Chapter 138
(Bild: James)
Lily Evans P.o.V.:
Nachdem Professor McGonagall uns in den Gemeinschaftsraum geführt hatte, ist James ziemlich schnell auf dem Sofa eingeschlafen. Ich dagegen habe den Abend damit verbraucht, wach in meinem Zimmer herumzuwälzen und mich zu fragen, wieso ich in diesem himmlischen Bett nicht einschlafen kann. Irgendwann habe ich es dann aufgegeben und beschlossen, es mir mit einem Tee und einem Buch gemütlich zu machen. James war aus dem Gemeinschaftsraum verschwunden, doch im Badezimmer läuft die Dusche.
Als mir beim Lesen immer wieder die Augen zufallen, stehe ich gähnend auf und strecke mich. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne verschwinden gerade am Horizont. Hinter den weit entfernten Bergen, die Hogwarts umringen. Im orange-roten Licht sieht der Schnee, der beinahe das ganze Jahr über auf den Gipfeln ruht, aus, als würde er in sanften Flammen stehen. Für einen Moment verliere ich mich im Anblick der in Sonnenstrahlen getauchten Landschaft, dann höre ich schräg hinter mir ein Rascheln und schließe die Augen. Mit James hier zu leben wird schwer. Er wird ein allgegenwärtiger Teil meines Alltags werden. Mein Schulsprecherkollege, Mitbewohner, Zimmernachbar. Dieser Gedanke löst ein nachdrückliches Kribbeln in meiner Magengegend aus und ich bin mir nicht sicher, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist.
Ich habe das Gefühl, dass James mich beobachtet. Er ist zu ruhig. Er ist nie so ruhig.
Ich öffne mit nervösem Flattern die Augenlider und blicke auf die breite Fensterfront vor mir. Nur diesmal blicke ich nicht auf die Landschaft. Ich fokussiere mich auf das Spiegelbild des Gemeinschaftsraumes, um einen Blick auf James zu erhaschen.
Er sieht mich tatsächlich an. Lässig mit der Hüfte gegen die Küchentheke gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. Sein vorfreudiges Grinsen wirkt, als würde er darauf warten, dass ich ihn entdecke. Für einen Moment erlaube ich mir, die verschwommene Gestalt im Fensterglas zu mustern. Ich bin gerade bei den Armen angekommen, deren Verschränkung dafür sorgt, dass James' Shirt über die Schultern spannt, als das Ertönen seiner Stimme mich hastig den Blick auf das Buch senken lässt, das ich geschlossen in den Händen halte.
"Es ist schon elf."
Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass James den Kopf schieflegt. Ich erkenne die Geste von Selena, sie macht genau die gleiche, wenn sie will, dass man einen Gedanken fortführt.
"Und du willst wissen, ob ich wieder in deinem Bett schlafe.", sage ich gedehnt.
James richtet sich auf und ich drehe mich zu ihm um. Seine nassen Haare hängen ihm lockig in die Stirn. Er hat die Arme gelöst und zuckt jetzt leicht mit den Schultern.
"Die Frage liegt nahe.", meint er. Er will cool wirken, doch seine herumwandernden Augen verraten ihn. Was mir wiederum einen Schauer über den Rücken verpasst.
Die Szene von heute morgen erscheint vor meinem inneren Auge. Wir beide, eng umschlungen, küssend.
"Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre."
James mustert mich einen Moment lang, dann sagt er:"In deinen Augen war ich noch nie für gute Ideen bekannt. Am Ende habe ich dir aber immer ein Lächeln entlockt." Er grinst sein typisches Rumtreibergrinsen und lässt sich auf das Sofa nieder, das nur ein paar Schritte entfernt steht. Erst durch das Geräusch seiner Schritte fällt mir auf, wie still es im Raum ist. Unsere Worte mögen vielleicht provozierend sein, doch sie übertönen kaum das gedämpfte Vogelgezwitscher vor den Fenstern. Nicht, dass das nötig wäre.
"Stimmt. Das Erste meine ich.", füge ich schnell hinzu, doch James' Grinsen ist bereits unerträglich breit geworden.
"Klar.", meint er ironisch, sich zufrieden zurücklehnend.
Ich mache einen Schritt auf ihn zu, bleibe dann aber doch stehen und blicke auf das Buch in meinen Händen.
"Was ist los, Lady Lily?"
"Wenn ich dich was frage, wirst du dann ehrlich antworten?" Mit abgeflachtem Atem warte ich auf eine Regung auf James' Gesicht. Erst hebt er seine Augenbrauen, dann merkt er meinen Blick und verschränkt die Hände hinter dem Kopf. Sich in die Sofalehne zurückfallen lassend zuckt er mit den Schultern. "Immer doch."
Ich setze mich ihm gegenüber in einen der Sessel und nicke. "Danke. Also, was ich wissen will ist... ", ich zwinge mich den Blick von meinen Händen zu nehmen, bevor ich fortfahre, "Naja, wie ...ernst ist dir der Schulsprecherposten?"
James atmet hörbar aus. Wahrscheinlich hat er mit einer anderen Frage gerechnet.
"Ich habe nie darum gebeten und ihn sicherlich nicht erwartet.", beginnt er, sich mit einem Finger über die Augenbraue reibend. "Aber der Verantwortung bin ich mir bewusst und ich habe vor, ihr gerecht zu werden. Also ich werde dich sicherlich nicht im Stich lassen.", er grinst. "Solange du ein paar kleine Verstöße gegen die Nachtruhe nicht als schrecklichen Verrat betrachtest." Er zwinkert, kommt aber schnell wieder zurück zu meiner Frage. "Außerdem will ich Auror werden, und ich wäre dumm, wenn ich mir von deinen diplomatischen Ansätze nicht eine Unze abschneide. Bis jetzt bin ich ja mehr der gröhlende Demonstrant abseits des Spielfeldes."
James' Blick klärt sich erst nach ein paar Sekunden und ich bin mir sicher, dass er gerade nicht allzu herumscherzt. Tatsächlich wirkt er selten ernst. Was mich überrascht, weil seine Witze und seine Rumtreiber-Art immer dann auf Hochtouren sind, wenn er etwas ernstem aus dem Weg gehen will.
Seine Worte verdauend nicke ich. "Okay, damit kann ich leben."
"Jetzt, da ich deine Frage beantwortet habe, bekomm ich eine Antwort auf meine?", James lehnt sich vor und sieht mich direkt an. Deswegen hat er ehrlich geantwortet. Jetzt kann er auch eine ehrliche Antwort von mir verlangen. Leider ziemlich schlau.
Ich spüre schon die aufkommende Röte und verliere mich kurz darin, mit dem Einmerker meines Buches zu spielen.
"Ich weiß nicht", kommt mir rau über die Lippen. "Ich wollte jetzt erst einmal eigentlich schauen, ob die Hauselfen noch was für mich haben. Nachspeise, meine ich. Kann ich danach entscheiden?", meine holprigen Worte nehmen die letzte Lässigkeit aus meinen Worten. Nicht, das viel vorhanden gewesen wäre.
James schlägt sich auf die Oberschenkel und steht vom Sofa auf. "Super, ich sterbe vor Hunger."
Ich runzle die Stirn, weil er vor ein paar Minuten noch Sirius gegenüber erwähnt hatte, dass er viel zu viel des Festessens verschlungen hatte und gleich platzen würde.
"Cool, dann können wir ja zusammen gehen.", nichts an meinen Worten war cool.
Die Korridore sind verlassen, selbst die Lehrer sind erledigt von der Fülle an Essen, das jedes Jahr wieder serviert wird. Unsere Schritte hallen von den Steinwänden wieder, ruckeln aber kein Stück an der peinlichen Stille zwischen uns. Vielleicht hätte ich einfach nein sagen sollen. Schlicht und ehrlich. Aber mit jedem Schritt in Richtung der Küchen wird mir klarer, dass ich nie nein sagen wollte.
"Wie kommt ihr eigentlich immer auf eure Streiche?", frage ich in der Hoffnung auf normale Konversation.
"Die Ideen kommen meistens einfach so. Heute Mittag erst habe ich mir gedacht, wie gruselig die Ritterrüstungen sind und dass man sie mit ein paar Flüchen ein bisschen netter machen könnte."
"Netter?", frage ich zweifelnd mit einem Blick zu der Rüstung zu meiner rechten.
"Naja, du weißt schon. Eine Komplimente machende Ritterrüstung ist um einiges netter als eine still in der Ecke stehende, die aussieht, als würde sie jeden Moment ihr Schwert ziehen."
"Das klingt ein bisschen paranoid, James.", ich werfe ihm einen Blick zu, der ihm deutlich machen soll, dass das nicht ernst gemeint ist.
Er zuckt die Achseln. "Diese da könnte dir sagen, wie wunderschön grün deine Augen sind und die rechts um die Ecke, dass ihr deine Schuhe gefallen. Ein paar könnten auch Lebensweisheiten von sich geben, aber darum muss sich Sirius kümmern. Er kennt sie alle."
James sieht aus, als wären seine Worte eben keine große Sache. Er weiß nicht, wie heftig mein Herz schlägt.
"Lass es uns machen!" Ich bleibe stehen und sehe ihn auffordernd an. Was er allerdings erst sehen kann, sobald er sich zu mir umgedreht hat.
"Was?"
Ich zucke die Schultern. "Es ist ein netter Streich und ich kann beim besten Willen keine Nachspeise mehr sehen nach dem Festessen."
"Ich wusste, dass das eine Ausrede war!" James legt den Kopf schief und scheint einzuschätzen zu wollen, ob es mir mit meinem Vorschlag ernst ist.
"Na los, James, wir werden das ganze nächste Jahr die braven Schulsprecher sein müssen, lass uns was Verbotenes tun."
"Das sagst du mir?", James hebt die Augenbrauen. "Damit du jetzt kein falsches Bild von mir hast: Ich habe vorhin nie gesagt, dass ich nicht vorhabe, die Verantwortung vom Tag mit dem Verbotenen in der Nacht wieder wett zu machen. Und wie mir scheint, bist du noch lange nicht so brav wie du immer tust, Lady Lily."
"Ich bin super brav.", meine ich mit meinem besten Lächeln. Dann drehe ich mich um und steuere auf die nächste Ritterrüstung zu.
Als James mir folgt, hüpft mein Herz vor Aufregung einen Salto.
Um es einfach zu halten, kann jede Rüstung immer nur eine Sache komplimentieren. Damit keiner einen Herzanfall bekommt, wenn Metall plötzlich spricht, lassen wir die Rüstungen von Anfang an durch das Schloss patrouillieren. So kann man gleich sehen, dass etwas nicht stimmt und ist vorgewarnt - etwas, wovon James nur mäßig begeistert war, doch bei meiner Erwähnung von Slughorns schwachem Herz doch zugestimmt hat.
"Ich bin nur gespannt, wer die Herrschaften wieder zurück auf ihre Sockel stellt.", meint James amüsiert, während wir dabei zusehen, wie eine weitere Ritterrüstung in die Dunkelheit stapft.
"Armer Filch.", antworte ich genauso amüsiert. Nicht wirklich mitleidig, da der Hausmeister schlicht und einfach fies ist.
Zusammen etwas Verbotenes zu tun, lässt eine seltsame Verbundenheit zwischen uns entstehen und bei unserem Rückweg in die Schulsprecherräume ertappe ich mich dabei, viel näher neben James zu laufen als sonst. Da mir aber allmählich die Augen zufallen, ist mir das ziemlich egal. Im Gegenteil, von ihm geht eine angenehme Wärme aus, die im kalten und windigen Schloss sehr angenehm ist.
Im Gemeinschaftsraum angekommen lasse ich mich sofort auf das Sofa fallen und möchte mich am liebsten nur noch zusammenrollen. James setzt sich neben mich und fällt in mein Gähnen mit ein.
"Ich bin gespannt, was die Rumtreiber morgen sagen.", meine ich. Gleichzeitig greife ich nach der Decke auf der Sofalehne.
"Lass mich das machen." James nimmt mir die Decke ab und breitet sie über unseren Beinen aus.
"Sirius wird dramatisch beleidigt sein und die anderen werden den ganzen Tag über neuen Streichen brüten. Komm her." Er legt den Arm um meine Schultern und zieht mich an sich. Von seinem Geruch umhüllt, lehne ich mich gegen ihn und gehe mit, als er sich auf den Rücken legt. Ich bin froh, zwischen Sofalehne und ihm zu liegen, denn ich bin so müde, dass ich glatt auf den Fußboden gepurzelt wäre. Vielleicht ist James' warmer Blick, seine angenehme Nähe, sein Arm um mich der Grund - was auch immer es ist - ich bin noch nie so schnell eingeschlafen wie in diesem Moment.
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(Bildquelle: https://i.pinimg.com/originals/ab/d2/2b/abd22b93cb0c6eb7c8c7fabb908c02bc.gif; Schauspieler*in: Aaron Johnson)
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