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𝐈 𝐰𝐢𝐬𝐡 𝐈 𝐰𝐚𝐬 𝐠𝐨𝐨𝐝 𝐞𝐧𝐨𝐮𝐠𝐡 𝐟𝐨𝐫 𝐲𝐨𝐮
Leise klopfte es und Sumi steckte ihren Kopf durch die Zimmertür. Yoongi und ich waren inzwischen fertig mit Nachhilfe. Jetzt lagen wir einfach entspannt auf seinem Bett und schauten auf seinem Handy Videos. Die zierliche Frau lächelte, als sie uns sah. "Wollt ihr noch etwas zu Essen? Einen kleinen Snack?" Ich verneinte, doch ihr Sohn sah mich warnend an. "Du bist zu dünn, Jimin! Iss was!" Seufzend gab ich mich geschlagen. "Okay dann vielleicht etwas Obst oder so", murmelte ich. Sumi nahm es mit einem Nicken zur Kenntnis und verschwand wieder aus dem Zimmer.
Der Schwarzhaarige rutschte näher an mich und schlang die Arme um meinen Körper. Er mochte es wirklich mit mir zu kuscheln. Ich schmunzelte und drehte mich zu ihm, sodass ich mein Gesicht in seinem Oberteil vergraben konnte. "Ich hab dich lieb, Jimin." Das erste Mal hatte er es mir auf dem Schulhof gesagt. Ich hatte angenommen er hätte es nicht ernst gemeint und nur gesagt, weil ich es hatte hören wollen. Zögernd vergrub ich meine Nase noch tiefer in dem weichen Stoff seines T-Shirts." I-ich dich auch." Es machte mir Angst. Ich wollte ihn nicht ins Herz schließen, er würde mich am Ende doch nur verletzen und alleine lassen.
Sumi brachte das Obst und ein paar Kekse. Mit einem Zwinkern stellte sie das Essen vor uns ab, bevor sie leise wieder verschwand. Langsam ließ ich es zu, diese Wärme und Zuneigung. Nur widerwillig, aber wer könnte in meiner Situation auch widerstehen? Es war, als wäre ich im Himmel und Yoongi wäre mein Schutzengel. Innerlich lachte ich über mich selber. Engel gab es doch gar nicht! Langsam löste ich mich von dem Älteren und griff nach einem Stück Apfel. Ich aß es und eigentlich war ich schon viel zu satt dafür. Heute hatte ich echt viel gegessen. Zumindest für meine Verhältnisse.
"Leihst du mir jetzt ein Buch?" Es war zwar schon 23 Uhr, aber mir war plötzlich danach zu lesen. Der Schwarzhaarige lachte und zeigte auf sein kleines Bücherregal. "Bedien dich." Und das tat ich. Ich setzte mich vor das Regal auf den Boden und schnappte mir das nächstbeste Buch: "Drachenreiter" von Cornelia Funke. Ich schlug das Buch auf und begann zu lesen. Und dann verlor ich mich zwischen den Seiten, fieberte mit Ben, Schwefelfell und Lung mit, fürchtete mich vor Nesselbrand und las und las. Die Stunden vergingen, es war drei Uhr Morgens, als ich die letzte Seite umblätterte und dann das Buch beiseite legte.
Yoongi war eingeschlafen. Friedlich lag er auf seinem Bett, hin- und wieder konnte man einen leisen Schnarcher von ihm vernehmen. Meine Mundwinkel hoben sich automatisch bei seinem Anblick. So leise, wie möglich stellte ich das Buch wieder ins Bücherregal zurück und schaltete das Licht aus, bevor ich mich zu dem Schwarzhaarigen aufs Bett gesellte. Sobald ich neben ihm lag, gab er ein leises, zufriedenes Seufzen von sich und rückte im Schlaf noch näher zu mir, um sich an mich zu kuscheln. Ich legte meine Arme um ihn und er vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge, wo sein heißer Atem gegen meine Haut prallte.
Schläfrig blinzelte ich. Durch das Fenster fiel das Licht einer Straßenlaterne und zeichnete einen hellen Streifen auf den Zimmerboden. Die Müdigkeit kroch in meine Glieder und ich wehrte mich nicht dagegen. Stattdessen ließ ich zu, dass mich der Schlaf einholte.
Yoongi war bereits aufgestanden, als ich aufwachte. Es verwunderte mich nicht, schließlich war er auch eher ins Bett gegangen, als ich. Ausgiebig reckte und streckte ich mich, bevor ich aufstand. Dann kramte ich in Yoongis Kleiderschrank nach frischer Kleidung, die ich anzog, in der Hoffnung, dass es den Älteren nicht störte. Der Duft von Weichspüler umhüllte mich. Zufrieden vergrub ich meine Nase in dem Kragen des Shirts, welches ich trug. Barfuß tapste ich in Richtung Küche, wo mir schon der Geruch von Essen entgegen schlug. Sumi holte gerade frische Brötchen aus dem Ofen, während ihr Mann am Tisch saß und in der Zeitung las. Yoongi hingegen beaufsichtigte den Eierkocher.
"Guten Morgen", murmelte ich leise. Sumi drehte sich zu mir um und strahlte mich an. "Hallo, Jimin! Hast du gut geschlafen?" Ich nickte und spielte mit meinen Fingern. Ihr Sohn ließ den Eierkocher alleine und kam stattdessen zu mir, um mich zu umarmen. "Guten Morgen, Jiminie!", lächelte er sanft. Meine Arme schlangen sich ebenfalls um ihn. "Ich hoffe es stört dich nicht, dass ich mich an deinem Kleiderschrank bedient habe", murmelte ich. Er lachte. "Nein, das stört mich nicht." Wir lösten uns voneinander und der Ältere packte meinen Ärmel, um mich zum Küchentisch zu ziehen. Der Eierkocher piepte und Yoongi ließ mich los, um sich um die Eier zu kümmern.
Wenig später saßen wir alle um den Tisch herum und aßen, Sir Tiffy bekam ebenfalls sein Frühstück. In der ganzen Küche roch es nach den frisch aufgebackenen Brötchen und es war warm und gemütlich. Ich fühlte mich hier wirklich wohl. Am Liebsten würde ich zu dieser Familie gehören. "Jimin? Gehst du heute mit mir in den Freizeitpark?" Theoretisch könnte ich. Ich hatte heute erst wieder Nachts Schicht. "Okay", nickte ich und Yoongi griff nach meiner Hand, um sie zu drücken.
Also verließen wir das Haus nach dem Frühstück und fuhren mit dem Bus wenige Haltestellen bis zum Freizeitpark, der ganz in der Nähe lag. Zuletzt war ich als fünfjähriges Kind hier gewesen und da hatte ich an kaum einer Attraktion teilnehmen dürfen. "Sieh mal, eine Achterbahn, wollen wir da drauf?", zog der Schwarzhaarige an meiner Hand, sobald wir den Eintritt bezahlt hatten. Ich ließ zu, dass er mich mit sich zog. Quitschend stieg Yoongi ein und ich setzte mich neben ihn. Etwas unheimlich war mir das Ganze schon, schließlich war ich noch nie mit so einem Ding gefahren. "Ich bin so aufgeregt!", hibbelig griff der Ältere wieder nach meiner Hand und drückte sie fest. Ein Schmunzeln schlich sich auf meine Lippen. Ich war es auch. Der Waggon fuhr zunächst langsam an. Doch dann beschleunigte er und wir rasten über die Schienen. Der Fahrtwind zerstörte meine Frisur und, als wir vom Höhepunkt der Achterbahn herunter sausten, fühlte ich mich schwerelos.
Meine Ohren klingelten von dem ganzen Gequitsche, welches Yoongi und ich die ganze Fahrt über von uns gegeben hatten. Als wir schließlich wieder am Erdboden angelangt waren, drehte sich alles. Trotzdem stolperte ich mit einem fetten Grinsen auf den Lippen aus dem Waggon. "Lass uns als Nächstes ins Spiegelkabinett", schlug ich vor. "Vorher will ich aber noch Zuckerwatte." Der Ältere sah mich bettelnd an und ich lachte. "Klar! Das Spiegelkabinett kann warten!" Mit diesen Worten zog ich ihn zum Süßigkeitenstand. Der Schwarzhaarige kaufte sich selber Erdbeerzuckerwatte und mir gebrannte Mandeln. Zufrieden biss er in seine klebrige Süßigkeit und war nur wenig später von Oben bis Unten eingesaut. Ich lachte ihn aus und kramte aus meiner Tasche eine Packung Taschentücher, um die Sauerei in seinem Gesicht etwas zu bändigen. Beschämt ließ er zu, dass ich ihn mit dem Taschentuch abtupfte, bevor er mir seine klebrigen Hände entgegen streckte. Den leeren Zuckerwattenstiel hatte er schon in der nächsten Mülltonne entsorgt. Schmunzelnd wischte ich mit dem Taschentuch auch über seine Hände.
Als auch die gebrannten Mandeln leer waren, Yoongi hatte ebenfalls noch tüchtig zugelangt, begaben wir uns zum Spiegelkabinett. "Lass und die ganze Zeit an den Händen halten, damit wir uns nicht verlieren", schlug ich vor und der Angesprochene nickte, bevor seine Finger auch schon zu meiner Hand glitten und sich mit Meinen verschränkten. Die Hand des Älteren war immer noch etwas klebrig, doch es störte mich nicht. Gemeinsam betraten wir das verspiegelte Gebilde. Sofort fühlte ich mich verloren. Würde Yoongi nicht meine Hand halten, hätte ich ihn schon längst verloren. Gemeinsam liefen wir durch den ersten Raum und ich klammerte mich an meinen Begleiter. Er blieb stehen und ich tat es ihm gleich. "Schau in den Spiegel, Jimin." Seine Stimme klang auf einmal ganz ernst. "Siehst du nicht, wie wertvoll du bist? Du magst etwas kaputt wirken, oder erschöpft. Aber siehst du nicht, was für eine wundervolle Seele sich in deinen Augen versteckt?" Vorher hatte ich nicht wirklich auf mein Spiegelbild geachtet. Ich wusste, dass ich nicht hübsch war und, dass die ganzen Strapazen, denen ich mich aussetzt, sich auf meinem Körper zeigten.
Widerwillig hob ich den Blick und sah mich an. Auch ich war jetzt nicht mehr so ausgelassen. "Was redest du da?", murrte ich leise. "Ich bin nicht schön. Ich bin hässlich und ekelhaft." Angewidert betrachtete ich mein Spiegelbild. Die Miene des Älteren verfinsterte sich. Er packte mich bei den Schultern und stieß mich rückwärts gegen die Spiegelwand. Mit Leichtigkeit hätte ich mich gegen diesen schwächlichen Knirps wehren können. Ein Handgriff und ich wäre frei. Doch ich wollte ihm nicht wehtun, also ließ ich seine Aktion zu.
"Hör auf, Jimin. Es tut so weh zu sehen, wie sehr du dich hasst." Seine schokoladenbraunen Augen waren dunkel und schimmerten traurig. Ich schluckte. "Hör auf dich selber so runter zu machen. Hör auf deiner Mutter so viel Macht über dich zu geben!" Blinzelnd sah ich ihn an und blieb stumm. Er seufzte. Dann schlang er die Arme um mich und vergrub seinen Kopf an meiner Brust. Seine Schultern begannen zu beben und ich hörte leise, unterdrückte Schluchzer . Hilflos Strich ich Yoongi über den schwarzen Wuschelkopf, bevor ich die Umarmung erwiderte. "Nicht weinen, Hyung", bat ich. "Nicht meinetwegen weinen. Das bin ich n-" "Doch du bist es wert!", unterbrach er mich.
Der Ältere hob den Kopf und sah mich mit seinen geröteten, verweinten Augen an. "Du bist es verdammt nochmal wert, Jimin!" Zwei kleine Mädchen stürmten an uns vorbei durchs Spiegelkabinett und warfen uns irritierte Blicke zu. "Du. Bist. Es. Wert", wiederholte der Wuschelkopf und suchte den festen Augenkontakt mit mir. Unbehaglich wand ich mich. Mit so Etwas konnte ich nicht gut umgehen. Mit positiven Worten, die mir galten. "Nein, bin ich nicht. Ich bin nichts wert", sprach ich schließlich meine Gedanken erschöpft aus. Sein Blick verdunkelte sich noch mehr. "Jimin!" Yoongi wirkte so frustriert. Seine Finger krallten sich in mein Oberteil. Würde er mir jetzt wehtun? Seine Wut machte mir Angst. Doch er tat mir nicht weh. Stattdessen schlang er seine Arme um meinen Nacken und kam mir ganz nah. Irritiert sah ich ihn an. Was hatte er vor? Sein Atem prallte auf meine Lippen und seine verdunkelten Augen sahen fest in Meine. "Du bist mir alles wert. Alles auf dieser Welt, Jimin!"
Das konnte er nicht ernst meinen. Er kannte mich doch kaum. "Du faszinierst mich schon so lange. Wie Du immer weiter machst und kämpfst, obwohl du nur einen Hauch davon entfernt bist umzukippen! Ich beneide dich um deine Stärke." Stärke? Ich war nicht stark, ich war ein Schwächling! Doch er schien mir meine Gedanken anzusehen." Hör auf damit, Jimin!" Und mit diesen Worten küsste er mich. Seine Lippen schmeckten nach Erdbeerzuckerwatte und gebrannten Mandeln. Ich war zu überrumpelt, um zu erwidern. Doch es fühlte sich gut an. Seine weichen Lippen auf meinen. Wie der Himmel. Dabei stand ich doch gar nicht auf Jungs, oder? Mama würde mich umbringen! Meine Hände legten sich um Yoongis dünne Taille und zogen ihn noch enger an mich. Ich erwiderte den Kuss.
Mein einer Arm lag um seine Hüfte. Mit der freien Hand fuhr ich über die Wange des Älteren und wischte seine Tränen weg. Mit einem Ruck drehte ich uns um und presste ihn gegen die Spiegelwand. Es war falsch, was ich hier tat. Wir kannten uns doch fast gar nicht! Doch es fühlte sich zu gut an. Wie im Himmel. Ich flog und für diese kurze Zeit rückten meine negativen Gedanken in den Hintergrund. Bis sie sich mit aller Macht wieder nach vorne drängten. Ich beschmutzte ihn. Er war so rein und hell und ich war so dunkel und kaputt. Ich würde ihn runterziehen und zerstören. Atemlos löste ich mich. Die Augen des Schwarzhaarigen waren geschlossen. Schwer atmend lehnte er an der Spiegelwand, mit zerzaustem Haar und geschwollenen Lippen.
Ich wurde süchtig nach ihm. Er stand dort, so unschuldig und hilflos und ausgeliefert. Mein Engel. Er sah aus, wie ein Engel. Und ich war die Sünde, die ihn beschmutzte. Zögerlich wich ich zurück. Dann floh ich.
Ich irrte hastig durch das Spiegelkabinett, bevor ich so schnell ich konnte aus dem Freizeitpark rannte. Immer weiter, bis ich nicht mehr konnte. Heftig atmend blieb ich stehen. Was hatte ich getan? Mein Selbsthass wurde immer stärker, verzweifelt hallte ich die Fäuste zusammen. "Fuck", fluchte ich. Und dann schlug ich gegen die nächste Hauswand, bis meine Hand Knöchel bluteten. Unregelmäßig atmend sank ich zu Boden und vergrub mein Gesicht in meinen blutverschmierten Händen. Warum musste er mich auch küssen? Ich war nicht gut für ihn, ich schadete ihm!
Ich musste meine Sachen noch bei ihm abholen, bevor er nach Hause kam. Weg von ihm. Ich musste weg, damit ich ihn nicht noch mehr zerstörte. Langsam richtete ich mich auf. Und dann rannte ich erneut. Um in möglichst kurzer Zeit bei ihm zu Hause zu sein.
Zum Glück war er tatsächlich noch nicht da. Ich stürmte an der verwirrten Sumi vorbei in Yoongis Zimmer, wo ich meine Sachen zusammen packte. Aus Angst, dass mir unangenehme Fragen gestellt wurden, oder der Schwarzhaarige genau jetzt hier ankam, kletterte ich aus seinem Zimmerfenster, statt die Haustür zu nehmen. Wohlbehalten stand ich wenig später mit all meinen Sachen auf dem Rasen. Hastig machte ich mich daran zu verschwinden.
Zu Hause setzte ich mich wieder an meine Schulsachen. Ich lernte Physik, Bio, Englisch, Mathe... Alle möglichen Fächer. Bis es Zeit war zu meiner Nachtschicht zu gehen. Vorsorglich steckte ich Koffeintabletten ein, bevor ich mich auf den Weg zur Tankstelle machte. Es war kalt. Mein Atem hing in kleinen Wölkchen in der Luft und ich zitterte. Schnell vergrub ich meine Nase in dem Kragen meines T-shirts, um noch irgendwie Wärme zu finden. Das T-Shirt roch nach Weichspüler. Es war Yoongis. Ich hatte ganz vergessen mich wieder umzuziehen. Leise seufzte ich aus und zog den Stoff noch enger um mich.
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