(Bild: James Potter)
Vier Jahre später
Selena Black P.o.V.:
Wir sitzen erst seit knappen zehn Minuten im fahrenden Hogwarts Express, und doch haben es die Jungs bereits geschafft, jemanden zu verhexen. Nun ja, zugegeben, sie haben die letzten zwei Monate nicht zaubern dürfen, und die Freude darüber, dass wir Rumtreiber wieder vereint sind, hat ihnen dann den Rest gegeben.
James und Sirius haben, unterstützt von Peter, ein Zaubererduell mit zwei Slytherins angefangen. Ich bin auf meinem Platz sitzengeblieben und schaue jetzt den Duellen zu.
Leider ist weder Remus, noch Lily da, denn sie hätten dieses Kindertheater sofort beendet. Sie sind dieses Jahr die Vertrauensschüler von Gryffindor geworden, was bedeutet, dass sie jetzt im Moment im Zugabteil der Vertrauensschüler und Schulsprecher sind, wo sie ihre Aufgaben zugeteilt bekommen.
Sirius und James müssen sich nicht einmal besonders Mühe geben, um die Zauber der Slytherins abzuwehren. Sie haben ihre Duelle nur noch nicht beendet, weil es ihnen Spaß macht zu sehen, wie die Sechstklässlerin und der Fünftklässler sich bemühen, wenigstens einmal im Leben einen Rumtreiber zu besiegen.
Soweit ich weiß, heißt das hübsche, braunhaarige Mädchen Ella Wilson und der blonde, grünäugige Junge Blake Conteville. Sie beide hatten eigentlich nur vor, an unserem Zugabteil vorbeizugehen wollen, doch Sirius und James hatten andere Pläne, sie suchten Streit - und den bekamen sie auch, denn ein Slytherin geht nicht einfach weiter, wenn man ihn herausfordert.
Ich weiß, wieso Sirius den Adrenalinschub so dringend braucht, und ich kann ihn nur zu gut verstehen. Wir hatten jetzt zum vierten Mal unsere Sommerferien im Black'schen Anwesen verbracht - und wie jedes Jahr sind sie schrecklich gewesen.
Sirius will etwas von seinem eigenen angestauten Frust an den Menschen auslassen, die an den ganzen Reinblüterquatsch glauben, und James - er weiß zwar nicht genau was bei uns in den Ferien passiert, aber ich glaube, dass er es sich denken kann - will Sirius nur ein guter Freund sein, indem er sich mit ihm, Seite an Seite, gegen die ihm so verhassten vorbildlichen Reinblutkinder duelliert.
Ein paar Minuten lang fliegen die Flüche durch unser Abteil. In der Zeit ist nur das Rauschen der Zauber, das Lachen der beiden Jungs und gelegentlich ein erschrockenes Keuchen von Peter zu hören, wenn einer der Slytherins James oder Sirius nur knapp verfehlt. Es bleibt allerdings nur bei ein paar Flederwicht- und Stolperflüchen, da weder die beiden Rumtreiber, noch die Slytherins ehe die Schule beginnt Ärger bekommen wollen.
Doch dann taucht plötzlich Alexander Malfoy vor unserer Abteiltür auf. Er ist der selbsternennte Anführer der Reinblüter, jeder Junge aus Slytherin will mit ihm befreundet sein und jedes Mädchen aus besagtem Haus will mit ihm zusammen kommen. Doch im Grunde wollen sie nur eines: Beliebtheit und die damit verbundene Macht.
Alexander Malfoy hat diese Dinge von seinen großen Bruder Lucius sozusagen übernommen. Malfoy beobachtet unbeeindruckt die vier Duellanten und sagt mit einer Stimme, die entspannter nicht sein könnte:"Ihr könnt diesen Kinderkram einfach nicht lassen, hab ich recht?", dabei schaut er Blake, Ella, James und vor allem Sirius direkt an, dann seufzt er.
Blake kneift die Augen zu Schlitzen zusammen, dreht sich dann aber auf dem Absatz um und verschwindet in die Richtung, in die er bis eben noch unterwegs war. Ella dagegen meint mutig zu Malfoy:"Wir können unsere Angelegenheiten selbst klären, Alex. Du musst dich nicht immer einmischen!"
Anscheinend ist sie eine der wenigen, die sich nicht von Malfoy einschüchtern lässt, was aus meiner Sicht absolut verständlich ist, immerhin ist sie älter als er und ihm keinerlei Rechenschaft schuldig.
Malfoy antwortet ihr allerdings nur:"Das weiß ich doch, Ella, aber nach Lucius' Schulabschluss muss ich die Familie Malfoy würdig vertreten. Und diese mischt sich nun einmal überall ein, wo sie nur kann." Ella schnaubt daraufhin abfällig, folgt aber Blake auf den Gang. Ich habe das Gefühl, dass ich mich gleich übergeben muss. Wie kann man nur so ein Arsch sein?
Alexander Malfoy wendet sich nun uns zu. Er hat eindrucksvolle dunkle Augen - die amüsiert auf die Zauberstäbe in Sirius, James und Peters Händen gerichtet sind - und ist, das muss sogar ich zugegeben, ziemlich attraktiv.
Außerdem hat er etwas an sich, das ich nicht richtig beschreiben kann: Er sagt nicht viel und denkt erst genau über etwas nach, bevor er es tut. Er kommuniziert mehr mit Blicken als mit Worten, und diese Gabe, mit einem Blick mehr zu sagen als mit Worten zu sagen wäre, ließ ihn zu einer Person werden, mit der man sich nicht leichtfertig anlegt. Er besitzt eine Art natürliche Autorität, die ihm sogar ermöglicht ohne Zauberstab ein Zugabteil voller kampfbereiter Gryffindors zu betreten, ohne Angst haben zu müssen, verzaubert zu werden.
Früher haben Lucius, Alexander, Sirius und ich immer auf den Reinblütertreffen miteinander gespielt, doch als Sirius und ich älter wurden und wir gemerkt haben, woran all diese Menschen glauben - die Ausrottung der Muggel und Muggelstämmigen und der Herrschaft der Reinblüter - haben wir uns von diesen Menschen abgekapselt, und spätestens, als der sprechende Hut uns nach Gryffindor gesteckt hat, entfernten wir uns vollkommen von sämtlichen fanatischen Reinblütern und deren Kindern, auch von Alexander und Lucius Malfoy. Unser Kontakt besteht im Wesentlichen daraus, dass wir uns auf den Korridoren von Hogwarts Beleidigungen an den Kopf werfen.
Ich stehe jetzt ebenfalls auf und stelle mich neben Sirius. Erstens: um meine Freunde zu unterstützen und zweitens: um wenigstens etwas größer zu sein. Da Malfoy dennoch einen Kopf größer als ich ist, bringt es aber nicht besonders viel.
Auch Malfoy ist gleich in der Schuluniform zum Bahnhof King's Cross gekommen, genau wie Sirius und ich und auch viele andere, die mit Hilfe des Flohnetzwerks angereist sind.
Jetzt, wo ich vor ihm stehe, fällt mir sofort das silberne Abzeichen, das auf seine Brust geheftet ist, auf, welches ihn als Vertrauensschüler ausweißt. War ja klar, dass er es geworden ist.
Ich schnaube leise, was Malfoy dazu bringt, meinen Augen zu folgen. Für einen Moment starrt er auf seine eigene Brust, doch dann hebt er den Blick und schaut mir geradewegs in die Augen. Es ist offensichtlich, was er mit seinem Blick sagen will: Hast du etwas anderes erwartet?
Malfoys Augen gleiten von mir zu den anderen Rumtreibern. "Ich will mich nicht mit euch duellieren, also solltet ihr eure Zauberstäbe besser wegstecken, ich habe immerhin auch keinen." Er hebt die Hände, um das Gesagte zu beweisen. Ich kann nicht anders, als ihn für seine Unerschrockenheit und Kühnheit zu bewundern, er ist hier unter bewaffneten Feinden und grinst sie einfach nur an.
James und Sirius sehen sich für einen Moment an, dann sinken ihre Hände - beeindruckend synchron -, sodass ihre Zauberstäbe auf den Boden gerichtet sind. Peter folgt ihrem Beispiel.
"Was willst du dann?", frage ich in kaltem Tonfall, aus dem eindeutig Misstrauen herauszuhören ist. Er blickt mir erst für ein paar Sekunden in die Augen und fährt sich durch seine blonden, lockigen Haare, bevor er antwortete:"Ich will", beginnt er bedächtig. "dass ihr aufhört Slytherins zu verhexen, nur weil euch langweilig ist. Sucht euch andere Beschäftigungen. Diese Duelle und Streitereien werden euch nicht weiterbringen, sie richten nur Schaden an.", seine Stimme klingt nicht kalt oder fordernd, sie ist ruhig und seine Worte sind keine Drohung oder Warnung, sie sind eine Feststellung.
Insgeheim gebe ich ihm Recht, die Jungs übertrieben es manchmal ein bisschen. Aber das würde ich niemals laut zugeben, stattdessen sage ich:"Bist du fertig mit deiner Moralpredigt? Dann solltest du jetzt besser gehen, Malfoy!" Für einen Moment sieht er mir wieder in die Augen und ich kann in seinen sehen, dass Gedanken in seinem Kopf durcheinander umherwirbeln, doch dann dreht er sich um und geht aus unserem Abteil.
"Leider sehen wir uns ja im Unterricht wieder, ihr Blutsverräter!", sagte er noch lässig mit verächtlicher Stimme, während er die Schiebetür hinter sich zugleiten lässt. Ich kann nicht sagen, ob er verärgert oder zufrieden ist, aber so ist er nun mal, man kann nicht erraten, was er fühlt oder denkt.
Einen Augenblick lang ist es ganz still im Abteil, doch dann bricht aus Sirius heraus:"Dieser kleine arrogante, Scheißkerl. Das nächste Mal, wenn er so respektlos und von oben herab mit uns spricht, werden wir ihn erledigen!", er schlägt mit der Faust auf die Sitzbanklehne ein, während wir anderen uns wieder auf unsere Plätze sinken lassen.
Ich lege ihm behutsam eine Hand auf die Schulter und er hört auf um sich zu schlagen. So war es schon immer zwischen uns. Wenn einer verwirrt oder wütend ist, braucht er nur eine Berührung des anderen, und alles ist ein ganzes Stück besser, als noch vor ein paar Sekunden. Es ist eine Art stille Erinnerung daran, dass wir immer aufeinander zählen können.
"Ich kann dieses Grinsen einfach nicht leiden. Oder seine Worte erst: muss ich die Familie Malfoy würdig vertreten, und diese mischt sich nun einmal überall ein, wo sie nur kann", er macht Malfoys Stimme so gut nach, dass wir uns einen Moment später vor Lachen krümmten. Erst blickt er uns noch immer wütend an, doch dann fällt James fast von der Bank und dann ist es auch um ihn geschehen.
Als Remus mit Lily im Schlepptau eine halbe Stunde später das Abteil betritt, haben wir wieder die beste Laune. Wenn man mit Rumtreibern in einem Abteil sitzt, dann gibt es keine schlechte Stimmung, zumindest nicht lange.
Ich umarme Lily fest zur Begrüßung, während Remus laut fragt:"Ratet mal, wer Vertrauensschüler der Slytherins geworden ist." "Malfoy", bekommt er als vierstimmige Antwort zurück. Für einen Moment mustert Remus uns alle, dann seufzt er tief, lässt sich neben James auf einen freien Platz fallen und fragt:"Was habt ihr gemacht?"
Ich lache laut auf und boxe Remus gegen die Schulter. "Moony hat wie immer recht! Wollt ihr es ihm nicht erzählen? Ihr wisst schon, das von dem Duell, welches ihr provoziert habt?", ich grinse James und Sirius breit an. Beide verdrehen ebenfalls grinsend die Augen und zucken mit den Schultern.
Lily neben mir schnappt erschrocken nach Luft und mir entgeht nicht, wie die beiden Jungen etwas tiefer in ihre Sitze sinken. In der Zeit, in der Lily ihnen einen Vortrag über ihr unverantwortliches Verhalten hält, verabschiede ich mich, um im Zug nach Grace zu suchen.
Lily, Grace und ich teilen uns mit zwei anderen Mädchen, Mia Finnigan und Megan Collins, einem Schlafsaal im Gryffindorturm. Ich habe Grace und Lily während der Ferien nicht schreiben können, weil Mutter und Vater nicht wollen, dass ich mit Muggelstämmigen schreibe.
Eigentlich wollten wir uns schon am Bahnhof Kings Kross treffen, aber dort sind immer so viele Menschen, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass man jemanden nicht gleich findet.
Ich streife durch den ganzen Zug – zweimal - doch Grace kann ich nirgendwo finden. Mit gerunzelter Stirn öffne ich die Tür zu dem Abteil, in dem die Rumtreiber und Lily sitzen. Links von mir sitzen James, Remus und dann Lily und rechts sitzen mein Bruder und Frank Longbottom, ein dunkelhaariger Junge, der im gleichen Schlafsaal wie die Jungs wohnt.
Alle sehen auf, als ich hereinkomme und mich neben Frank, und somit gegenüber von Lily, fallen lasse. Sirius und James brauchen keine Sekunde um zu bemerken, dass etwas nicht stimmt, Lily schaut erst erwartungsvoll auf die Tür, als allerdings keine Grace durch die Tür kommt schaut sie mich stirnrunzelnd an, in ihren Augen steht Angst.
"Hey Frank, wie waren deinen Ferien?", frage ich, auf normale Konversation hoffend, doch Sirius lässt Frank gar nicht erst antworten. "Was ist los? Wo ist Grace?"
Ich schaue zu Lily. "Hat sie dir geschrieben, dass sie später nach Hogwarts kommt? Oder irgendetwas anderes, was erklärt, warum sie nicht im Zug ist?" Lily schüttelt langsam den Kopf.
"Sie ist nicht im Zug? Sicher?", fragt James mit geweiteten Augen. Ich weiß, was er denkt. Was wir alle denken. Doch das kann nicht sein. Nicht Grace!
Ich nicke. Lily steigen Tränen in die Augen, doch sie kämpft gegen sie an. Als Remus das sieht, legt er hastig einen Arm um ihre Schultern. "Wir wissen nicht, was passiert ist. Es kann auch sein, dass sie nur den Zug verpasst hat, du weißt doch wie schusselig sie ist."
Ich blinzle meine eigenen Tränen aus den Augen. "Du hast recht.", sage ich, auf eine feste Stimme bedacht. "Es muss nicht heißen das sie überfallen worden ist ... oder...", ich stocke, beuge mich nach vorne und vergrabe das Gesicht in den Händen.
Sirius steht von seinem Platz auf und setzt sich zu meiner linken wieder hin. Er weiß genau, dass ich jetzt Raum für mich brauche, um nachzudenken und mich selbst davon zu überzeugen, dass es ihr gut geht, und so legt er mir nur eine Hand auf die Schulter.
Sie ist nicht tot! Sie ist nur nicht im Zug, dafür kann es so viele verschiedene Gründe geben! Es muss keine Gruppe verrückt gewordener Zauberer und Hexen sein, die Muggel und muggelstämmige Magier umbringt und dann ihr Haus anzündet...
Ich habe mich geirrt, es kann bedrückte Stimmung in einem Abteil mit den Rumtreibern herrschen. In den nächsten Stunden versuchen die Jungs halbherzig Scherze oder anderen Unsinn zu machen, doch es gelingt ihnen nicht wirklich.
Wir alle starren in düstere Gedanken versunken aus dem Fenster oder auf einen Punkt im Abteil, doch wir sehen nicht wirklich das an, worauf unser Blick gerichtet ist.
Wir denken an Grace, die wunderschöne und wunderbare Grace. Sie hat langes, blondes Haar, welches ihr in Wellen über den Rücken fällt und strahlend blaue Augen.
Grace ist diejenige, die immer optimistisch ist und immer der Überzeugung ist, dass für jedes Problem eine Lösung existiert. Viele haben sie aufgrund ihres Aussehens als Engel bezeichnet, und das ist sie auch: Sie ist unser Engel.
Als wir abends aus den Kutschen steigen und durch den Regen auf die große Eingangstür zu rennen, habe ich mich wieder im Griff. Inzwischen bin ich mir sicher, dass es Grace gut geht. Wie groß ist denn bitte die Wahrscheinlichkeit, dass es ausgerechnet Grace und ihre Familie trifft?
Und wenn ihr sonst etwas passiert wäre, dann hätten ihre Eltern Lily geschrieben. Lily war schon einmal mit ihren Eltern bei Grace zu Besuch und seitdem halten Lily's und Grace's Eltern engen Kontakt.
Doch Lils beteuert, dass sie noch vor einer Woche mit Grace per Eule geschrieben hat und dass ihre Eltern keinen Brief durch den Muggel-Postboten erhalten haben.
Wahrscheinlich sitzt sie schon in der Halle und wartet auf uns. Wenn sie den Zug verpasst hat, dann wird sie zweifellos durch das Flohnetzwerk in die Schule gekommen sein. Das ist zwar eigentlich nicht erlaubt, aber das wäre der unkomplizierteste Weg.
Wir erreichen alle die Eingangshalle und quetschen uns durch die Menschenmenge in die große Halle. Die Decke ist genauso beeindruckend wie immer und ich fühle mich endlich wieder wie Zuhause, als ich sie sehe mit ihren funkelnden Sternen und dem wunderschönen blau des Nachthimmels - doch jetzt gerade ist das alles nebensächlich.
Ich mustere Schüler über Schüler auf der Suche nach dem mir so bekannten Gesicht. Ich sehe Freunde, Klassenkameraden, verhasste Slytherins - aber nirgendwo ist Grace Parker zu sehen.
Ich drehe mich im Kreis, immer und immer wieder, in der Hoffnung, dass ich sie nur übersehen habe und sie jeden Moment auf mich zugestürmt kommt, um mich so heftig zu umarmen wie sie es immer tut. Eine Hand legt sich auf meine Schulter und ich zucke erschrocken zusammen. "Grace?"
Doch dann höre ich die Stimme von Sirius, die mir über das Getrampel und Geschnatter der anderen Schüler hinweg ins Ohr spricht:"Wir werden McGonagall fragen, sobald das Festessen vorbei ist, ich verspreche es dir." Er sieht mir fest in die Augen.
Ich nicke langsam und er zieht mich sanft zu James und den anderen, die Sitzplätze an unserem Haustisch für uns freihalten. Sie sehen alle genauso aus wie ich mich fühle - als hätte ihnen gerade jemand eine heftige Ohrfeige verpasst. Oder schlimmeres.
Während dem obligatorischen Lied des sprechendem Hutes, der Einteilung der Erstklässler und auch unter dem Festessen, bei dem wir alle fast nichts herunterbringen, kommt es mir so vor, als pocht nicht mein Herz in meiner Brust, sondern die nackte Angst.
Ich starre ins Nichts und merke gar nicht, dass es die anderen Gryffindors ebenfalls tun. Ich bemerke weder die besorgten Blicke von Sirius, noch die von James.
Als die anderen Schüler aufhören zu Essen und die Gespräche über die Ferien und Quidditch anfangen, erhebt sich Professor Dumbledore. Ausnahmslos alle beenden ihre Gespräche und blicken mit gespannten Mienen zu ihm auf.
Erst jetzt wird mir bewusst, dass auch am Lehrertisch bedrückte Stimmung herrscht. Professor McGonagall ist blass, ihre Lippen sind zu dem schmalsten Strich zusammengepresst, den ich je gesehen habe.
Die junge Professor Sprout stochert in ihrem Nachtisch herum und einzig der neue Lehrer, der zu ihrer Rechten sitzt, scheint nicht niedergeschlagen zu sein. Er muss wohl der neue Verteidigung gegen die Dunklen Künste-Lehrer sein.
Bis jetzt haben wir jedes Jahr einen anderen Professor in diesem Fach gehabt. Angeblich liegt ein Fluch auf der Professorenstelle, sodass man sie nur ein Jahr lang behalten kann, und Professor Clark, welche wir zuvor in unserem vierten Schuljahr gehabt haben, ist nirgends zu sehen.
"Ich freue mich euch auch in diesem Jahr in Hogwarts begrüßen zu dürfen. Ich werde euch nicht lange davon abhalten, in euren Schlafsaal zu verschwinden und euch für den morgigen ersten Schultag auszuruhen." Dumbledore lächelt, bevor er sich zu dem neuen Professor am Lehrertisch dreht.
"Dies ist Professor Aleko Zankov, welcher sich entschieden hat den langen Weg von Bulgarien nach England zu bestreiten, um euer neuer Verteidigung gegen die Dunklen Künste-Lehrer zu werden. Zu meinem Bedauern muss ich euch mitteilen, dass Professor Abigail Clark vermisst wird. Das Ministerium geht davon aus, dass sie gewaltsam aus ihrem Haus in London entführt wurde.", Dumbledore senkt die Stimme:"Hoffen wir, das die Auroren sie finden und nach Hause zurückbringen werden." Eine bedrückte Stille legt sich über die Halle. Ich sehe von einem finsteren Gesicht zum nächsten.
"Leider habe ich noch eine traurige Nachricht für euch..."- mein Kopf ruckt nach oben. Bis jetzt habe ich auf die Tischplatte gestarrt und gehofft, dass Dumbledore außer der Vorstellung von dem neuen Professor, den Quidditchauswahlspielen und den üblichen Warnungen davor, den Verbotenen Wald zu betreten, nichts weiteres sagen wird, doch als ich jetzt zu ihm hochschaue und sehe, wie er dem Griffendortisch einen traurigen Blick zuwirft, scheint mein Herz für einen Moment nicht mehr zu schlagen.
"Vorgestern Nacht gab es einen Angriff auf eine Schülerin.", der Schulleiter stockt kurz, bevor er weiterspricht:"Grace Parker und ihre Familie starben durch die Hand einer Gruppe von Magiern, die sich die Todesser nennt. Angeführt wird sie von einem Mann, der sich selbst Lord Voldemort nennt. Er hat bereits..."
Ich höre nicht mehr zu, in meinen Ohren rauscht es und vor meinen Augen verschwimmen die Leute, die Wände, die Tische. Jede Zelle in mir scheint betäubt. Das kann nicht sein. Grace kann nicht tot sein, sie kann nicht einfach weg sein. Verschwunden. Aus dem Leben gerissen, das sie so geliebt hat.
Sirius Arm um meiner Schulter bekomme ich nur am Rande meines Bewusstseins mit, und auch, dass Lils nach meiner Hand greift, nehme ich kaum wahr. In meiner Brust ist so viel Schmerz, ich kann fast nicht mehr atmen.
Jeder Atemzug schmerzt und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass ich mir das Herz aus der Brust reißen könnte. Dann würde der Schmerz aufhören, der Schmerz, welcher mich von innen heraus zu verbrennen scheint.
Sirius zieht mich an sich und ich vergrabe den Kopf an seiner Schulter. Ich weine nicht, das habe ich schon lange nicht mehr, und doch brennen meine Augen. Ich bekomme kaum mit, wie alle anderen Schüler aufstehen und langsam aus der Halle drängen, es ist mir egal. Alles ist mir egal.
Wie durch einen Schleier bekomme ich mit, dass Professor McGonagall zu uns herüber kommt. Sie spricht mit einem der Jungen, aber ich bin zu durcheinander, als dass ich seine Stimme erkennen könnte. Die Stimmen verstummen, McGonagall muss gegangen sein.
Langsam schaue ich auf. Lily hat ihren Kopf an Remus Schulter gelehnt und schluchzt heftig. Remus, welchem ebenfalls ein paar Tränen die Wangen herunter laufen, versucht sie mit leisen Worten zu beruhigen, doch sie weint untröstlich weiter.
James dagegen ist völlig ruhig, doch auf seinem Gesicht ist ein Ausdruck von unsäglicher Wut und schmerzlicher Hilflosigkeit, der mir das Herz gebrochen hätte, wäre es nicht schon vor wenigen Minuten zertrümmert worden.
Sirius schaut auf mich herab und sieht mich einfach nur an. In seinen Augen ein stiller Wunsch: Sag mir wie ich dir helfen kann. Doch das kann er nicht.
Mit einem Mal will ich alleine sein, ich brauche Zeit zum Nachdenken. Ich löse mich von Sirius und stehe auf.
Remus und mein Bruder sehen mich an und ich sage mit heißerer Stimme:"Bitte, ich brauche Zeit für mich."
Sirius mustert mich kurz, dann nickt er. "Ich warte im Gemeinschaftsraum, also wenn du mich brauchst..."
Ich zwinge ein Lächeln in mein Gesicht, welches aussehen muss, als wäre ich vollkommen übergeschnappt. "Danke" Dann drehe ich mich um und renne aus der großen Halle.
Ich weiß nicht, wohin ich laufe, ich hab keine Ahnung, was ich jetzt überhaupt machen werde. Ich wollte nur weg von allem, ich wollte allein sein. Und jetzt wo ich allein bin, kann ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten.
****************************************
(Bildquelle: https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/originals/76/f7/93/76f793a8d8d8e19a609b5e4db638d41f.jpg)
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top