schnell langweilig.", meint er so lässig wie möglich. "Und da lernst du, wie man solche Frisuren macht?", Lily scheint sich gar nicht mehr einkriegen zu können. 

"Nicht ganz freiwillig. Sel hat ständig über die langen Haare gemeckert, die sie von unserer Mutter aus haben musste, und nachdem ich ihr einmal einen - ziemlich missglückten - Zopf gemacht habe, hat sie immer diesen Hundeblick benutzt. Mit der Zeit wurde ich besser und ich fand es gar nicht mehr so", dieses Wort zieht er in die Länge, bevor er endet, "schrecklich."

"Aha" Lily nimmt noch einmal ihren Französischen Zopf in Augenschein, der links oben anfängt und ihr dann rechts über die Schulter fällt. "Ich muss zugeben, dass ich beeindruckt bin." Sirius grinst sie im Spiegel an und neigt charmant dankend den Kopf. "Ich habe meine Qualitäten." Dann fügt er nur für mich zu hören hinzu:"Auch wenn ich nie gedacht hätte, dass flechten dazu gehört!"

Sobald mein Wasserfallzopf fertig ist, verschwindet Sirius recht schnell wieder. Ich glaube, dass er heute ein ganz besonderes Date hat. Laura Miller, die blonde Ravenclaw, wegen der wir das Hockeyspiel veranstaltet haben. Lily und ich haben uns entschieden ohne Date zu gehen. Wir gehen als Freundinnen und haben unseren Spaß, anstatt den ganzen Abend nur hübsch auszusehen und näher-kennenlern-Smalltalk zu führen. 


Die Große Halle sieht märchenhaft aus, als wir die Doppelflügeltür passieren. Zwei riesige Weihnachtsbäume stehen neben dem Lehrertisch, viele kleine im Raum verteilt, der heute Abend runde Tische beherbergt, anstatt den großen Haustischen. Alles ist in Gold gehalten, sogar die Kerzen, die über unseren Köpfen schweben und normalerweise weiß sind. Der Himmel ist heute Nacht klar und voller Sterne, die der feierlichen Stimmung einen romantischen Touch verleiht. 

Musik spielt aus allen möglichen Winkeln und wo man nur hinsieht erblickt man Menschen in wunderschönen Kleidern, die sich amüsieren. Auf der rechten Seite ist eine Art Bar aufgebaut, an der man sich schon vor dem Essen Getränke holen kann. Ich entdecke eine Bowle und ziehe Lily sofort mit mir mit, um uns was davon zu holen. 

Dumbledore hält eine kleine Rede, in der er alle zum Tanzen auffordert, was dazu führt, dass Lils sofort den Kopf schüttelt, als der Großteil der Schüler aufspringt und auf die Tanzfläche in der Mitte der Halle stürmt. "Ich tanze nicht!", stellt sie gleich fest. Ich lege den Kopf schief und schiebe die Unterlippe vor. "Bitte?" 

Lily schüttelt weiter den Kopf, hält aber plötzlich inne, als ihr Blick auf etwas oder jemanden hinter mir fällt. Neugierig drehe ich mich um. Die Rumtreiber haben sich einen Platz auf der Tanzfläche erkämpft. Remus, James, Sirius und Peter tanzen allesamt mit Mädchen, die alle vier beneidenswert schön sind. Allerdings ist die Einzige, die ich näher kenne, Dorcas. Sie liegt mit strahlendem Lächeln in Remus Armen und kichert, als er ihr etwas ins Ohr flüstert.

Ich sehe wieder zu Lily, die inzwischen aufmerksam ihren rechten Ärmel zurechtrückt. Ich komme nicht dazu, zu fragen, ob alles in Ordnung ist, denn Professor Slughorn steht auf einmal vor uns und möchte ausführlich mit seiner Lieblingsschülerin quatschen. Ich entschuldige mich hastig und gehe zu ein paar Freunden aus Ravenclaw, die anscheinend wie Lily nicht viel Wert auf das Tanzen legen. Ich liebe ja meine beste Freundin, aber mit Sluggie muss sie heute alleine auskommen.


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(Bildquelle: https://archzine.net/wp-content/uploads/2016/04/Kurzurlaub-über-Silvester-im-Harz.jpg)



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