Dienstag, 27. Dezember

5:37 Uhr morgens.

Ein leises tropfen war am Ohr des Teenagers zu hören, als eine weitere Träne sein Kissen berührte. Er hatte bereits aufgehört sie zu zählen und es kamen immer mehr.

Es war ja nicht mal so, dass er irgendwie das Bedürfnis hatte aufzuschluchzen oder zu schreien. Sein Herz tat auch nichtmehr so wirklich weh.

Die Tränen flossen einfach aus seinen Augen und er konnte es nicht mal stoppen. Das Einzige, was er tun musste war aufzupassen, dass sie ihm nicht weiter in die Ohren liefen und seine Kopfhörer zerstörten, welche auf vollkommener Lautstärke irgendeine Playlist abspielten.

Ab und zu tauchte in seinem Kopf die Warnung der Handys auf, die einen vor zu langem hören auf dieser Lautstärke warnten, doch was hatte er schon zu verlieren. Klar sein Hör-Sinn, aber andererseits sprach auch nicht wirklich einer mit ihm. Zumindest war das Gespräch meist negativ und unnötig.

Als sich eine weitere Träne aus seinem Augenwinkel löste und diesmal wieder seine Kopfhörer traf, setzte sich der Teenager auf. Er konnte es nicht riskieren die Kopfhörer zu verlieren. Sie waren, neben seinen Fantasiewelten, die einzige Sache, welche ihm noch einigermaßen aus dieser Welt heraushalf. Sie gaben ihm die Kraft für einige Zeit einfach atmen zu können, ohne den dauerhaften Schmerz in seinem inneren zu ertragen.

Der nächste Blick zur Uhr ließ ihn sich erschrocken wieder zurück in sein Bett legen. 8:09 Uhr und er hatte kein Auge zugetan. Andere würden sich jetzt aufregen, wegen ihrer Augenringe, doch bei Jungkook konnte man nichts dergleichen erkennen. Er hatte seine normalen Augenringe, die nie weggingen, egal, wie viel oder wenig er schlief.

Seufzend öffnete er Wattpad erneut an seinem Laptop.

Es hatte sich, bis auf den veränderten Namen, nichts getan, ganz im Gegensatz zu seinen Gedanken.

Beim letzten Buch hatte er ein Skript. Hier brauchte er keins. Er würde es seinen Gefühlen und Gedanken überlassen. Freiwillig lesen wird es sowieso niemand.

Vielleicht würde es nach seinem Tod irgendwann mal berühmt werden. Es könnte als Schullektüre gelesen werden. Zumindest, wenn alle Deutschlehrer so waren, wie seine. Sie hatten aus einen ihm nicht erklärbaren Grund ein fable für suizidale Bücher.

(Kapitel 1) 27.12.2022 – Dear Diary...

... ich hatte nicht wirklich erwartet, dass ich mich in so einer Lage wiederfinde. Wer hätte schon ahnen können, dass Yoongi Hoseok wirklich küsst und dann auch noch mit einer solchen Leidenschaft... Er hat irgendwen gewaltig angelogen, doch ob es Hoseok, sich selbst oder mich war ist dabei eigentlich egal. Es ist geschehen und ich kann es nicht ändern...

(Kapitel 2) 28.12.2022 – Dear Diary...

... wollen wir eine Wette abschließen? Wann wird wohl das erste Bild auf Instagram sein. Eines, wie es jedes Paar postet. Mit verschränkten Händen und als Unterschrift

‚I Love You forever'...

Der Orangehaarige hatte ihn damals förmlich dazu gezwungen wieder ihren Profilen zu folgen. Dafür folgten sie ihm jedoch nicht, worüber der Älteste ganz zufrieden war. Er konnte auf Instagram schließlich nicht zeigen, wie toll sein Leben war.

(Kapitel 3) 29.12.2022 – Dear Diary...

... es ging schneller als erwartet. Jimins Story ist voll von ihnen...

Nachdem er das dritte Kapitel gespeichert hatte sah Jungkook wieder auf sein Handydisplay.

Jimin hatte sich nicht dafür interessiert, warum er gegangen war. Dafür war sein Interesse bei dem neuen Pärchen offensichtlich auf 100%. Es wirkte fast so, als wenn er mehr die Beziehung fühlte als alle anderen.

Auf fast jedem Bild waren die beiden Freunde knutschend zu sehen. Dabei war Yoongi immer irgendwie verrenkt und Hoseok musste sicher Rückenschmerzen bekommen haben. In den Augen des Schwarzhaarigen passten sie absolut nicht zusammen.

(Kapitel 4) 30.12.2022 – Dear Diary...

... es gibt genau zwei Kategorien von Pärchen. Das erste ist, wo man sich denkt: „Ja, die passen perfekt zusammen. Wann kommen die Kinder?". Und dann gibt es die, wo man sich fragt: „wie seid ihr zusammengekommen? Eine verlorene Wette?" Und genau dazu gehören Yoongi und Hoseok... zu der zweiten Kategorie.

Er musste schon zugeben. Das, was er schrieb, war nicht nett und sollten sie es irgendwann lesen, würden sie ihn vermutlich hassen. Aber dann würden sie wenigstens irgendwas ihm gegenüber empfinden und er wäre nichtmehr das kleine, unsichtbare Anhängsel, was man zum Reden hatte, wenn alle anderen Stellen besetzt waren.

„Jungkook!" – seine Mutter schrie aus der Küche nach oben und wenn er nicht schon längst wach gewesen wäre, dann wäre er es jetzt. – „Frühstück! Ich weiß, dass du wach bist!"

Ja, das Frühstück. Neben Weihnachten die am belastendste Tradition. Wer auch immer auf die Idee kam, dass gemeinsame Mahlzeiten zu sich zu nehmen das Band der Familie stärkte und eine gute Familie ausmachte, hatte diese Last auf jeden Fall nicht zu trage.

Sich seinen übergroßen Hoodie überwerfend stiefelte der Schwarzhaarige zu seinen Eltern hinunter. Dass es sich bei dem Hoodie um den handelte, den er seit Anbeginn der Ferien trug interessierte ihn nicht. Vermutlich muffelte er schon, doch durch seine verstopfte Nase konnte er es eh nicht riechen. Und mit etwas Glück würde es dafür sorgen, dass er den Frühstückstisch vorzeitig verlassen könnte.

„Guten Morgen." – Vater, er saß bereits am Tisch und las auf dem Tablett die News vom Tage.

„Morgen." – es war mehr ein brabbeln, welches aus Jungkook Mund kam. Er war noch nie ein Morgenmensch und das würde er in den letzten 4 Tagen seines Lebens auch nichtmehr werden.

„Guten Morgen. Setzt dich." – seine Mutter war deutlich zu gut gelaunt.

Sich an den Tisch setzend öffnete er sein Farmspiel auf dem Handy. Hierbei handelte es sich um das einzige Spiel, welches seine Eltern am Essenstisch tolerierten, da sie es selbst spielten.

Nach 20 Minuten begann seine Mutter einfach zu essen. Er hatte kein Problem damit. Umso schneller seine Eltern fertig waren, umso schneller konnte er wieder nach oben.

Um 10:55 Uhr begann sein Vater dann endlich auch mit dem Essen, welches sich durch die langsame Auswahl seines Belags, den er auf seinem Brot haben wollte bis 12:15 Uhr hinzog.

Inzwischen tippte Jungkook nur noch auf seiner Farm herum, da er nichts mehr wirklich machen konnte. Er könnte zwar auf Wattpad gehen, um mal wieder zu lesen, doch dann würden seine Eltern wieder auf die Idee kommen, dass er ja mal laut vorlesen könnte.

Irgendwie war es das Hobby seiner Eltern ihn in unangenehme Situationen zu bringen und ihn zu demütigen.

„Jungkook. Leg mal das Handy weg. Willst du nicht auch mal was essen?" – seine Mutter sah ihn auffordernd an.

„Nein, hab kein Hunger." – es war nicht mal gelogen. Er hatte einfach kein Appetit. Ob es am Liebeskummer oder seiner Body-Dysmorphia lag, war ihm egal.

„War ja wieder klar. Da mache ich dir einmal deine Brötchen fertig, genau wie du es magst und du isst nichts." – und da war er wieder. Der Vorwurf, der an diesem Morgen schon längst überfällig gewesen war.

„Tut mir leid. Ich esse es später okay?" – entschuldigend hob er die Hände. – „Wenn ihr fertig seid, dann gehe ich wieder hoch."

13 Uhr

Seufzend schmiss er sich wieder zurück aufs Bett. Der Tag war praktisch schon gelaufen und er hatte keine Motivation irgendwas zu machen. Nicht mal seine Lieblingsserie schaffte es ihn dazu zu motivieren sie zu sehen.

(Kapitel 5) 31.12.2022 – Dear Diary...

... es gibt so Sachen, da würde ich auf Grundlage von Filmen sagen, es sei ein Gesetzt. Zum Beispiel, dass Mütter sofort wissen, wenn was mit ihrem Kind nicht stimmt.

Zum Beispiel: Bei Liebeskummer.

Ich kann für die Nachwelt festhalten, es stimmt nicht...

(Kapitel 6) 31.12.2022 – Dear Diary...

.. ach und happy new year.

Es graute Jungkook schon vor dem Neujahrsabend. Obwohl, wenn alles glatt lief, würde es gar nicht so schlimm werden. 

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