𝖢𝗁𝖺𝗉𝗍𝖾𝗋 4

𝗠𝗮𝗿𝗰𝘂𝘀

Rückblick

Mit verkwollenden Augen lag ich auf meinem Bett und starrte zu meiner Zimmerdecke. Das Klopfen an der Tür riss mich nicht aus meinen Gedanken, aber ich schaute nicht auf. Mein Blick blieb sturr an der Decke und auch während jemand, den ich problemlos als meinen älteren Bruder Dane identifizieren konnte, die Tür wieder schloss und auf mich zukam. Die Matraze bewegte sich leicht, als er neben mir Platz nahm und ich eine Hand auf meiner Schulter spürte.

„Marcus?", fragte er und erst jetzt riss ich meinen Blick von der weißen Decke und sah hinüber zu meinem Bruder. Seine Gesichtzüge waren angespannt und er musterte mich besorgt, bevor er meine Schultern zwischen seine Hände nahm und mich in eine Umarmung zog. Ich wollte nicht vor meinem Bruder weinen, ich wollte nicht vor ihm Schwach wirken und noch weniger wollte ich sein Mittleid - oder das der anderen.

Ich drückt mich fest an ihn heran und wollte einfach nur, dass das Gefühl von Scham in mir verschwandt. „Willst du mir erzählen, was passiert ist?", murmelte Dane leise und ich nickte sanft. Mein Gesicht verzog sich leicht, als ich an den Moment vorhin in der Schule dachte. Die Augenbraue meines Bruders wanderte in die Höhe, als er sich wieder von mir löste und meinen Gesichtsausdruck sah.

„Also, du kennst ja Laurie.", begann ich und sprach ihn auf meine Freundin, jetzt wohl Ex-Freundin an. Laurie war ein Jahr älter als ich und eines der beliebtesten Mädchen in der Schule. Jeder stand auf sie, jeder wollte etwas von ihr aber sie war mit mir zusammen. Es war auch nichts so ernstes aber ich hatte gehofft, dass es bei uns lange halten würde. Jugendlicher Leichtsinn, würde ich wahrscheinlich in sein paar Jahren dazu denken.

„Klar kenne ich Laurie, sie war schließlich schonmal hier bei uns zum Abendessen.", sagte er und ich nickte.

„Es war alles normal zwischen uns. Wir hatten keinen Streit und unsere Beziehung lief auch ganz gut aber als ich heut in die Schule gegangen war, da hab ich sie gesehen, wie sie Sean vor der Schule geküsste hat. Jeder hat es gesehen und sie hat mir danach gesagt, dass sie mich nur verarscht hat.", erklärte ich ihm und vergrub meinen Kopf in meinen Händen. Röte war mir unvermeidlich in den Kopf gestiegen und ich konnte definitiv nicht verbergen, dass es mir peinlich war.

Dane atmete hörbar aus, bevor er sich komplett zu mir drehte. „Okay, dass war wirklich scheiße von ihr aber...", fing an an, doch drückte sich etwas vor dem weiteren Satz. „Hast du sie wirklich geliebt?", fragte er und sah ernst zu mir.
Scharf dachte ich über seine Frage nach. Hatte ich sie geliebt? Es war in der Tat eine gute Frage, denn ich wusste die antwort nicht. Liebe. Wie fühlte sich Liebe wirklich an? Immer wenn ich bei Laurie war, dann war ich einfach nur froh, dass ich sie hatte. Ich hatte mich nicht dafür interessiert, was sie getan hatte, sonder war nur interessiert an den eifersüchtigen Blicken jeder einzelnen Jungs in meinem Rücken.

„Wie fühlt sich Liebe an?", stellte ich dann die Frage, über die ich mir den Kopf zerbrochen hatte. Mit großen Augen sah ich zu Dane, welcher mich kurz schmunzelnd ansah, bevor er begann zu reden. „Es ist ähnlich wie in den Büchern.", fing er an. „Du fühlst dich in der Nähe einer Person so wohl, dass du nie wieder ohne sie können würdest, du fühlst ein ungewohntes aber trotzdem schönes Kribbeln in deinem Bauch und deine Haut prickelt, sobald dich die Person berührt. Wenn die Person etwas lustiges sagt, dann findest du es meistens total witzig, obwohl sich die anderen vielleicht denken 'Boar, was redet du da für einen scheiß'. Manchmal wirst du auch sehr nervös oder schüchtern, deine Hände fangen an zu schwitzen und vielleicht stotterst du. Es ist warscheibluch das schönste Gefühl, was du erleben wirst.", erklärte er.

Überfordert saß ich neben ihm und musste seine Informationen ersteinmal in meinen Kopf bekommen. Das waren verdamt viele Gefühle auf einmal. Zu viele Gefühle auf einmal.

Fest schüttwlte ich den Kopf. „Nein...", fing ich an, „ich glaube ich habe sie nicht geliebt.", gestand ich und das 'glaube' war vollkommener Quatsch, denn ich war mir sicher, dass ich sie nicht geliebt hatte. „Ich fand es nur schlimm so gedemütigt zu werden.", erklärte ich mir mein Verhalten und diese Antwort schien mir um einiges plausibler.

Nickend wischte ich mir über die Augen und stand von meinem Bett auf. Während ich Dane in meinem Zimmer zurückließ und die Treppe hinunter stieg, wurde mir bewusst, dass ich wirklich kein Problem mit dem Fakt hatte, dass Laurie nun nicht mehr an meiner Seite war sondern der, dass jeder gesehen hatte, wie sie mich quasi abserviert hatte.
Ich schnappte mir meinen Fußball aus meiner Sporttasche und schlüpfte in meine Sportschuhe. Während ich aus dem Haus ging machte sich ein gutes Gefühl in mir breit, als ich an das Fußballspielen dachte. Sollte das mit der Liebe nicht werden, dann wenigstens mit dem Fußball.

Rückblick ende

„Alles klar?", holte mich Dane aus meinen Gedanken. Ich schreckte hoch, sah meinen älteren Bruder an und nickte lächelnd. „Klar, war nur in Gedanken.", antwortete ich grinsend und stand auf. Schon während ich auch meinen älteren Bruder zulief machte sich ein ungutes Gefühl in meinem Magen breit und dieses bestätigte sich, als er keine zwei Sekunden später seinen Arm um meinen Hals legte, meinen Kopf runterzog und mit seiner Faust fest durch meine Haare fuhr.
Erstickt lachend krallte ich mich an seinen Arm und hörte sein lautes Lachen direkt an meinem Ohr.

Mit all meiner Kraft schubste ich ihn weg und war tatsächluch befreit. „Du Blödmann!", rief ich gespielt entrüstet und schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Lachend schaute er mich an aber ich blieb standhaft und schüttelte den Kopf.

„Was ich eigentlich wollte.", seufzte Dane und rieb sich kurz über die Stirn. Fragend zog ich meine Augenbraue in die Höhe und war verwirrt, warum er plötzlich so ernst war. „Mom hat gesagt, dass ich dich zum Essen holen soll. Und sei vorsichtig, sie ist in Redelaune.", fing er an zu grinsen und jetzt wusste ich warum er so gespielt ernst war. Er wollte mich nur ärgern und es hatte geklappt, denn ich hasste es, wenn Mom so in Redelaune war. Immer fragte sie mich dann wie es mit Beziehungen aussah und generell war ich heute nicht so in Redestimmung.

Müde war ich zudem auch noch, denn ich hab heute nacht lange wach gelegen. In der Zeit hatte ich wahrheitsgemäß nur an Jesse gedacht - und an Hope. Die Kleine war einfach super knuffig und ich wusste, dass jeder Tag mit den beiden ein wunderbarer sein würde.

Ich ließ mich auf den Platz neben meiner Schwester fallen und lächelte in die Runde. Meine Geschwister sahen ebenfalls lächelnd zu mir aber meine Mom erhob sich von ihrem Platz, kam auf mich zu und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. „Schön dass du hier bist Marcus.", tätschelte sie mir die Wange und schenkte mir ein liebevolles Lächeln, was mein Herz sofort erwährmte.

Es war schon damals so, dass mich die kleinsten Gesten oder Mimiken meiner Mama gereicht hatten, um meinen Tag gut zumachen. Sie hatte so viel für meine Geschwister und mich getan und ich war mir sicher, dass ich ohne sie niemals hier sitzen würde, einen Job haben würde, der mir jeglichen Luxus verschaffen würde und ein unbeschwertes Leben schenken würde.

Es war eine kleine Tradition von unserer Familie, mindestens einmal im Monat zusammen zu essen. Damals, als wir nur knapp über die Runden gekommen waren, hatten wir diesen tag auch schon, allerdings haben wir uns damals in unser Lieblingsrestaurant gesetzt und uns für einen Tag die Sachen bestellt, auf die wir so richtig Lust hatten. Es war seit damals eine Tradition und würde auch noch weiter bestehen bleiben. Nur das wir jetzt bei Mom zu Hause saßen und sie uns ein Essen gekocht hatte, welches wir uns gewünscht hatten.

Der Teller vor mir war gefüllt, die Laune und Atmosphäre am Tisch waren sehr gut und es wurde viel gelacht. Hauptsächlich erzählten Claire und Mom. Meine Schwester erzählte von ihrer bevorstehenden Reise, die sie mit ihrem Verlobten geplant hatte und wir stellen immer wieder interessiert fragen. Nachdem Dane ausgelöchert wurde mit Fragen, drehte sich mein anderer Bruder zu mir, während meine Mom meine beiden Schwestern in eine Unterhaltung verwickelt hatte.

Ich hatte meinen Blick auf die Uhr fokussiert, die immer im gleichmäßigen Zustand ein Ticken von sich gab und meine Augen verfolgten die Zeiger hypnotisiert. Erst Dwaine riss mich auf meinen Gedanken, als er mir einmal vor mein Gesicht schnippste und meinen Namen sagte. „Was?", murmelte ich fragend und sah jetzt aufmerksam zu ihm. „Wie ist es bei dir? Hast du eine Freundin?", fragte Dwaine und ich zog meine Augenbraue hoch. „Oder einen Freund.", schob Dane hinterher, was mich verwirrt schauen ließ. Ich wollte eigentlich auf das von Dane gesagte eingehen aber ich tat nichts und ließ es einfach unkommentiert, obwohl ich spürte wie mir die Hitze in den Kopf stieg.

Meine Gedanken hingen an der Frage und ich musste sofort an eine Person denken. Jesse. Sofort sah ich den Älteren vor meinem geistigen Auge und ich dachte an sein hohes und ehrliches Lächeln, was mir sofort eine Gänsehaut über den Körper schickte.

„Weder Freund noch Freundin.", gab ich zurück und sah kurz mit zusammengekniffenen Augen zu Dane, welcher etwas überrascht wegen meiner Antwort war, aber ich achtete nicht mehr auf ihn, sondern dachte an eine bestimmte Person. Jesse. Fast sofort musste ich an meinen besten Freund denken, was mich etwas verwunderte. Ich dachte über das nach, woran ich mich vorhin erinnert hatte. An den Moment, in dem Dane mir erklärt hatte, was Liebe war; als er mir erklärt hatte, was ich fühlte sobald es soweit war.

Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, da es die Gefühle von damals mit denen zu Jesse verglich. Tatsächlich fühlte ich mich sehr hingezogen zu meinen besten Freund aber ich dachte bislang das es normal war, obwohl ich auch nicht so für Jadon oder Paul empfand und das waren auch sehr gute Freunde von mir. Mir viel jetzt erst auf, wie viel ich für Jesse empfand. Wie mein ganzer Körper auf ihn reagierte und wie meine Stimmung sofort umschlug sobald er hier war. Ich könnte den blödesten Start in den Tag haben aber sobald ich Jesse sehe, seine dunklen Locken an meinem Hals kitzeln spürte und seine helle Stimme hörte war mein Tag perfekt. Sobald der Ältere mich berührte brannte diese Stelle fast und ich hatte mich gefühlt wie ein neuer Mensch, als Jesse mir einen Kuss auf den Kopf gedrückt hatte. Ich hatte das Gewitter damals komplett vergessen und war nur auf den Kleineren fokussiert, welcher seine Arme stark um mich gelegt hatte.
Mir wurde unvermeidlich klar, dass ich in Jesse verliebt war. Ich war in meinen besten Freund verliebt, dass war womöglich das schlimmste, was ich mir vorstellen konnte. Ich brauchte definitiv Hilfe, egal ob von Dane oder Jadon oder sonst wem aber ich wusste nicht, was ich tun sollte.

- - -

Ich saß am Esstisch, nun in meinem Haus, und starrte seit Minuten aus mein Handy. Ich war kurz davor Jadon anzurufen aber ich hatte keine Ahnung wie ich es ihm sagen sollte. Wie fange ich ein Gespräch an, in dem ich Rat brauche, weil ich Idiot mich in Jesse verlieben musste. Obwohl es eigentlich kein Wunder war, denn mein bester Freund war wirklich perfekt für mich. Er war das perfekte Gegenstück zu mir, wir verstanden uns blind und ich würde sofort alles für ihn geben.

Ich überwand mich und drückte auf das helle Symbol auf meinem Display. Es piepte einpaar mal und ich war tatsächlich kurz davor einfach aufzulegen, bis Jadon wirklich ranging. „Hey, Rashy!", sagte er und ich konnte das Grinsen in seiner Stimme hören.

„Hey, Jay.", sagte ich nicht so fröhlich wie er. „Ich brauch deine Hilfe.", begründete ich meinen Anruf und kam schnell auf den Punkt. „Klar, was gibt's?", fragte er interessiert und ich atmete kurz durch. „Ich glaub, ich hab mich in Jesse verliebt.", gestand ich und ab da an war es erstmal leise. Die Sekunden auf dem Handy Display verstrichen, bis ich plötzlich ein hohes quietschen hörte.

„Oh mein Gott, Marcus! Ich wusste es, du musst es Jesse sagen!", rief er euphorisch und ich hörte wie er anfing zu Jubeln.

Scheiße, war es so offensichtlich gewesen? Ich schüttelte stark den Kopf und atmete laut durch. „Das geht nicht.", sagte ich kurz.

„Warum?".

„Weil er mich nicht so mag wie ich ihn.", war meine traurige Antwort und ich wollte eigentlich gar nicht an meine beschissene Situation mit ihm denken. „Alter Marcus, hast du Augen im Kopf? Jesse steht total, zu einhundert Prozent, auf dich, dass merkt jeder.", sprach Jadon in das Handy. „Und du bist übrigens auch sehr auffällig.", schob er noch hinterher.

Verzweifelt vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen. „Okay, danke Jadon.", murmelte ich und legte schnell auf. Auch wenn ich wusste, dass es nicht wirklich nett von mir war einfach aufzulegen, schmiss ich mein Handy neben mir auf das Sofa. Mein Herz pochte schnell und ich war tatsächlich nicht wirklich sicherer als vor dem Gespräch. Jadon hatte zwar gesagt, dass Jesse mich auch mögen würde aber ich war mir nicht sicher, ob er es vielleicht falsch deutete. Vielleicht ist es besser, wenn ich es einfach unterdrücken würde, nicht das ich Jesse und unsere Freundschaft und alles was dazugehörte verlieren würde.

[2239 Wörter]

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