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Mein Verwirrung nimmt kein Ende. Ich denke die ganze Nacht nach und weiß nichts wirklich mit mir anzufangen. Ich frage mich, warum ich so ausgerastet bin und was in mich gefahren war. Meine Vergangenheit holt mich weiterhin ein und meine längst vergangenen Taten sind ein großer Teil davon.
Direkt vor meinen Augen sehe ich das erschrockene und breites tote Gesicht meiner ehemals besten Freundin, als stände sie vor mir. Mir ist klar, dass das nicht real ist. Sie kann nicht mehr hier sein, weil es sie nicht mehr gibt. Sie ist irgendwo im Meer. Denn sie ist durch meine Zähne, durch meinen Durst gestorben. Nur, weil ich mich nicht mehr unter Kontrolle hatte.
Ich presse meine Lippen aufeinander, als könne ich meinen Erinnerungen damit ein Ende setzen.
Könnte ich das Geschehene ungeschehen machen, dann würde ich das tun. Egal wie und was. Ich würde selbst mein 'Leben' dafür hingeben. Für sie und für meinen kleinen Bruder. Aber es gibt keine Möglichkeit.
Erschöpft lege ich den Kopf in den Nacken und lehne ihn gegen die Wand. Ich vermisse sie und den Rest meiner Familie. Liebend gern würde ich sie wiedersehen, aber das kann ich nicht verantworten. Hatte mein Bruder die Möglichkeit... Ich glaube, er wöllte mich nie wieder sehen und das kann ich vollkommen nachvollziehen.
Gegen 6 Uhr werde ich rausgebracht.
Ich stelle mich nach der Ansage wie gewohnt hin und erwarte die Sicherheitsmaßnahmen, die heute jedoch ausbleiben. Zumindest teilweise. ,,Guten Morgen", ertönt ihre Stimme. Ich möchte mich umdrehen und nachsehen, ob meine Vermutung korrekt ist, aber das würde hier jeden in Panik versetzen. Stattdessen bleibe ich stehen und warte ab.
,,Heute hol ich dich mal ab", fügt sie fröhlich hinzu.
Es ist wirklich Irina.
Sie steht neben mir und sieht mich mit einem stechenden Blick an. Ich spüre ihre Augen qan mir hängen, reagiere aber darauf nicht weiter. Ich sehe sie nicht einmal an.
Sie legt die Handschellen an, der Rest bleibt jedoch aus. Ich bin natürlich verwundert und sehe sie dann doch an. ,,Ich denke Sie werden mir nichts tun, deswegen wird das reichen", lächelt sie mich an.
Ich bin komplett überrumpelt.
Soetwas habe ich nicht erwartet. Freundlichkeit gehörte hier nie an die Tagesordnung. Stattdessen wurde ich immer so behandelt, wie ich es keiner Person wünschen würde. Immer wurde ich misshandelt. Immer gefoltert. Aber sie geht völlig anders mit mir um. Menschlicher.
Als wir in den Korridor treten, bin ich sogar noch überraschter. Ich sehe andere Türen, an denen verschiedene Codes mit schwarzer Farbe angebracht sind. Ich werde als V-5-7-6 bezeichnet. Auf der anderen Seite steht V-5-7-7. Die Zahlen-Kombination geht immer weiter, so weit ich sehen kann. >>Ich... bin nicht die Einzige... Was hat das zu bedeuten?<<, denke ich fast ein wenig panisch. Alles ist weiß und steril. Wie man sich halt eine geheime Regierungseinrichtung vorstellt. Modern, steril und weiß. Ich bin geschockt, als ich sehe, dass eine weitere Person aus einem Raum geführt wird. Sie trägt, so wie ich jedes Mal, eine Augenbinde und diese Kopfhörer. Der Wachmann hinter der Person wirkt verwundert, als er mich sieht. Irina holt mich natürlich nicht allein, 2 Wachmänner sind auch dabei. Ich kann sie sehen. Ich kann alles sehen, ohne dass ich angeschrien werde.
Irina führt mich zu den Raum in dem wir das letzte Mal auch waren.
>>Ich fasse es nicht. Ich.. bin nicht allein<<. ,,Sie können gehen. Den Rest erledige ich", sagt Irina zu den Männern. Sie nicken nur und gehen. Als wir in ihrem Büro sind und sie mir die Handschellen entfernt hat, bietet sie mir wieder den Sessel an. Dieses Mal zögere ich nicht und setze mich ohne zu zögern hin. ,,Ich möchte Ihnen heute nochmals sagen, dass es hier keine Kameras gibt. Sonst würde ich heute nicht mit Ihnen über dieses Thema sprechen", beginnt sie in einem bestimmenden Ton zu sprechen. Verwundert sehe ich in ihre Richtung. Sie scheint irgendwas in dem Schränken zu suchen, findet es aber nicht. Deswegen setzt sie sich dann mir gegenüber in den Sessel. ,,Ich frage Sie erneut: Wollen Sie mir heute erzählen wie Sie heißen?" Ich richte meinen Blick auf meine Füße, damit ich sie nicht ansehen muss. ,,Gut, dann werde ich anders heute anfangen. Ich weiß, was Sie sind, okay? Sie heißen nicht umsonst V-5-7-6." Sie achtet dabei sehr stark darauf das sie das V genau betont. Meine Pupillen wandern sofort zu ihr hoch. >>Und was ändern Sie damit? Jeder weiß, was ich bin<<, denke ich unbeeindruckt. ,,Das V am Anfang Ihres Codes steht für Ihre Spezies", sagt sie mit einem strengen Blick im Gesicht. >>Wooow<<, denke ich mit Ironie, >>Das verändert ja alles! << ,,Ich weiß, dass Sie mir nicht vertrauen. Aber vielleicht irgendwann? Ich erzähle Ihnen mein größtes Geheimnis. Ich hoffe, Sie erzählen es niemanden, aber da sie ja eh nicht sprechen, gehe ich mal davon aus." Ich verdrehe die Augen. Wenn die Leute hier so schnell auf etwas reinfallen, dann tut es mir leid.
Ich bemerke ein Zögern ihrerseits. Es kommt ein wenig so rüber, als hätte sie es ein wenig eilig, als würde sie unter Zeitdruck stehen. >>Ob das wohl wegen mir ist?<< ,,Ich bin das Gleiche wie du." Ihre Worte hallen wie ein Echo in meinem Gehirn. >>Sie...?<< Ich kann es fast gar nicht fassen. Leicht aufgeregt rutsche ich auf dem weichen Sessel umher. >>Das V steht für meine Spezies. Das heißt, es gibt mehr von meiner Spezies hier?<< ,,Du bist nicht die einzige Person, der es so wie dir geht. Es gibt Tausende von uns. Einige sind hier eingesperrt, doch das ist nicht richtig!" Ich habe das Gefühl, dass sie mir helfen möchte, auch wenn ich nicht weiß warum und was ihr Grund dafür sein könnte. Aber ich weiß, dass sie mich gerade nicht anlügt. Das Gesagte klingt nach der Wahrheit und das kann ich spüren.
,,Meg", sage ich mit kratzender Stimme.
Seit dem ich hier bin, habe ich nicht gesprochen. Kein Wort. Und jetzt habe ich mit ihr gesprochen und ihr sogar meinen Namen verraten. Sonderbar anders fühle ich mich danach nicht. Warum auch? Ich kann ja sprechen, doch ich habe es seit langer Zeit nicht getan.
,,Freut mich, Meg", lächelt sie. Sie wirkt erfreut über meine Entscheidung. ,,Meg, ich lebe da draußen ohne Probleme. Ich weiß wie schwer es für dich gewesen sein muss. Aber du bist einfach noch nicht in der Lage deine Fähigkeiten zu kontrollieren. Aber das kann man lernen! Es gibt so viele von uns da draußen!" Irina wirkt total überzeugt von sich, was ich nicht verstehen kann. Wenn sie denn so friedlich da draußen lebt, warum ist sie dann hier?
Ich sehe sie misstrauisch an.
,,Meg, du musst mir glauben!", meint sie. Ich räuspere mich. ,,Habe ich Ihnen das 'Du' angeboten?", murmele ich. Zwar bringt meine Frage sie kurz aus der Fassung, doch danach beginnt sie zu grinsen und lehnt sich vor zu mir. ,,Ich glaube nicht, dass das jetzt ein Problem darstellt." Sie fixiert meine Augen und sieht mich eindringlich an. Erst als ich leicht erröte, lehnt sie sich wieder an. ,,Mein Ziel ist es, dich hier raus zu holen. Genau wie der Rest der Häftlinge hier", sagt sie. Ich sehe zur Seite. ,,Was soll das?", sage ich nun völlig unbeeindruckt. Für einen kurzen Moment wirkt Irina komplett überrumpelt. Sie stöhnt auf. ,,Wir haben von dieser Einrichtung gehört. Das alles hier ist nicht mal erlaubt! Die Regierung hat diese Einrichtung erschaffen, damit unter den Menschen keine Panik ausbricht und dass sie uns ausrotten können." Mein Gesichtsausdruck sagt alles über meine Gedanken aus. Ich bin trotzdem der Meinung, dass wir Monster sind.
Sie sieht mich lange und durchdinglich an, bis sie zu lachen beginnt. ,,Du glaubst mir nicht, hab ich recht?"
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