𝐃𝐫𝐞𝐢𝐮𝐧𝐝𝐳𝐰𝐚𝐧𝐳𝐢𝐠
-Basti-
Die Mittagssonne fiel hell in das Krankenhauszimmer.
Ich stocherte in den Resten meiner Nudeln mit Tomatensauce herum und wünschte mir sehnlichst, dass sich der Teller von selber leeren würde.
Das Essen im Krankenhaus schmeckte nicht schlecht, doch ich hatte in meinem Leben schon deutlich bessere Mahlzeiten gehabt.
Und nach fast zwei Wochen hatte ich es so langsam satt.
Kevin saß neben mir auf der Bettkante und stahl sich immer mal wieder ein paar Nudeln von meinem Teller.
Ich beneidete ihn, denn auch, wenn er die meiste Zeit des Tages bei mir verbrachte, konnte er zu sich nach Hause und dort essen. Wenn es sich anbot, brachte er mir auch etwas vom Vortag mit.
An seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, war Kevin ebenso wenig überzeugt von dem Krankenhausessen, wie ich.
Zum Glück waren meine Verletzungen mittlerweile weitestgehend geheilt und es würde nur noch ein paar Tage dauern, bis ich nach Hause konnte.
Oder - zumindest hoffte ich das - erstmal zu Kevin.
„Masha würde heute vielleicht her kommen, wenn es okay ist", begann Kevin plötzlich.
Fast hätte ich ihn verwirrt angesehen und gefragt, warum, doch dann erinnerte ich mich wieder an den Vorfall bei Kevin vor meinem Unfall.
Klar, vergessen hatte ich es nicht, doch die letzten Tage hatte ich dieses Geschehnis irgendwie aus meinem Gedächtnis gedrängt.
„Sie wollte dir erklären, warum sie mich geküsst hat. Und warum sie mich betrogen hat. Und überhaupt, weshalb die Situation zustande gekommen ist", erklärte Kevin.
„Ich weiß schon."
Ich seufzte.
Ich wünschte, es würde mir einfach nichts ausmachen, dass sie ihn geküsst hatte, obwohl ich zu dem Zeitpunkt schon mit Kevin zusammen war und dieser es mit mir wirklich ernst meinte.
Doch solange ich nicht den Grund dafür kannte, konnte ich nicht verhindern, dass ein Funken Eifersucht in mir entflammte.
„Okay. Klar ist das okay", sagte ich.
Und das war es, wirklich.
Ich wusste nur wirklich nicht, was ich von ihr halten sollte.
Oder was ich von ihrer meiner Meinung nach mehr als beschissenen Aktion halten sollte.
Erst hatte sie Kevin mit einem anderen Typen betrogen und ihm offenbart, dass sie ihn nur wegen seiner Reichweite ausgenutzt hatte.
Sie hatte ihn verletzt und ihn fertig gemacht und allein dafür wollte ich ihr ins Gesicht schreien, sie fragen, was mit ihr nicht stimmte und ihr klarmachen, dass sie sich gefälligst von meinem Freund fernhalten sollte.
Dann tauchte sie einfach wieder auf, als wäre nie etwas gewesen, und küsste Kevin.
Vor meinen Augen.
Trotzdem versuchte ich, so gefasst wie möglich zu bleiben und ihr vielleicht sogar Glauben zu schenken, wenn das, was sie mir bald erzählen würde wirklich überzeugend klang.
„Sie freut sich im Übrigen sehr für uns beide", unterbrach Kevin die entstandene Stille. Ich sah auf und der Knoten in meiner Brust löste sich ein wenig. „Und sie hat gemeint, dass wir echt süß zusammen sind. Und dass sie die Leute versteht, die uns shippen", fügte er lachend hinzu.
Ich schmunzelte.
Vielleicht konnte ich ihr den scheinbaren Ausrutscher wirklich verzeihen.
•••
„Hey, Basti", begrüßte die blonde Frau mich. Sie stand ein paar Meter von meinem Bett entfernt, spielte nervös mit ihren Fingern und lächelte unsicher.
„Hi", erwiderte ich ihre Begrüßung. Kevin saß neben mir und drückte aufmunternd meine Hand.
„Du kannst ruhig herkommen, haben noch einen Stuhl da", bot Kevin an und deutete auf den Plastikstuhl, der etwas von dem seinem entfernt vor dem Bett stand.
Masha kam auf uns zu und ließ sich auf die Sitzfläche sinken.
Sie schien zu überlegen, was sie sagen sollte.
Dann hob sie den Kopf und sah mich an.
„Es tut mir leid Basti", sagte sie mit fester Stimme. „Ich wollte dich nicht eifersüchtig machen oder so und ich wollte mich auch eigentlich nicht in eure Beziehung einmischen. Es ist nur -"
Sie stockte.
„Ich war so aufgelöst in dem Moment, dass ich nicht mal wirklich mitbekommen hab, dass Kevin mir von eurer Beziehung erzählt hat und ich war so dankbar, dass er mich nicht hasst und dann hab ich einfach ... "
Sie redete immer schneller und wirkte aufgebracht.
„Masha ... es ist alles gut. Ich bin dir nicht böse. Bitte sag mir einfach nur ehrlich, warum du das alles gemacht hast."
Sie atmete zittrig aus und strich sich durch die Haare.
Dann nickte sie.
„Ja, das sollte ich vielleicht", seufzte sie.
„Vor ein paar Monaten hat Kevin angefangen, immer mehr von dir zu reden. Er hat schon immer viel von dir geredet, aber das war der Zeitpunkt, an dem ich so langsam gecheckt hab, dass er dich mag. Dass er mehr für dich übrig haben könnte. Und ich war verdammt eifersüchtig und verletzt. Irgendwann bin ich mit einer Freundin feiern gegangen und hab dort einen Typen kennengelernt. Jonas. Ich mochte ihn nie wirklich, aber mir kam die Idee, Kevin mit ihm eifersüchtig zu machen."
Zum einen war das, was Masha gemacht hatte zwar extrem kindisch, aber irgendwie konnte ich sie ein Stück weit verstehen. Klar, es war keine wirklich erwachse Reaktion, doch wahrscheinlich hatte sie in dieser Situation nicht viel darüber nachgedacht.
Doch das konnte nicht alles sein. Ich sah ihr an, dass es noch mehr zu erzählen gab.
„Anfangs ging das auch ganz gut. Aber ich hab schnell gemerkt, dass er mehr wollte. Obwohl ich mich klar ausgedrückt hatte. Ich hab versucht, ihm klar zu machen, dass zwischen uns nie was sein wird, aber er wolle das nicht akzeptieren. In seinem kranken Kopf hab ich ihn wohl bereits geliebt und war mit ihm zusammen. Als ich mich damals von Kevin getrennt hatte, war das schon nicht mehr freiwillig", erzählte Masha.
„Er hatte mich nie sexuell belästigt oder vergewaltigt. Immerhin das nicht. Aber er hat anderweitig so kranke Scheiße gemacht. Er hat mir mehrmals gedroht, mich umzubringen. Er hat mir ein verdammtes Messer an die Kehle gedrückt. Und er hat damit gedroht, Kevin oder Freunden von mir etwas anzutun, wenn ich nicht das getan hatte, was er wollte. Wochenlang."
Masha schien sichtlich mit den Tränen zu kämpfen.
Ich hatte die Augen weit aufgerissen. Mit jedem Wort, was sie sagte, war ich schockierter.
Wie konnte ein Mensch so krank sein?
„Irgendwann konnte ich weglaufen und hab mit einer Freundin die Polizei informiert."
Ich war Masha kein bisschen mehr böse. Ich wollte sie in diesem Moment einfach nur in den Arm nehmen und sagen, dass jetzt alles gut war.
„Es tut mir so leid, dass ich Kevin geküsst hab, Basti", hauchte Masha.
Ich schüttelte den Kopf. „Mir tut es leid, dass du sowas durchmachen musstest. Dass er dich so behandelt hat. Scheiße, wie kann jemand so gestört sein! Und dann auch noch ein schlechtes Gewissen hattest, nur, weil du Kevin umarmt und auch kurz geküsst hast. Was in der Sitzung völlig normal ist. Vor allem weil du so aufgewühlt warst."
Masha schüttelte den Kopf. „Du konntest es nicht wissen", meinte Masha.
„Ja, aber ich hätte dir oder Kevin Zeit geben können, um es mir zu erklären, anstatt einfach bockig abzuhauen."
Schuldbewusst sah ich nun zu Kevin und biss mir auf die Unterlippe.
„Es war eine normale Reaktion, Basti", versuchte Kevin, mir klar zu machen. „Und ich meine, du wärst sogar noch umgedreht, damit Masha es dir hätte erklären können, wenn der Unfall nie passiert wäre."
Ich lachte sarkastisch auf. „Tja, wenn ich nicht weggefahren wäre, wär der auch nie passiert."
„Du weißt, dass du nicht schuld daran bist, dass eine andere Verkehrsteilnehmerin nicht aufgepasst hat", beteuerte Kevin.
Ich seufzte. Natürlich hatte er recht. Trotzdem hätte ich uns die ganze Situation ersparen können. Mir die Verletzungen und den Wochenlangen Aufenthalt im Krankenhaus und allen anderen den Schrecken und die Sorgen.
Kevin schien wohl zu merken, was mir gerade durch den Kopf ging.
„Basti, du bist hier. Lebendig und halbwegs gesund. Und wir beide sind zusammen. Unsere Beziehung ist nicht kaput gegangen. Und du versöhnst dich gerade mit Masha. Und das ist das, was zählt. Dass wir das Jetzt haben."
Ich lächelte leicht. „Ich wusste gar nicht, dass du so mit Worten umgehen kannst", scherzte ich.
Kevin schmunzelte, aber sein Blick blieb ernst. „Ich mein das ernst, Basti. Wir können das, was passiert ist nicht mehr rückgängig machen. Aber wir sollten jetzt einfach das genießen, was wir haben und nach vorne schauen."
„Ich weiß", flüsterte ich. Dann sah ich zu Masha. „Komm her", bat ich sie lächelnd.
Masha erhob sich von ihrem Stuhl und kam zu mir herüber.
Ich öffnete meine Arme. „Du musst nicht", versicherte ich ihr, doch sie erwiderte die vorsichtige Umarmung bereits.
Ich lächelte.
„Danke, dass du mir nochmal eine Chance gibst, alles zu erklären", hörte ich Masha sagen.
„Und danke, dass du mir verzeihst."
„Danke, dass du mir das alles erzählt hast, obwohl es so schwer für dich war und so so eine Scheiße durchgemacht hast. Und obwohl ich mich so kindisch verhalten hab", entgegnete ich.
„Deine Reaktion war völlig verständlich, Basti", widersprach Kevin mir erneut und sah mich mahnend von der Seite an.
„Und das weist du auch. Also keine Widerrede, Basti", sagte er mit Nachdruck.
„Och Mann, Kevin", schmollte ich scherzhaft.
„Tja, das hast du davon, mein Bester", grinste der Blonde.
Ich war in diesem Moment einfach froh. Eine riesige Last, die ich kurzzeitig zwar sogar vergessen hatte, fiel mir vom Herzen und ich merkte, dass es Kevin und Masha nicht anders ging.
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