Chapter 135

(Bild: James und Lily)

Lily Evans P.o.V.:

"Bitteschön" Mit einer großen Geste hält James mir die Tür zum Vertrauensschüler- und Schulsprecherwaggon auf.
"Danke", sage ich leise, ehe ich rasch an ihm vorbeihusche. Er ist so seltsam nett und zuvorkommend.
Im Waggon warten schon zehn der 16 Vertrauensschüler; alle sehen bei unserem Eintreten auf und ich kann ihre Meinungen zu Dumbledores Schulsprecherwahl eindeutig von ihren Gesichtern ablesen.
Ein paar der Anwesenden waren genau vor einem Jahr schon einmal in diesem Abteil und sie alle lächeln mir zu. Die, die ich nicht kenne, konzentrieren sich eher auf James, der in Hogwarts so etwas wie eine Berühmtheit ist.
Und außerdem galt er als tot.

Drei der Vertrauensschüler verschränken sofort ihre Arme und starren James und mich herausfordernd an. Der vierte Slytherin ist wohl noch nicht da, sonst hätte er es ihnen gleich getan.

"Hey", wirft James knapp in die Runde. "Kann mir jemand sagen, wie das hier so abläuft?"
Ein paar erwidern seine Begrüßung schüchtern, aber alle richten ihre Augen auf mich, als gäbe es keinen Zweifel daran, wer James' Frage beantwortet.

Ich setze mich in Bewegung und lasse ich auf meinem Stuhl am Ende des Tisches nieder, dabei versuche ich, den Tagesplan kurz zusammenzufassen:"Wir beginnen damit, uns kurz vorzustellen, bevor wir Schulsprecher-", ich werfe James einen Seitenblick zu, "-mit euch eure Pflichten als Vertrauensschüler durchgehen und für Fragen bereit stehen. Die Zugfahrt über werden wir alle im Zug patrouillieren und am Abend werdet ihr den Erstklässlern ihre Schlafsäle zeigen."

"Klingt doch ganz cool.", meint James, der inzwischen neben mir sitzt, mit einem so unechten Lächeln, dass sogar ein Slytherin die Stirn runzeln.
Ich komme mir vor wie in einer schlechten Realityshow.
Was ist los mit ihm?

Gott sei Dank wird in diesem Moment die Waggontür aufgeschoben und die restlichen sechs Vertrauensschüler schieben sich herein. Sie sehen abgehetzt und richtig klein aus und ich frage mich, ob ich vor zwei Jahren auf die damaligen Siebtklässler auch wie ein Baby gewirkt habe.

Da sich James in seinen Stuhl zurücklehnt hat und mich auffordernd ansieht sobald alle sitzen, liegt es wohl noch einmal an mir, das Ruder zu übernehmen.
Warum hat Dumbledore ihn ernannt? James hat offensichtlich keine Lust auf das alles hier und wäre jetzt lieber ganz wo anders. Dafür spricht auch, seine verspannte Höflichkeit, die er statt seiner lässigen Art an den Tag legt.

Ich erzähle den Fünft- und Sechstklässlern - und James - von ihren Aufgaben und Pflichten, wonach sie die Passwörter spätestens alle drei Wochen ändern und ihrem Haus mitteilen müssen, den Erstklässlern verstärkt zur Seite stehen sollen und für die Einhaltung der Schulordnung verantwortlich sind - Bei letzterem kann ich mir einen Blick zum grinsenden James nicht verkneifen.

Doch das hätte ich nicht tun sollen, denn jetzt spüre ich seinen durchdringenden Blick noch deutlicher auf mir liegen.
Er sieht mich nicht an wie man seine Schulsprecherkollegin anschauen sollte - er sieht mich an wie jemanden, neben dem er wochenlang geschlafen hat - nicht selten engumschlungen. Jemanden, dessen Haut er gekostet hat, als er mich eine Nacht lang nicht geküsst hat. Wie jemanden, dem er den Atem geraubt hat, als er schließlich doch seine Lippen auf meine gepresst hat.

Irgendwo ganz hinten in meinem aufgeweichten Gehirn dringt zu mir durch, dass James und ich uns schon zu lange ansehen, also wende ich mit einem Blinzeln den Kopf wieder ab und fahre fort. Ich spüre James Augen auf mir, wie Sonnenstrahlen, die auf meiner Haut tanzen. Mein Inneres steht in Flammen und die Hitze ist längst bei meinen Wangen angekommen.

Als ich unsere erste Versammlung mit der Herausgabe des Passworts für das luxuriöse Badezimmer im fünften Stock beende, verlassen die Vertrauensschüler gemächlich das Abteil, um durch die Gänge zu patrouillieren. Sie alle sehen relativ kompetent und anständig aus, was mich hoffen lässt, dass sich Arbeitsaufwand und verlorengehende Nerven dieses Jahr gering halten lassen.

James und ich bleiben allein zurück und plötzlich fällt mir auf, wie leise es im Waggon ist. Einzig das stetige Ruckeln des Zuges durchbricht die Stille.
James' Augen liegen noch immer auf mir, doch ich vermeide erneuten Blickkontakt, in dem ich die Mappe, die auf dem Tisch für uns bereit lag, zum zweiten Mal öffne und durchsehe. 
Muster-Tabellen, -Protokolle und Ankündigungen zu Hogsmeade-Wochenenden, die wir entweder ausfüllen und Dumbledore bringen oder an den jeweiligen Daten ans Schwarze Brett anbringen müssen.

"Woher wusstest du das Passwort für's Vertrauensschülerbad?", es ist ein beiläufiger Ton, fast schon unschuldig. Aber eben nur fast.
Ich sehe auf und ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Mit einem Schulterzucken sage ich:"Gerade ausgedacht."
James Augen weiten sich begeistert. "Das kannst du?"
"Du auch. Die Vertrauensschüler sind für die Hauszugänge verantwortlich, wir für das Bad. Oh, und für unsere Räume natürlich.", füge ich hinzu. Dabei werden meine Wangen warm. 
Ich schließe die Mappe und sehe auf; Muss einfach wissen, wie James zu der neuen Wohnsituation steht.

Er grinst. Nicht breit und rumtreiberhaft, sondern klein und leider mit ziemlich süßen Grübchen. Doch hinter der Unschuldsmiene funkeln seine Augen durch, die mir mehr als nur eine rein freundschaftliche Wohngemeinschaft versprechen.
"Was?", frage ich mit hochgezogenen Brauen.
James lehnt sich noch weiter in seinen Drehstuhl zurück und schiebt die Daumen in die Hosentaschen. "Ich freu mich nur."
Meine Augenbrauen wandern noch weiter in die Höhe und James' Grinsen wird breiter. Ehrlicher.
Ich kann nicht glauben, dass ich diese Lippen bereits geküsst habe.
Sie sind jedenfalls noch weicher als sie aussehen.

Die Lippen, die ich gerade viel zu auffällig angestarrt habe, öffnen sich und flüstern:"Nur zu, Lady Lily. Fall ruhig über mich her."
"Als ob!", entgegne ich mit trockenem Hals und stehe auf. Die Tür ist nur einen knappen Meter entfernt. In einer Minute kann ich wieder bei Selena und den Jungs sein. 

Ein Ruckeln geht durch den Hogwarts Express und ich verliere für einen Sekundenbruchteil das Gleichgewicht. Als ich es mit rudernden Armen wiedererlangt habe, liegen zwei starke Hände auf meiner Taille und halten mich an Ort und Stelle.
"James!", bringe ich atemlos hervor. Er ist viel zu nah. Seine Hände sind zu warm und hinterlassen ein zu intensives Prickeln auf meinem Körper.
"Lily?" Irre ich mich, oder klingt er genauso heiser?

Ich drehe den Kopf und sehe auf James herab. Er sitzt noch immer und blickt mich an wie er mich bei unserem letzten Treffen angeblickt hat.
Damals habe ich ihn nach einem Abschiedskuss gefragt.
Er sieht mich an, als wüsste er ganz genau, was er tun will, als wüsste er aber nicht, ob er mich mit seinen Lippen um den Verstand bringen darf. 

Mein Körper steht in Flammen und mein Herz hämmert laut gegen die Rippen, die es wie ein Käfig umgeben.
Was ich jetzt mache, entscheidet seinen inneren Kampf. Ich kann seine Hände von meinem Körper lösen, einen Schritt zurücktreten, zu unseren Freunden gehen. 
Ich kann aber auch - wie er es mir vor so langer Zeit geraten hat - dem Flattern in meinem Bauch nachgeben und mich nicht zurückhalten. Ich könnte einen Schritt auf ihn zu gehen. Noch einen. Mich auf seinen Schoß setzten und sein Gesicht in die Hände nehmen, um dort weiterzumachen, wo wir vor 17 Tagen aufgehört haben. 

James Daumen fahren federleicht über meine Seiten, um mich zum Handeln zu provozieren, und ich stoße den angehaltenen Atem aus. 
Eine Sekunde später finde ich mich auf James Schoß wieder, unsere Lippen vereint, seine Arme fest um meinen Rücken geschlungen. 

In der Hitze des Gefechts stoßen unsere Zähne zusammen und wir müssen beide nervös lachen, bevor wir unseren Rhythmus finden können.
James behält einen Arm um meine Taille, worum ich ganz froh bin, weil der Stuhl nicht gerade breit ist und ich mit jeder Sekunde, die ich James so nahe bin, an brauchbaren Gehirnzellen verliere, die sich um so unwichtige Dinge wie Balance kümmern können. Doch die andere Hand wandert unter meinen Umhang und an meiner Seite entlang hoch in meinen Nacken. Sein Daumen streicht über meinen Hals und wandert bei einer kurzen Atempause über meine Unterlippe.

"Du überrascht mich immer wieder.", flüstert er rau gegen meinen Mund, die Augen auf meine Lippen gesenkt.
Wieder treffen sich unsere Münder hungrig, als könnten sie nicht länger als nötig getrennt sein.
Da ist einfach etwas an ihm, das mich von Anfang an... aufgewühlt hat. Etwas, was mich absolut verrückt werden lässt.
Ich dachte immer, es wäre seine provozierende Art, die dazu bestimmt war, mich in den Wahnsinn zu treiben. Jetzt glaube ich, es ist mehr als das. Mehr als ich irgendwie beschreiben könnte.
Ich muss daran denken, was ich gefühlt habe, als ich für ein paar Minuten dachte, er wäre bei dem Todesserangriff gestorben. Er war niemals mein, aber ihn zu verlieren hat mir das Herz gebrochen.

James schmeckt nach Pfefferminz-Zahnpasta und ... einfach nur nach James; Sein Duft umhüllt mich wie eine Seifenblase und in mir keimt die Angst auf, dass sie platzt.
Verzweifelt und über mich selbst verwirrt lasse ich meine Hände von seinen Schläfen in seine Haare wandern und ziehe leicht daran. Gleichzeitig ziehe ich ihn näher.
James Mundwinkel heben sich, was unseren Knutscherei unterbricht.
Wir beide atmen schwer.
"Du hast nur an der Oberfläche gekratzt, Babe.", raune ich von den Endorphinen in meinem Körper geleitet gegen seine Lippen.

James gibt ein belustigtes Schnauben von sich, das ich noch nie von ihm gehört habe, und steht ohne Vorwarnung auf. Ich schlinge überrascht die Beine um seine Hüfte und klammere mich an seinen Schultern fest.
Kurz darauf sitze ich auf dem Tisch und James steht zwischen meinen Beinen. Sein Blick ist teuflisch. Er ist gerade auf dem besten Weg, dieses Herz, das er mit seinem vermeintlichen Tod unwissentlich und ganz bestimmt nicht absichtlich gebrochen hat, wieder zusammenzuschweißen.
Als ich die feste Verschränkung meiner Beine lockern will, hält er sie fest. Sofort spanne ich meine Muskeln wieder an und ziehe James damit näher an mich.

James aufblitzendes Lächeln raubt mir für einen Moment den Atem und dann liegen meine Lippen wieder auf seinen und mein Gehirn verabschiedet sich vollends.
Ich schlinge die Arme um seinen Nacken und stütze die Ellbogen auf seinen Schultern ab. Das und die Tatsache, dass ich ins Hohlkreuz gehen muss, um ihn zu erreichen, sorgt dafür, dass unsere Körper sich aneinanderschmiegen und sich im Rhythmus unserer Lippen bewegen. 
Hitze und Gänsehaut ziehen über meine Haut wie es ihnen gefällt, während darunter das Blut in Flammen steht und mein Herz Höchstleistungen erbringt. 

Wenn James mich nur an der Fingerspitze berühren würde, würde ich die Nachbeben dieser Berührungen bis in die Zehenspitzen spüren. Aber jetzt, wo seine Hände scheinbar überall gleichzeitig sind, habe ich das Gefühl, vollkommen unter Strom zu stehen. 

James spielt mit meinen Lippen, lässt meine Haut unter seinen Fingern beben und bewegt seinen Körper im Einklang mit meinem. Es fühlt sich unbeschreiblich an. 
Doch während ich noch das Gefühl der Schwerelosigkeit genieße, lässt eben jenes Panik in mir aufkochen, als ich ohne es direkt gewollt zu haben in James Mund stöhne. Ich verliere hier gerade vollkommen die Kontrolle!

Meine Hände liegen schneller auf James' Schulter als ich "Stopp" denken kann und auch mit meinen Knien gegen seine Hüftknochen bringe ich Abstand zwischen uns. 
James blickt mich verwirrt an. Ein Gesichtsausdruck, der nebenbei bemerkt, verdammt süß ist mit seinem ramponiertem Aussehen.
Er öffnet den Mund, Besorgnis in den Augen, als hinter ihm die Abteiltür aufgeschoben wird.
"Oh", entfährt es der Ravenclaw-Sechstklässlerin, die dieses Zugabteil erst vor wenigen Minuten verlassen hat. "Tut mir leid, ich habe nur meinen Schal... Ah, da ist er ja!" Sie schnappt sich das rote Tuch und ist schneller verschwunden, als ein Rumtreiber, wenn Nachsitzen in Raum steht.
Na super. Die Gerüchteküche wird nicht nur brodeln, sondern gleich überlaufen.

James räuspert sich und ich richte meinen Blick wieder auf ihn. Er sieht jetzt auch ein bisschen verzweifelt aus.
Meine Beine und Hände verlieren an Kraft und ich lege sie mit erhitzten Wangen auf dem Tisch ab, bevor ich mir überlege, was ich jetzt verdammt nochmal sagen soll.
James' Lippen sind gerötet, wo meine Hände waren ist sein Hemd zerknittert und sein Haar steht an manchen Stellen komisch vom Kopf ab. Wahrscheinlich sehe ich nicht besser aus.
Rasch streiche ich meinen Uniformrock glatt.

Einen peinlichen Augenblick lang herrscht Stille, dann hebt James die Hand, um meine Frisur zu richten. "Ist alles okay?"
Seine Finger Streifen meine Schläfe..
Ich atme tief ein und nicke.
James hält inne und sieht mich direkt an. "Sicher?"
"Nein", kommt es mir über die Lippen, bevor ich drüber nachdenken kann. Aber Ehrlichkeit ist vermutlich sowieso besser. "Mir geht... Also... Naja..." Ich lasse die Augen durch den Waggon gleiten. Nur wie ist man ehrlich und höflich und zerstört nicht vorschnell alles.

Ein Finger unter meinem Kinn zwingt mich zum Aufsehen.
James nickt ermutigend und meint:"Sag's ruhig, ich bin schon ein großer Junge und werd's verkraften."
"Mir macht das zwischen uns ein bisschen Angst.", sage ich gerade heraus. Ich habe die Kontrolle noch nie so verloren wie mit James. Er lässt mit einer Berührung sämtliche Mauern zu Staub zerfallen und ist sich dessen nicht einmal bewusst. Es macht mir Angst, was für eine Macht er über mich hat.

James mustert mich einen Moment lang, dann lächelt er sanft, nimmt den Finger unter meinem Kinn weg, tritt einen Minischritt zurück und fragt:"Besser?"
Ich nicke verunsichert, aber erleichtert, dass er meine Überforderung so gut aufnimmt.
James Lächeln wird breiter und fast schon zu einem Grinsen. "Darf ich euch von eurem Thron helfen, Lady Lily?" Er hält mir die Hand hin und ich ergreife sie, um vom Tisch zu rutschen.

Als er jetzt die Mappe vom Boden aufhebt und mir die Tür aufhält, ist es nicht mehr zu gezwungen. Die Anspannung ist aus seinen Schultern und Augen gewichen und er ist wieder der James, den ich kenne.

Ich weiß nur nicht, ob ich noch die bin, die ich kenne. Vor einem Jahr hätte ich niemals mit James Potter nach einer Vertrauensschülerversammlung auf dem Tisch rumgeknutscht. Und schon gar nicht hätte mein früheres Ich es gemocht, wie nah er auf dem Weg zu unseren Freunden neben mir geht. Dass seine Hand immer wieder meine streift und sein Blick und sein Lächeln regelmäßig auf mir landen.
Aber am meisten hätte mein früheres Ich es gehasst, dass ich zurücklächle und jede seiner zufälligen Berührungen mit gespannten Nerven erwarte.

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(Bildquellehttps://i.pinimg.com/564x/5b/21/e4/5b21e47fc1c297c28d8b4b0673513c88.jpg)

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