𝟎𝟑 | 𝐜𝐚𝐮𝐠𝐡𝐭
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OLIVIA WAR SICH NICHT sicher gewesen, ob sie heute überhaupt in die Literaturvorlesung gehen würde. Sie hatte über das, was bei ihrer letzten Begegnung passiert war, die ganze Woche über nachgedacht.
Es wäre eigentlich die richtige Entscheidung gewesen, einfach endlich zu ihrem eigentlichen Kurs zu gehen, aber sie konnte nicht. Sie war einfach zu neugierig, wie er sich diese Stunde schlagen würde. Zudem gefiel es ihr ja auch, in seiner Nähe zu sein, obwohl Olivia wusste, dass es falsch war.
Er war ihr Professor, sie seine Studentin. Das was sie sich ausmalte, durfte niemals geschehen.
Hingegen der letzten Male, war Mr. Hiddleston als erster in dem Hörsaal, bereitete gerade seine Stunde vor, als sich die Tür öffnete und die ersten Studierenden ihren Platz einnahmen. Auch Olivia war dabei, die sich jedoch ohne größere Aufmerksamkeit von ihm zu bekommen auf den Stuhl setzte und die letzten Minuten vor dem Unterrichtsbeginn dafür nutzte, um ihr Buch über Hamlet weiterzulesen.
Als die Glocke ertönte und sich die Letzten einfanden, ließ Tom keine Zeit verschwenden. Ohne sich von seinen gelangweilten Zuhörern beirren zu lassen, begann er mit Shakespears Hamlet. Er zitierte Buchstellen, holte sich Schüler nach vorn, um ein paar Szenen nachspielen zu lassen und schaffte es dadurch tatsächlich ein paar der jungen Menschen zum Mitmachen zu bringen. Es waren nicht viele, aber einige schienen langsam wirklich etwas Interesse an der Literatur und an seinem Unterricht zu finden.
Doch auch wenn etwas mehr Bereitschaft zu bemerken war, war es letztendlich Olivia, die sich bei jeder seiner Fragen meldete. Aber anders als in den anderen Vorlesungsstunden, nahm er sie nicht einmal ran. Nicht einmal, als sie die einzige war, die sich meldete.
Die junge Frau versuchte sich darüber nicht so viele Gedanken zu machen, vielleicht wollte er den anderen einfach auch Mal eine Chance geben. Zumindest hoffte sie das.
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Als die Stunde durch das ertönen der Glocke beendet wurde, versammelten sich vor dem Pult des Professor die Studierenden, um sich ihre Arbeit abzuholen. Eine gedrückte Stimmung entstand in dem Raum, denn keiner von ihnen war seinen Anforderungen gerecht geworden. Olivia hingegen ging mit einem guten Gefühl auf ihn zu, doch wunderte sich, als das letzte Blatt auf dem Tisch einer Mitschülerin vor ihr gegeben wurde.
,,Was ist mit meiner Arbeit Mr. Hiddleston?", fragte sie ihn verwirrt. Immerhin wusste Olivia ganz sicher, dass sie die Aufgabe abgegeben hatte.
Der Blick ihres Gegenübers wurde ernst, er wartete darauf, dass die letzten Schüler den Raum verließen. Als es nur noch sie beide waren, nahm er ihre Arbeit aus seiner Tasche hervor, sah seufzend auf diese.
,,Ms. Hudson.. ihre Arbeit war brilliant, ich hatte beim Lesen fast den Eindruck, dass ich es selbst geschrieben habe. Jedoch kann ich ihre Ausarbeitung nicht bewerten.. da sie nicht zu diesem Kurs gehören..", ein Schauer durchfuhr ihren Körper, als er diese Worte aussprach.
Warum empfand sie es als so schlimm, dass er es herausgefunden hatte? Es war doch nur ein Kurs, oder nicht? Olivia wusste nicht was sie dazu sagen sollte, deshalb versuchte sie es abzustreiten. ,,I-Ich ehm.. I-Ich weiß nicht wovon sie reden.. a-also..", doch weiter ließ ihr Professor sie gar nicht umher stammeln.
,,Ms. Hudson, ich wollte ihre Abgabe bewerten, aber ich habe sie nicht in meinem System gefunden. Durch einen Zufall kam ich dann mit Mrs. Peters ins Gespräch, wobei sich herausstellte, dass diese eigentliche ihre Literaturprofessorin im ersten Semester ist. Ich weiß nicht ob es ihnen aufgefallen ist, aber ich bin für das dritte zuständig", sagte er zu ihr, wirkte dabei beinahe genervt.
Aber das war er tatsächlich auch. Er wusste nur nicht ob es daran lag, dass sie ihn die letzten Wochen hinters Licht geführt hatte, oder ob er es bedauerlich fand, seine beste Schülerin zu verlieren.
,,E-Es tut mir Leid, dass ich nicht schon früher etwas gesagt habe. Ich habe mich am ersten Tag durch meine Orientierungslosigkeit in ihren Kurs gesetzt und es ist mir auch erst danach aufgefallen. Ich weiß ich sollte nicht hier sein, aber ich würde ihnen so gern weiter zuhören, verstehen sie doch..", aber auch diesmal wollte Tom keine Ausreden mehr hören.
Während er begann seine Materialien zusammen zu suchen, fiel er ihr auch ein weiteres Mal ins Wort. ,,Das haben sie richtig erkannt Ms. Hudson, also bitte verlassen sie jetzt meinen Hörsaal und beginnen sie Kurse zu besuchen, in die sie auch gehören", sagte er, viel harscher, als er eigentlich klingen wollte.
Olivia stand einfach nur da, wortlos, sah ihm dabei zu, wie er ihr keine weitere Aufmerksamkeit mehr schenken wollte. Auch wenn sie seine Worte nicht zu nah an sich kommen lassen wollte, begann etwas bei dem Gedanken ihn nicht mehr wiederzusehen zu schmerzen.
Auch wie er sich plötzlich ihr Gegenüber verhielt, so kalt und abweisend, als wäre er verletzt davon, was sie getan hatte, ließen ihr Tränen in die Augen schießen. Sie konnte es nicht verhindern plötzlich zu weinen, ihre Hände vor das Gesicht zu halten, um ihr Schluchzen zu verstecken.
Wie erstarrt stand sie einfach dort, mit dem Gesicht zu Boden und begann doch jetzt wirklich wegen so etwas zu heulen. Ihr Professor würde sie doch nun für völlig gestört halten. Doch dem war überhaupt nicht so.
Als Tom bemerkte, dass sie noch immer hier war, wollte er sie ein weiteres Mal darauf hinweisen, dass sie seinen Saal verlassen sollte. Doch als er nun endlich wieder ganz zu ihr sah, bemerkte er ihr weinen, das leise wimmern, dass kaum zu hören war. War das etwa seine Schuld? Natürlich, von wem denn sonst?
Er war so gekränkt gewesen sie als Schülerin, aber vielleicht auch als etwas, dass er sich nicht eingestehen wollte verloren zu haben, dass er dabei gar nicht mehr an sie gedacht hatte. Sie war nicht grundlos hier, das war ihm bewusst, er wollte nur einfach nicht daran denken.
Überfordert darüber, wie er nun am besten handeln sollte, schmiss er für diesen einen Moment all seine Prinzipien fort. Er würde es nicht noch einmal vorkommen lassen, nur jetzt.
Er legte seine Bücher zurück auf den Pult, ging um diesen herum, stand Olivia für ein paar Sekunden Gegenüber, bevor er tief einatmete und seine Arme behutsam um sie legte. Durch die Berührung begann sein Herz schneller zu schlagen, eine Gänsehaut überzog seinen Körper, als die Studentin ihren Kopf gegen seine Brust lehnte.
Auch sie war vollkommen sprachlos über diese Geste, doch sie genoss es. Seine starken Arme, die sie schützten, der Geruch von teurem Parfüm, der ihre Sinne benebelte. Sie hatte das Gefühl ohnmächtig zu werden und das allein durch eine Umarmung von ihm.
Es war ihr gerade vollkommen egal was im schlimmsten Fall passieren könnte, denn sie würden sich doch so oder so nicht mehr Wiedersehen.
,,I-Ich kann sie verstehen.. irgendwie. Aber sie können nicht in meinem Kurs die beste Schülerin sein und in ihrer eigentlichen Vorlesung nicht erscheinen. Ich möchte nicht, dass sie wegen mir noch durchfallen, okay?", versuchte er ihr diesmal ruhig zu erklären, erlaubte sich, sanft über ihre Haare zu streichen. Wenn jetzt jemand den Saal betreten würde, könnte ihm das seinen Job kosten. Aber darüber wollte er jetzt nicht denken.
Hätte Olivia ein Anzeichen dafür gegeben, dass es ihr zu viel war, hätte er sofort aufgehört, doch das tat sie nicht. Er spürte, dass nun auch sie ihre Arme um seinen Oberkörper legte. Sanft nickte sie, wollte sich in diesem Moment auf keinen Fall von ihm trennen.
,,Auch wenn ich sie in meinem Kurs sehr vermissen werde geht es nicht.. i-ich kann das nicht verantworten..", sprach er weiter, strich dabei noch immer sanft durch ihr dunkles Haar um sie weiter zu beruhigen. Kurz dachte er darüber nach, ob er seine Worte wirklich aussprechen sollte, doch er entschied sich dafür es einfach zu tun.
,,Ms. Hudson.. ich biete ab nächster Woche einen Nachmittagskurs an, in dem ich über meine liebsten Werke unterrichte. Im Gegensatz zu meiner Vorlesung ist es nicht Semester gebunden und es sitzt dort niemand, der nicht auch dort sein möchte", flüsterte er, hoffte dadurch endlich ihr Schluchzen zu stoppen.
Es dauerte einen kurzen Moment, bis Olivia realisierte was er ihr gerade angeboten hatten. Die junge Frau löste sich langsam von der Umarmung, auch wenn sie noch Stunden so verbleiben hätte können und sah hoch in Mr. Hiddlestons blaue Augen. Ein sanftes Lächeln hatte sich auf seinen Lippen geformt, steckte Olivia damit direkt an, auch wenn noch immer einzelne Tränen ihre Wange herab liefen.
,,Wollen sie das wirklich?", fragte sie ihn, so als musste sie sich sicher sein, dass er sie Wiedersehen wollte. Tom verunsicherte diese Frage, doch er versuchte beim Thema zu bleiben.
,,Natürlich, ich möchte jedem Studierenden eine Chance geben so viel über Literatur zu erfahren wie nur möglich", antwortete er ihr, löste sich nun ganz, doch bemerkte sofort, dass sich ihre Nähe zu gut angefühlt hatte.
Es war beinahe so, als würde er sie vermissen. Aber das hier war eine Ausnahme. Sie war aufgelöst, er versuchte nur zu helfen. Nichts weiter. Nichts, das sich noch einmal wiederholen würde.
Olivia wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht, nahm dann ihre Tasche vom Boden und wäre ihrem Professor am Liebsten noch einmal in die Arme gefallen, doch sie hielt sich zurück.
,,Ich danke ihnen wirklich.. also für das gerade und.. und auch für die Möglichkeit die sie mir gegeben haben..", stammelte sie, beruhigte sich jedoch wieder etwas, als sie das warme Lächeln von Mr. Hiddleston sah. Tief atmete sie noch einmal ein. ,,Ich freue mich auf ihre Vorlesung und wünsche ihnen noch weiterhin viel Erfolg mit diesem Kurs", sagte sie lachend. Die anderen Studierenden würde sie ganz sicher nicht vermissen.
,,Wir sehen uns dann am Mittwoch um 17 Uhr Ms. Hudson", sagte Tom, bevor sich die junge Frau nun ganz von ihm verabschiedete und den Saal verließ. Kurz sah er ihr noch hinterher, nahm dann jedoch die letzten Bücher vom Pult und packte sie in seine Tasche.
Auch wenn er von außen ganz ruhig schien, war er das innerlich ganz und gar nicht. Noch immer schlug sein Herz gegen seine Brust, noch immer hatte er ihr Parfüm in seiner Nase und noch immer spürte er ihren Körper an seinem.
Ob das eine gute Idee gewesen war, ihm selbst noch eine Möglichkeit gegeben zu haben Oliva zu sehen? Warum konnte er nicht vernünftig sein und sie einfach vergessen?
Eine weitere Frage, die er sich jetzt jedoch stellen musste war, wie er seiner Vorgesetzten am Besten erklären sollte, dass er nun plötzlich einen freien Nachmittagskurs anbot.
Verdammt, was machte sie nur mit ihm?
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