18.12.2024 - Der Wunschstern
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OneShot by NoyomikoWrites
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Endlich kehrte etwas Ruhe in Lukas ein. Den ganzen Tag hatte er auf dem Weihnachtsmarkt an seinem Stand verbracht und dabei keine ruhige Minute gehabt. Er hatte zwar einiges verkauft, doch weniger, als es für seine Bilanz gut war. Doch das machte dem Teeverkäufer nichts aus. Für ihn zählte nur, dass er die horrenden Standgebühren irgendwie abzahlen konnte, den Rest bekam er schon irgendwie hin. Sein Laden war ohnehin über die Adventszeit geschlossen, schließlich konnte er nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. So fielen auch keine doppelten Kosten für ihn an.
Woche um Woche hatte er damit verbracht, eine Auswahl feiner Tees zusammenzustellen, die sich auf einem Weihnachtsmarkt gut verkaufen ließen. Zudem hatte er in den Abendstunden, in denen sein Tee-Café, das Minzblatt, geschlossen war, Bonbons selbst hergestellt, die er zum Tee dazu verkaufen konnte. Auch wenn er zuerst daran gezweifelt hatte: Das Geschäft lief in diesem Jahr doch recht gut. Die Menschen, die den Weihnachtsmarkt auf dem Hamburger Rathausplatz besuchten, waren bisher recht spendabel gewesen. Das machte ihm Mut, auch für die Jahre, die noch auf ihn zukamen.
Den Tee, den Lukas in großen Thermo-Bottichen an seinem kleinen Stand aus Sperrholz verkaufte, hatte er am gleichen Morgen im Laden vorbereitet und mit der Hilfe seiner besten Freundin Sophia mit ihrem Auto zu der kleinen Hütte transportiert. Leider hatte Sophia nicht genug Zeit, um ihm den ganzen Tag zur Hand zu gehen, doch er war für jede Hilfe dankbar. Er wusste schließlich, dass die Veterinärmedizinerin auch ihr eigenes Leben hatte und ihrer eigenen Arbeit nachging. Dennoch half sie ihm, so oft sie konnte. Jeden Abend schaute sie nach Feierabend bei ihm vorbei und übernahm für ihren Freund das Abzapfen des Tees in bereitstehende Weihnachtsmarkttassen. So musste Lukas nur noch danach greifen und sie an wartende Kundinnen und Kunden überreichen.
Auch an diesem Abend hatte sich die rothaarige Tierärztin zu ihm gesellt und ihm einen erheblichen Teil der Arbeit abgenommen. Jetzt, wo die Besucherströme sich lichteten, kamen die beiden auch dazu, sich ein wenig miteinander zu unterhalten. Lukas nutzte eine kurze Verschnaufpause, um Sophia zu umarmen und ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. »Vielen Dank, dass du wiedergekommen bist und mir hilfst«, seufzte Lukas und drückte seine beste Freundin an sich. »Du weißt, dass du das nicht tun musst.«
Sophia erwiderte die innige Umarmung und schob ihn dann von sich, um ihm in die Augen zu schauen. »Ich weiß, dass ich das nicht tun muss. Aber ich will und ich werde es.« Sie schaute sich hinter der wackeligen Holztheke um und begutachtete den Stapel Bonbons, der sich im Vergleich zum Morgen erneut deutlich dezimiert hatte. »Heute war wieder viel los, nicht wahr?«, fragte Sophia und öffnete den Deckel eines der Bottiche mit der Aufschrift ›Adventstee‹. Er war fast leer.
»Ja«, antwortete Lukas, ließ von ihr ab und zog seine bunte Mütze vom Kopf. Er wischte sich über die schweißnasse Stirn und atmete tief durch. »Mehr als ich erwartet hatte. Und doch ...«
Er spürte Sophias fragenden Blick auf sich und seufzte. »Ich wünschte, das Geschäft würde auch so gut im Laden laufen.«
»Ja, das verstehe ich«, versicherte ihm Sophia. »Du hast heute sogar eine Kanne mehr gemacht, nicht wahr?«
Lukas nickte. »Und trotzdem bekomme ich kaum mehr als den Einkaufspreis plus die Standgebühren zusammen.«
»Willst du nicht doch zurück an die Uni gehen und dort bei einem der Forschungsprojekte mitarbeiten?«, wollte die rothaarige Frau wissen, die sich kommentarlos eine der Tassen nahm und etwas aus einem der anderen Bottiche mit der Aufschrift ›Orangentraum‹ einschenkte.
»Es wäre durchaus die vernünftige Option«, gab Lukas zu. »Doch ich bezweifle, dass ich dort nach über fünf Jahren noch einen Fuß in die Tür bekomme.«
Aus den Augenwinkeln konnte er seine Freundin verständnisvoll nicken sehen. »Außerdem ist das hier meine Leidenschaft«, ergänzte er und nahm lächelnd eine Tasse entgegen, die ihm Sophia reichte.
»Ja, ich weiß«, antwortete Sophia mit einem Seufzen. »Würdest du forschen, könnten wir uns auch allenfalls über Skype sehen. Denn für einen Besuch würde es dann nicht mehr reichen, wenn du auf Spitzbergen oder weiß der Kuckuck wo unterwegs wärst. Nicht wahr?«
Lukas nickte in Gedanken versunken. Der studierte Meeresbiologe hatte sich während seines Masterstudiums, das schon über fünf Jahre zurücklag, auf die Walforschung spezialisiert. Schnell hatte er eingesehen, dass dies keine dauerhafte Option für ihn war, auch wenn ihn dieses Forschungsgebiet sehr interessierte. Ein Semester hatte er tatsächlich auf einem Forschungsschiff verbracht, das nahe Spitzbergen hoch im Norden seinen Anker geworfen hatte. Zum Glück war das dreimonatige Abenteuer endlich gewesen: Er hatte seine Freunde und Familie vermisst. Und so hoch im Norden war die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer, dass er jemals seine große Liebe finden konnte. Zurück in Hamburg hatte er das Masterstudium abgebrochen und sich stattdessen auf seine große Leidenschaft spezialisiert: Den Tee.
»Ich bin froh, dass ich damals die Reißleine gezogen habe, als es noch ging«, sagte Lukas leise, nippte an seinem Tee und schloss genießend die Augen.
»Ich auch«, antwortete Sophia und legte einen Arm um seine Schultern. »Sonst würden wir jetzt nicht hier stehen und uns, wenn überhaupt, per Skype ›Frohe Weihnachten‹ wünschen können.«
»Ja, das stimmt.«
Zusammen schauten sie auf, in Richtung Himmelszelt, wo die dunklen Wolken sich langsam lichteten und den Blick auf den klaren Nachthimmel freigaben. Einzelne Sterne wurden trotz der Lichtglocke Hamburgs sichtbar. Die beiden Freunde betrachteten ein paar wenige, besonders helle, Sterne, die am Firmament funkelten.
»Wenn du einen Wunsch frei hättest, welcher wäre das?«, fragte Lukas plötzlich. Sophia neben ihm murrte leise.
»Wenn ich einen hätte, dann würde ich es dir ganz bestimmt nicht sagen«, antwortete die Rothaarige und warf ihm einen Seitenblick zu. »Dann geht er nämlich nicht in Erfüllung.«
Grinsend nickte Lukas. »Das stimmt wohl.« Dabei hatte er erst am frühen Morgen im Radio einen Beitrag über einen Wunschstern gehört, der einem angeblich jeden Wunsch erfüllen sollte. Wenn er sich nicht stark irrte, sollte es sogar einer der Sterne sein, den sie in genau diesem Moment betrachteten. Aber zugegeben: Sophia hatte Recht.
»Nun, da ich sowieso nicht davon ausgehe, dass mein Wunsch sich irgendwann erfüllt, kann ich ihn genauso gut mit dir teilen«, erklang Lukas' Stimme nach einer Weile des Schweigens. Er überlegte ein paar Sekunden und fasste dabei einen besonders hellen Stern ins Auge. »Ich wünschte, ich hätte endlich mal Glück in Sachen Liebe.« Leise lachend kniff er die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Dieser Wunsch würde sich nie erfüllen. Er wischte Sophias Arm von seiner Schulter und streckte sich. »Komm, lass uns aufräumen. Ich bin müde und will ins Bett.«
Er konnte spüren, wie Sophia ihm einen vielsagenden Blick zuwarf. Sie hatten dieses Gespräch schon oft genug geführt, sodass sie beide die Standpunkte des jeweils anderen kannten. Es war einfach zwecklos, darüber zu diskutieren. Deswegen beließen die beiden Freunde es für den Moment dabei. Sophia verschwand, um ihr Auto zu holen, während Lukas alles Notwendige zusammenpackte. Er dachte lange über seinen Wunsch nach und bedauerte, dass er es langsam aufgab, nach einer festen Freundin oder einem festen Freund Ausschau zu halten. Doch er wusste, dass er ohnehin nichts erzwingen konnte. Er hatte es lange genug versucht und so langsam fand er mit seinem Schicksal ab. Es gab einfach niemanden für ihn, dessen war er sich sicher.
Selbstverständlich brachte Sophia ihn nach Hause. Damit sie am nächsten Morgen nicht wieder so früh raus musste und sie ihm ihre Hilfe für die frühen Morgen- und die Abendstunden zugesagt hatte, übernachtete sie bei ihm. Doch an diesem Abend waren die beiden Freunde nicht so gesprächig wie sonst. Sie beide dachten über Lukas' unerfüllten Wunsch nach, während sie das Auto beluden und zurück zum Minzblatt fuhren.
»Lukas«, setzte Sophia an, als sie gerade in die Straße einbogen, in der sich das Minzblatt befand. »Ich denke schon, dass du irgendwann jemanden findest. Du musst es dir nur ganz fest wünschen.«
Lukas nickte langsam und schaute dabei durch die Windschutzscheibe hoch zu dem Stern, den er schon den halben Abend lang beobachtete. »Vielleicht hast du ja Recht.«
An diesem Abend schickte er ein stummes Stoßgebet gen Himmel, in der Hoffnung, sein Herzenswunsch möge von irgendeiner höheren Macht erhört werden. Auf einen Versuch konnte er es immerhin ankommen lassen.
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Der Wunschstern
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