Es kann die Ehre dieser Welt
Es kann die Ehre dieser Welt
Dir keine Ehre geben,
Was dich in Wahrheit hebt und hält,
Muss in dir selber leben.
Wenn's deinem Innersten gebricht
An echten Stolzes Stütze,
Ob dann die Welt dir Beifall spricht,
Ist all dir wenig nütze.
Das flücht'ge Lob, des Tages Ruhm
Magst du dem Eitlen gönnen;
Das aber sei dein Heiligtum:
Vor dir bestehen können.
~Theodor Fontane~
Das Erste was ich spürte, war mein Kopf. Oder viel eher der pochende Schmerz, der mich dazu brachte, dass Gesicht zu verziehen. Dann kehrte langsam das Gefühl in meinen Körper zurück, begleitet von einem unangenehmen Kribbeln in meinem linken Arm. Mit immer noch geschlossenen Augen, um die Kopfschmerzen nicht zu verschlimmern, versuchte ich, den Arm zu heben. Da bemerkte ich ein Gewicht, das mich runterzudrücken schien.
Etwas panisch öffnete ich die Augen und drehte meinen Kopf. Das Pochen in meiner Schläfe wurde schlimmer, doch bevor ich wieder die Augen schloss hatte ich plötzlich eine Menge Haare in meinem Mund. Angewidert wich ich etwas zurück, dabei schien sich das Gewicht von meinem Arm zu lösen. Über das Kribbeln in meinem Arm hinweg, nun begleitet von schmerzhaften Stichen, wäre mir beinah das leise Stöhnen entgangen.
Überraschend schwerfällig drehte ich mich, wobei mir auffiel, dass ich saß und mit dem Rücken an einer Wand lehnte. Wo auch immer ich war, es war dunkel. Deshalb dauerte es ein paar Sekunden, bis ich erkannte, warum das Gewicht so ein Geräusch von sich gegeben hatte. Denn das Gewicht war in Wirklichkeit Mar, die halb zur Seite gekippt neben mir saß. Sie hatte eine Hand an ihren Kopf gepresst und schien sich ebenso schwerfällig zu bewegen.
Ein wenig orientierungslos sah ich mich um, so gut es das schwache Licht erlaubte. Bald erkannte ich, dass die Lichtquelle eine abgedunkelte Lampe war, die scheinbar inmitten der Dunkelheit von der Decke baumelte. Direkt unter ihr befand sich ein massiver Tisch aus Holz, der Boden war aus Stein. Entsprechend kalt war es auch, wie ich zu dieser Gelegenheit bemerkte.
Seufzend und mit pochendem Schädel lehnte ich mich wieder zurück und schloss die Augen. Dann zog ich meine Jacke etwas fester um mich. Gott, ich wollte einfach bloß schlafen.
„Elias?"
Ich verzog das Gesicht, als die Stimme mich aus meinem gerade erlangten Halbschlaf riss. Mühsam öffnete ich die Augen und drehte meinen Kopf ein weiteres Mal und sah Mar an. Sie hatte sich wieder aufgesetzt und saß neben mir, die Beine angezogen und den Kopf darauf gebetet.
„Wo sind wir?"
Ich schüttelte den Kopf und setzte an, zu antworten, doch alles was herauskam war ein Krächzen. Also räusperte ich mich und schluckte mehrfach.
„Keine Ahnung. Was ist das letzte, woran du dich erinnerst?"
Mar drehte ihren Kopf etwas und sah mich aus unglücklichen Augen an.
„Wir waren im „casa de ocio" und als wir draußen waren, haben irgendwelche Typen uns bewusstlos geschlagen. Wie ist es bei dir?"
Ich runzelte die Stirn, dann schüttelte ich meinen Kopf vorsichtig. Meine Erinnerung war so verschwommen, dass es mir schwerfiel, mich darauf zu konzentrieren. Mein Schädel würde mich noch umbringen. Gequält schloss ich die Augen.
„Meine letzte richtige Erinnerung ist die, dass wir etwas gegessen haben. Danach nur noch Bruchstücke. Irgendeine Bar, Security, dann... Oh."
„Oh?", wiederholte Mar verwirrt.
„Ich weiß wo wir sind."
„Wo?"
Mar hatte die Stimme erhoben und ich verzog das Gesicht, zwang mich aber dennoch, meine Augen zu öffnen.
„Also, ich kenne nicht den Ort. Aber ich habe einen Audi gesehen."
Meine neugefundene Freundin blinzelte mich an, als würde sie nicht verstehen, was ich meinte. Natürlich nicht, jetzt, wo es raus war, ergab diese Antwort auch wenig Sinn für mich. Ich hätte gerne über mich selbst den Kopf geschüttelt, aber da das mit meinem Schädel keine gute Idee war, seufzte ich bloß ein weiteres Mal.
„Vor ein paar Wochen wurde mein Hotelzimmer verwüstet. Dann habe ich begonnen regelmäßig diesen hellen Audi, einen Coupe, wenn mich nicht alles täuscht, zu sehen. Ich bin mir sicher, dass ich den auch gesehen habe, bevor...naja, du weißt schon."
Mar nickte, dann rutschte sie näher an mich heran, bis sich ihren Kopf an meine Schulter lehnen konnte. Sie tat mir leid, also hob ich meinen Arm und legte ihn ihr um die Schulter.
„Und der, der dein Hotelzimmer verwüstet hat, hat uns hierhergebracht."
Ich nickte, behielt aber für den Moment für mich, wer dahintersteckte. Ich hätte wissen müssen, dass es keine gute Idee war, so offensichtlich zu schnüffeln. Doch statt mir Vorwürfe zu machen – das konnte ich später auch noch – ließ ich meinen Kopf auf Mars' sinken, dann schloss ich wieder einmal die Augen. Ich war so müde.
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Als ich das nächste Mal meine Augen öffnete, geschah das, weil ein Ellenbogen sich unbequem in meine Seite drückte. Ich grummelte und schlug halbherzig nach dem Gefühl, doch es hörte nicht auf. Also öffnete ich die Augen und sah Mar an, die erwartungsvoll zu mir hinaufsah.
„Endlich. Dios, du bist verflucht schwer zu wecken, weißt du das?"
Als ich nicht antwortete, seufzte sie. Dann schob sie meinen Arm von ihrer Schulter und stand auf, während sie sich den Staub von der Hose klopfte, der sich am Boden gesammelt hatte.
„Ich habe mal nachgedacht, während du am Schlafen warst. Mein Ergebnis ist das folgende: Wer?"
Ich erwiderte ihren Blick: „Wer?"
Sie nickte, dann hob sie die Arme in einer allumfassenden Geste, während sie sich umsah.
„Ja, wer genau hat uns hergebracht? Bist du nicht neugierig, wer das war?"
Ich zuckte mit den Schultern und stand ebenfalls auf. Der Schwindel, der mich daraufhin erfasst, zwang mich jedoch, an die Wand gelehnt zu bleiben.
„Die Antwort wird dir nicht gefallen."
Mit gerunzelter Stirn sah sie mich an, dann trat sie näher, wahrscheinlich in dem Versuch, bedrohlich zu wirken.
„Sag schon."
„Schon mal von ‚las torturas' gehört?"
Sie blinzelte für ein paar Sekunden, dann brach sie in Gelächter aus, das auf mich sehr hysterisch wirkte.
„Las torturas? Bestimmt hat die gefährlichste Gang der Gegend uns entführt. Bist du vielleicht auch ein Spion, der sie bedroht hat? Vielleicht bist du ja in einem Zeugenschutzprogramm?"
Ich ließ sie lachen, nicht gerade glücklich darüber, dass sie mich verspottete. Als sie schließlich fertig war, wischte sie sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel und sah mich an.
„Warum zum Teufel sollte ‚las torturas' uns entführen? Hör dir mal selbst zu..."
„Chris ist allem Anschein nach der Sohn des Anführers."
Nachdem ich sie unterbrochen hatte, blieb es für einige Momente still, während sie mich anstarrte.
„Alonso Martins' Sohn?"
Ich nickte, dann fügte ich erklärend hinzu: „Wir wussten nicht, wer genau er ist, bis wir hier nach Spanien gekommen sind."
Sie schloss die Augen und trat dann noch näher an mich heran, bis sie mich umarmen konnte. Dann plötzlich sprang sie von mir weg, als wäre sie vom Teufel besessen und sah mich aus großen Augen an.
„Weißt du, was das Gute ist?"
Jetzt war es an mir, verwirrt dreinzublicken. Was war denn bitte an unserer Situation gut?
„Wenn wir hier sind, dann wette ich darauf, dass sie Chris auch gefunden haben. Wir leben außerdem noch."
„Ich will dich nicht desillusionieren, aber leben bedeutet nicht in jeder Situation etwas Gutes. Vielleicht suchen sie ja noch nach Chris und wollen uns als Köder benutzen. Oder sie planen sonst etwas Morbides."
Mar verdrehte bloß die Augen und schüttelte den Kopf. Dann begann sie, auf und ab zu marschieren.
„Sieh doch nicht immer alles so negativ, dass ist nicht gut für die Haut."
Ich antwortete nicht, denn mir war nicht danach, meine Einstellung zu diskutieren, während ich in irgendeinem Raum saß. Außerdem war mir mittlerweile speiübel und ich war mir ziemlich sicher, eine Gehirnerschütterung zu haben.
Wahrscheinlich war das auch der Grund dafür, dass ich noch nicht durchgedreht war. All meine Energie schien nämlich gerade darauf konzentriert zu sein, mich nicht zu übergeben oder zu schlafen, sodass nichts für irgendwelche Reaktionen wie Angst oder sogar Panik da war.
Was Mar anging, so schätzte ich einfach, dass ihre Emotionen etwas durcheinander waren. Zudem reagierte jeder Mensch anders auf Extremsituationen. Ich konnte nur hoffen, dass sie nicht doch noch plötzlich in Panik verfiel, denn ich wüsste nicht, wie ich darauf reagieren sollte.
„Die Tür ist abgeschlossen", durchbrach Mar da meine kleine Trance, während der ich anscheinend ein Stück an der Wand herabgerutscht war. Ich konnte wohl davon ausgehen, es hier nicht mit einer leichten Gehirnerschütterung zu tun zu haben. Großartig.
Als ich mich wieder komplett aufgerichtet hatte, sah ich Mar dabei zu, wie sie ein weiteres Mal an der Tür rüttelte, dann fluchend zurückwich und sie ein paar Sekunden böse anstarrte. Dann setzte sie sich wieder in Bewegung, um als nächstes den Tisch zu inspizieren. Mit gerunzelter Stirn fuhr sie über die schwere Platte, dann wurde sie blass.
„Die Spuren sind von Fingernägeln."
Sie wich einen Schritt zurück, doch ihr Schock hielt nicht lange an. Schon eine Minute später stand sie von mir und sah mich besorgt an, während ich trotz der Wand hinter mir schwankte.
„So schlimm? Ich meine, die Schläge sahen brutal aus, aber dann dein Aufprall..."
Ein Schaudern überlief sie. Aufprall? Das erklärte dann wohl so einiges.
„Was denkst du wie lange müssen wir noch...?"
Ein leises Quietschen ließ uns beide zusammenzucken. Mar fuhr herum und wir beobachteten gemeinsam, wie die Türklinke heruntergedrückt wurde und die Tür aufschwang. Plötzlich gingen mehr Lichter an, die das Pochen in meinem Schädel noch intensivierten, während der kahle Raum in gleißendem Licht gebadet wurde.
Mar wich zurück, bis sie dicht an mich gepresst stand. Sie zitterte, wahrscheinlich hatte die Situation sie nun endlich eingeholt. Vielleicht hätte ich genauso reagiert, doch meine Aufmerksamkeit war gefangen von den Männern, die den Raum betraten. Sie waren zu fünft. Ein Mann, dessen Anzug sorgsam auf seinem schlaksigen Körper lag, drei muskulöse Männer, die einfache Jeans und Pullover trugen und ein Junge.
Eine Mischung aus Erleichterung und Sorge ergriff mich, als ich den Jungen sah. Die Erleichterung, weil er nicht verletzt wirkte und man ihn nicht mit einer Waffe zu bedrohen schien. Die Sorge hingegen rührte von der angespannten Körperhaltung und den zusammengepressten Lippen. Sein Blick wirkte gehetzt, während er durch den Raum zuckte und jedes Detail aufnahm.
Während ich ihn anblickte, gewann schließlich die Erleichterung. Ich hätte es mir nie vergeben können, wenn Chris wegen mir verletzt würde. Und auch wenn die Umstände vielleicht alles andere als optimal waren, war ich glücklich, ihn zu sehen. So glücklich, dass mir beinah der Blick entging, mit dem der Mann im Anzug mich musterte.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die dunklen Augen mich fixierten. Ich zwang mich dazu, meine Augen von Chris zu lösen und erwiderte stattdessen den Blick, der ein unangenehmes Gefühl in meinem Magen auslöste. Es verstärkte sich noch, als er zu lächeln begann, ohne dass es seine Augen erreichte. In diesem Moment überkam mich die Überzeugung, nicht zu negativ gedacht zu haben. Diese Männer hatten ihren Namen bestimmt nicht umsonst bekommen.
qqqqqq
Ein neues Kapitel, ist das nicht toll? Und sogar relativ zeitig.
Over and Out,
_Amnesia_Malum_
20/04/20
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