26 | Hoch hinaus

»Aua, wer zieht an meinen Haaren?!«, fluchte Jin und schlug mit seiner Hand über sich, nur um ein lautes Klatschen entstehen zu lassen.

»Geht's noch, warum schlägst du mich?« Taehyung ging ein paar Schritte zur Seite, dann hörte man einen dumpfen Ton. Was geht hier bitte ab?

»Tae, du Trampel! Du bist auf meinen Fuß getreten«, meckerte Jimin.

Yoongi zischte kurz auf, ehe er sich aus seiner gebückten Haltung erhob. »Könnt ihr mal leise sein?!«

Er legte seine Hand in den Nacken und drehte seinen Kopf langsam im Kreis.

Wir standen zu zehnt in einer kleinen Ecke am Ende des Ganges und warteten auf den Geist. Wir waren sehr heldenhaft. Wir warteten, dass der Geist zu uns kam. Keiner verschwendete auch nur den Gedanken daran, selbst nach dem Geist zu suchen — wir waren ja nicht verrückt.

Es war spät in der Nacht. Das Desaster mit den Haaren in der heißen Quelle hatte der Älteste gut überstanden und wir alle fanden es als Zeichen, dass wir uns endlich um die Geistertante kümmern sollten.

Doch bislang hatte sie sich noch nicht gezeigt.

Plötzlich begannen die Lichter zu flackern, die Fenster öffneten sich und bewegten sich im Wind mit. Es wurde kälter in dem Gang. Waren das nicht die typischen Anzeichen eines Geistes?

»Da hinten!«, machte sich Namjoon bemerkbar und zeigte auf einen Punkt am Ende des Ganges.

Die Frau mit den langen, schwarzen Haaren humpelte langsam von dem einen Gang in den Nächsten. Wir alle verfielen in eine Starre und rückten näher zusammen. Erst als sie hinter der Ecke verschwand, atmeten wir erleichtert aus.

Taehyung schien sich als erstes gefasst zu haben und forderte uns auf, ihr hinterher zu gehen.

Mit wackligen Füßen liefen wir zu der Ecke, hinter der die Frau vor kurzem noch zu sehen war. Doch sie hatte sich – ganz wie es ein Geist nun mal tat – in Luft aufgelöst.

Die Fenster knallten lautstark zu und Hoseok entwich ein hoher Schrei.

»Bald ist Sonntag, also haben wir nur noch jetzt und morgen Abend Zeit, um das Geheimnis zu lösen«, brachte uns Namjoon auf den Stand der Dinge zurück.

»Was soll dieses „Geheimnis" denn überhaupt sein?«

Augenverdrehend blickte ich zu Jade, welche fragend in die Runde schaute. »Das sollen wir ja herausfinden. Mit großer Wahrscheinlichkeit, hat es etwas mit der Geistertante zu tun.«

Sie nickte verstehen und stützte dabei leicht ihre Lippen.

»Sollten wir dann nicht erstmal die zwei Besitzer, Ji-ho und Miso, fragen?«

Jin krempelte die Ärmel seines pinkfarbenen Pyjamas hoch, als er meinte: »Joonie und ich haben die zwei vorhin gesucht, doch nicht gefunden.«

Namjoon nickte bestätigend.

»Dann ist das geklärt!«

Nuri rieb ihre Hände aneinander, wie als ob sie eine schwere Arbeit erfolgreich erledigt hätte.

»Was ist geklärt?«

»Die Zwei haben hier jemanden umgebracht und wissen, dass es hier spuckt. Also verschwinden die Beiden in der Nacht und opfern uns. Rätsel gelöst. Wir können nach Hause.«

Sie nickte stolz und lächelte schnell in die Runde. Während wir ihrer Erklärungen folgten, entfernte sich Yoongi von der Gruppe und schaute sich in der Sackgasse um, in welcher der Geist verschwand.

»Ji-ho und Miso sahen aber nicht gerade wie Bonny und Clyde aus. Ich denke nicht, dass sie jemanden ermordet haben.« Jungkook schüttelte seinen Kopf.

»Wie auch immer«, stoppte Yoongi die ziellose Unterhaltung zwischen Nuri und Jungkook. »Wir sollten das ganze Hotel untersuchen.« Er bückte sich und zeigte auf die hölzerne Wand.

»Ich denke nicht, dass wir es mit einem Geist zu tun haben.«

»Was ist da?« Namjoon bückte sind zu Yoongi runter. »Ein Geheimgang?«

Zu sehen waren nur Einschnitte an der Holzwand, welche ein Viereck bildeten. Groß war der Bereich nicht. Er war höchstens von einem Durchmesser von fünfzig Zentimeter breit.

Der Größere haute mehrmals gegen die Wand, doch sie gab nicht nach.

»Wir müssen einen anderen Weg finden. Irgendwo muss es ja noch das andere Ende hiervon geben.«

»Also ich finde ja, dass wir uns aufteilen sollten«, meinte Tae und wollte sich gerade ein Partner suchen, da kam ihm Jin zuvor.

»Bist du verrückt? Aufteilen in einem Gruselhotel? Hast du noch nie Horrorfilme gesehen?«

Kurz schielte ich zu Nuri, welche sich einfach nur in dem Gang umblicke und ihren eigenen Gedanken hinter zu gehen schien.

Auf meine Lippen zog sich ein schelmisches Grinsen. Ich lief extra etwas näher an sie ran und offenbarte dann meinen Vorschlag. »Ich bin für Taehyungs Vorschlag. Wir sollten in Zweiergruppen gehen.«

Tae bedankte sich mit seinem Box-Lächeln und nickte schnell mit dem Kopf. Der Älteste fuhr sich einfach nur mit einer Hand über das Gesicht.

»Ich möchte bitte, dass Jungkook und Nuri zusammen gehen«, fügte ich hinzu und spürte kurz darauf einen Tritt in meine Wade.

Verdammt! Was für eine Kraft hat dieses Mädchen in ihren kurzen Beinen?!
Unter Schmerzen bückte ich mich, doch ließ mein Grinsen nicht von mir weichen.

Mit meiner Hand auf der Wade drehte ich mich nach hinten und blickte die Lilahaarige an.

»Ich bin ja dafür, dass jeder mit seinem Zimmerpartner gehen sollte.«

Mein Grinsen verschwand. Yoongi würde mich opfern!

Schnell schallte mein Blick zu diesem. Ich entspannte mich etwas. Nie im Leben hätte er zugestimmt.

»Also gut, wir sollten uns beeilen.«
Meine Augen weiteten sich, als er leicht nickte und mich wartend anblickte.

Das war nicht meine Absicht. Ich wollte, dass... Nukook geht und nicht Yoongi und ich! Verdammt. Mein Plan war gescheitert.

Ich wollte dagegen protestieren, doch ich wusste nicht wie. Also lief ich leise hinter Mister Min her. Hätte ich doch lieber meine Klappe gehalten.

»Keller oder Dachboden?«, erhob er die Stimme und schaute mich fragend an. Ich hingegen ließ meine Augen abwechselnd nach links und rechts wandern, nur um ihn nicht ins Gesicht blicken zu müssen.

»Dann gehen wir auf den Dachboden.«

Ich stimmte mit einem leichten Nicken zu, doch kurz darauf wurden mir seine Worte bewusste. Dachboden? War er verrückt?! Standen dort nicht immer irgendwelche Gegenstände hinter weißen Laken, welche ein grusligen Schatten warfen von einer Lampe, dessen Birne eigentlich schon längst durchgebrannt sein sollte, da sie ihr Leben lang angeschaltet war, nur um diesen Schreckmoment hervorzurufen?

»Können wir nicht lieber im Erdgeschoss bleiben?«

Yoongi schüttelte den Kopf. Augenverdrehend folgte ich ihm den Gang entlang. Sturkopf.

Es herrschte eine erträgliche Stille zwischen uns. Zu sehr waren wir darauf konzentriert, einen Weg auf den Dachboden zu finden.

»Ich denke nicht, dass der - «, begann ich, doch hielt gleich darauf inne.

Zwei Hände packten Yoongi an der Hüfte und zogen ihn nach oben. Geschockt beäugte ich das Geschehen, wie das Leichtgewicht namens Yoongi von dem Geist nach oben gezogen wurde.

Da war tatsächlich ein Loch ein der Decke.

»Aber... was?« Geschockt stand ich still da. Auch durch mehrfaches Blinzeln tauchte der Griesgram nicht wieder auf.

Ist Yoongi wirklich...? Hat die Geistertante gerade tatsächlich...? Was.

Er war verschwunden. Das geschah wirklich. Vor meinen Augen.

Ich riss mich aus meiner Starre und holte mein Handy hervor. Schnell rief ich Namjoon an, da er wie der Vater der Gruppe schien und sicher behilflich sein konnte - jedenfalls wirkte er so, als hätte er für alles einen Ausweg.

Immer noch verwirrt kratze ich meinen Nacken, während ich darauf wartete, dass Namjoon den Anruf annahm.

»Was gibt's?«

Meine Hand wanderte von meinem Nacken zu meiner Stirn, welche ich ebenfalls, am Ansatz meiner Haare, kratzte.

»Es ist was passiert«, begann ich einfach nur. Mein Blutdruck befand sich auf einer ungesunden Höhe. Das konnte doch nicht wirklich passiert sein. Das ergab nicht mal einen Sinn!

Namjoon sog die Luft ein. »Was ist passiert? Wie schlimm ist es?«

Wie hätte ich diese äußerst eigenartige, nicht alltägliche Situationen beschreiben können? Wie hätte ich Namjoon sagen sollen, dass Yoongi von der Geistertante nach oben gezogen wurde, ohne, dass er denken würde, ich wäre komplett bescheuerten?

»Sag schon, wie schlimm ist es?«

Also haute ich die Antwort des Tages raus: »Tod.«

Gleich nachdem diese Worte meinen Mund verlassen hatten, ohrfeigte ich mich selbst. Was war los mit mir? Hatte ich sie nicht mehr alle?
Eine noch bescheuerte Aussage hätte ich wirklich nicht geben können.

»W..wie Tod? Ist.. ist Yoongi?«

»Nein! Nein, er lebt noch - denke ich.«

»Du denkst er lebt.. ok. Sag einfach, wo du bist.«

Ich versuchte ihm so gut es ging meinen Standort mitzuteilen. Nach dem er, komplett fertig mit den Nerven, aufgelegt hatte, ließ ich meinen Kopf langsam nach oben wandern.

Ich versuchte durch das Loch hindurch zu blicken, doch es war einfach zu dunkel. Wie konnte die Geistertante überhaupt die Kraft aufbringen, Yoongi dort hoch gezogen zu haben? Sie war ein verdammter Geist!

Gute fünf Minuten vergingen, da kamen Namjoon und Jin um die Ecke gerannt und blickten mich abwartend an.

Je öfters mein Gehirn die Szene vor meinem inneren Auge abspielte, desto unglaublicher wurde es.
Ein belustigter Laut verließ meinen Mund.

»Was ist?«

Die ersten Lacher ertönten von mir aus. Mir fehlte auf jeden Fall eine Mütze Schlaf. Ich würde mein Verhalten einfach auf die Übermüdung schieben.

»Wir sind hier gelaufen und dann... und dann...« Ich atmete tief durch um mich zu beruhigen, doch es ging einfach nicht.

»Und dann Wusch! Ich sah nur noch Yoongis Beine nach oben fliegen.«

Nun lachte auch Jin leicht belustigt auf. »Was?«

»Die Geistertante hat ihn einfach hochgehoben. Entführt. Aber ihr hättet das sehen müssen. Zack, war er weg.«

Jin drehte sich zu Namjoon, welcher besorgt nach oben schaute.

»Ich sagte doch, der Junge isst zu wenig!«

Der Älteste und ich begannen zu lachen.

»Wo ist Hyung jetzt?« Namjoon schien alles etwas ernster zu nehme, als wir beide. Genau deshalb war ich dafür, dass Namjoon die Gruppe anführen sollte.

Ich zuckte nur mit meinen Schultern und wendete mein Blick ebenfalls nach oben.

Dann kam wieder einer meiner Meisterpläne in mein Gehirn.

»Ich werde einfach durch das Loch klettern und ihn suchen.«

W Ö R T E R: 1625

Wusch! Und da war Yoongi weg xD

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top