Blauer Schmetterling

Flügelt ein kleiner blauer
Falter von Wind geweht,
Ein perlmutterner Schauer,
Glitzert, flimmert, vergeht.
So mit Augenblicksblinken,
So im Vorüberwehn
Sah ich das Glück mir winken,
Gltzern, flimmern, vergehn.

~Hermann Hesse~

„Was zum Teufel?"

Chris starrte, genauso wie ich, etwas perplex auf den Bildschirm meines mobilen Endgerätes. Ich hatte den Link, den Jorge uns gegeben hatte, in meine Suchleiste eingegeben. Das Ergebnis hätte wohl nicht seltsamer werden können.

Ein Video war erschienen. Erst einmal nichts ungewöhnliches, wenn man einmal davon absah, dass auf diesem Video ein Alpaca auf einer Wiese stand und etwas am kauen war.

Nach etwa zwei Minuten, in denen wir dem Tier beim kauen zusahen, stieß Chris seine Schulter gegen meine.

„Was soll das denn darstellen?"

Ich zuckte mit den Achseln, dann begann ich, das Video in doppelter Geschwindigkeit anzuspielen. Als wir schließlich das Ende erreichten, seufzte ich und klappte meinen Laptop wieder zu.

„Ich habe keine Ahnung, was er sich hierbei gedacht hat. Vielleicht eine falsche Spur. Was auch immer es ist, ich bin viel zu müde, um noch irgendetwas zu sehen. Wir sollten unser Nickerchen machen und dann weiter sehen."

Chris neben mir nickte, dann zog er sich weiter auf das Bett. Ich verstand den Wink und stand auf. Während er sich dann zudeckte, fuhr ich meinen Laptop mit einem mulmigen Gefühl herunter und stellte ihn wieder an seinen Platz auf meinem Nachttisch.

Auch als ich selbst unter meine Decke schlüpfte, ließ mich der Gedanke an das Video nicht los. Ich hatte vielleicht zu Chris gesagt, dass es sich vermutlich um eine falsche Spur handelte, dennoch hatte ich das Gefühl, dass da noch mehr hinter steckte, als ich dachte.

___

Ich musste eingeschlafen sein, da ich schließlich von einem nervigen Piepsen geweckt wurde. Ich verzog das Gesicht und öffnete vorsichtig ein Auge, nur um es sofort wieder zu schließen, da es viel zu hell war.

Nach ein paar Sekunden schlug ich meine Augen wieder auf und griff mehr oder weniger blind, da mich das Licht immer noch blendete, nach meinem Smartphone. Sobald ich meine Finger darum schloss, zog ich es von meinem Nachtschrank und starrte mit gerunzelter Stirn auf den hellen Bildschirm. Dann stöhnte ich genervt auf.

„Du scheinst ein wahrer Sonnenschein am Morgen zu sein."

Ich warf Chris, der schon wieder an seinem Handy hing, einen bösen Blick zu, dann nahm ich den Anruf an, während ich mich wunderte, dass meine Anruferin noch nicht aufgelegt hatte.

„Hi Sofia."

„Hi? Das ist alles? Keine Entschuldigungen wegen deines plötzlichen Verschwindens? Ich habe schon begonnen, mir sorgen um dich zu machen..."

Ich verdrehte die Augen und hielt das Handy etwas von mir weg, sodass ich ihr nicht mehr dabei zuhören musste, wie sie mich anschrie. Als nächstes warf ich einen Blick auf die Uhr auf meinem Nachtschrank.

7:28 Uhr

Ein paar Sekunden lang starrte ich noch dahin, dann dämmerte mir plötzlich der Fehler. Ich warf einen Blick aus dem Fenster, dann ließ ich mich wieder in die Kissen fallen. Wir hatten, statt ein kleines Nickerchen zu machen, bis in den Morgen durchgeschlafen.

Ich schloss die Augen, dann hob ich das Smartphone wieder an mein Ohr. Wie ich Sofia kannte, würde sie ihre kleine Rede jetzt gleich beenden. Wenn ich dann nicht antwortete, würde sie eine weitere Rede halten, die mit der Drohung enden würde, meinen Vertrag mir dem Verlag frühzeitig zu beenden, obwohl sie wusste, dass ich wusste, dass sie das nie tun würde. Dafür mochte sie mich und meine Romane zu sehr.

„...Also, warum bist du nicht da, wo du sein solltest?"

Ich verzog das Gesicht aufgrund ihrer Formulierung. Ich war ein freier Mann, der entscheiden konnte, wo er sich zu welchem Zeitpunkt aufhielt.

„Urlaub."

Am anderen Ende der Leitung blieb es kurz still.

„Urlaub?", fragte Sofia dann schließlich ungläubig nach.

Ich verdrehte die Augen.

„Ja, U-R-L-A-U-B. Du weißt schon, das machen Menschen, wenn sie mal eine Auszeit brauchen oder einfach etwas Neues sehen wollen."

„Ich weiß, was Urlaub ist, Elias. Ich war nur verwundert, weil du bisher noch nie den Wunsch geäußerst hast, irgendwo anders als in deinem Haus zu sein."

Ich war froh, dass sie meinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, da sie sonst garantiert gesehen hätte, das ich ihr etwas verheimlichte. Denn sie hatte recht, ich wäre jetzt viel lieber in der Ruhe und Abgeschiedenheit meiner eigenen vier Wände. Und ich machte nicht wirklich Urlaub.

„Ja, tja, ich habe mich spontan umentschieden. Tatsächlich haben wir für heute so einiges geplant, deshalb muss ich leider auflegen."

„Wir? Uh, du bist mit Begleitung im Urlaub? Etwa der geheimnisvolle Mann, der dich bei deiner kleinen Tour besucht hat?"

„Es hat mich wirklich gefreut, dich zu sprechen, Sofia. Wirklich."

Ich ließ ihr keine Zeit, etwas zu sagen, sondern legte einfach auf. Vielleicht war es unhöflich, doch wenn ich das nicht getan hätte, dann hätte sie alles über Chris aus mir herausgequetscht und ich würde morgen noch hier sitzen.

Das Handy ließ ich neben mich fallen, dann schloss ich meine Augen wieder. Für ein paar kurze Minuten genoss ich es, einfach nur da zu liegen, dann schlug ich die Augen wieder auf und stieß die Decke von mir. Ich hatte so lange geschlagen, es wurde Zeit, dass ich das nachholte.

Während ich mich aus dem Bett schwang verzog ich das Gesicht, da ich immer noch meine Kleidung vom Vortag trug. Nach einem kurzen Blick zu Chris, der noch immer mit seinem Handy beschäftigt war, kramte ich in meinem Koffer und förderte einen neuen Satz Kleidung zutage. Dann steuerte ich das Bad an.

20 Minuten später betrat ich, frisch geduscht, wieder unser Hotelzimmer. Kaum hatte ich den kleinen Raum verlassen, drängte Chris sich fluchend an mir vorbei. Ich schüttelte den Kopf über sein stürmisches Verhalten, dann setzte ich mich wieder auf mein Bett und fuhr meinen Laptop hoch.

Nachdem ich sicher gegangen war, dass die Dusche lief, öffnete ich Jorges Link ein weiteres Mal. Doch auch dieses Mal entdeckte ich nichts ungewöhnliches, weshalb ich stattdessen einen online Reiseführer Madrids öffnete, um mich über die Sehenswürdigkeiten zu erkunden. Denn ich hatte, was das Programm anging, Sofia gegenüber nicht gelogen, schließlich waren wir offiziell als Touristen hier.

Außerdem wusste ich, dass meine Agentin mich garantiert ausquetschen würde. Wenn ich ihr dann nicht Informationen und Bilder von Sehenswürdigkeiten zeigen konnte, würde sie zu ihren eigenen Schlüssen kommen, die für mich alles andere als angenehm sein würden. Die Frau hatte einfach kein Schamgefühl.

„Willst du noch lange vor dem Ding sitzen, oder können wir frühstücken gehen?"

Ganz in meinen Gedanken verloren hatte ich nicht bemerkt, wie Chris aus dem Bad zurückgekehrt war. Ich hob den Kopf um zu antworten, doch dann hielt ich inne, denn zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, trug er eine Brille. Ehrlich gesagt hatte ich vergessen, dass er überhaupt eine brauchte.

Normalerweise würde ich in diesem Moment denken, wie ungewohnt es aussah, doch irgendwie stand ihm die Brille gut. Das Gestell war simpel schwarz, doch die dünnen Träger und die großen Gläser komplimentierten sein Gesicht. Dennoch würde ich auch behaupten, dass er älter wirkte als zuvor. Irgendwie wie jemand, der seine Nasen hinter Büchern vergrub, statt zufällige Leute in Bibliotheken anzusprechen.

„Was?", wollte er wissen.

Dabei drehte er sich etwas von mir weg, was mir das Gefühl gab, dass er sich unwohl fühlte. In den letzten Tagen hatte ich so viele neue Eindrücke von Chris sammeln können, dass mir der Schädel geradezu brummte.

„Es ist bloß ungewohnt, sonst nichts", beeilte ich mich, mein Verhalten zu erklären, schließlich wollte ich nicht, dass er sich in meiner Nähe nicht wohl fühlte.

Dennoch wirkte Chris nicht überzeugt, da er mir weiterhin den Rücken zudrehte und keine Anstalten machte, sich mir wieder zuzuwenden.

„Wir sollten uns etwas mit Frühstück beeilen. Ich habe so einigen Tourikram geplant."

Meine Worte weckten dann doch eine Reaktion in Form eines genervten Stöhnens von ihm. Chris warf sich beinah auf sein Bett.

„Wirklich? Ich hasse dieses Zeug. Warum bleiben wir nicht einfach hier und schlafen noch? Oder wir könnten nach einem Kino suchen und uns irgendeinen Film ansehen."

Chris Kommentar brachte mich zum Lächeln, doch ich schüttelte den Kopf.

„Kino? Du würdest kein Wort verstehen. Und wir haben so viel geschlafen, dass es mich wundert, dass du immer noch nicht genug hattest. Wenn du willst können wir auch außerhalb frühstücken."

Bei dem letzten Teil der Aussage hob Chris den Kopf und sah mich aus blitzenden Augen an. Eins stand bei Chris fest: Essen munterte ihn immer auf.

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Und noch ein Kapitel, ich muss meine Zeit schließlich nutzen, bis die Klausurenphase anfängt.

Over and Out, _Amnesia_Malum_

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