Chapter 19
(Bild: Megan Collins)
Selena Black P.o.V.:
Genervt stampfe ich aus dem Mädchenklo der Maulenden Myrte. So eine Schnepfe. Ein gutgemeintes Wort und sie rastet aus und bespritzt mich mit Wasser. Zum Glück aus dem Waschbecken und nicht aus einer der Toiletten! Ich bin so schnell geflüchtet, wie ich konnte, doch meinen Umhang hat sie trotzdem voll erwischt. Im gehen lasse ich meinen Zauberstab über die Wasserflecken gleiten, und im nu sind sie verschwunden.
Ich komme nicht dazu, meinen Zauberstab wieder wegzustecken, denn plötzlich zieht mich jemand am Oberarm in das Jungenklo, welches direkt neben Myrtes Klo liegt. Der Minz-Geruch verrät mir noch bevor ich die blonden Haare und die blauen Augen sehe, wer mich da vom Weg abbringt. Alec. "Was soll das?", frage ich schlecht gelaunt. Ich bin verdammt müde und habe jetzt nicht die Kraft, um mich mit Alec auseinanderzusetzen.
"Was soll der Zauberstab?", lautet die Gegenfrage. Ich seufze abgrundtief und stecke den magischen Holzstab weg. "Was willst du, Malfoy?" Alecs Augen blitzen gefährlich auf, als ich ihn so nenne. "Fällt es dir etwa so leicht mich zu vergessen? Uns?" Ich weiche seinem stechenden Blick nicht aus. "Es gab nie ein uns, Malfoy." Der Ausdruck in seinem Gesicht beunruhigt mich. Und als er plötzlich einen Schritt auf mich zu macht, weiche ich einen zurück. Das geht so lange weiter, bis die Wand in meinem Rücken ist und ich nicht mehr weiter zurück kann.
Auf Alecs Gesicht tritt ein fast schon liebevoller Ausdruck, als er sieht, wie ich nach einer anderen Fluchtmöglichkeit suche. Die Tür ist zu weit weg. Alec hätte mich schon wieder am Arm gepackt, da wäre ich noch nicht einmal auf dem halben Weg dorthin. "Was soll das? Hör auf damit mich in die Enge zu treiben!" Alec grinst. Er steht jetzt genau vor mir. Wir berühren uns nicht, aber es fehlt auch nicht mehr viel, damit wir es tun.
Er legt eine Hand sanft an meine Wangen und streicht mit seinem Finger unter dem kleinen Kratzer entlang, den ich von der Vollmondnacht davongetragen habe. "Was ist da passiert?", flüstert er. Ich kann nicht antworten, nicht denken, bei Merlin, ich kann noch nicht einmal atmen, wenn er mir so nahe ist. Ich zucke mit den Schultern und Alec schließt für einen kurzen Moment die Augen und seufzt.
"Du hast gesagt, es gab nie ein uns." Er bringt sein Gesicht näher an meines heran. "Die Sache ist die, ich bin da anderer Meinung. Ich finde, dass es ein uns gab und ich will, es auch weiterhin eines gibt." Jetzt lehnt er seine Stirn an meine, und ich spüre, wie mein Entschluss von Gestern ins Wanken gerät. Doch ein kleines Bisschen Verstand besitze ich noch. Ich atme tief durch und drehe den Kopf zur Seite, die Augen geschlossen. Ich kann jetzt nicht in seine unglaublichen, blauen Augen mit den weiß-goldenen Sprenkeln sehen.
"Selena" Ich habe meinen Namen noch nie so schön gefunden, wie in diesem Moment. Als Alec ihn sagt, als sei er das Schönste auf der Welt. "Ich weiß, was ich tue. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass eine Beziehung mit dir mich zu einem Blutsverräter macht. Und das bedeutet, dass meine Familie mich verstoßen wird. Aber ich habe nur eine Frage: Was ist das für eine Familie, die einen fünfjährigen Jungen mit dem Crutiatus-Fluch foltert, weil er es wagte zu fragen, was der Unterschied zwischen Muggeln und Zauberern ist? Was sind das für Eltern, die sich einen Krieg wünschen, damit ihre Söhne darin für ihre Sache kämpfen können? Was ist das für ein Bruder, der sich ohne nachzudenken den dunklen Künsten und dem dunklen Lord verschreibt?"
Ich lasse die Augen geschlossen, will den Ausdruck in seinen nicht sehen. Eine Antwort habe ich keine, und so sage ich leise:"Das waren drei Fragen." "Die auf dasselbe hinauslaufen." Alecs Daumen streicht über meine Haut und mir wird augenblicklich noch wärmer, als eh schon. Meine Wange kribbelt und mein Puls beschleunigt sich. Dennoch klingt meine Stimme - Merlin sei Dank - ruhig, als ich sage:"Und auf was?"
"Ich würde sagen, dass es eine schreckliche, vernarrte und blinde Familie ist. Aber vor allem ist es eine, der man nicht mehr helfen kann. Die man nicht mehr zur Vernunft bringe kann. Und dazu einen zu lieben, schon gar nicht. Was denkst du? Können meine Eltern lieben? Oder mein Bruder?" Alecs Stimme wird zum Ende hin leiser, aber sein Atem geht schneller, als hätte er gerade ein anstrengendes Quidditchtraining hinter sich.
"Jeder liebt jemanden, Alec." Ich drehe den Kopf doch wieder zu ihm und öffne die Augen, weil ich es nicht länger aushalte, ihn nicht anzusehen. Alecs Augen sind hellwach, funkeln aber gefährlich bei meinen Worten. "Aber dürfen wir uns nicht selbst aussuchen, wen wir lieben? Wen wir bewundern? Mit wem wir unsere Zeit, die wir auf der Erde haben, am liebsten verbringen?" Ich bin nicht fähig zu blinzeln, zu gebannt bin ich von den Emotionen und der Ehrlichkeit in seinen Worten.
"Womöglich verliere ich den kleinen Teil Familie, den ich habe, wenn alle herausfinden, dass ich mich in eine Blutsverräterin verliebt habe. Aber ich denke viel lieber daran, was ich damit alles gewinnen kann, wenn ich endlich den Weg gehe, den ich immer gehen wollte, aber immer zu feige dafür war. Ich könnte so leben wie ich will. Mit wem ich will. Ich könnte tun, was ich will, wann ich es will. Und irgendwann, werde ich meine eigene Familie haben. Eine Familie, die ich nicht mit Folter und Wahn kaputt machen werde. Eine Familie die mich liebt und die ich liebe. Und zwar mehr als alles andere." Alec fängt die einzelnen Tränen auf, die mit dir Wangen herunterlaufen. Er ist in mich verliebt? Er lässt sich nicht auf etwas ein, worüber er noch nicht richtig nachgedacht hat? Er will ausbrechen? Sein eigenes Leben leben? Er selbst sein? Ja, das will er.
Ich reiße mich zusammen und sage leise:"Wenn du dir sicher bist, dass du nicht nur wegen mir bereit bist deine Familie hinter dir zu lassen, dann ... dann will ich ..." Alec sieht mich aufmerksam an. Er starrt mir auf die Lippen und saugt jedes Wort auf. "... dann will ich, dass du mich jetzt küsst. So wie gestern. Küss mich, damit auch das letzte bisschen Zweifel in mir verschwindet und ich nur noch an die Zukunft denken kann. An unsere Zukunft."
Alecs Augen verdunkeln sich, als er meine Worte begreift. Doch sie funkeln verheißungsvoll, als er sich näher zu mit herunterbeugt. Er lässt sich Zeit. Nimmt jeden Millimeter meines Gesichtes in sich auf, streicht mit beiden Daumen über meine Wangen. Erst, als die Spannung zwischen uns schon fast unerträglich wird, überbrückt er den letzten Rest und legt seine Lippen auf meine. Meine Augen schließen sich von ganz allein.
Am Anfang ist der Kuss liebevoll und zärtlich, doch dann wird er hungriger und leidenschaftlicher. Alec presst mich mit seinem ganzen Körper an die Wand hinter mir. Die eine Hand lässt er an meiner Wange, doch die andere fährt in meinen Nacken und dann weiter in mein Haar. Ich habe meine Hände in seinen inzwischen wieder längeren Locken vergraben. Als ich sanft an einer ziehe, stöhnt er leise in meinen Mund und das Schwindelgefühl in meinem Bauch wird noch stärker. Die Hand in meinem Haar wandert an meiner Seite hinunter, tastet sich zu meinem Hintern und zieht mich noch näher an ihren Besitzer.
Alec löst sich schweratmend von mir, um kurz zu Atem zu kommen, doch im nächsten Augenblick hat er seine Lippen schon wieder auf meinen Hals gepresst, von wo er sich langsam nach unten küsst. Ich lasse den Kopf nach hinten fallen und genieße das Gefühl in meinem Bauch, von dem ich niemals genug haben werde.
Als allerdings Schritte auf dem Gang ertönen, schlage ich erschrocken die Augen auf und gebe Alec einen Schubs vor die Brust. Ohne nachzudenken schnappe ich mir seine Hand und ziehe ihn in eine der Kabinen. Alec öffnet den Mund, völlig verwirrt, aber ich lege ihm meine Hand auf den Mund und deute in die Richtung, in der hinter der Kabinenwand die Tür zum Gang liegt. Keine Sekunde später geht diese auf und zwei Jungen kommen herein. Zumindest vermute ich das, immerhin ist das hier ein Jungenklo.
Alecs Augen weiten sich. Er hat die Schritte also nicht gehört. Langsam nehme ich die Hand von seinem Mund, verharre aber sonst auf der Stelle, darum bemüht kein Geräusch von mir zu geben. Alec tut es mit gleich. Mit klopfenden Herzen lauschen wir.
"Nicht so stürmisch!", die Stimme ist eindeutig weiblich - und sie kommt mir seltsam bekannt vor. Auch das Kichern, das ertönt, ist mir vertraut. "Aber wir haben nicht viel Zeit, bis die Mittagspause um ist. Höchstens zwei Minuten.", diese Stimme ist männlich, aber im Gegensatz zu der anderen erkenne ich sie sofort. Sirius. Auch Alec scheint ihn gleich erkannt zu haben, denn sein Kopf ruckt herum, sodass er anstatt der dunkelgrünen Kabinenwand wieder mich anschaut. Er öffnet den Mund, doch schließt ihn sofort wieder, als ich ihn warnend ansehe. Sirius ist der absolut Letzte, der uns in einer solchen Situation erwischen sollte.
Es folgen Knutschgeräusche und erst, als sich mein Bruder und das Mädchen wieder voneinander lösen und das Mädchen spricht, erkenne ich ihre Stimme. "Vielleicht sollten wir unser Date auf heute Abend verlegen? Ich will keinen Ärger von Professor Kesselbrand bekommen, weil ich zu spät komme." Das ist Megan. Meine Freundin Megan hat eine Liebesbeziehung mit meinem Bruder. Unwillkürlich verziehe ich den Mund, als sie sich noch einmal küssen. Dem eigenen Bruder dabei zuzuhören ist ja schon schlimm genug, aber wenn der Partner dann auch noch eine sehr gute Freundin ist, wird es richtig unangenehm. Merlin sei Dank, stimmt Sirius ihr zu, und wenig später sind sie wieder aus dem Jungenklo verschwunden.
Mit in den Händen vergrabenem Gesicht lasse ich mich auf den heruntergeklappten Toilettendeckel sinken. Ich merke, wie Alec vor mir in die Hocke geht. Dann spüre ich seine Hände auf meinen. Er zieht sie weg und hält sie fest umschlossen. "Alles in Ordnung?" Ich nicke zögernd. "Das war knapp, Alec. Viel zu knapp." Er neigt den Kopf zur Seite. "Aber es ist alles gut gegangen. Keiner hat uns gesehen." Alec verschränkt unsere Hände miteinander und automatisch schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen. Das ist ein schönes Gefühl. "Und sie lächelt wieder!", meint er leise und breit lächelnd. Seine Worte werden aber von einem lauten Gongen übertönt, das durch das ganze Schloss hallt. Der Unterricht fängt an.
Ich springe auf und will mich an Alec vorbeischieben, aber er lässt das nicht zu. Blitzschnell steht er wieder und hat die Arme um meine Taille geschlungen. "Wolltest du etwa einfach gehen, ohne dich zu verabschieden?" Er grinst mich mit einem frechen Funkeln in seinen Augen an. Mit roten Wangen beuge ich mich vor und gebe ihm einen ganz kurzen Kuss auf die Lippen, bevor ich mich aus seinen Armen winden will, aber Alec lässt das nicht zu. "Nicht so schnell, Sela. Ich will einen richtigen Kuss." Ich stoße ein frustriertes Seufzen aus, aber insgeheim finde ich Alec gerade echt verdammt süß. Deswegen kann ich mir mein Lächeln auch nicht verkneifen, als ich mich noch einmal vorbeuge und ihn dieses Mal richtig küsse. Ich spüre, dass er grinst.
Jetzt ist er derjenige, der die Notbremse ziehen muss, weil ich die Zeit, sobald meine Lippen seine berührt haben, total vergesse. Plötzlich ist mir egal, dass ich zu spät zu Muggelkunde kommen werde. Es gibt wichtigeres. Doch als Alec sich geistesgegenwärtig von mir löst und mir das Haar glattstreicht, fällt mir alles wieder ein und jetzt schaffe ich es mich von ihm zu lösen. "Jetzt muss ich wirklich los! Wir sehen uns heute Abend?" Alec folgt mir hinaus aus der Kabine und schüttelt den Kopf. "Geht nicht, Quidditchtraining. Ich schreibe dir eine Nachricht, okay?" Ich nicke und öffne nach einem langen Blick auf Alec die Tür.
Das Bild, wie er mir mit verwuschelten Haaren, roten Wangen und dunklem Blick hinterherschaut, verfolgt mich den ganzen Tag.
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(Bildquelle: https://i.pinimg.com/originals/e0/39/51/e03951dd11f06f3405e4e9905293bcc0.jpg)
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