(Bild: Krankenflügel)
Sirius Black P.o.V.:
Auf leisen Sohlen und darauf bedacht, nicht auszurutschen, überwinde ich die letzen Meter bis zum Krankenflügel. Mit aufmerksamen Sinnen lausche ich in die Nacht und sehe mich um, ehe ich es wage, den Tarnumhang von mir zu nehmen und die breite Flügeltür aufzuschieben, hinter der meine Schwester den halben Tag verbracht hat.
Die Arme hat ausgerechnet diesen Tag verpasst, auf den sie sich schon seit Wochen gefreut hat. Ich weiß, wie gerne sie die Abfahrt vom Nordturm ausprobieren wollte. Wir hatten die Treppen so verzaubert, dass sie wie eine Zieharmonika um einige viele Meter auseinandergezogen wurden. So konnten wir die steilsten Treppen zu überwindbaren Pisten umkonstruieren.
Doch jetzt, kurz vor Mitternacht, schmilzt der Schnee von den Wänden und dem Boden, da er nach genau 24 Stunden warm wird und sich in Wasserdampf verwandelt. Das war ein Teil des Plans, den ich jetzt bereue. Wir hätten zwei eisige Hogwarts-Tage machen sollen, nicht nur einen. Doch ich habe eine Überraschung dabei, die meine Schwester hoffentlich etwas aufmuntert.
Leise schleiche ich zu ihrem Bett. Noch bevor ich dort ankomme, setzt sich plötzlich die Person im Nachbarbett auf, den Zauberstab auf mich gerichtet. Ich bleibe erstarrt stehen, die Hand in zauberstabnähe. "Lumus" Durch das Erleuchten seines Zauberstabs wird nicht nur mein Gesicht sichtbar. Auch ich kann erkennen, obwohl ich ihn schon vermutet habe, dass es Alexander Malfoy ist, der sich bei meinem nächtlichen Auftauchen erschrocken zu haben scheint. Unauffällig schiebe ich den Tarnumhang in meiner Hand hinter meinen Rücken.
"Du!", meint er leise. Er wirft einen Blick zu Selena, die sich unruhig im Schlaf hin und her wälzt. Ihre Stirn ist in tiefe Falten gelegt und die Hand, die ich sehen kann, ist verkrampft zur Faust geballt. "Wird aber auch Zeit! Black geht mir langsam auf die Nerven.", damit legt er sich wieder hin und dreht sich auf die Seite.
Ich verdrehe genervt die Augen. Kann dieser Typ nicht woanders und vor allem wen anderes wahnsinnig machen? Vorsichtig setzte ich mich auf die Bettkante neben Selena, lege meine Hand auf ihre angespannte Schulter und beende somit ihren Albtraum. "Hey, ich bin's. Alles ist gut, Selly.", sage ich beruhigend, als sie aufschreckt und sich panisch in Raum umsieht. Ihr Blick klärt sich und verharrt auf mir.
Ich versuche ein Lächeln. "Alles gut?", forme ich mit den Lippen, da Malfoy nicht alles mitbekommen muss. Selena schluckt und nickt, lehnt sich im selben Moment aber nach vorne, um den Kopf an meinem Schlüsselbein zu vergraben. "Ich bin da. Alles ist gut. Oder es wird zumindest gut. Versprochen.", füge ich noch in gedämpfter Stimmlage hinzu.
Meine Schwester nickt leicht. Sie scheint sich einigermaßen beruhigt zu haben. Ich streiche ihr sanft übers Haar und über den Verband, der knapp über ihren Ohren um ihren Kopf gewickelt ist. Es würde lustig aussehen, wenn ich nicht das Blut gesehen hätte, dass ihr die Schläfe hinabgeronnen ist.
Selena macht nicht den Eindruck, als würde sie sich irgendwann von mir lösen, und so schiebe ich sie bestimmt, aber ohne zu grob zu sein von mir weg. Eine Falte legt sich auf ihre Stirn, als sie mich fragend ansieht. Ich grinse und hole die Eispackung hinter meinem Rücken hervor, die ich vor ein paar Minuten zusammen mit dem Tarnumhang hinter mir auf ihrem Bett abgelegt habe. "Tadaa"
Auf Selenas Gesicht breitet sich ein Grinsen aus. "Ich wusste, dass dich das aufmuntert.", behaupte ich großspurig. Sie zuckt mit den Schultern und startet im nächsten Moment einen Überraschungsangriff. Ich schaffe es, das Eis in Sicherheit zu bringen, bevor ihre Hand danach greift.
"Ich habe auch extra Schokoeis genommen.", fahre ich fort, als sei nichts gewesen. Wieder will sie mir mit Schnelligkeit das Eis abnehmen, doch ich lehne mich zurück und entkomme so ihrer Reichweite. "Sirius! Was soll das?", zischt sie, dabei hat sie allerdings ein breites Lächeln im Gesicht. Eigentlich bin ich ja hier, damit sie mit die Eispackung abnimmt, aber ihr dabei zuzusehen, wie sie halb verzweifelt, als auch der zweite Versuch nicht geklappt hat, ist zu himmlisch, um das Eis sofort herzugeben. Wieder schnappt sie danach. Und wieder weiche ich aus. "Bei Merlins blau karierter Unterhose, gib mir das Eis!"
"Bei Merlins blau karierter Unterhose?", wiederhole ich. "Mehr hast du nicht drauf?" Es macht immer wieder Spaß Selena zu provozieren. Auch wenn man es mit Vorsicht walten lassen sollte. Sie kann biestig sein, wenn sie will. Selena seufzt. "Der nette oder der nicht so nette Weg?", fragt sie schließlich zuckersüß. Ihr Blick ist vollkommen klar und ruhig, und ich weiß, dass sie keinen erneuten Angriff unternehmen wird. Jetzt zieht sie mit Worten in die Schlacht.
"Die nette", sage ich langsam und bedacht, "immerhin musst du dich ausruhen!" Selena grinst wissend. "Und das Eis schmilzt, wenn wir noch lange verhandeln.", ergänzt sie. "Exakt", stimme ich ihr zu. "Also, Schwesterherz, was hast du zu bieten?" "Ich spiele morgen einer Person deiner Wahl einen Streich deiner Wahl?", schlägt sie vor. Dann erweitert sie ihre Forderungen:"Und dass das klar ist, das Eis steht in der Mitte! Keiner von uns hält es in der Hand."
Ich gebe noch eine Weile vor, gut über die Sache nachzudenken, dann, als meine Finger langsam einfrieren, nicke ich. "Klingt fair." Selena schnaubt leise. "Von fair habe ich zwar eigentlich die Nase voll, aber was solls?" Da es eine rhetorische Frage ist, antworte ich nicht. Stattdessen platziere ich das Schokoeis zwischen uns und drücke Sel einen von zwei Teelöffeln in die Hand.
Einige Zeit ist es still, das einzige Geräusch stammt von unseren Atemzügen. Dann unterbricht Sel das Schweigen:"Wie viele Punkte?" Ich weiß sofort, was sie meint. "Neun von Zehn. Aber auch nur, weil nicht jeder Schlittschuh fahren kann und gewisse Menschen es nicht lassen konnten, mich deswegen den ganzen Tag vollzumeckern." "War Prongs so schlimm?" "Schlimmmer!", antworte ich seufzend.
"Ich würde auch neun vergeben, der Unfall hat einen Punkt gekostet. Eishockey ist einfach zu gefährlich, zu brutal." Ich nicke. "Ja, das war eine bescheuerte Idee von Malfoy, das nächste Mal tragen wir's durch Schere-Stein-Papier aus!", meine ich zum Ende hin ironisch. Sel grinst und verpasst mir einen Schlag auf die Schulter. "Aua!"
Sel zieht die Augenbrauen nach oben. "Wenn das weh getan hat, darfst du mich ohne Rückfahrkarte auf den Mond schießen!" Ich öffne den Mund, um zu antworten. "Wehe du rutscht jetzt auf die Drama-Schiene ab...", sagt sie mit erhobenem Zeigefinger. "Ich warne dich, sei ehrlich."
Ich verdrehe die Augen und lehne mich weiter zurück in eines der Kissen, die am Kopfende des Krankenbettes lehnen. Sel rutscht ein Stück, damit ich es mir bequem machen kann. "In Ordnung, wenn du zuschlägst, fühlt es sich ein wenig wie kitzeln an, aber das rechtfertigt noch lange nicht deinen Hang zu- Hey!", ein kräftiger Schlag gegen meine Schulter hat mich doch tatsächlich vom Eis aufblicken lassen. "Hat sich das gerade wirklich wie kitzeln angefühlt?", fragt Sel empört.
"Naja", ich neige den Kopf hin und her, "das ging jetzt eher in Richtung aushauendes Kätzchen!", lasse ich nachdenklich hören. Ich weiß, dass ich gerade gefährlich lebe, weswegen ich vorsichtshalber eine Hand nahe der Eispackung platziere. Für den Fall, dass meine Zwillingsschwester nicht mehr lange mit mir teilen möchte.
Doch anstatt mir das Eis wegzunehmen, greift sie hinter sich und nach dem Kissen, an dem sie lehnt, holt damit aus und wirft es mit ordentlich Schwung gegen mich. Der Löffel, der auf halben Weg zu meinem Mund war, drückt sich dadurch gegen mein weißes Shirt, über dem ich eine graue Strickjacke gegen den eisigen Wind auf den Gängen trage. Entsetzt blicke ich an mir herunter und auf den braunen Fleck, der nicht nur blöd aussieht, sondern dazu auch noch eisig kalt ist. "Sel!"
"Jaa?", fragt sie unschuldig, während sie sich genüsslich weiter das Schokoeis in den Mund schiebt. "Biest!", sage ich nur. Sie lächelt zufrieden.
Da das Shirt sowieso in die Wäsche muss, mache ich mir nicht die Mühe, es sauber zu machen. Stattdessen lehne ich mich zurück und genieße den Moment. Das hereinfallende Licht des halb vollen Mondes, die Stille und den Geschmack von Schokolade. Dabei schweifen meine Gedanken zu Malfoy, der hoffentlich schläft und uns nicht wie ein Spanner belauscht.
"Du hast vorher gesagt, dass es ein Unfall war. Bist du dir da sicher?", meine Stimme ist so leise, dass selbst Selena, die Schulter an Schulter neben mir sitzt, etwas braucht, bis meine Worte einen Sinn ergeben. Ihr Lächeln verrutscht ein Wenig, bleibt aber auf ihren Lippen. "Ich hab gesehen, wie es passiert ist, das war kein Foul, ganz sicher."
Nicht überzeugt seufze ich, nachdem ich über ihre Worte nachgedacht habe. "Wenn du meinst, aber es ist Malfoy, über den wir reden, vergiss das nicht." Sie lässt ein schwaches Grinsen sehen. "Tu ich bestimmt nicht!", es klingt ein bisschen bitter, doch das ist kein Wunder bei der jahrelangen Feindschaft, die eigentlich mit Freundschaft begonnen hat.
Selena Black P.o.V.:
Nachdem Sirius gegangen ist, bleibe ich hellwach in meinem Bett sitzen. An Schlaf brauche ich gar nicht mehr zu denken, damit habe ich den Großteil des Nachmittags und des Abends verbracht, um nicht darüber nachzudenken, dass ich mit Alexander Malfoy alleine in einem Raum eingesperrt bin. Mäßig motiviert lasse ich meinen Blick durch den Krankenflügel gleiten, auf der Suche nach einer Beschäftigung. Auf der grünen Raumabtrennung, hinter der Malfoy sich befindet, bleiben meine Augen hängen. Ob er schläft? Oder liegt er wach und denkt an mich wie ich an ihn?
Verzweifelt lasse ich den Kopf in den Nacken fallen, was ich sofort bereue, da meine Gehirnerschütterung protestiert und sich wieder Schwindel in mir ausbreitet. Wie kann ich die Gedanken abschalten? Diese ständigen Fragen und die Verwirrung, die Alexander in mir ausgelöst hat, diese beiden Dinge treiben mich noch in den Wahnsinn!
Sobald sich der Schwindel gelegt hat, stehe ich auf und tapse auf Zehenspitzen zum nächsten Fenster. Das Fensterbrett ist kalt, doch ich fahre einmal mit meinem Zauberstab darüber und schon geht eine wohlige Wärme davon aus. Minutenlang, vielleicht auch stundenlang starre ich aus dem Fenster und versuche die wirren Gedankengänge zu ordnen, die in meinem Kopf entstehen, durcheinanderwirbeln und die verschiedensten Emotionen in mir auslösen.
Es klappt nur bei bestimmten Themen. Bei schulischem Kram, der bald startenden Quidditchsaison, den bevorstehenden Weihnachtsferien, sogar bei dem Silvesterball, der heuer stattfinden wird, um die Abendgarderobe wieder einmal auszuführen, wie Dumbledore so schön in einen Brief an sämtliche Schüler und Eltern schrieb.
Ich weiß noch, wie Euphemia verträumt in die Luft gestarrt hat und Fleamont James etwas ins Ohr geflüstert hat, als sie es erfuhren. Die beiden wären wohl beider gerne noch einmal jung und in Hogwarts, nur um auf diesen Ball gehen zu können. Ich dagegen bin nicht gerade begeistert. Klar, es wird mit meinen Freunden an meiner Seite ganz lustig werden, vielleicht sogar ein besonderer Abend, den ich nie wieder vergessen werde. Aber welches Mädchen startet nicht gerne mit einem Kuss ins neue Jahr. Und damit wird es beim nächsten Neujahrsläuten schlecht aussehen.
Mein Blick wandert erneut zu dem grünen Vorhang mitten im Raum, hinter dem kein Mucks zu hören ist. Müde lehne ich meinen Kopf gegen das kalte Fensterglas. Meinem schmerzenden Kopf tut das gut und ohne es richtig zu merken, drifte ich nach einigen Minuten in das Land der Träume ab.
Ich werde wach, und schlafe dennoch. Es ist eine Art Halbschlaf, in dem ich nur mitbekomme, dass ich behutsam hochgehoben werde und gleich darauf auf meinem weichen Bett abgelegt werde. Ich spüre, wie jemand die Bettdecke unter mir wegzieht, um sie dann über mir auszubreiten und an den Seiten mit geringem Druck festzustecken. Ich spüre Atem, der auf meine Haut trifft, als mein Kissen zurechtgerückt wird und nehme einen Duft wahr, der mit schrecklich vertraut ist. Minze gemischt mit diesem ganz besonderen, eigenen Duft. Ich würde gerne die Augen öffnen und Alexander zum Teufel schicken, doch meine Augen wollen und wollen nicht aufgehen, ich bin viel zu erschöpft und erledigt vom Tag.
Ich spüre den Hauch einer Berührung auf meiner Stirn, es fühlt sich wie ein Abschied an, und ohne es zu wollen drehe ich das Gesicht in diese Richtung. Der Atem, der auf meine Schläfe trifft, hält inne. Im nächsten Augenblick flüstert jemand so leise über meinem Ohr, dass ich nur das letzte Wort verstehe. "...Sela" Ich sehne mich danach, auch den Rest des Satzes zu hören, doch mein Mund öffnet sich nicht, um eine Frage zu formulieren. Die warme Hand, die meinen Unterarm berührt, verschwindet ohne ein Geräusch, und mit ihr die kribbelnden Funken in meinem Bauch. Dann ist er weg. Wieder einmal.
Am nächsten Morgen, als Madam Pomfrey mich mit einem für meinen Geschmack viel zu gesundem Frühstück am Bett weckt, kann ich mich nicht daran erinnern, wie ich zurück in mein Krankenbett gekommen bin.
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(Bildquelle: https://www.pottermore.com/image/hogwarts-hospital-wing)
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