10➳ Ich liebe sie nicht

Emran

»𝕯er Marktanteil ist wie in den letzten Jahren äußerst stabil und noch weiter ausbaufähig. Zudem haben sich die Nachfragen, im Vergleich zum letzten Jahr zu 15 % erhöht. Das Weinsortiment findet insbesondere in den provinzielleren Regionen einen guten Einklang, sodass ich vorschlagen würde, dass wir weiterhin dort anknüpfen sollten«, sprach Grigorios, der für die Finanzen zuständig war, aus und blickte durch die Runde. Wir hatten uns wie zuvor festgelegt in meinem Konferenzsaal mit sechs Mann eingefunden und besprachen neue Taktiken und den Aufbau von stabilen Vertragsbindungen, die uns noch mehr Gewinn, als auch Sicherheit für dieses Unternehmen einbringen würden.

Derweilen ich ganz vorne am Tisch saß und den kleinen helläugigen Finanzchef aussprechen ließ, der meinem Vater seit Jahren gut diente, bekam ich aus dem Augenwinkel mit, wie neben mir, Egzon, der Filialleiter unseres Konzerns mit seiner alten rauen Stimme in Dauerschleife diktierte, was in den nächsten Tagen für Termine anstehen würden und worauf wir den Fokus zu legen hatten.

Derweilen sich dies in meiner Umgebung abspielte, starrte ich in meiner eigenen kleinen Kapsel gefangen, die funkelnde zarte Kette in meiner Handinnenfläche an.

Ihre Kette.

Das dünne schimmernde silberne Band, das mit einer leichten Drehung versehen war, blinzelte hier und da auf, sodass das Silber kristallartig glänzte. Meine ganze Aufmerksamkeit lag jedoch nicht auf diesem winzigen Detail des Schmuckstücks, sondern auf den zwei silbernen Ringen, die an der Mitte, wie Anhänger herunterbaumelten. Inmitten dieser fast identischen Ringe war ein weiterer kleiner Anhänger befestigt, der die Form einer kleinen Geige vorwies.

Vorsichtig nahm ich es in die Hand und betrachtete die quadratischen Silbersteine drumherum, die mich in ihren Bann zogen. Ich wusste, dass der Blick des alten Mannes neben mir auf mir lag, während er von seinen Unterlagen aufblickend, all die Termine selbstsicher aufsagte. Doch meine Gedanken glitten just in ein ganz anderes Universum, verharrten dort, genossen das Alleinsein, als dass ich im Augenblick wert auf meine vorgelegte Verhaltensweise legen würde. Nachdem ich eine ganze Weile schweigend die Form der Violine nachgefahren war, nahm ich die beiden Ringe wieder näher in Augenschein. Ein Blitz durchzuckte meinen Körper, als ich mit dem kleineren der beiden Ringe im Nu in Berührung kam.

Es musste ihr Ring sein.

Ihres, das an ihrem zarten Ringfinger geruht hatte. Indem ich es in meiner viel zu großen Handinnenfläche hielt, spürte ich, wie die Energie des Ringes auf mich abstrahlte, mich zunehmend mit Lebendigkeit und Adrenalin umhüllte.

Es war, als würden unsichtbare Finger, ihre Finger sachte über den Ring streichen und dabei mit meiner Haut in Kontakt kommen, jeder dieser Stellen zum Kribbeln bringen und ein unglaubliches Inferno in mir entfachten.

Ganz langsam drehte ich es zwischen meinen Daumen und Zeigefinger rum, viel zu vorsichtig, um es nicht zu beschädigen, ehe plötzlich wieder ihr Gesicht vor meinen Augen auftauchte und damit auch die Erinnerungen von gestern Morgen.

Ich konnte es nicht fassen.

Während ich aufgewühlt und völlig neben der Spur in meinen kleinen Büro hin und her gelaufen war, hatte ich es nicht glauben können, dass sie nun bei mir war. Ich konnte den steigenden Drang zu ihr zu gehen in mir nicht unterdrücken, der immer weiter wuchs, je länger ich mir bewusst wurde, dass sie nur wenige Türen weiter entfernt im Bett lag.

In meinem Bett lag und schlief.

Ich hatte keine klaren Gedanken mehr gehabt, wie das eine zum anderen geführt hatte. Als sie in das Wasser gefallen war, hatte ich keine Zeit verschwendet, hatte meine Jacke ausgezogen und sie aus der schrecklichen Kälte rausgeholt.

Ihr zitterndes Leib und ihre daraufhin eingetretene Bewusstlosigkeit, hatten eine Kurzschlussreaktion in mir aufgelöst und ohne länger darüber nachzudenken, war ich mit einem Taxi in mein eigenes Einfamilienhaus gefahren, dass ich mir vor Jahren in Kyrenia angeeignet hatte und von dessen Existenz nicht einmal Efthalia was wusste.

Eine nicht zu bändigende Angst keine Kontrolle zu haben, hatte mich dermaßen verrückt gestimmt, dass ich selbst in der Nacht keine Ruhe gefunden hatte und in meinem Arbeitszimmer herumgeirrt war.

Es lag nicht nur daran, gestand ich mir ein, lag nicht nur an der Situation, dass ich nicht die Kontrolle über die Situation besessen hatte.

Es lag an ihr. An ihrer Nähe, die so viel gefährlicher war, als alles andere.

Ich versuchte mir einzureden, den Abstand zu ihr einhalten zu müssen, indes ich mein schrilles unüberbrückbares Herzklopfen wie Bässe an meinen Ohren wummern hörte. Letztlich übertönte das klägliche verräterische Schreien meines Willen, sodass
ich mich in der Nacht, schlaflos und sehnsüchtig plötzlich mitten in meinem Zimmer wiedergefunden hatte... und sie vor mir schlafen sah.

Leise hatte ich mich auf das Sofa vor ihr gesetzt, hatte ihr beim Schlafen zugesehen, dem leichten gleichmäßigen Atmen gelauscht, das einem harmonischen Wellenschlag ähnelte und hatte mich in ihrem schönen Gesicht auf das der Mondschein durch die Gardienen fiel, verloren gehabt. Sie sah so friedlich aus... Ich hatte sie nie so unbekümmert, so entspannt erlebt.

Was stellte sie nur wieder mit mir an ?, dachte ich, konnte meinen Blick aber so sehr ich mich auch Zwang, so sehr ich auch dieses Zimmer verlassen wollte nicht von ihr nehmen. In meinem bisherigen Leben hatte ich noch nie eine so schöne Zeichenvorlage wie sie gehabt. Ich wollte und konnte meinen Blick einfach nicht von ihr anderswohin richten, weil ich mir jedes Detail, jede neue Seite von ihr merken wollte.

Doch meine Faszination wurde jäh von der Realität vernichtet, als mir gleichzeitig während meiner Observation auffiel, was für dünne Arme sie bekommen hatte. Sie hatte abgenommen, viel zu viel, als dass es ihr guttat.
Arbeitete sie viel ? Hatte sie Sorgen ? Was war nur geschehen, nachdem sich unsere Wege für immer getrennt hatten ?

Doch wenige Stunden nach ihrem Erwachen hatte ich meine Antwort.

Tod.

Ihr Ehemann war tot. Ich spürte wie eine erschreckende Gänsehaut meinen Körper bedeckte. Aber wie war das möglich ? Wie konnte das sein ?

Die Trauer, die in ihrer Stimme mitgeschwungen hatte, die Last ihrer Worte, die sie sich selbst nicht eingestehen, schier nicht wahrhaben wollte, trafen mich unvorbereitet. Sie litt, denn der Gedanke die Wahrheit aussprechen zu müssen quälte sie. Dennoch war sie ehrlich zu mir gewesen. Was ihre Aussage in mir ausgelöst hatte, war nicht in Worte zu fassen. Lauter Fragezeichen hatten sich in meinem Kopf gebildet, die vom dumpfen Nachklang des Bedauerns überbrückt wurden.

Wie es ihr wohl nach dem Tod ihres Mannes ergangen war ? Sie war ganz bestimmt am Boden zerstört. Selbst ihre abgemagerte Haltung sprach dafür. Verdammt, ich konnte es nicht ertragen sie so zu sehen. Dieser Anblick stimmte mich wahnsinnig.

Sie hatte ihn verloren...
Sie hatte ihr alles verloren und sie leiden zu sehen oder der Gedanke wie sie all die Zeit über mit dieser Bürde gelebt und alleine Zurechtkommen musste, warf meine rational denkende Seite beiseite, sodass mir vor blinder Wut Schwarz vor Augen wurde.

Nun war ich wieder in Nikosia mit ihren Eheringen in meiner Hand, welches sie versehentlich in mein Bett hatte fallen lassen, nachdem sie aufgewacht war. Dass sie zu aufgewühlt war, um zu merken, dass sie die Ketten nicht mehr trug, konnte ich ihr nicht verdenken.

Während Egzon weiterredete, driftete ich immer wieder ab. Ich bemühte mich nicht einmal der Besprechung zu lauschen, denn sie flammte immer wieder in meinen Gedanken wie kleine Feuerwerke auf.

Unruhig fuhr ich über meine zerzausten Haare, als meine Gedanken an das anschließende Frühstück mit ihr zurück schweifte, das kurz nach ihrem Erwachen stattgefunden hatte.

Leise, fast schon ängstlich saß sie in ihrem Stuhl vor mir und bestrebte sich so klein wie möglich zu machen. Sie hatte die Schultern verkrampft nach vorne gerichtet, ihre Hände auf ihrem Schoß gefalten und wie ein kleines beschämtes Kind, das zu sehr Angst davor hatte getadelt zu werden, ihren Blick gesenkt.

Während ich am anderen Endes des Tisches saß, die Hände an den Stützen abgelegt hatte und meine Augen keinen Moment lang von ihr nahm, erfolgte die einzige Bewegung von meiner Haushälterin Gresa, die während all der Zeit meiner Abwesenheit für dieses Haus zuständig war und nun die letzten Feinheiten an dem gedeckten Tisch vollbrachte.

Langsam und doch vorsichtig streiften ihre Augen von der Seite aus das große Esszimmer, das durch die bodenlangen Fenster einen Blick auf das Meer bot und die morgendliche Sonne in den hell eingerichteten Raum hereinscheinen ließ, sodass die viel zu kantigen und avantgardistischen Möbel durch die Wärme und den Strahlen an Sanftheit dazugewannen.

Kurzzeitig verharrten ihre Blicke auf einigen Möbelstücken und je preiswerter und einzigartiger sie wurden, desto mehr Sorge bereitete sich in ihrem kleinen Gesicht aus. Unruhig schluckte ich. Ich wollte sie nicht in Verlegenheit bringen, wollte nicht, dass sie all das hier verschreckte.

Anschließend flogen ihre Augen mit einer Zick-Zack Bewegung über die Köstlichkeiten vor ihr, die ich mit Sorgfalt alle angeordnet hatte. Ich wusste nicht, was sie mochte oder ob sie gegen irgendetwas allergisch war, also war ich auf Nummer sicher gegangen und hatte so viele Spezialitäten und Kreationen wie nur möglich für uns servieren lassen.

Wenn ich gehofft hatte, dass ihr der Anblick von etwas essbaren von all dem Ablenken würde, was um sie herum dargelegt war, dann hatte ich mich mächtig in meinen Vermutungen geirrt. Auch hier wurde sie zunehmend nervöser, was ich an ihrem unbewussten Ziehen ihrer Ärmel des Oberteiles erfasste. Diesen Anblick nicht länger ertragen könnend, durchbrach ich dann letztlich doch die Stille, obwohl ich ihr etwas Zeit zur Eingewöhnung geben wollte.

Ich konnte nicht annähernd erahnend, wie viel Kraft sie diese Lage kosten musste. Und sie so zu sehen, versetzte mir einen harten Stich in die Brust.

»Danke Gresa. Wir würden jetzt gerne speisen«, sagte ich, was indirekt zu bedeuten hatte, dass sie uns alleine lassen konnte.

Arzu zuckte zusammen, ob durch die plötzliche Durchbrechung der Stille oder dem Inhalt meiner Worte zu verdanken mochte ich nicht entscheiden. Doch ich hoffte, dass nicht letzteres der Fall war. Ich wollte nicht, dass sie sich unwohl in meiner Gegenwart fühlte.

Die räumliche Distanz war in diesem Moment das kleinste Problem, das herrschte. Ihre mickrige in sich gekauerte Gestalt vor mir zu erblicken machte mich fertig und ließ erneut lauter Fragen in mir aufkommen auf die ich verzweifelt durch ihre Haltung eine Antwort suchte. Hieß das, dass sie seit seinem Tod, swit jeher Tag täglich alleine zu kämpfen, alleine für sich zu sorgen hatte ?

Hätte ich das gewusst, dann...

Dann... ?

Diese Aussage mochte ich nicht zu Ende führen. Ich hatte kein Recht gehabt mich in ihr Leben einzumischen. Das hätte sie auch niemals akzeptiert.

Warum sie hierhergezogen war ? Was sie seit jeher wohl erlebt hatte ?

Ihre magere Gestalt und ihr trübseliger verängstigter Blick ließen Szenarien in mir hochkommen von denen einer katastrophaler war als der andere.

Wie gern ich ihr mein Beileid kund geben und sie getröstet hätte, doch zu paradox war die Situation, als dass ich überhaupt ein Wort rausbringen konnte.

»Er hat es nicht überlebt, Emran. Er hat es nicht geschafft.«

Als ihre Worte zu mir durchgedrungen waren, war ich wie erstarrt stehen geblieben. Das war feige von mir gewesen, doch viel schlimmer war es, als ich im Anschluss wortlos das Zimmer verlassen und ihre Augen auf meine Rückenansicht gespürt hatte.

Eine Stille kehrte über uns ein, als Gresa nach meiner Aufforderung hinter der großen Eichenholztür verschwand. Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, nicht darauf aus eine Sekunde lang meinen Blick von ihr zu nehmen. Dann huschten meine Augen abrupt über ihre Kleidung und ich runzelte die Stirn, als ich erstmals bemerkte, was sie da anhalte.

»Haben dir die Kleidungsstücke nicht gefallen, die ich dir habe bringen lassen ? Soll ich dir neue besorgen ?«, fragte ich, als ich erkannte, dass sie sich die Kleidung übergestreift hatte, die beim Sturz ins Wasser durchnässt worden waren. Zwar waren sie soweit zu beurteilen wieder trocken, aber gewaschen und sauber waren sie trotzdem nicht. Ich verstand nicht. Ich hatte sie doch extra darauf aufmerksam gemacht, dass sie alles mögliche im Zimmer hatte und sich frisch machen konnte.

Langsam begegneten ihre Augen die meine.

»Nein... Nein danke. Ich möchte lieber meine eigene Kleidung tragen. Das kann ich nicht annehmen«, gab sie kleinlaut von sich. In dem Moment erkannte ich, dass sie womöglich die Qualität der Kleidung zurückgeschreckt hatte. Sie empfand es als zu teuer und wollte mir nichts schuldig sein.

Ich spürte, wie mir der Gedanke missfiel, dass sie so dachte, aber ich beließ es dabei. Wenigstens hatte sie sich getraut zu sprechen. Als sie nach ihrer Antwort weiterhin still auf ihrem Platz verharrte, seufzte ich auf.

»Du hast noch nichts gegessen. Der Tisch ist fertig gedeckt.«

»Ich habe keinen Hunger«, sagte sie viel zu schnell und verriet sich selbst damit. Dass sie sich mitten in ihrem Satz verhaspelte, ernährte ihre Unsicherheit noch mehr.

»Ich möchte, dass du etwas isst. Du hast seit gestern Abend nichts zu dir genommen.«

Nun zog sie die Stirn kraus und wirkte erstmals selbstsicher beim Aussprechen ihrer nächsten Worte:

»Muss jeder deinen Befehlen nachgehen ?«

Verblüfft erhoben sich meine Augenbrauen. Erst da fiel mir auf, dass meine Aussage wie ein Befehl geklungen hatte. Mit einer ruhigeren Stimme setzte ich nochmal an.

»Nein. Ich bitte dich darum...Iss bitte etwas.«

Ich hatte keine Probleme damit meinen Willen durchzusetzen, doch diese Frau vor mir hatte mir früh genug gezeigt, dass mir die Zügel mit nur einem Wimpernschlag aus der Hand entrissen werden konnten. Also schwieg ich nun und wartete darauf, dass sie nach der Gabel griff, weil ich sonst nicht wusste, zu welch anderen Mitteln ich greifen würde. Und die würden ihr sicherlich nicht gefallen.

Zu meiner Erleichterung nahm sie zögerlich nun doch noch die Gabel und während ich betrachtete, wie sie wieder an Farbe gewann, bildete sich ein kleines Lächeln auf meinem Gesicht. Sie aß wie ein Kleinkind.

Nachdem sie schweigend einige Kleinigkeiten am Tisch verspeist hatte, huschten ihre Augen immer wieder unsicher zu mir, ehe sie die Olive in ihrem Mund runterschluckte und sich an mich gewandt fragte:

»Essen sie... Ich meine, isst du denn nichts ?«

Unbeeindruckt davon, wie sehr ich sie bereits in Verlegenheit gebracht hatte, hatte ich ihre Worte ignoriert und den nächsten Satz aus meinem Mund heraussprudeln lassen.

»Geh heute Abend mit mir essen.«

Ihr Kopf schoss abrupt in die Höhe von meiner Wortwahl. Ungläubig blickte sie mich an, als könne sie nicht glauben, was ich da gerade von mir gegeben hatte, im Anschluss sie vor Schreck die Gabel in ihrer Hand fallen ließ. Als das klirrende Geräusch erklang, das durch das Aufkommen der Gabel an dem Tellerrand ausgelöst wurde, war es erst dieser Laut, der sie aus ihrer Starre riss. Mit hochrotem Kopf griff sie nach dem Gegenstand, um es ordentlich auf die Serviette abzulegen. Mir entging dabei das leichte Zittern ihrer schmalen Finger, das nervöse unbewusste Kauen ihrer Unterlippe keineswegs.

Bevor sie überhaupt etwas erwidern konnte, platzte jedoch wie aus dem Nichts Gresa erneut in den Raum herein und unterbrach somit meinen intensiven Blickkontakt, den ich mit ihr hergestellt hatte.

»Mr. Psarianos ihr Manager hat gerade angerufen. Ich solle sie nochmal daran erinnern, dass morgen die Konferenz stattfindet. Außerdem sollen sie ihn zurückrufen, da er sich gerne vor dem Meeting über ihre Finanzen unterhalten möchte.«

Und das war der Moment, in dem der einigermaßen friedlichevolle Moment zerfiel. Gresa, die mich unschuldig und freundlich anlächelte, wusste nicht im geringsten, was sie mit ihren Worten angerichtet hatte. Mit dem Schließen ihres Mundes huschte mein Blick sofort zurück auf die zierliche Gestalt, die nun völlig fahl im Gesicht wirkte.

Verdammt ! Sie hatte sowieso eine skeptische Haltung gegenüber meinen Status gehabt. Auch wenn sie es nicht aussprach, ich wusste, dass sie die ganze Situation beängstigte, dass es sie erschreckte und dass sie all das nicht hören wollte. Damals hatte sie mich darum gebeten nichts von mir Preis zu geben... Sie wusste nichts von mir, wollte nichts von mir wissen, weil sie sich sonst nicht der Abmachung, so wie sie es immer wieder genannt hatte, halten können würde. Eine Gänsehaut überzog meine Haut wie kaltes Wasser. Gresa hatte uns beiden Salz in die Wunde gestreut, dessen Beben wie der Fall eines Kometen auf der Erde nachwirkte.

Arzu, die einen Augenblick lang die Differenz zwischen uns vergessen hatte, sah so aus, als hätte sie die Erkenntnis wachgerüttelt.

»Ich... Ich sollte gehen«, stotterte sie unvermittelt und stand plötzlich von ihrem Sitz auf, als hätte sie sich die Haut verbrannt.

Ich runzelte die Stirn bei diesem abrupten Wandel. Dahin war die Mühe eine angenehme und aufgelockerte Atmosphäre zu erzeugen.

»Ich möchte dich zum Essen einladen«, sagte ich unwirsch. Mein Dickkopf meldete sich wieder einmal zur falschen Zeit zu Wort. Ich gab niemals so schnell auf. Nie. Eine Eigenschaft die seine Vor- und Nachteile je nach Angelegenheit hatte.

»Nein...«, antwortete sie. Doch ihre Antwort war kaum Ernst zu nehmen. Sie wirkte aufgewühlt und stolperte zudem fast schon über ihren eigenen Sitz. Die Nervosität war zurück. Sie verschloss sich erneut und das wollte ich nicht.

Sie bemerkte selbst, wie wenig sie damit überzeugen konnte, als fügte sie dieses Mal ruhiger hinzu:

»Nein... meine Mitbewohnerin macht sich bestimmt schon Sorgen um mich. Ich muss nach Hause.«

Nun erhob ich mich ebenfalls von meinem Sessel.

»In Ordnung dann lass mich dich wenigstens nach Hause fahren.«

Ihre Augen vergrößerten sich, wie die Porzellanuntertassen, die meine Mutter so sehr geliebt und die ich als freches kleines Kind damals in einen Scherbenhaufen verwandelt hatte.

Abwehrend hob sie die Hände in Brusthöhe an.

»Sie haben zu tun.«

Ich runzelte verwirrt die Stirn, angesichts der Tatsache, dass sie mich wieder siezte. Das gefiel mir nicht, es hörte sich absolut fremd und distanziert an. So kamen wir keinen Schritt weiter.

»Arzu ich würde dich aber gerne fahren.« Auch ich konnte meine Verärgerung nicht mehr verbergen. Während sich nach meinem harschen Tonfall Stille um uns herum ausgebreitet hatte, waren ihre Augen, die mit meinen verkettet waren, die einzige Kommunikation, die zwischen uns herrschte.

Bis auf einmal so etwas wie Schmerz in ihren Augen aufflackerte und mich so unvorbereitet traf, dass sich mein Ärger in Luft auflöste.

Ihre nächsten Worte waren nichts weiter als ein Flüstern, während sie mit sich kämpfte diesen Blickkontakt aufrecht zu erhalten.

»Sehen Sie nicht, dass wir aus unterschiedlichen Welten kommen ? Sie haben bekommen, was sie wollten... Bitte lassen Sie mich nun gehen.«

»Mr.Psarianos... ? Mr.Psarianos ?«

Ich horchte beim Erwähnen meines Namens auf. Auf der Suche nach einer angemessenen Orientierung blickte ich zunächst auf die Ringe in meiner Handfläche nieder, dann in einige erwartungsvolle und zugleich ratlos wirkende paar Augen.

Egzon, der neben mir am Tischrand saß und weiterhin Protokoll über die heutige Besprechung führte, hatte den Stift über das bereits überfüllte Papier angelegt, um die nächsten Worte zu notieren, die von meiner Entscheidung abhingen. Ich spürte, ohne das er mir gegenüber etwas sagen musste den Tadel in dem Blick des alten Mannes, der besagte: hätte ihr Vater dies mitbekommen, dann...

Doch Vater war nicht hier. Ich war genauso Eigentümer wie er auch. hatte genauso viel Macht über die Firma, wie meine Vorfahren. Eine Hierarchie existiere nicht mehr, auch wenn Egzon immer noch in den alten Vorstellungen und Traditionen lebte und in meinen Vater den Patriarch hinsichtlich des Unternehmens als auch in allen anderen Lebensbereichen sah.

Bevor sich Unruhe ausbreiten und die anwesenden Geschäftsleute im Raum, die von äußerster Bedeutung für die Stabilität und Branchenführung unseres Imperiums waren, aufmerksam auf die Ringe in meiner Handinnenfläche wurden, schob ich sie ganz vorsichtig und einen selbstbewussten Blickkontakt zu jeden von Ihnen beibehalten, unauffällig in die Tasche meines Hosenanzugs.

Automatisch umfasste meine nun wieder freie Hand den Füller mit meinen Initialen vor mir und ich senkte den Blick auf die ausgearbeiteten Verträge, die wir unseren Interessenten in den kommenden Verhandlungen vorlegend wollten.

Nichtsdestotrotz schwebte mein Handgelenk über dem Vertrag, auf dem nur noch meine Unterschrift fehlte, um vervollständigt zu werden.

Doch ich hatte mich in Gedanken an sie so vollkommen verloren und die Gespräche um mich herum erfolgreich ausgeblendet, dass ich nun keinen blassen Schimmer davon hatte über was sie gesprochen hatten. Hoffnungsvoll suchten meine Augen das Whiteboard auf dem im Laufe der Besprechung stichpunktartig einige wichtige Punkte übernommen oder hinzugefügt wurden. Aber als mir klar wurde, dass die zugehörige Handschrift unserem IT-Mitarbeiter gehörte, verwarf ich auch diese Option. Die Sätze mit dieser Handschrift zu lesen war gleichzusetzen wie Hieroglyphen zu entziffern.

»Rafail, was meinen Sie ? Sollen wir die Klausel 9a noch hinzufügen?«
Egzon war der Einzige im Raum, der mich bei meinem zweiten Namen und prinzipiell beim Vornamen ansprechen durfte. Demnach wusste ich sofort an wen ich mich mit dem Anheben meines Blickes zuzuwenden hatte.

Es würde jetzt etwas unangenehm werden, nochmal nachzufragen, was sie alles besprochen hatten, aber um es mir einzugestehen, interessierte es mich nicht sonderlich, was diese Menschen alle von mir dachten. Sie arbeiteten für mich und mit mir. Sie wussten, dass ich wichtige Entscheidungen mit Kalkül vollzog, so wie jedes Mal.

Ich fuhr mir durch meinem Dreitagebart entlang, ehe plötzlich mit einem Satz die Tür am Ende des Raumes aufgerissen wurde und mir somit eine Antwort erspart blieb.

Der kalte Luftzug, der den Raum schwunghaft einnahm, verleitete alle Anzugträger dazu sich in ihren Sesseln zur Tür zu drehen vor der ich nun Efthalia stehen sah, die sich die voluminöse Lockenpracht, die ihr durch ihren Seitenscheitel vor die eine Gesichtshälfte gefallen war, zur Seite beförderte.

Hätte sie von Anfang an, an diesem Tisch gesessen und an dieser Konferenz teilgenommen, würde man als Außenbetrachter den Eindruck bekommen, dass sie perfekt zu diesem Bild passte. Auch sie war sehr fein angezogen, trug ein dunklen Etuirock, das an den Seiten gerafft war. Über diese hatte sie eine sehr dominante kantige Bluse an, die ihrem hellen Teint ausgesprochen gut stand und den einzigen Farbtupfer abgesehen von ihrem blonden Haaren darstellte.

Jeder würde denken, dass sie sich verspätet hätte und jeden Moment ungestört an dieser Runde teilnehmen würde, doch ich wusste es besser, dass sie aus anderen Motiven hier war, zumal sich Efthalia, wie unseren Eltern versprochen nicht in die Geschäfte der Firma einmischen hatte. So lautetem zumindest die Worte von Vater damals, als er ihr sagte, dass sie lediglich die Aufgabe hatte eine gute Ehefrau für Iakobo zu sein. Wozu das geführt hat, sprach er hingegen niemals an.

Bevor ich mich über Vaters Worte erneut aufregen konnte, fand ihr Blick meinen und als könnte sie mit dem bloßen Anblick glühendende Lava auf mir ergießen, verengte sie die Augen und verhinderte damit ein Entkommen meinerseits.

»Konuşmamız lazım. Hemen şimdi !«

Unmissverständlich gab ihr Tonfall zu verstehen, dass sie ein Theater machen würde, wenn ich ihren Worten jetzt keine Bedeutung schenkte.

Egzon, der sich die ganze Zeit über, wie auch die anderen Männer, bedeckt im Hintergrund gehalten hatte, rümpfte mit einem Mal missbilligend die Nase, als Efthalia in Rage auf Türkisch zu sprechen begann. Der gebürtige Grieche, arbeitete seit über 30 Jahren in dieser Firma, hatte die revolutionäre Anfangszeit mit meinem Großvater mitbekommen, weshalb er praktisch genauso ein festes Mitglied dieses Unternehmens war, wie die Familie Psarianos, die das zyprische Weinunternehmen international verbreitet hatte. Vater und ich schäzten seine Arbeit und obwohl der 65-Jährige sich immerzu respektvoll verhielt, gab es eine einzige Angelegenheit, die man in seiner Gegenwart nicht machen durfte.

Und zwar auf Türkisch reden.

Egzon war einer der traditionelleren Männer auf dieser Insel und hatte aufgrund der zahlreichen Konflikte zwischen den Griechen und den Türken gewaltige Vorurteile letzterem gegenüber. Auch wenn er wusste, dass Efthalia und ich mit beiden Wurzeln aufgewachsen waren, weigerte er sich strikt dagegen diese Wurzeln von uns anzuerkennen. Wie waren für ihn schlicht weg ganz normale Einheimische. Die Verbindung mit der Türkei ignorierte er jedes Mal gekonnt.

Efthalia, die normalerweise darauf Rücksicht nahm Egzon nicht zu verärgern, schenkte ihm und auch den anderen im Raum keine Sekunde lang ihre Aufmerksamkeit. Sie war so geladen, dass ihre Augen nichts als auf mich gerichtet waren, um mich an dem Feuer ihrer Augen teilhaben zu lassen.

Ich positionierte mich in meinem Sessel aufrecht. Indem ich die Entschlossenheit und ihren Sturkopf erkannte, sagte ich mit erhobener und fester Stimme, den Blick aber nicht von ihr nehmend:

»Meine Herren. Ich denke, die Sitzung ist für heute hiermit beendet. Sie dürfen nun alle den Raum verlassen.«

Jeder nahm den indirekten Befehl zur Kenntnis, dass sie mich mit meiner Schwester alleine zu lassen hatten, obwohl ich noch nicht das Abschlusswort und auch nicht die nötige Unterschrift unter den Unterlagen angesetzt hatte.

Stumm und ohne jegliche Widerrufe erhoben sich alle nacheinander und packten eilig ihre Unterlagen zusammen. Währenddessen stand Efthalia weiterhin wie angewurzelt an Ort und Stelle, bereit, es jederzeit verbal als auch nonverbal gegen mich aufzunehmen, falls dies wieder einer meiner Tricks war, um ihr gleich wieder aus dem Weg gehen zu können.

Dass ich mich dieses Mal nicht so leicht aus dem Klauen meiner Schwester befreien könnte, war mir klar. Sie war nie wütend, doch indem ich sie alleine an Bord gelassen, dort nicht mehr aufgetaucht und auch die zig Anrufe von ihnen ignoriert hatte, hatte ich ganz klar eine mächtige Toleranzgrenze überschritten, an der auch die Güte von Efthalia nicht mehr mithalten konnte.

Nachdem die Tür hinter uns ins Schloss gefallen war, erhob ich mich und lief kommentarlos in das Nebenzimmer, wo sich auch mein eigentliches Büro befand, ehe ich mir aus dem Reserveschrank ein Glas Wein einschenkte und mich auf mein Schreibtisch begab.

Zeitgleich, als ich mich auf meinen Sitz niederließ und den einzigen Knopf meines vorderer Anzugs öffnete, hörte ich aus dem Konferenzzimmer nebenan, die Absatzschuhe meiner Schwester, ehe auch sie mein Büro betrat.

Mit galanten Schritten und aufrecht gehaltenen Haupte, als könne sie nichts aufhalten, stellte sie sich in nur wenigen Schritten vor mich hin. Ich bedachte sie mit einem ruhigen Blick und trank einen Schluck von meinem Glas, was sie zunehmend ausbrausender zu stimmen schien.

Mit dem Spitz verlaufenen Vorderseite ihrer hohen Absatzschuhe tippte sie immer wieder auf den Boden.

»Kannst du mir bitte verraten, was diese Aktion von dir sollte ?« Aufgebracht wie sie war, brach sie ihren Satz an dieser Stelle ab, auch wenn ich durch das schnelle auf und ab ihrer Stimme erkennen konnte, dass sie noch nicht am Ende gelangt war.

Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust. Ihr Blick war mörderisch und wäre ich nicht so durcheinander und so müde, hätte ich vielleicht noch über ihre Haltung gelacht. Stattdessen spürte ich, wie mir Efthalias Verhalten gewaltig auf den Zahn fühlte.

Das war mir eindeutig zu viel negative Aura auf einmal am Morgen. Die Kopfschmerzen, die sich ankündigten, trugen nicht gerade dazu bei, dass meine kompromissvolle Seite sich entfalten konnte.

Ungeachtet dessen, dass Efthalia das Recht dazu besaß sauer auf mich zu sein, stapelte ich die vielen Blätter, die sich in den letzten Tagen während meiner Abwesenheit angesammelt auf meinem Schreibtisch und legte sie in meinen Ordner nach und nach rein.

Jetzt auch noch alles mit Efthalia ausdiskutieren zu müssen, würde mir schier den Rest meiner verbliebenen Energie rauben. Es stand noch ein langer Tag voller Ereignisse vor mir und lauter Aufgaben, denen ich mich widmen musste.

Ich seufzte tief, rieb mir die Stirn mit der freien Hand, die auf den Sitzpolstern angelehnt war.

»Efthalia... Es ist gerade wirklich kein günstiger Zeitpunkt. Ich habe gleich noch einen wichtigen Geschäftstermin, dem ich mich widmen muss. Wir reden später darüber.«

Ungläubig blickte sie mich, ehe sie auf schnaubte.

»Oh nein ! Das hast du dir sichtlich verspielt. Ich bewege mich nicht vom Fleck. Erst streitest du dich mit Alexis, kehrst uns allen den Rücken zu, verschwindest plötzlich und dann tauchst du auch nicht mehr auf ! Du warst wie vom Erdboden verschluckt. Zwei Tage ! Wir haben versucht dich 2 Tage lang zu erreichen !«

Ich presste die Lippen aufeinander und starrte auf mein Glas nieder, weil ich die Enttäuschung in ihren Augen nicht länger mitansehen wollte. Sie hatte recht. Natürlich hatte sie und die anderen allen Grund dazu sauer auf mich zu sein. Ich hatte mich wie der letzte Arsch benommen, hatte alle Nachrichten und Anrufe ignoriert. Doch es war, als wäre ich wie verhext. Woher hätte ich denn wissen können, dass ich bei meinem aufgelösten Abgang ihr begegnen und sie praktisch in meine Arme laufen, in meinem Bett liegen und danach mit mir frühstücken würde ? Ich konnte nicht anderes, als mich auf sie und nur aus sie zu konzentrieren.

Auf ihre Gesichtszüge, das beschämte Runterblicken, die geröteten kleinen Wangen und dann war da noch der aufrechte stolze Blick, den sie in den entscheidenden Momenten darlegte, als würde sie zu jedem ihrer Worte stehen.

Nachdem sie hingegen gegangen war und ich wegen meinen Terminen nach Nikosia zurückkehren musste, hatte sie noch schlimmer meine Gedanken im Beschlag genommen, als ich da mir gerechnet hätte.

Ich hatte bei meiner Ankunft heute Morgen zuhause bereits damit gerechnet Efthalia über den Weg zu laufen und hatte mich auf ihre Standpauke gefasst gemacht, doch mit Erleichterung war ich ihr in dem großen Haus dann doch nicht begegnet. Hingegen hatte ich auch nicht die Option in Erwägung gezogen, dass die Wahrscheinlichkeit bestünde, dass sie einfach zur Arbeit kam und mich zur Rede stellte. Etfhalia war ein nachtragenderer Dickkopf als ich, wenn sie aufbrausend wurde. Ich hätte es besser wissen müssen !

Trotz dessen konnte ich Efthalia nicht die Wahrheit sagen. Nicht jetzt.

»Darüber werde ich jetzt nicht mit dir diskutieren.« Meine Stimme klang barscher und schneidender als ich beabsichtigt hatte, doch konnte mein Gegenüber dies natürlich nicht wissen, weshalb ihr endgültig der Kragen platzte.

Sie schrie nicht. Das war nicht Efthalias Art. Sie bevorzugte die Stille und wenn das bei ihr auftrat, musste sich wirklich jeder vor ihr im Acht nehmen.

Tief blickte sie mir in die Augen.

»Ich verstehe dich nicht, Emran. Ich gebe mir wirklich Mühe dich zu verstehen, aber ich tue es nicht. Jahre lang hast du vor unseren Eltern rebelliert, hast dir nicht helfen lassen, warst Jahre lang außer Kontrolle, weil...«

»Stop !«, zischte ich zornig, als ich bemerkte, dass sie zu Themen überging, die ich mit dieser Laune am wenigsten hören wollte.

»Kein weiteres Wort Efthalia...«, konterte ich schneidend und hob den Zeigefinger an.

»Darüber wird nicht mehr gesprochen. Niemals. Weder mit unseren Eltern noch unter uns. Dieses Kapitel ist abgeschlossen und ich werde nie... nie wieder darüber sprechen. Also stelle meine Geduld nicht auf Probe.«

Ein trauriges Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht, was bedeutete, dass meine Worte wenig Wirkung bei ihr zeigten. Sie war geladen voller Emotionen in den letzten Tagen, an denen ich mich nicht gemeldet hatte und nun hatte sie ein Ventil, in das sie das alles befördern konnte.

»Und schau dich heute an.... Du bist nicht da. Auch wenn du all deine alten Angewohnheiten nicht mehr fortführst, kannst du dich deiner wahren Natur nicht entziehen. Du bist rücksichtslos, kalt und du schiebst jeden Menschen, der dir etwas bedeutet achtlos zur Seite. Und dann tauchst du heute ohne mir und deinen Freunden Bescheid zu geben einfach wieder auf der Arbeit auf und tust so, als ob nichts gewesen wäre. Das ist respektlos, mir, deinen Freunden und selbst Alexis gegenüber. Das Mädchen ist krank vor Sorge und geplagt von Schuldgefühlen, weil sie denkt, dass sie aufgrund ihrer letzten Worte Schuld an deinem Verschwinden hat.«

Sarkastisch schnaubend, schüttelte ich den Kopf.

»Wow, sind wir jetzt wirklich da angelangt, wo du allen ernstes Partei für Alexis ergreifst und dich gegen mich stellst ?«

»Ich bin auf keiner Seite. Aber... «, quiekte sie erzürnt auf.

»Aber ?« Unterbrach ich sie, ebenso außer mich.

»Wir wissen beide wie Alexis war und immer noch ist, Efthalia. Du kannst mir doch hier kein langes Gesicht wegen ihr ziehen.«

»Oh ja ! Und wir beide das Wissen«, sagte sie immer noch auf ihrer Seite stehend und tippte nun vor mir demonstrativ auf den Tisch.

Nun war auch mein Geduldfaden gerissen.

»Und trotzdem verteidigst du Alexis ? Ist das dein ernst Efthalia ?«

Sie verengte die Augen.

»Weißt du was ? Ja ! Ja verdammt, das tue ich Emran. Sie mag manchmal gemein sein, manchmal weiß sie nicht was sie sagt und tut, aber wir wissen beide weshalb sie so ein unmögliches Verhalten hinlegt.«

Jetzt wurde ich komplett wütend. Dass sie absichtlich diese unschönen Themen eröffnete, passte mir nicht in den Kram und dass sie das absichtlich tat, sagte an mir zusätzlich.

»Das will ich jetzt wirklich nicht hören«, brummte ich.

»Ob du es willst oder nicht Emran, sie war deine Verlobte ! Alexis und du... Ihr wart verlobt ! Kannst du ihr das so übel nehmen ? Dass sie so durchdreht ? Erst das Gemälde und ihr plötzliches Auftauchen ? Von einem Tag auf den anderen als du von der Türkei zurückgekehrt bist, hast du sie verlassen.«

»Efthalia...«, knurrte ich immer noch fassungslos darüber, dass meine Schwester sich auf Alexis Seite stellte.

»Wie gesagt, ich bin in keiner Partei, aber wenn's darum geht die Wahrheit auszusprechen, dann tue ich das. Ich habe was deine Launen anbelangt den Mund gehalten Emran, aber so hast du deine Mitnehmenschen nicht zu behandeln.«

»Um Gottes Willen Efthalia hörst du dir überhaupt noch zu ! Du selbst weißt ganz genau, dass Efthalia sich das selbst zuzuschreiben hat. Du weißt, dass diese Ehe zwischen den Familien arrangiert war. Ich habe Alexis nicht geliebt und das wusste sie verdammt. Ich habe ihr nie, nicht ein einziges Mal irgendwelche Versprechen gemacht. Doch sie hat bewusste die Augen vor der Wahrheit verschlossen.«

Aufgelöst rieb ich mir über die Schläfen, als ich nun doch vor Wut geplatzt war.

Alexis und ich waren zusammen aufgewachsen und unsere Ehe sollte ein Kompromiss zwischen unseren Familien werden. Während es mir egal war und ich meine Jugend genoss und mit genießen meine ich in beiderlei Hinsicht genießen, war es Alexis nicht zu übersehen, wie ernst sie diese Sache nahm und meinte Ansprüche auf mich erheben zu können. Wenn ich mit einem anderen Mädchen ausging oder auf einer Party mit einer von ihnen nach einer Zeit verschwand, kriegte Alexis einen Nervenzusammenbruch vom aller feinsten.

Klar, wie waren ebenfalls ab und zu Mal ins Bett gelandet, doch dass ich dem keine Bedeutung schenkte war ihr als auch mit von Anfang an klar gewesen.

Alexis war hübsch, sie hätte jeden Kerl mit nur einem Fingerschnippen abbekommen können, doch sie hatte sich bereits vor unserer Verlobung schon ihre Traumwelt mit mir ausgemalt. Als ich letztlich durch einen heftigen Streit mit meinen Eltern eingewilligt hatte sie zu heiraten, ließ sie mir meine Fehltritte trotz dessen durchgehen. Ew störte sie nicht, schließlich so sagte sie, trug sie den Ring am Finger.

Ich schüttelte den Kopf, als mir ihre wahnsinnige Reaktion in den Sinn kam, als ich die Verlobung hingeschmissen hatte. Alexis hatte es runtergespielt, meinte mir den Freiraum geben zu können, weil ich sowieso irgendwann wieder zurück zu ihr kommen würde.

Und auch den Verkauf dieses Gemäldes, hatte sie als Sieg interpretiert, doch ganz gleich wie sehr ich ihr erklärte, dass es nicht klappen würde, desto mehr klammerte sie sich an mich.

Ich war damals kein netter Junge gewesen und natürlich tat sie mir leid. Ich hatte so oft versucht Alexis zu erklären, dass es nichts werden würde, aber sie wollte es nicht wahr haben. Also blieb mir nichts anderes übrig, als aus dem Nähkästchen meine alten Angewohnheiten herauszufiltern und sie gegen sie zu verwenden. Mein Desinteresse und meine Abneigung mussten irgendwann einem entschiedenen Schalter bei ihr umlegen, sie musste ihr Leben leben in das sichtlich ohne mich.

Efthalia schüttelte enttäuscht den Kopf, konnte meine Reaktion nicht nachempfinden.

»Ich liebe sie nicht ! Hörst du ? Ich liebe sie nicht. Ich habe sie noch nie geliebt und Alexis war sich dessen mehr als bewusst. Es war eine Allianz, die die Bindung unserer Familien stärken sollte. Ich liebe sie nicht

»Und sie.... was ist mit ihr ? Liebst du sie, Emran ? Ist es die Liebe, die das mit dir macht, die dich so verzerrt ?«

Ich erstarrte bei ihrer Frage, konnte ihr nicht antworten. Ich... Ich konnte nicht lieben. Die Liebe Tat mir nicht gut.

Als keine Reaktion von mir erfolgte seufzte Efthalia auf, wie als hätte sie das Handtuch geschmissen. Ihre nächsten Worte erfolgten sehr brüchig. Sie senkte den Blick und wollte mich nicht einmal anschauen.

»Weißt du... Langsam zweifle ich daran, dass du überhaupt jemand anderen als an dich selbst denken kannst. Vielleicht kannst du wirklich keinen Menschen lieben. Vielleicht bist du für solche Gefühle nicht geschaffen.«

Ich schluckte den Kloß runter, der sich augenblicklich bei ihren Worten in mir bildete, aber gegen ihre Worte protestieren konnte ich auch nicht.

»Mutter und Vater sind zurück. Ich werde einige Tage bei ihnen übernachten. Ich glaube, es ist das Beste, wenn wir uns die nächsten Tage nicht über den Weg laufen.«

Nun wurde ich aus meiner Trance gerissen, als ich erfasste, was sie da vorhatte.

»Das kommt nicht infrage ! Du kannst nicht bei ihnen bleiben. Nicht nachdem sie der Auslöser für diese Ehe zwischen dir und diesem Wixxer waren.«

Sie hob die Augenbrauen in die Höhe.

»Du gibst mir Befehle ?«

Scheiße. So sollte es nicht klingen!

»Ich finde keine Worte mehr für euch Männer... «, sagte sie und trat nun von einem Fuß auf den anderen nach hinten Richtung Tür.

»Efthalia bleib hier. So war das nicht gemeint.«

An der Tür erklang ein Klopfen, doch wir beide ignorierten diese. Efthalia überhörte bewusst meine Worte, als sie weiter sprach.

»Warum gibt es euch Männer eigentlich ? Ihr seid nichts weiter als ignorante, besserwisserische...«

Sie drehte sich beim Laufen abrupt um und knallte unerwartet mit einem Körper vor ihr zusammen. Unsicher schwankte sie einen Moment lang und schnappte erschrocken nach Luft, als sie bemerke, dass sie jeden Moment fallen würde.

Eine Statur von ca 1,85 fasste sie in dem Moment fest an der Taille und zog sie auf die Beine, sodass sie sich fest an dem Stoff des weißen Hemdes festhielt, der nun vor ihr stand. Die Tür stand offen, wir hatten nicht mitbekommen, dass kurz nach dem Klopfen die Tür aufgegangen war und nun erkannte ich auch denjenigen, der meine Schwester in den Armen hielt.

Die schicke Aktentasche und den maßgeschneiderte Anzug konnte ich direkt in eine Kategorie einordnen: spießige Anwälte.

Nur, dass der Mann mit den dunkelbraunen Augen, dem wachsamen und anzüglichen Blick alles andere als spießig war. Über Arslan Dalyanoğlu hatte die Stadt so einiges gehört, aber ganz und klar gehörte so ein langweiliges Wort wie spießig nicht in die Beschreibung des athletischen erfolgreichen Spitzenanwalts.

Nachdem ich mit ihm einen Termin vereinbart hatte, hatte ich mich hier und da über meinen damaligen Rivalen, den ich bis heute nicht leiden könnte, erkundigt. Wenn ich etwas gegen ihn in der Hand hatte, konnte ich meine Karten perfekt gegen ihn einsetzen, doch entweder hatte dieser Penner wirklich eine blitzblanke weiße Weste an, oder aber er wusste, wie er seinen Schmutz unter den Teppich zu kehren hatte, sodass es niemanden auffiel.

Ich mochte ihn nicht, deshalb tippte ich natürlich auf die zweite Variante, was mich sehr aufregte, da ich nichts gegen ihn nicht die Möglichkeit einer Chantage in Erwägung ziehen konnte.

Efthalia, die vor Schreck die Augen aufgerissen hatte, fielen erneut die Haare von der Seite ins Gesicht. Doch zu verängstigt war sie von dieser plötzlichen Nähe mit diesem fremden Mann, weshalb sie nur den Kopf in den Nacken legen, ihn verängstigt anblicken konnte und ihre Finger dabei immer noch vor Angst den Halt zu verlieren in sein Hemd presste.

Der Mann vor ihr, der zu meiner Studienzeit schon aufgrund seines Aussehens, ebensk wie ich, hervorgestochen war und der nun etwas älter wirkte, blickte ihr verwundert ins Gesicht, die Hand dabei immer noch an ihrer Hüfte platziert, derweilen die andere an ihrem Rücken verweilte.

Ich zog die Augenbrauen zusammen.

Finger weg !

Während sein Blick nun weicher wurde von ihrem Anblick, wurde Efthalia zunehmend unruhiger und irritierter durch seine Präsenz.

Aber im Sekundenbruchteil war ihre Wut gegenüber der Männerwelt wieder zurück. Heute gab es keinem Halt für Efthalia, dafür hatte ich sie zu zornig gestimmt.

»Hey ! Wer sind sie, was wollen sie von mir ?«

Panisch schaute sie ihn an, versuchte sich aus seinem Griff zu entwinden, aber er war immer noch die Ruhe in Person. Er lächelte und strich ihr sachte mit den Fingerspitzen die Haarsträhne weg, die ihr ständig vors Gesicht fielen. Efthalia zuckte zusammen, als seine Hand vor ihrem Gesicht auftauchte und mein Herz machte einen schmerzhaften Hüpfer.

Sie dachte, er würde sie schlagen, er würde die Hand gegen sie erheben...

Doch als sie langsam wieder die Augen öffnete und bemerkte, dass dem nicht so war, starrte sie ihn Sekunden lang an, als würde eine neue Spezies vor ihr stehen, die sie erst einmal analysieren müsste. Schnell hatte sie sich aber wieder gefasst und hob trotzig ihr Kinn an.

»Lassen Sie mich gefälligst los !«

Nun wurde Arslans Grinsen breiter und seine Hände lagen immer noch auf ihrem Körper, was mich zur Weißglut trieb.

»Also, so wie ich das jetzt beurteilen kann, sind sie doch diejenige, die ihre Finger nicht von mir lassen kann, Ma'am«, sagte er und deutete auf die Finger von Efthalia unter ihm, die sie in seine Brust vergraben hatte.

Erschrocken riss Efthalia schnell die Hände runter.

Arslan schien entzückt von ihrer Unbeholfenheit.

»Ich finde ihre Direktheit und ihr offenes Interesse mir gegenüber wirklich mutig. Doch bevor wir diese Etappe erreichen, sollten wir doch, wie ich finde einige Schritte zurückgehen und vielleicht mit einem einfachen Abendessen beginnen.«

Jetzt erhob ich mich. Na warte...
Doch ehe ich eingreifen konnte, stellte sich Efthalia taff vor ihm und stimmte die Hände an ihren Hüften ab.

Sie runzelte die Stirn, versuchte ihre Angst nicht zu zeigen, die sie nun gegenüber fast jedem Mann empfand und dessen Nähe sie nicht ertrug.

»Was zum... was fällt Ihnen ein ?«
Ihre Augen sprühten Funken, als sie ihm mit ihrem Blick in die Hölle persönlich beförderte und an ihm vorbeilief.

»Unverschämter Idiot«, hörten wir ihr aufgebrachtes Gemurmel, anschließend die Tür polternd aufgerissen wurde und sie den Raum verließ.

»Nun... So können Sie mich natürlich auch nennen. Freut mich ebenfalls ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, werte Dame«, rief er ihr hinterher und sein Blick verharrte einen kurzen Moment lang an der Tür, ehe er sich umdrehte und am Pult geradeaus meiner Wenigkeit begegnete.

Verschwunden war der erheiterte und sanfte Ausdruck in seinen Augen. Und erschienen war der skrupellose hartnäckige 28-Jährige, den ich in Erinnerung hatte. Ernst trat er vor mein Pult, hinter dem ich nur aufgestanden war.

»Dalyanoğlu.«

»Psarianos«, sagte er kühl, reichte mir seine Hand, während wir einen festen Händedruck austauschten, ehe er am Sessel vor mir Platz nahm, den ich ihm mit der Hand freiwillig anbot.

»Ich würde ja sagen, dass ich mich freue dich zu sehen, aber das wäre schlichtweg gelogen«, fügte er hinzu und ein freches Lächeln nahm Besitz von seinen Zügen.

»Erstaunlich, dass wir erstmals einer Meinung sind«, antwortete ich und begab mich zu meinen Reserveschrank, ehe ich auf die verschiedenen Flaschen deutete.

»Was kann ich dir anbieten ?«

Er winkte mit der Hand ab.

»Ich trinke nicht, danke."

Erstaunt hob ich die Augenbrauen in die Höhe. Ich hatte schon früher mitbekommen, dass es sich von Alkohol, Drogen oder anderen schädlichen Zeugs, angesichts seiner Religion fernhielt, doch dass er es weiterhin durchzog, verblüffte mich irgendwie schon.

Obwohl dieser arrogante und wachsamen Blick, mit dem er mein Zimmer überprüfte danach rief, dass er ebenso wie es getan hatte, nach einer Schwachstelle von mir suchte und ich ihm am liebsten wie zur Unizeit auch an die Gurgel gegangen wäre, konnte ich doch nicht anders, als Achtung für sein Verhalten zu empfinden. Er war einer der wenigen, der sich ernsthaft bemühte sich an die Normen seiner Religion zu halten. Vielen Leuten heutzutage fehlte der Wille und die Mentalität und ich hatte immer mehr schwer den Eindruck gewonnen, als würde die Religion großteils nur für die eigenen Zwecke missbraucht werden.

»Das ist also das Büro des großen Emran Rafail Psarianos. Dafür, dass du früher einen so grässlichen Geschmack hattest, sieht es hier gar nicht Mal so schlecht aus.«

Ich lachte verbissen auf.

Oh ja, dieser Hass zwischen uns beruhte ganz klar immer noch auf Gegenseitigkeit.

»Bist du eifersüchtig ? Oder warum warst du so besessen darauf dir ebenfalls einen Namen aufzubauen ?«

Damit spielte ich bewusst auf seinen Bekanntheitsgrad an. Wer wusste schon, vielleicht konnte ich ihm auf diese Weise Informationen entlocken, die sich als sehr hilfreich erweisen würden.

Sein bitteres Lächeln verschwand bei meinen Worten.

»Ich habe es nicht nötig in deinen Kreisen zu verkehren, Psarianos und das wissen wir beide.«

Nun wurde er wieder ernst, setzte sich gerade hin und legte seinen Aktentasche seitlich des Sessel ab.

»Spuck's aus, was willst du von mir ? Zugegeben, etwas verwundert war ich schon, als deine Nachricht mich erreichte. In den letzten drei Jahren war es zunehmend ruhig um dich herum. Keine Sexeskapaden, keine Skandalschlagzeilen.... da frage ich mich, was so wichtig sein kann, dass du dich an mich wendest ?«

Nun sackte auch mein Lächeln in sich zusammen und ich begab mich auf meinen Sessel, an dem ich mich niederließ.

»Ich möchte die Presse zum Schweigen bringen. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit an einer Auktion teilgenommen und eines meiner Gemälde versteigern lassen.«

Arslans Augen funkelten auf. Jetzt wurde er hellhörig, doch mir entging auch keineswegs der Ausdruck aus seinem Gesicht, der Erkenntnis kund gab.

»Ach... Jetzt verstehe ich.«
Lässig lehnte er sich in seinem Sessel zurück und blickte mich wissentlich an.

»Es geht um das Gemälde, was du dir von dir selbst wieder erkauft hast und um die mysteriöse junge Frau, nicht ?«

Ich konnte mich nicht davon abhalten, dass meine Gesichtszüge fielen. Er wusste davon ? Aber wie... ?

»Woher weißt du das ?«, fragte ich ruhig, um nicht durchblicken zu lassen, wie sehr es mich störte, dass er im Besitz dieser Information war.

»Psarianos, als Anwalt habe ich immer und überall meine Augen und Ohren. Auch wenn die Medien bis jetzt nichts davon berichtet haben, da gehe ich Mal von deinem Handwerk aus, kann man die hohen Tiere nicht zum Schweigen bringen. Du hast für sehr viel Wirbel an diesem Abend gesorgt.«

Meine Kiefer spannten sich an. Verdammt, es steckte wohl wirklich was dahinter, dass er als der Löwe unter den Anwälten galt. Er war gut. Sehr gut sogar...

Am liebsten hätte ich das selbstsichere Lächeln aus seinem Gesicht weggewischt, aber hier ging es nicht um mich, es ging um sie. Unmöglich konnte ich hier nicht den alten pubertierenden Emran herauslassen.

Ich hatte die Medien lange genug auf Trab gehalten, aber sie weiterhin mit Geld zum Schweigen zu bringen würde auf Dauer nicht klappen. Sie hatte hier einen Neuanfang gewagt. Den könnte ich ihr nicht nehmen.

»In was für eine Scheiße hast du dich wieder einmal reingeritten? Hast du irgendwelche krummen Geschäfte am laufen ?«

Ich verdrehte die Augen. Es juckte an meinen Fingern, je länger ich seinem provokantes Lächeln gegenübersaß.

»Es ist mir egal, was die Medien über mich sagen. Hier geht es nicht um mich. Von mir aus kann jeder erfahren, dass ich mein eigenes Gemälde erworben habe. Für mich ist viel wichtiger, dass über die Dame an dem Abend nichts berichtet wird. Sie soll aus den ganzen Angelegenheiten herausgehalten werden. Ich möchte, dass sie in Ruhe gelassen wird von den Medien... und von mir.« Die letzten Worte waren zwar ein Flüstern, doch sie waren mir trotzdem versehentlich über die Lippen gekommen.

Zum ersten Mal entgegnete mir Arslan Dalyanoğlu mit keinem provokanten Kommentar, sondern blickte mich konzentriert an, als er verstand, dass es hier um ihr Wohl ging, nicht um meins.

Zudem fragte er nicht nach in welcher Verbindung ich zu ihr stand, sondern antwortete lediglich mit einem:

»Verstehe.«

Erleichtert stieß ich unauffällig die Luft aus meiner Lunge raus.

»Kriegst du das hin ? Ich weiß, dass die Pressefreiheit einen ...«

»Das wird ein Klacks«, kommentierte er dies gelassen und ich nickte.

»Wie viel möchtest du dafür ?«, fragte ich und kramte mein Checkbuch aus dem seitlichen Fach meines Schreibtischs heraus. Da Arslan und ich keine sonderlich rosige Beziehung führten, wusste ich, dass er mich ausplündern würde. Aber Geld spielte in dieser Sache keine Rolle für mich. Ich würde ihm jeden Betrag zahlen, wenn sie dafür ihre kostbare Privatsphäre weiterhin behalten konnte.

Arslan fuhr sich nachdenklich über die Bartstoppeln, schwieg aber, als ich auf eine Antwort wartend zu ihm blickte. Dann schlich sich wieder dieses gehässige Lächeln auf seine Lippen, was nichts Gutes zu verheißen hatte.

»Ich will dein Geld nicht. Du sollst nur zugeben, dass du mich brauchst. Dass du, Psarianos auf mich angewiesen bist.«

Ich lachte spöttisch auf.

»Du verdammtes Arschloch«, rutschte es recht unseriös aus mir heraus.

»Das du dich nie ändern wirst, war mir klar. Die vielen Nasenbrüche und Gehirnerschütterungen haben wie es scheint noch mehr Schaden in deinen Kopf angerichtet. Ich kann dir da gerne wieder auf die Sprünge helfen.«

»Und ich glaube die vielen Krankenhausaufenthalte meinetwegen haben zu einem Gedächtnisverlust bei dir beigetragen. Du weißt doch, dass ich doppelt so hart zurückschlage, Dreckskerl«, antwortere Arslan locker.

Nun, da wären wir wieder, in einer aussichtslosen Ausgangslage wie damals: Zwei Dickköpfe, die sich nie und nimmer einigen würden.

Abrupt flackerten hingegen ihre Angst erfüllten Augen wieder vor meinem Gesicht auf, ihr Kummer, ihr Verlust...

Ich streckte meine Hand aus. Mit zusammengebissenen Zähnen sagte ich:

»Fein, wenn du dein armseliges Ego auf pushen willst, dann nur zu. Ich brauche deine Hilfe.«

Schmunzelnd und siegessicher stand er auf und reichte mir ebenfalls die Hand zu einem festen Händedruck.

»Dann haben wir einen Deal.«

Er wollte sich gerade abwenden, da hielt er plötzlich in seiner Bewegung inne.

»Eine Sache gäbe es da noch: Wer war die junge Frau, die zuvor dein Büro verlassen hatte ?«

Die Art und Weise wie er danach fragte und wie aufmerksam er eine Antwort erwartete, ließen mich rot sehen. Mein Händedruck wurde fester, sodass ich seine Hand fast einklemmte. Er bemerke, dass etwas nicht stimmte, gab aber nicht zu bekennen, wie schmerzhaft der Griff war, sondern erwiderte diese ebenfalls fest.

»Meine Schwester.«

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