Chapter 107

(Bild: Sirius Black)

Sirius Black P.o.V.:

"Man gebe ein Glas Wein in den Koch.", flötet James neben mir vor sich hin. So leise, dass seine Mutter, die im Raum nebenan auf dem Sofa sitzt und neue Kuschelsocken strickt, es bestimmt nicht hören kann. Im nächsten Augenblick stellt er mir ein Weinglas vor die Nase.
"Haha, James, du weißt, dass ich das Zeug nicht mag. Bring ihn lieber deiner Mum.", sage ich, während ich weiter in dem Kessel auf dem Herd rühre. 
"Aber ich bin sauer auf sie, sie hat uns das Kochen aufgebrummt.", murmelt James. Er greift nach dem Weinglas und nimmt einen großen Schluck von der dunkelroten Flüssigkeit. Dann verzieht er den Mund. 
"Wieso trinkt man sowas?"

"Gute Frage, James. Wieso trinkst du sowas?" Erstaunt sehen wir beide auf zu Fleamont, der in die Küche geschlendert kommt und neugierig mit der Hand über dem Kessel wedelt, um zu überprüfen, ob wir auch ja keinen Schwachsinn gekocht haben. 
James brummt. Stellt das Glas aber schnell wieder auf die Küchentheke als würde es ihm nicht gehören.
"Ihr habt euch heute ja wirklich selbst übertroffen! Wie heißt das?"
"Wok", verkünde ich stolz. "Ist asiatisch."
Fleamont nickt begeistert. "Euphemias Überlebenskurs scheint bei euch echt angeschlagen zu haben. Habt ihr die Wäsche schon aufgehängt?" 
"Haha, Dad!", James verdreht die Augen. "Warte nur ab bis Mum einfällt, dass du keine Ahnung hast, wie die Waschmaschine funktioniert."
Fleamont grinst und tätschelt beiden von uns lobend die Schulter, bevor er sich das halb leere Weinglas und das saubere daneben mit einer Hand schnappt und mit der anderen die Flasche aus der Küche trägt.
Eine Sekunde später sind aus dem Wohnzimmer leise Stimmen und Gekicher zu hören.

"Wetten, er schleimt sich jetzt mit dem Wein ein, den ich aus dem Keller geholt habe.", brummt James missgelaunt.
Verwirrt sehe ich ihn von der Seite an. Er ist schon den ganzen Abend so miesepetrig und mürrisch. Seit wir aus dem Ministerium zurückgekehrt sind. 
"Solltest du nicht ein bisschen besser drauf sein? Heute wurde klar, dass du eine Chance hast, Lily Evans ins Bett zu bekommen, Prongs, das passiert nicht alle Tage!"
"Ach, halt dein dreckiges Maul, Mann.", meint James mit gefährlichem Unterton. Wenn ich so weitermache, wird er explodieren. Oder ich. 
Er stemmt sich auf die Küchenarbeitsplatte und lässt die Beine baumeln. "Lily ist mehr wert als sowas. Sie ist..."
"Das weiß ich.", unterbreche ich ihn in versöhnlichem Ton. "Sorry, ich weiß, dass du sie richtig magst."
James brummt wieder unverständlich. 

Mit einem Seufzen lege ich den Holzlöffel weg und wende mich ihm ganz zu. 
"Also, was ist los?"
"Malfoy... Er hat Lily heute so seltsam angesehen. Als sie gerade ihre Eltern vor seinem Vater verteidigen wollte, da... da hat er sie... gewarnt. Er hat sie eindeutig aufgefordert, den Mund zu halten, damit Abraxas sich nicht wirklich an sie erinnert.", er reibt sich über die Stirn. "Das geht mir einfach nicht aus dem Kopf."
Die Gedanken wirbeln in meinem Kopf umher, als hätte ich gerade zehn verschiedene Phiolen in ein Denkarium gekippt.
"Das ist... echt seltsam.", stelle ich stockend fest. Blinzelnd sehe ich auf. "Du dankst jetzt doch hoffentlich nicht, dass Lily und Malfoy..." Mir entkommt ein kurzes Lachen. "Niemals! Vergiss es! Malfoy ist vernarrt in seine Tradition und jemanden, der ehrbegieriger ist, kannst du nicht finden!"
James stimmt mir nachdenklich zu. "Ist wirklich unwahrscheinlich."
"Und außerdem hat sie deine Hand gehalten, nicht seine.", erinnere ich ihn mit einem anzüglichen Grinsen.
James Wangen werden eindeutig dunkler. 
Er schlägt mir mit der Faust gegen die Schulter und springt von der Küchentheke. "Dir ist wirklich nicht mehr zu helfen, Pad."
Ich zucke die Achseln. "Kann sein."

Zehn Minuten später sitzen wir alle am Esstisch, jeweils einen Teller mit der Nudel-Wokpfanne vor uns. Obwohl James und ich und mit dem Würzen ein bisschen vertan haben - was jedem der Anwesenden Tränen in die Augen treibt - lobt auch Euphemia uns nach dem Essen noch einmal. Sie scheint wirklich froh zu sein, dass ihr Überlebenskurs - wie sie ihn gerne nennt - auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Sie hat uns in den letzten Jahren nicht nur das Kochen beigebracht, sondern auch die unterschiedlichsten Haushaltszauber und Heilzauber, Selbstverteidigung auf Aurorenlevel und die Benutzung des Verschwindekabinetts im ersten Stock. Ohne sie könnte ich weder Nudeln kochen, noch einen einfachen Schnitt heilen oder die Waschmaschine anstellen. Ich hoffe nur, sie kommt nicht auch auf die Idee, uns das handarbeitliche Nähen oder sowas beizubringen. Wofür, wenn nicht dafür, gibt es die Haushaltszauber?

Geschirr klirrt und ich sehe auf. Fleamont stapelt die Teller und lässt sie dann kurzerhand in die Küche schweben. Dem darauffolgenden Geklapper zufolge waschen sie sich auch noch selbstständig unter dem Wasserhahn ab. 
Ich wende mich wieder an Fleamont, den ich schon den ganzen Abend etwas fragen will:"Wieso habt ihr uns nie gesagt, dass ihr unser Schulgeld bezahlt?"
Alle Blicke richten sich auf mich. Vielleicht hätte ich mit einer Einleitung beginnen sollen.
"Es war nicht wichtig.", meint Fleamont schlicht. 
Euphemia fährt mit sanfter Stimme fort:"Das hätte euch doch nur verletzt.", sie atmet angehaltene Luft aus und streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr, "Ihr wart damals noch so klein...", sie stockt. Wirft ihrem Mann einen Blick zu und seufzt dann tief. Mit einem Lächeln legt sie ihre Hand auf meine. 
Bevor sie etwas sagen kann, fahre ich fort. Ich muss das, was in meinem Kopf vorgeht einfach loswerden. 
"Und die Adoption?"
"Die war längst überfällig.", Fleamont grinst leicht. 
"Und was hatte das auf sich, was Alejandro Lopez gesagt hat? Habt ihr nach Walburgas Angriff wirklich das Ministerium eingeschaltet?", auch James scheint ein paar Fragen zu haben.
"Ja", beginnt Fleamont. Er wirft seiner Frau einen undurchschaubaren Blick zu. "Wir haben uns bei einem Kollegen erkundigt, ob nach so einem Vorfall...", er stockt. Was ist heute nur los? Sonst sind sie nie so zögerlich. 
Euphemia drückt meine Hand und beende Fleamonts Antwort:"Wir wollten wissen, ob eine Adoption, nach allem, was passiert war, leichter wäre. Aber als Selena sagte, dass sie auf keinen Fall Walburga einsperren lassen will, weil Regulus dann alleine bei einem verbitterten Vater zurückbleiben würde und Regulus euch beide für alles verantwortlich machen würde... Da haben wir ihren Wunsch natürlich akzeptiert."
"Und deswegen kam es nie zur Anklage?", frage ich nach.
Fleamont nickt. "Genau"

James und ich tauschen einen Blick. Währenddessen schenkt Euphemia sich und ihrem Mann Wein nach. Dann fragt sie:"Noch weitere Fragen, mit denen ihr uns löchern wollt?"
"Sind 30 Stunden die Woche viel?", schießt James sofort los. "Allgemein, ist die Strafe eher gering oder total viel?"
Euphmia und Flemaont wechseln wieder einen ihrer Blicke. 
"Also", beginnt Fleamont bedächtig, "von so einer langen und umfangreichen Jugendstrafe habe ich noch nie gehört. Normalerweise müssen die Jugendlichen für ein paar Stunden im Ministerium helfen. Und nicht sechs Stunden am Tag fünfmal die Woche. Das ist schon heftig. Allerdings habe ich auch noch nie von jemanden gehört, der sich im Alter von 15 in einen Animagus verwandelt hat und sich dann selbst angezeigt hat."
Fleamont zieht die Augenbrauen nach oben. "Wollt ihr uns nicht endlich sagen, was da wirklich passiert ist? Selena wird sich wohl kaum selbst angezeigt haben. Zumindest nicht ohne euch. Und dann müssen wir natürlich noch darüber reden, was bei Merlin euch den Kopf vernebelt hat, dass ihr so einen Schwachsinn anstellt! Ich kaufe euch das mit der Angst nicht ab. Zumindest nicht zu 100 Prozent."

Jetzt liegt es bei James und mir uns einen Blick zuzuwerfen. 
"Wir sind jung.", wirft er ein.
"Und dumm.", pfliche ich ihm bei. 
James wirft mir einen fassungslosen Blick zu. 
"Was?", frage ich mit hochgezogenen Schultern und aufgedrehten Handflächen. "Sind wir doch in bestimmten Angelegenheiten!"
"Ich nenn das eher emotionsgesteuert und nicht dumm!", behauptet James. Seine Augen leuchten. Unsere Ablenkungsstrategie scheint wie immer zu klappen. Mit irgendeiner aus der Luft gegriffenem Behauptung starten und sich dann über irgendeine Kleinigkeit streiten bis die Umstehenden nicht mehr wissen, über was man eigentlich geredet hat.
"Ist doch das gleiche. Man kann es auch naiv nennen."
"Oder Ablenkungsmanöver.", wirft Euphemia vollkommen unbeeindruckt ein. Sie deutet mit dem Weinglas in der Hand erst auf James, dann auf mich. "Wir sind nicht von gestern, Gentlemen."
Fleamont, der eben noch gespannt und mit hochgezogenen Brauen unserem Wortwechseln gefolgt war, nickt bekräftigend. "Stimmt. Als würden wir auf sowas reinfallen!"

"Okay", meint James ausatmend. Dann fährt er diplomatisch fort:"Wir haben einen triftigen Grund. Aber den können wir euch nicht sagen."
Euphemia sieht abwechselnd ihn und mich an. Ich muss ihren aufmerksamen Augen ausweichen. Sie hat so viel für mich und Selena getan. Eine Antwort sind wir ihr eigentlich mehr als schuldig.
"Wir haben es für einen Freund getan." Remus' Namen in diesem Zusammenhang zu erwähnen wäre nicht klug. Alle Eltern würden ihren Kindern den Umgang mit einem Werwolf verbieten.
"Einen Freund?", wiederholt Fleamont mit beunruhigend ruhiger Stimme. "Wie bei Merlin soll sowas einem Freund helfen? Ihr könntet dafür ins Gefängnis kommen! Hilft das eurem Freund?"
Euphemia schüttelt langsam den Kopf. Aber sie meint nicht uns damit. Sondern ihren Mann, dem sie im nächsten Moment die Hand auf die Schulter legt.
"Ist dieser... Grund wichtig genug, um Askaban zu riskieren?", fragt sie mit deutlich betonten Worten. 
James und ich nicken unisono. 
"Wir helfen damit wirklich.", sage ich leise.
"Wie könnt ihr damit jemandem-" 
"Nicht", unterbricht Euphemia Flemont mit ruhiger Stimme. "Sie haben es für Remus getan."
James und ich sehen beiden erschrocken auf. Ich glaube, ich habe sogar nach Luft geschnappt.
Fleamont sieht dagegen aus, als würde plötzlich alles Sinn ergeben. 
"Remus", murmelt er, "Natürlich!" Er seufzt abgrundtief und sieht dann trotz der Antwort auf all seine Fragen zutiefst unglücklich James und mich an.

"Ihr wisst davon?", frage ich eine Spur zu laut.
Euphamia lächelt schwach. "Ich erkenne einen Werwolf, wenn ich einen sehe. Natürlich wussten wir davon. Diese ganzen Narben, seine Zurückhaltung wenn er hier ist, die Unsicherheit und sein Ehrgeiz, sich zu beweisen. Das ist typisch für Werwölfe, die unter Menschen aufwachsen."
"Und... und was passiert jetzt?", fragt James sprachlos.
Euphemia lächelt. Wahrscheinlich hat sie ihren Sohn genauso oft wie ich stotternd erlebt. Nämlich noch nie.
"Was soll schon passieren? Er war die letzten Sommerferien immer für ein paar Tage hier. Und wir wussten davon. Was soll sich jetzt ändern? Er hat euch nie in Gefahr gebracht, immer aufgepasst, wann er sich von Menschen fernhalten muss." Euphemias Augen begegnen denen von Fleamont, der nickt. "Wir sind nicht gerade begeistert, dass ihr euch jeden Monat in eine solche Gefahr begebt. Doch kann ich nicht leugnen, dass wir unglaublich stolz sind. Was ihr für euren Freund tut.. das ist was besonderes. Was ehrenvolles." Sie stockt, atmet tief ein. "Und so schwer es mir auch fällt, ihr seid alt genug, um eure eigenen Entscheidungen zu treffen. ich muss darauf vertrauen, dass ihr die Lage richtig einschätzen könnt und das tut, was ihr tun müsst."

Euphemias Worte beschäftigen mich noch Stunden später so sehr, dass ich mich nicht ins Traumland verabschieden kann. Ich wälze mich im Bett hin und her, doch an einschlafen ist nicht zu denken. Nach zwei Stunden beschließe ich, mir ein Glas Wasser zu holen und schlage die Bettdecke zur Seite. Verschlafen torkle ich zur Tür. 
Bereits auf der Treppe kann ich hören, dass Fleamont und Euphemia noch wach sind. Ihre gedämpften Stimmen wehen aus dem Wohnzimmer bis zu mir und wenn sie nicht gerade über jenes Thema reden würden, dass mich so sehr beschäftigt, wäre ich bestimmt nicht stehen geblieben, um zu lauschen.

"Sind wir schlechte Eltern, weil wir Remus nicht melden und sie weiter Helden sein lassen?", fagt Euphemia gerade. Unsicherheit liegt in ihrer Stimme. 
"Ach, mein Herz." Fleamonts Stimme klingt belegt. "Vielleicht. Wahrscheinlich. Ohne Zweifel.", murmelt er vor sich hin. "Ich weiß doch selbst nicht, ob das richtig war."
"Sie sind 17.", wirft Euphemia ein. 
"Volljährig."
"Aber auch unsere kleinen Kinder."
"Sie sind schon lange nicht mehr klein."
Einige Sekunden lang ist es still und ich überlege schon, weiterzugehen. 
Doch dann ergreift Fleamont wieder das Wort:"Hast du Crouch heute auch.. naja, als seltsam empfunden?"
Euphemia antwortet nicht, zumindest nicht verbal.
"Ich habe schon länger die Vermutung, dass er weiter geht als andere um die Schlimmsten der Schlimmsten zu fangen. Er geht Deals ein und lässt die kleinen Fische wieder frei."
Ich runzle die Stirn. Was hat das zu bedeuten? Oder mit Selena zu tun?
"Glaubst du wirklich, dass Crouch mit den Blacks zusammenarbeitet? Das wäre schon sehr weit hergeholt." Kurze Stille. "Er ist einfach unberechenbar. So ist er eben."
Fleamont seufzt und ich kann ihn direkt vor mir sehen. Wie er den Kopf schüttelt, die Stirn gerunzelt.
Er sagt:"Ich traue es ihm zu. Aber das Problem ist, dass die Blacks nicht auf eigene Faust handeln würden. Wenn sie Crouch helfen, um selbst weiße Westen zu behalten, dann weiß Voldemort davon. Sie werden bestimmt in seinem Auftrag handeln und die Anhänger, die ihm lästig werden, ausliefern. So wird er die, die sich gegen ihn wenden oder abhauen könnten, los und Crouch bleibt zufrieden, wenn er nur hin und wieder einen Todesser anklagen kann."
"Aber weiß Crouch, dass Voldemort davon weiß?", fragt Euphemia. 
"Das weiß ich nicht."
Wieder tritt Stille ein und diesmal überlege ich nicht lange. 
So leise wie möglich drehe ich mich auf dem Absatz um und steige die Treppenstufen wieder hinauf. Das Wasser kann ich mir auch im Badezimmer holen. Und morgen früh erzähle ich James, was ich alles gehört habe. Und auch Selena, die endlich wieder nach Hause kommt.

Als ich am nächsten Morgen ins Erdgeschoss komme, sitzen alle drei Potters bereits am Frühstückstisch. Das vertraute Bild, das sich mir zeigt, lässt sofort meine Mundwinkel nach oben wandern. 
James sieht recht verschlafen aus, immerhin ist es gerade einmal sieben Uhr, doch er scheint wie ich früh aufgestanden sein, um mit Selena zu Frühstücken, bevor sie zu ihrem ersten Tag ins Ministerium muss. Er hat noch seinen Pyjama an und nickt über seiner Teetasse beinahe ein. 
Euphemia, die gerade den Tagespropheten liest, ist dagegen um einiges wacher. Wenn auch nicht fröhlicher. Sie scheint gerade die neusten Berichte aus dem schwarzmagischen Milieu zu lesen. 
Fleamont, der eine Hand mit der seiner Frau verschränkt hat und mit der anderen den Zuckerstreuer zu sich fliegen lässt, sieht als einziger auf, als ich eintrete. Er nickt zu seiner rechten, wo der Stuhl steht, den ich beim Essen immer besetze. 
"Na los, ich hab auf dich mit dem Kreuzworträtsel gewartet, Sirius. Bringst du eine Feder mit?"
"Klar.", ich nicke und gehe in die Küche nebenan, wo in sich in dieser einen Schublade alles mögliche sammelt. Besonders Federkiele.
Ich schnappe mir noch meine Lieblingsmarmelade, die aus den Erdbeeren aus dem Garten gekocht wurde, und gehe dann zurück zum Tisch. 

James hat den Kampf gegen die Müdigkeit anscheinend verloren, denn sein Kopf liegt mit geschlossenen Augen auf der Tischplatte und sein linker Arm hängt kraftlos fast bis zum Boden herab.
Im Vorrübergehen wuschle ich ihm einmal durchs Haar, doch er brummt nur gedämpft.
"Und ich dachte, ein Hirsch ist in der Dämmerung auf den Beinen!", stellt Fleamont belustigt fest.
"Oh, das ist er auch.", meine ich aus schmerzhafter Erfahrung. "Er wacht jeden Tag auf, kann für eine Stunde nicht mehr einschlafen und fällt dann beim Frühstück immer halb vom Stuhl."
Fleamont grinst, Euphemia wirkt, als könnte sie sich nicht entscheiden, ob sie das lustig finden soll oder nicht. Letztendlich hebt sie wieder die Zeitung und zeigt mir nicht, für was sie sich entschieden hat.
Obwohl bereits Brötchen und Butter und alles auf dem Tisch steht, hat noch keiner etwas angerührt. Da sieht man mal, was Selena uns bedeutet.

Eine Zeitung wird auf meinen Platz geschoben und ich sehe auf zu Fleamont, der mich auffordernd ansieht. In den letzten Jahren ist es fast schon eine Art Tradition geworden, dass wir zusammen das Kreuzworträtsel lösen, nachdem wir uns am Anfang immer gestritten hatten und nur der Schnellere das Vergnügen hatte.
"Der Segelwenderuf ist Ree. Oben links.", beginnt Fleamont, während er sich über die Zeitung beugt. Es ist die lokale Muggelzeitung, damit - ich zitiere - man nicht nur eine Seite der Medaille sieht, wie Fleamont immer sagt.

"Genetische Vorbestimmung", lese ich vor, bevor mir die Bedeutung dessen bewusst wird. 
"Erbanlage", platzt es aus Fleamont wie aus dem Zauberstab geschossen heraus. Er liebt diese Rätsel wirklich. Er muss in seinem Leben schon tausende gelöst haben, so gut wie er ist.
Wir alles sehen auf, als die Haustür mit einem entfernten Klicken geöffnet wird, sogar James wacht davon auf. Er ist als erster aus der Tür. Euphemia folgt.
Fleamont richtet sich auf und scheint das Kreuzworträtseln ganz vergessen zu haben, aber mir ist durch das letzte Wort etwas in den Sinn gekommen, was mich schon seit ich denken kann beschäftigt.
"Fleamont? Kann... Gibt es so etwas wie genetische Vorbestimmung wirklich? Also dass bestimmt Charaktereigenschaften von den Eltern bestimmt werden. Wie zum Beispiel dass man... naja...böse ist?", Frage ich zögernd.
Fleamont sieht mich nachdenklich und auch ein bisschen überrascht an. 
"Jetzt hör mir mal zu, Sirius.", beginnt er ungewöhnlich energisch. "Du bist kein böser Mensch. Du bist ein sehr guter Mensch, dem böses widerfahren ist. Und überhaupt teilt sich die Welt nicht in gute Menschen und Todesser. Wir alle haben sowohl eine helle als auch eine dunkle Seite in uns. Es kommt darauf an, welche Seite wir uns für unser Handeln aussuchen. Das macht uns wirklich aus."
Ich habe noch nicht einmal Zeit, seine Worte zu verarbeiten, da kommen James, Selena und Ephemia ins Esszimmer flaniert. Sie alle lächeln als hätten sie gerade ein Quidditchspiel gewonnen.

Fleamont steht auf, um Selena in den Arm zu nehmen und ich folge ihm rasch. Über seine Worte kann ich nach dem Frühstück noch sinnieren. 
Wir haben gerade alle Platz genommen, als die Haustür erneut ein Klicken von sich gibt. Das Holzbein, das kurz darauf ertönt sorgt allerdings dafür, dass sämtliche Hände, die nach Zauberstäben gegriffen haben, wieder zurück zum Esstisch wandern. 
Moody tritt mit missbillig verzogenem Mund durch die Tür und begrüßt uns alle natürlich von Herzen:"Jemals einen Gedanken an den Vielsaftrank verschwendet? Hm? Ja, hab ich auch nicht gedacht! Das nächste Mal will ich erhobene Zauberstäbe und eine Frage, die nur ich beantworten kann!", seine Stimme ist grimmig, doch sein normales Auge hat den Brötchenkorb entdeckt, den er jetzt sorgsam betrachtet während sein magisches den Raum und wahrscheinlich auch das ganze Haus absucht.

"Morgen, Moody. Deine Begrüßung reicht uns als Versicherung. Hast du schon gefrühstückt?", fragt Fleamont ohne genauer auf seine ruppige Begrüßung einzugehen.
Moody brummt. "Nein, aber dafür haben wir auch keine Zeit. Wir müssen los."
Die Stimmung am Tisch kippt augenblicklich. Wir alle scheinen wie erstarrt, nur Moody lässt sich schwerfällig auf den einzig freien Stuhl fallen und greift dann doch nach einem Brötchen. "Ihr habt zwei Minuten."
Fleamont sieht zu Euphemia, die wiederum uns Kinder ansieht. 
"Es geht um Schmuggel.", fährt Moody ohne aufzusehen fort. "Ist aber eine Mission für zwei, deswegen wurde ich auch nicht eingeweiht. Und ist anscheinend so wichtig, dass ihr persönlich vom Minister informiert werdet." 
Als keiner antwortet oder auch nur die geringste Anstalt macht, sich zu bewegen, hebt er den Kopf. Dabei fällt mir auf, dass sein magisches Auge uns die ganze Zeit im Blick hatte. 
"Das mit den zwei Minuten war kein Witz. Wir müssen los!"

Euphemia und Fleamont stehen synchron auf und schnappen sich jeweils ein Brötchen, bevor sie aus dem Raum eilen, um - das wissen wir alle - ihre gepackten Reisetaschen zu holen, die immer bereit stehen. 
James folgt ihnen mit leerem, abgeschotteten Blick. Selena sieht dagegen auf die Tischplatte und fährt mit dem Fingernagel über ein Brandloch. Ihre Schultern, die eben noch aufrecht waren, sind eingesunken und ihre Lippen sind zusammengepresst. 
Ich lasse meine Augen zu meinen Händen wandern, die krampfhaft verschränkt sind. Als würde ich beten. Dabei glaube ich an keinen Gott. 

Als die beiden Auroren wieder in den Raum kommen, mit ihren Arbeitsoutfits und schweren schwarzen Stiefeln, tragen sie beide dazu noch den gleichen bedauernden Gesichtsausdruck. 
"Das Frühstück holen wir nach, versprochen.", sagt Euphemia eilig. Sie geht umher und drückt erst Selena, dann James und zum Schluss mir einen Kuss auf die Schläfe. "Passt auf euch auf und stellt keinen Unsinn an bis wir zurück sind, ja?"
Ein strenger Blick in die Runde reicht, um uns alle nicken zu lassen wie brave Wackeldackel. 
Jetzt ist Fleamont an der Reihe. Er wuschelt uns allen einmal durchs Haar und ermahnt und ebenfalls. Allerdings auf seine Weise:"Ich merke, wenn eine Weinflasche fehlt. Und der Scotch ist auch abgezählt!" Er zwinkert. Klar, als wäre er nicht total verplant was sowas angeht!
Vom Flur aus ertönt ein Räuspern. Moody steht abwartend im Türrahmen und klopft mit dem Holzbein immer wieder gegen den Boden.
Euphemia wendet sich unglücklich wieder von ihm ab, sagt "Ach" und lässt ihre Tasche mit einem lauten Krachen auf den Boden fallen, um uns alle noch einmal in den Arm zu nehmen. 
"Wir haben euch lieb! Geld liegt in der Keksdose. Und das neue Süßigkeitenversteck ist auf dem Dachboden in dem alten Schrank in der grünen Box."
James grinst schief. "Haben euch auch lieb. Passt auf euch auf."
Euphemia versucht ein Lächeln, während Fleamont ihre Tasche aufhebt und einen zögerlichen Schritt in Richtung Haustür macht. 
Eupehmia schreckt auf und tritt nach einem letzten winken zu ihm in den Flur. Moody ist dem Klang seines Holzbeins nach bereits auf dem Gartenweg.
Wir folgen unseren Eltern hinaus und bleiben erst in der Haustür stehen, um ihnen zuzusehen, wie sie hinter dem Gartentor noch einmal zurückschauen und winken, ehe sie apparieren und verschwunden sind. 

James Schultern sinken nach unten. Selena, die wie wir alle ein tapferes Lächeln zur Schau getragen hatte, dreht sich augenblicklich auf dem Absatz um, um im Esszimmer zu verschwinden. Während ich ihr hinterher schaue, sehe ich, wie sie sich über die Augen fährt.
Das restliche Frühstück vergeht in bedrückender Stille. Ich kann nicht fassen, dass vor fünf Minuten alles noch so anders ... so glücklich war. 
Nach zehn Minuten Schweigen schiebt Selena geräuschvoll ihren Stuhl zurück und James und ich sehen auf. 
"Ich muss los, es ist schon fast acht." Sie verschwindet in den Flur, wo sie sich ihren schwarzen Reiseumhang überwirft. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie ein hübsches aber schlichtes blaues Oberteil trägt und einen Rock mit für das Ministerium angebrachter Länge.

Ich stehe gemächlich auf. James ebenfalls. "Ich bin gespannt, was du so alles machen darfst.", murmle ich während einer kurzen Umarmung.
"Du musst uns alles erzählen. Vielleicht kannst du ja auch was mitgehen lassen.", meint James, als er an der Reihe ist. Zum Ende hin zwinkert er schelmisch. 
"Haha, Prongs. Das sind Sozialstunden. Stell dir mal vor, ich muss doch nach Askaban, weil ich einen wertlosen Briefbeschwerer geklaut habe!"
"Kein Risiko, kein Spaß.", meine ich schulterzuckend. 
Sel verdreht die Augen, winkt und stellt sich dann in den Kamin, um ins Ministerium zu flohen. 

Als sie in den grünen Flammen verschwunden ist, dreht sich James grinsen zu mir:"Gut, dass sie zu brav ist, um es wirklich zu machen!"

An diesem Abend liegt auf wundersame Weise ein hölzerner Briefbeschwerer auf dem Wohnzimmertisch. Doch Selena lässt sich auf Gedeih und Verderb nicht entlocken, woher sie den genau hat.

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(Bildquelle: https://i.pinimg.com/originals/7a/bf/0c/7abf0c16c560527817f2cd36e272831e.jpg; Schauspieler: Ben Barnes)

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