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𝐒𝐨𝐦𝐞𝐰𝐡𝐞𝐫𝐞 𝐢𝐧 𝐦𝐲 𝐡𝐞𝐚𝐫𝐭 𝐈 𝐬𝐭𝐢𝐥𝐥 𝐛𝐞𝐥𝐢𝐞𝐯𝐞, 𝐭𝐡𝐚𝐭 𝐭𝐡𝐞𝐫𝐞 𝐢𝐬 𝐚 𝐩𝐥𝐚𝐜𝐞 𝐜𝐚𝐥𝐥𝐞𝐝 𝐡𝐞𝐚𝐯𝐞𝐧

Mama schrie mich an. Schon wieder. Ängstlich wich ich vor ihr zurück. Jedes ihrer Worte traf mich, wie ein Peitschenschlag und zerstörte mich. "Versager." Das Wort hallte in meinem Kopf wieder und grub sich tief in meine Seele. "Nichtsnutz. Ich hätte dich abtreiben sollen!" Sie machte mich kaputt. Nie war ich genug und ich tat doch mein Bestes, doch es reichte nicht. "Verpiss dich", brüllte sie und ich stolperte aus der Küche. Knapp hinter mir zerschellte ein Glas am Boden und ein paar der herumfliegenden Scherben schnitten in meine Haut.

Den Schmerz ignorieren flüchtete ich die Treppe hoch in mein Zimmer, wo ich mich Einschluss und dann an dem kühlen Holz der Tür herabrutschen ließ. Eng zog ich meine Beine an meinen Körper und schloss die Augen, als sich die ersten Tränen ihren Weg über meine Wange bahnten. Kleine Glassplitter steckten in meinem Bein und die Stellen fingen an zu bluten.

Es tat weh. Es tat so weh und am Liebsten würde ich schreien, da der Schmerz von innen gegen mich drückte, doch ein Kloß steckte in meinem Hals, sodass nur ein Wimmern aus mir kam. Mein Hals tat weh, die Schreie wollten aus mir raus. Mein innerer Schmerz war so intensiv, dass ich kaum noch Luft bekam und fast durchdrehte.

Meine Tränen flossen und ein paar Blutstropfen fielen auf den kalten Steinboden in meinem Zimmer. Einen Teppich besaß ich nicht. Sie sollte aufhören. Sie sollte aufhören mir wehzutun. Ich konnte nicht mehr. Aber ich wusste, dass es meine eigene Schuld war. Ich musste mehr Schichten bei der Tankstelle nehmen. Und noch bessere Noten schreiben. Vielleicht war Mama dann stolz auf mich.

Mühsam rappelte ich mich auf und setzte mich an meinen Schreibtisch. Ich zog die Füße hoch zu mir auf den Stuhl und griff nach einer Pinzette, die griffbereit lag. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass meine Mutter Sachen nach mir warf. Nachdem ich alle Glassplitter gezogen hatte, schluckte ich schnell noch eine Koffeintablette, damit ich in der Nacht nicht einschlief. Dann fing ich an zu lernen.

Meine Füße trugen mich kaum, als ich mich auf den Weg zur Schule machte. Die ganze Nacht hindurch hatte ich nicht geschlafen, sondern am Schreibtisch gesessen und gelernt. Vier Koffeintabletten sorgten dafür, dass ich nicht auf der Stelle umkippte und einschlief. Mühsam schleppte ich mich auf den Schulhof. Meine Jeans scheuerte schmerzhaft gegen die Wunden, die die Glasscherben gestern auf meinem Bein hinterlassen hatten.

Es dauerte nicht lange bis zum Schellen. Deswegen schlurfte ich jetzt schon zum Klassenraum und ließ mich auf meinen Platz fallen. "Alles in Ordnung?" Ich drehte mich zu meinem Banknachbarn. Er trug ein schneeweißes, sauberes Hemd und sah im Vergleich zu mir so ordentlich, gepflegt und gesund aus. Seine Haare hatte er übertrieben ordentlich frisiert und er trug leichtes Make-up, welches sein Gesicht noch makelloser aussehen ließ. "Nein", antwortete ich abweisend. "Gibt's sonst noch was?" Eingeschüchtert schüttelte er den Kopf.

Ich seufzte. Eigentlich hatte ich ihn nicht so anfahren wollen. "Yoongi?" Er hob den Kopf und sah wieder zu mir. "Ich habs nicht so gemeint, tut mir leid. Ich bin nur übermüdet", entschuldigte ich mich. Er lächelte. Eigentlich lächelte er immer. Ich hatte ihn noch nie wirklich traurig gesehen. Wie schaffte er es so glücklich zu sein? "Ist schon okay, Jimin." Ich rang mir ebenfalls ein schwaches Lächeln ab.

Die Lehrerin betrat den Raum und fragte wenig später die Hausaufgaben ab. Ich hatte alles richtig, doch das reichte nicht. Es reichte nicht aus, um Mama stolz zu machen. Eine Frage wurde gestellt und ich überlegte kurz, bevor mein Finger in die Höhe schoss. Eine Millisekunde zu spät. Jemand Anderes war dran genommen worden. Ich senkte den Kopf. Warum war ich so ein Versager? So schaffte ich es nie gut genug zu sein.

Ich musste mehr lernen, damit ich nächstes Mal schneller war. Mein Kopf tat weh und mir war schwindelig. Der viele Koffein sorgte dafür, dass mein Herz viel zu schnell schlug. Es raste. Mein ganzer Körper schwitzte und verzweifelt biss ich die Zähne zusammen. Ich musste mich zusammenreißen und aufpassen.

Schnell wischte ich meine schwitzigen Handflächen an meiner Hose ab. Der besorgte Blick Yoongis lag auf mir. Verdammt, warum ging meine Atmung so hektisch und schnell? Vergeblich versuchte ich mich zu beruhigen. "Frau Kim? Jimin geht es nicht gut, kann ich ihn nach draußen begleiten?" Mein Kopf schnellte herum. Was tat Yoongi da? Ich musste hier bleiben, zuhören und mich beteiligen. Meine mündliche Note durfte auf keinen Fall abrutschen. "Du siehst wirklich etwas blass aus, Jimin. Geht ruhig." Die Lehrerin lächelte mich so freundlich und nett an. Nein! Ich wollte auf keinen Fall rausgehen! Doch mein Sitznachbar zog mich bereits hoch. Ich stolperte und fiel gegen ihn. Ängstlich kniff ich die Augen zusammen. Er würde mich anschreien, wie Mama. Weil ich so tollpatschig und dumm war. Doch nichts passierte.

"Komm, Jimin", sagte er sanft und zog mich mit sich. Alles drehte sich. Der Schwindel drohte mich zu überwältigen. Es fiel mir so schwer gerade aus zu laufen. Meine Glieder waren schwer und die bleiernde Müdigkeit gesellte sich zum Schwindel. Anscheinend reichten nicht einmal mehr vier Koffeintabletten aus, um mich wachzuhalten. Ich klammerte mich an der Hand des Älteren fest. Nicht, weil ich das wollte, nein ich musste es. Denn sonst wäre ich umgekippt.

Auf dem Schulhof blieb er stehen. Ich ließ seine Hand los und wankte zu einer der Bänke. Der Schwarzhaarige folgte mir. Mit müdem Blick sah ich zu ihm hoch. "Warum?", krächzte ich dann leise. "Warum hast du mich hier rausgebracht? Das kann ich mir nicht leisten... Meine Noten..." Ich sackte in mich zusammen. Alles fühlte sich so leer und trostlos an. "Ist das dein Ernst? Du weißt, dass du hier am Zusammenklappen bist, oder?" Ich zog die Schultern hoch. "Mir egal..." Der Blick des Schwarzhaarigen wurde weicher. "Mir aber nicht. Deine Noten sind spitze, Jimin. Um deine Gesundheit allerdings steht es nicht halb so gut." Er setzte sich neben mich. "Hast du überhaupt geschlafen?" Er musterte mich. Mir war selber klar, wie schrecklich aussah und wie tief meine Augenringe sein mussten. Denn nein, ich hatte nicht geschlafen. Diese Nacht nicht und die davor auch nicht. Und die davor nur eine halbe Stunde. Langsam schüttelte ich den Kopf. Mitleidig traf sein Blick auf meinen. "Und gegessen ?" Ich musterte meine Hände und bemerkte auf einmal, wie knochig sie geworden waren. Wenn ich darüber nachdachte hatte ich zuletzt vorgestern einen Apfel gegessen. Erneut schüttelte ich den Kopf.

"Und was hast du stattdessen gemacht?" Ich fing an zu zittern. "Gelernt und gearbeitet", hauchte ich. Ja. Mein ganzer Tag bestand nur noch aus Lernen und meiner Arbeit bei der Tankstelle. Für Essen und Schlafen hatte ich einfach keine Zeit mehr. "Jimin." Yoongi klang so besorgt, dabei kannte er mich nicht mal. Ich schüttelte den Kopf. "Lass mich", verlangte ich mit bebender Stimme. Nicht nur meine Stimme, sondern mein ganzer Körper zitterte. Scheiß Koffeintabletten!

Er betrachtete mich. Dann beförderte er aus seiner Hosentasche ein paar Münzen zu Tage. "Bleib hier sitzen. Bitte." Mit diesen Worten verschwand er in Richtung Schulkiosk. Hier sitzen bleiben... Am Liebsten hätte ich diese Bitte nicht befolgt, aber meine Beine waren zu schwach, um mich noch zu tragen. Wenn ich schon nicht am Unterricht teilnahm, musste ich wenigstens lernen. Ich konnte hier doch nicht einfach faul rumsitzen. Fahrig kramte ich in meiner Jackentasche herum und zog meine Notizen hervor. Ableitung, Extrema, Nullstellen. Ich lernte die Formeln dazu alle. Eigentlich konnte ich sie schon auswendig, aber zur Sicherheit las ich es mir immer wieder durch, damit ich bloß nichts übersah. Meine Hände zitterten so stark und die Schrift verschwamm vor meinen Augen, doch eisern versuchte ich weiterzulernen. Bis ein Windstoß mir das Papier aus der Hand riss. Hilflos sah ich dabei zu, wie meine Notizen über den Schulhof wirbelten, bis Jemand mit dem Fuß auf sie drauftrat und sie dann aufhob: Yoongi.

Er hielt eine große Tüte in der Hand, die er mir jetzt reichte. Doch meine Finger waren zu schwach und zittrig, um überhaupt noch etwas zu halten. Zum Glück schaffte der Schwarzhaarige es die Tüte rechtzeitig aufzufangen, als sie aus meinen Händen glitt. Beschämt senkte ich den Kopf. "Jimin. Hey." Er sah mich eindringlich an. "Soll ich dich zu einem Arzt oder ins Krankenhaus bringen? Bitte, was? Entsetzt riss ich meine Augen auf und schüttelte heftig den Kopf." Bitte nicht", flehte ich. Denn dann würde Mama komplett ausrasten. "Beruhige dich, es war nur eine Frage", meinte er erschrocken aufgrund meiner heftigen Reaktion. Dann setzte er sich wieder neben mich. "Darf ich dich wenigstens umarmen?" Warum wollte er das? Einen Menschen wie mich wollte man doch eigentlich nicht einmal mit der Zange anfassen. Ich zögerte. "Hör auf", bat ich leise. "Hör auf so zu tun, als sei ich dir etwas wert. Wenn du etwas willst, dann nimm es dir einfach. Du musst nicht so Gentlemanlike tun. Ansonsten lass mich doch einfach in Ruhe", schniefte ich leise.

Scharf holte Yoongi Luft. "Jimin, wie kannst du so etwas sagen?" Ja, wie konnte ich so etwas sagen? Jetzt hielt er mich bestimmt für einen dieser Fake-depri Menschen, die extra einen auf arme kleine Maus machten, damit sie Aufmerksamkeit bekamen. "T-tut mir leid, ich wollte dich nicht verärgern", stotterte ich ängstlich. Warum machte ich auch immer alles falsch? Ein lautes Seufzen entfloh seinen Lippen. "Jimin..." Ich war so schwach und verletzlich. Warum konnte ich nicht stärker sein? Bestimmt würde er meine Schwäche jetzt ausnutzen. Ich fing wieder an zu zittern.

Der Ältere musterte mich eine Weile nur und dann spürte ich auf einmal zwei warme Arme um mich, die mich festhielten. Fast hätte ich geweint. Dieses plötzliche Gefühl von Sicherheit, welches mich durchflutete. Zaghaft erwiderte ich die Umarmung. "Sag so etwas nicht, Jimin", flüsterte der Schwarzhaarige gegen den Stoff meines Oberteils. "Natürlich bist du Etwas wert! Natürlich nehme ich auf dich Rücksicht und mache nicht einfach mit dir, was ich will, hörst du?"

Mein Magen knurrte und Yoongi löste die Umarmung. Sofort vermisste ich sie. "Willst du etwas essen?" Zurückhaltend nickte ich. "Wenn es keine Umstände macht." Wortlos holte er ein Käsebrötchen aus der Tüte, riss ein Stück ab und hielt es mir unter die Nase. Ich ließ mich füttern.

Augenblicklich ging es mir etwas besser. Das Zittern ließ nach und ein wenig Leben kehrte in meinen Körper zurück. Wasser hatte der Schwarzhaarige auch geholt und gierig trank ich einen Schluck. Er war so fürsorglich. Seine Arme schlangen sich wieder um mich und ich drehte mein Gesicht in seine Richtung. "Du kümmerst dich um mich", stellte ich fest. "Warum tust du das?" Er lächelte traurig. "Weil du es nicht tust und ich nicht mehr mitansehen kann, wie du dich mit jedem Tag immer mehr zerstörst."

Er ließ mich los und stand auf. "Ich hole unsere Sachen und lasse uns entschuldigen", sagte er bestimmt. Nein! Ich durfte Mama nicht enttäuschen! "Aber ich muss da sein und aufpassen, protestierte ich." Er fuhr zu mir herum. "Warum ist dir das verdammt noch mal so wichtig?" Erschrocken zuckte ich zurück und schwieg verängstigt. Der Ältere kam näher und hielt mir den Zettel mit meinen Mathenotizen unter die Nase. "Das hier werden wir erst nächstes Jahr lernen! Sei ehrlich, Jimin! Du kannst doch schon alles, was jetzt drankommt in- und auswendig!" Geknickt sackte ich in mich zusammen und nickte. Er hatte ja Recht. Ohne ein weiteres Wort lief Yoongi zum Schulgebäude zurück.

Zusammengekauert blieb ich auf der Bank sitzen. Meine Mutter würde mich umbringen, wenn sie herausfand, dass ich heute nicht am Unterricht teilgenommen hatte. Ihr war es egal, wie es mir ging, Hauptsache ich brachte gute Noten nach Hause und war ein Vorzeigesohn.

Es dauerte gar nicht lange, da kam der Schwarzhaarige auch schon zurück. Über seiner Schulter hing mein Rucksack, seinen eigenen hatte er in der einen Hand. Die freie Hand streckte er mir entgegen und mir fiel auf, dass er mehrere Ringe trug. Sie sahen schön aus. Sie passten zu ihm. "Lass uns gehen, Jimin." Ich griff nach seiner Hand. Was für eine Wahl hatte ich schon? Das kalte Metall der Ringe drückte gegen meine Haut, aber es war kein unangenehmes Gefühl.

"Yoongi?" Er drehte den Kopf zu mir. "Lass uns zu dir gehen, okay? Ich will nicht nach Hause", bat ich. Der Ältere zog besorgt die Augenbrauen zusammen und nickte. "Klar, können wir." Zum ersten Mal an diesem Tag lag ein echtes Lächeln auf meinen Lippen. "Und, Yoongi?" "Ja, Jimin?" Ich drückte seine Hand, so fest, dass die Ringe sich schmerzhaft in meine Haut bohrten. "Danke."

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