Erinnerung

Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.

~Johann Wolfgang Goethe~

Den Rest der Woche war ich beschäftigt. Am zweiten Januar besprach ich mit Sofia und dem Verleger, wann das Buch veröffentlicht werden sollte und in welchem Zeitraum die Vorlesungen stattfinden sollten.

Am dritten Januar stritt ich mich dann ein weiteres mal mit meiner Haushälterin über meine anti-soziale Haltung und suchte nach meinem Notizbuch. Als ich das bereits abgegriffene Lederbuch schließlich fand war es bereits dunkel.

Donnerstags kaufte ich mir dann einen neuen Füllfederhalter, da ich den Alten verloren hatte. Wann immer ich ein Buch beendet hatte kramte ich das Notizbuch und – normalerweise – den Füller heraus, um neue Ideen aufschreiben zu können.

Ich trug es immer so lange mit mir herum, bis ich mit meinem Entwurf zufrieden war. Dann übertrug ich die Notizen auf meinen Laptop und verlor das alte Lederbuch. Sobald ein Buch fertiggestellt war begann dann der ganze Prozess noch einmal von vorne.

Manchmal brauchte ich mehrere Ideen, bis ich schließlich mit einer zufrieden war. Zwar schwirrte mir immer etwas im Kopf herum, aber manchmal waren meine Einfälle besser, manchmal schlechter.

Als dann schließlich Freitag kam schwirrte ich den ganzen Tag durch mein Haus. Ich stand bereits um acht Uhr auf und war, trotz dass ich eine besonders große Runde gelaufen war, schon um neun Uhr frisch geduscht und hatte gefrühstückt.

Ein paar Minuten lang versuchte ich, eines der neuen Bücher in meiner Bibliothek zu lesen, doch ich konnte mich partout nicht konzentrieren. Statt mich dazu zu zwingen, weiter zu lesen, stand ich auf und schrieb eine Einkaufsliste.

Zwei weitere Stunden später räumte ich die letzten Lebensmittel in meinen Kühlschrank. Paula, meine Haushälterin, beobachtete mich misstrauisch.

„Es kommt nicht oft vor, dass Sie einkaufen, Elias."

Ich antwortete ihr nicht. Das musste ich auch nicht, denn sie hatte recht. Was würde es da nutzen, sie zu bestätigen? Das würde ihr nur einen weiteren Grund geben, sich aufzuspielen.

„Bekommen Sie vielleicht heute Besuch?"
Ich warf ihr einen genervten Blick zu.
„Warum habe ich Sie noch nicht gefeuert?"

Für meinen Geschmack viel zu zufrieden lächelt sie, während sie die Küchenoberflächen putzte.

„Wir wissen beide, dass Sie sonst nie zur Ruhe kommen würden. Nicht, dass ihrem Laptop noch etwas passiert."

Zur selben Zeit wie Paula das Aussprach schüttelte sie den Kopf. Dann warf sie mir einen missbilligenden Blick zu.

„Sie kümmern sich um dieses Ding mehr als um zwischenmenschliche Beziehungen, Elias."

Ich verdrehte die Augen während ich die Kühlschranktür schloss.

„Das haben wir schon mehrfach besprochen, Paula. Wir sollten über interessantere Themen sprechen. Wie geht es zum Beispiel Ihrem Enkel?"

Ich wurde Opfer eines weiteren missbilligenden Blickes.
„Sie sollten an ihren sprachlichen Kompetenzen arbeiten."
Dann wurde ihr Blick weicher.
„Dem Kleinen geht es wunderbar. Er kann sogar schon lesen, dabei geht er noch gar nicht in die Schule..."

In der nächsten Stunde folgte ich Paula von Raum zu Raum und hörte ihr dabei zu, wie sie abwechselnd von ihrem Enkel, Lars, und ihrem Mann, Herbert, schwärmte. Vor einem Jahr hatte ihre Tochter, eine alleinerziehende Mutter, einen schweren Unfall und seitdem lebte Lars bei ihr.

Die Tochter wurde immer noch in einer Klinik behandelt, würde aber bald entlassen werden. Dann sollte sie im Haus ihrer Eltern einziehen, damit die Rentner sich um sie kümmern könnten.

Paula schien kein Problem damit zu haben, ihre Tochter zu pflegen. Wann immer sie von ihr Sprach schien sie viel eher aufzublühen. Wahrscheinlich freute sie sich einfach darüber, dass ihre Tochter noch lebte und beide Zeit miteinander verbringen könnten.

Dann, als das Haus geputzt war und ihr nichts mehr einfiel, was sie mir noch erzählen könnte, begannen wir zu kochen. Obwohl man wohl eher sagen sollte, dass Paula kochte und ich ihr im Weg stand. Als sie mich zum wiederholten Male anrempelte wurde ich schließlich aus meiner Küche verbannt.

Nachdem sich die Tür hinter mir geschlossen hatte begann ich mit einem Spaziergang durch mein Haus. Ich sah in jedes der großen Zimmer hinein und zerbrach mir den Kopf darüber, was ich tun könnte, damit es nicht mehr so still war.

Ich hatte mal mit dem Gedanken gespielt, meine Gästezimmer an Studenten zu vermieten, aber ich lebte nicht nah genug an der Uni und der Gedanke, mein Haus mit Fremden zu teilen, war mir zuwider.

Dann hatte ich überlegt, Tiere aufzunehmen, aber wann immer ich in einen Schreibrausch fiel wären die armen Tiere ganz allein auf sich gestellt. Das wollte ich nun wirklich keinem Lebewesen antun. Außerdem hatten manche Tierarten die schlechten Angewohnheit, Dinge zu zerstören.

Vielleicht sollte ich mal wieder neue Möbel kaufen. Ich hatte bisher schließlich nur zwei Schlafzimmer eingeräumt und in zwei Bädern waren bisher nur Waschbecken und Toiletten installiert worden. Es wurde Zeit, dass ich eine Wanne kaufte. Eine schöne, große Wanne. Damit ich mich noch etwas einsamer fühlte.

Seufzend verwarf ich auch den Gedanken und verließ das Tageslichtbad, welches ich eigentlich soeben dafür auserkoren hatte. Dann verließ ich auch die erste Etage und betrat stattdessen das Dachgeschoss, das Stockwerk, in dem ich mich am häufigsten aufhielt.

Hier oben befanden sich mein Schlafzimmer, das Arbeitszimmer, ein Bad und ein Abstellraum. Darin hatte ich übrigens das Lederbuch gefunden. Das Arbeitszimmer, welches am nächsten an der Treppe lag, ignorierte ich einfach. Der Raum war momentan nicht von Nöten.

Stattdessen betrat ich mein Schlafzimmer und wandte mich dem Schrank zu, eines von 5 Möbelstücken. Die vier anderen waren das Bett, zwei Nachtschränke und ein Sessel, auf dem meistens meine Schlafanzüge thronten.

Eigentlich war das Bett das beeindruckendste in dem Zimmer – das meinte zumindest Paula – aber mir persönlich fiel immer zuerst der Schrank auf. In ihm bewahrte ich all meine Anzüge, Hemden, Jogginghosen und Pullover auf.

Ich besaß eine Jeans, die irgendwo in der Abstellkammer lag. Mir persönlich gefielen Baumwollhosen, die zu einem klassischen Hemd und einem Sakko getragen wurden, am besten. Dementsprechend kleidete ich mich auch die meiste Zeit.

Bisher hatte ich einen dunkelblauen Pullover bei eine schwarze Hose getragen, aber nachdem Paula mir nun mehrfach einen schiefen Blick zugeworfen hatte und in ihre Schwärmerei die Anekdote, dass blau und schwarz nicht unbedingt zusammen getragen werden sollten, eingebaut hatte, hatte ich mich für einen Outfitwechsel entschieden.

Jetzt zog ich ein weißes Hemd aus dem Schrank und warf einen Blick auf meine Uhr. 14 Uhr. Dann, nach einem kurzen Augenblick des Zögerns, streifte ich den Pullover ab und stieg stattdessen in das Hemd. Mit größter Vorsicht knöpfte ich es zu und steckte es in meine Hose.

Zufrieden mit dem Wechsel verließ ich den kahlen Raum wieder und machte mich auf den Weg ins Erdgeschoss. Vielleicht lief ja etwas interessantes im Fernsehen.

Eine ganze Weile verging bis Paula die Küchentür öffnete, um mir das Essen, welches sie gekocht hatte, zu präsentieren. Für heute hatte sie mir einen Salat gemacht, morgen würde es Schnitzel mit Jägersoße und Kartoffelecken geben, für Sonntag und Montag war ein Paprika-Reis-Eintopf geplant und Dienstag könnte ich tatsächlich Fisch mit Lauch und Ofenkartoffeln essen. Da sie immer Mittwochs kam, um Staub zu wischen, würde sie mir an dem Tag einfach etwas von sich zuhause mitbringen.

So lecker ihr Essen auch war, manchmal war es einfach zu viel. Also kochte sie nur einmal im Monat für mich und ich ernährte mich von Resten und Takeaway-Food.

Doch jetzt genoss ich erst einmal den Salat. Dabei achtete ich besonders darauf, nichts von dem Dressing auf meine Anziehsachen zu kippen. Meine bedachten Bewegungen fielen auch Paula auf, die mich neugierig beäugte.

„Sie haben Ihr Oberteil gewechselt."
Als Antwort darauf zuckte ich bloß mit den Schultern.

„Und Sie scheinen es nicht dreckig machen zu wollen."
Ich seufzte.

„Sie werden später Ihr Lieblingscologne auftragen."
Was brachte es, dass zu leugnen?

„Und Sie werden Ihre Ohrringe heraus kramen."
Vielleicht sollte ich das tatsächlich machen.

„Gehen Sie etwa auf ein Date?"
Genervt drehte ich mich zu meiner Haushälterin.

„Nein, ich treffe mich mit einem Freund."
Paula nickte, als würde sie das akzeptieren, doch der Funke in ihren Augen sagte mir, dass sie mir kein Wort glaubte.

°°°°
Wow. Noch ein Kapitel vor dem Ende der Ferien.

Morgen muss ich wieder zur Schule gehen, was bedeutet, dass ich seltener Updaten werde. Ich schätze, dass ich einmal die Woche, wahrscheinlich Donnerstags, ein Kapitel hochladen werde.
Ich kann aber nichts versprechen.

Jedenfalls, wie findet ihr unseren Hauptcharakter bisher?

Over and Out, _Amnesia_Malum_

6/1/19

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