Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

~Rainer Maria Rilke~

Als ich am nächsten Morgen aufwachte fiel ein wenig Licht in das Zimmer, doch der Großteil wurde von den Jalousien aufgehalten. Müde wälzte ich mich auf die Seite und versuchte auf dem kleinen Wecker auf meinem Beistelltisch etwas zu erkennen.

Als ich schließlich etwas erkennen konnte seufzte ich genervt. 7:32 Uhr. Na super. Gähnend drehte ich mich herum und schloss die Augen. Vielleicht sollte ich noch etwas schlafen.

Doch schon kurz nachdem ich den Entschluss getroffen hatte schlug ich die Augen wieder auf. Irgendwie funktionierte die Sache nicht. Auch nachdem ich mich einige weitere Minuten hin und her wälzte erreichte ich nichts. Also erhob ich mich schlussendlich und schlich zum Fenster.

Vorsichtig, um Chris nicht zu wecken, zog ich die Rolladen hoch und spähte raus. Die Sonne kämpfte sich langsam über den Horizont hinaus und die Straßen vor dem Hotel waren gefüllt mit Autos, deren Fahrer wohl auf dem Weg zu ihrer Arbeit waren.

Seufzend sah ich mich in dem Zimmer um, bis mir ein Stuhl in einer Ecke auffiel. Nachdenklich warf ich einen kurzen Blick zu Chris, dann schnappte ich mir den Stuhl und stellte ihn leise vor dem Fenster ab. Mit angezogenen Beinen setzte ich mich darauf und starrte weiter hinaus.

Schon seit ich klein war empfand ich die einfache Beobachtung alltäglicher Situationen beruhigend. Manchmal hatte ich so an dem Fenster meines Zimmers gesessen und das bunte treiben unter mir beobachtet.

All die kleinen Dinge, die mich sonst beschäftigten, schienen so weit weg. Ich dachte mir viel eher Geschichten zu den Menschen aus, die ich erkennen konnte. Wie zum Beispiel die Frau, die einen Kinderwagen vor sich herschob und telefonierte.

Vielleicht sprach sie gerade mit ihrem Mann, der sich für die Arbeit vorbereitete und seine Krawatte nicht finden konnte. Die Mädchen an der Haltestelle könnten genau in diesem Moment über den festen Freund einer Bekannten reden und sich um sie sorgen.

Die ältere Dame, die gerade langsam die Ampel überquerte war womöglich auf den Weg in das nahliegende Krankenhaus um ihren Mann zu besuchen. Vielleicht stand in dem Brief, den ein junger Mann soeben von der Post abgeholt hatte, dass er in seine Traumuniversität aufgenommen worden war. Oder er hatte Rechnungen erhalten, die er nicht bezahlt hatte.

Als ich schließlich das leise quietschen des Bettes hinter mir bemerkte stand die Sonne schon hoch am Himmel und schien unbarmherzig auf die Menschen hinab, die aufgrund ihres Wetterdienstes in Winterjacken und Mützen das Haus verlassen hatten.

Langsam drehte ich meinen Kopf in die Richtung des Bettes. Chris stützte sich mit seinen Ellenbogen auf dem Bett ab und lächelte mir verschlafen entgegen. Seine Haare standen ihm vom Kopf ab. Wir beide blieben still, jeder in seine eigenen Gedanken versunken.

Chris wirkte älter wenn er nachdachte wie er es jetzt tat. Seine Stirn lag in Falten die Lippen presste er leicht zusammen. Es ließ ihn reifer wirken, wie einen Mann, der schon das ein oder andere erlebt hatte. Ein Abenteurer, erkannte ich überrascht.

„Wie lange bist du schon wach?"

Die plötzliche Frage riss mich aus meinen Gedanken und ich sah Chris für einige Sekunden verwundert an. Dann ließ ich meinen Blick zu dem kleinen Wecker schweifen. 10.42 Uhr.

„Eine ganze Weile schon."
Die Furchen auf seiner Stirn schienen tiefer zu werden.
„Warum hast du mich dann nicht geweckt?"

Unerwarteterweise spürte ich Schuldgefühle in mir aufkommen. Warum? Chris wirkte plötzlich um ein vielfaches gealtert.

„Ich wollte nachdenken."

Chris nickte, dann ließ er sich wieder in die Kissen fallen. Wieder quietschte das Bett. Dann wandte Chris mir sein Gesicht zu, plötzlich wieder so verschmitzt lächelnd wie sonst auch.

„Tut mir ja leid, dass ich dich unterbrochen habe. Aber wo wir schon wach sind können wir ja auch aufstehen und uns ein schönes Café fürs Frühstück suchen. Das Restaurant hat hier nämlich vor ein paar Minuten zugemacht."

Jetzt war es an mir, zu lächeln. Doch gerade als ich aufstehen wollte fiel mir etwas ins Auge. Um einen besseren Blick zu erhaschen drehte ich mich wieder zum Fenster und suchte die Straße ab.

Der junge Mann, der ein paar Minuten zuvor noch beschäftigt über die Straße gerannt war, tigerte immer wieder über den Bürgersteig auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dabei warf er immer wieder Blicke in die Richtung unseres Hotels.

Mit mulmigem Gefühl beobachtete ich ihn dabei, wie er plötzlich stehen blieb. Dann schienen sich unsere Blicke zu treffen. Für ein paar Sekunden war ich wie gefangen.

Die Illusion wurde erst durch einen Bus zerstört, der unseren Blickkontakt unterbrach. Wie in jedem zweiten Film war nun plötzlich auch der junge Mann nicht mehr da.

„...Elias? Alles okay?"

Ich schüttelte den Kopf in dem Versuch die besorgten Gedanken zu verdrängen, die sich in meinen Kopf zu bahnen versuchte. Dann atmete ich tief durch und lächelte Chris möglichst überzeugend an.

„Ja, es ist alles in Ordnung."

°

Drei Stunden später fand ich mich auf der Autobahn wieder. Trotz der Zeit, die ich auch heute mit Chris verbracht hatte, ließ mich die Erinnerung an den Mann nicht los.

Jedes mal wieder stieg dieses unangenehme Gefühl in mir auf, das mich das schlimmste vermuten ließ. Gleichzeitig versuchte ich mir selbst klar zu machen, dass meine Paranoia mal wieder überhand nahm.

Es war bestimmt ein Zufall gewesen, dass er dort gewesen war. Und das er zu mir aufgeschaut hatte. Genau. Ein Zufall.

Seufzend fuhr ich auf einen Rastplatz. Ich brauchte dringend einen Kaffee, sonst würden diese grüblerischen Gedanken nie aufhören. Und zuhause wartete eine schöne Flasche Rotwein auf mich.

Das ich, als ich zurück zu meinem Auto lief, meinte, den jungen Mann in einem parkenden Auto nahe meines eigenen Fahrzeuges zu finden, war bestimmt Zufall.

^^^fvfkei^^^

Surprise, it's me again. Ich bin zurück mit einem Kapitel und einem Film, den ich niemals wieder sehen will. Schon mal was von "Das Experiment" gehört? Schrecklich. Jetzt verfolgt mich der Pädagogikunterricht auch noch bis in meine schlimmsten Alpträume. 

Over and Out, _Amnesia_Malum_

PS: Wenn ihr in einer Zeitung die Ausschreibung für eine Stelle in einem soziologischen bzw. psychologischen Experiment seht, dann tut mir den Gefallen und bewerbt euch nicht! Alpträume und so, ihr wisst ja wie das so ist...

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