Solange die Existenz

Solange die Existenz
und die Lage
des Paradieses
nicht geklärt sind
halte ich mich
an dich.

~Peter Turrini~

Mehrere Wochen später fand ich mich zum fünften und letzten mal bei einer Vorlesung wieder. Diese fand in einer kleinen, kuscheligen Bücherei statt. Gerade einmal 50 Gäste passten in diesen Raum. So hatte Sofia es zumindest ausgedrückt.

Doch 50 Gäste waren in einem solch kleinen Veranstaltungsraum viel zu viel. Und die meisten meiner Zuhörer waren ca. 20 Jahre älter als bei den anderen Events und wirkten, als hätten sie einen Stock verschluckt.

Dementsprechend unwohl fühlte ich mich, als der verhaltene Applaus abbrach und es für mich Zeit wurde, persönliche Gespräche zu führen. Langsam nahm ich einen Schluck aus meinem Glas, dann gesellte ich mich vorsichtig zu den Gästen.

Sie alle standen bereits, hielten Sektgläser in den Händen und schielten in meine Richtung, nicht ganz sicher, mit wem ich wohl zuerst reden würde. Da mir nicht danach war, die Leute selbst anzusprechen – Gott, was war ich nur ein schlimmer Mensch – begab ich mich zu einem Kellner und nahm mir selbst ein Glas Sekt.

Sofia hatte mich dazu genötigt, dieses mal ein Hotelzimmer zu beziehen. Das Hotel lag nur 5 Minuten Gehweg entfernt, also musste ich nicht fahren. Sonst würde Sofia mich nämlich jetzt umbringen, war doch im allgemeinen mit meiner zurückhaltenden Art unzufrieden.

„Herr Dumort."

Ich hob den Kopf, den ich gedankenverloren gesenkt hatte, und schenkte der Frau vor mir mein aufrichtigstes Lächeln.

„Mein Name ist Emilia Bend. Ich bin schon seit langem ein großer Fan Ihrer Reihe."

Ich schüttelte die Hand, die sie in meine Richtung ausgestreckt hatte.

„Es freut mich, eine treue Leserin zu treffen. Wie hat Ihnen der neue Band gefallen?"

„Wunderbar, ein Meisterwerk. Aber weniger hatte ich auch nicht von Ihnen erwartet. Sie haben nicht nur meine Leselust wieder erweckt, auch mein Mann und meine Kinder, sonst fürchterlich unbelesen, können nicht genug von der Wildlife-Reihe bekommen.

Ich kann Ihnen sagen, dass ich nur gutes zu hören bekomme. Auch meine Freundinnen sind von Ihnen hin und weg. Sie erinnern uns immer wieder an diese tolle Zeit..."

Fünf Minuten später wurde ich schließlich von einem Mann mittleren Alters erlöst, der sich mir als Frank Bend vorstellte. Mit einem entschuldigenden Lächeln führte er sie von mir weg.

Sofort bewegten sich weitere Menschen in meine Richtung, alle begierig darauf wartend, Lob und Anerkennung auszusprechen. Doch bevor einer von ihnen mich erreichen konnte entdeckte ich eine Gestalt nahe der Tür, die sich suchend umsah.

Als ich seinen Blick auffing lächelte ich und wurde mit einem Zwinkern belohnt. Mit einem entschuldigenden Lächeln schob ich mich an einem Mann vorbei, der mir am nächsten stand.

So suchte ich mir vorsichtig meinen Weg durch die Menge. Immer wieder lächelte ich die Leute freundlich an, murmelte hier und dort eine Begrüßung, ansonsten behielt ich aber mein Ziel im Auge. Der Weg zu ihm dauerte länger als erwartet, doch irgendwann stand ich endlich vor ihm.

„Wunderbar, welch Geschmack dieses Ambiente zeigt."

Lächelnd schüttelte ich den Kopf.

„Ich freue mich auch, dich hier zu sehen, Chris."

Er erwiderte mein Lächeln.

„Es ist mir eine Ehre. Ich muss schließlich erfahren, was du so treibst."

„Wie du siehst führe ich gepflegte Konversation mit meinen Gästen."

Chris schnaubte und schüttelte den Kopf.

„Sicher doch. Ich habe mir wohl nur eingebildet, dass der Mann seine Frau eben von dir weggeschleift hat."

Unsicher, was ich antworten sollte, zuckte ich mit den Achseln. Dabei fing ich Sofias warnenden Blick auf. Nach ein paar Sekunden, in denen wir uns hochkonzentriert anstarrten, seufzte ich.

„Ich glaube, dass ich noch mit den anderen Gästen reden muss, sonst bringt meine Agentin mich um. Sehen wir uns gleich?"

Beinah als hätte er die Frage erwartet nickte Chris und schenkte mir ein Lächeln.

„Ich habe dahinten einen Kellner mit einem Tablett voller Sekt entdeckt. Ich denke, dass ich dem eine Zeit lang meine Aufmerksamkeit schenken sollte."

Erleichtert, dass Chris es mir nicht übel nahm, stürzte ich mich todesmutig unter die Gäste.

Erst drei Stunden später waren auch die letzten Leute fertig und ich konnte endlich diesen Ort verlassen. Chris trottete neben mir her und deutete immer wieder ein Gebäude, einen Baum oder sonst etwas, um einen Kommentar dazu abzugeben.

Währenddessen hielten wir Ausschau nach einem Restaurant, da ich in meiner Großzügigkeit angeboten hatte, ihn einzuladen. Was genau hinter meinem Wohlwollen lag, das konnte ich nicht genau benennen.

„Da."

Chris deutete aufgeregt auf ein Restaurant.

„Ich habe gehört, dass das ein ausgezeichneter Italiener sein soll."

„Eigentlich bin ich kein großer Freund der italienischen Küche."

Chris schenkte mir einen traurigen Blick, den eigentlich nur ein Hund können sollte.

°

Eine Stunde später verließen wir den Italiener und machten uns auf den Weg zu meinem Hotel. Nach einer ausführlichen Diskussion hatte Chris nämlich beschlossen, dass er sich ein Zimmer in meiner Unterkunft suchen wollte, zumal er sowieso noch nach einer Bleibe für die Nacht suchen musste.

Doch das war gar nicht der eigentliche Grund für die Diskussion gewesen. Ich hatte versucht, ihn davon zu überzeugen, dass ich es bezahlen würde. Ich war im Gegensatz zu ihm nämlich kein Student. Doch schlussendlich hatte Chris gewonnen.

An der Rezeption mietete er sich sein Zimmer und ließ sich einen Schlüssel geben. Bevor er bei der Vorlesung aufgetaucht war, hatte er kurz mit Sofia gesprochen. Die hatte ihm dann die Erlaubnis gegeben, sein Gepäck in meinem Zimmer abzuladen.

Deswegen machten wir uns nun zu zweit auf den Weg. Während Chris von einem seiner Seminare sprach schloss ich die Tür auf. Dann schaltete ich das Licht ein. Und erstarrte.

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Dieses Kapitel ist ein wenig kürzer als sonst, sorry.

Aber der Cut hat so gut gepasst. Was wird, eurer Meinung nach, als nächstes passieren? 

Kurze Info noch: Ich weiß nicht ob in dem Bereich vom 14.März bis zum 11. April regelmäßige Updates kommen werden, da dann der erste und zweite Block meiner Klausurphase liegen. Nur so als kleine Warnung.

_Amnesia_Malum_

14/02/19

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